8. KAPITEL

Sprachlos stand Abby da und blickte Zachary nach. Ihr erster Impuls war, ihm nachzugehen, aber ihr Gefühl sagte ihr, dass sie es besser nicht tun sollte. Was konnte sie auch schon ausrichten? Wollte sie ihm etwa ihr Mitgefühl ausdrücken? Ihn trösten? Sich dafür entschuldigen, dass sie sich wie ein bockiges Kind aufgeführt hatte?

Zitternd schlang sie sich die Arme um den Oberkörper, während Zachary hinter der Bucht verschwand. Nein, das Letzte, was er jetzt brauchte, war sie.

Seine Frau.

Seine verstorbene Frau.

Auf einmal ergab alles einen Sinn: seine Probleme mit der Nähe zu einer Frau, seine Arbeitswut, der Blick, als er nach einer unruhigen Nacht erwachte.

Warum hatte ihr niemand etwas davon gesagt? Warum hatte Zachary es ihr nicht gesagt? War der Verlust so schwer und sein Trauma, weil er sie nicht retten konnte, so schmerzlich, dass er nicht darüber reden konnte?

Und sie hatte alles wieder wachgerufen, indem sie von ihm wegschwamm, als sie ihn am Strand sah.

Sie hob ihre Sachen auf und ging langsam über den Sand. Natürlich trauerte er noch um seine Frau. Letzte Nacht … Was hatte sie getan? Aber eine Nacht, hatte er gesagt.

Und die Nacht war vorbei.

Als sie bei der Hütte ankam, nahm sie ihre Kosmetiktasche und ging zu den Waschräumen, wo sie sich unter die Dusche stellte. Wenigstens war sie hier nicht von glatten Fliesen und Zacharys Duft umgeben, sondern von Estrichboden und Chlorgeruch. Was sie in ihrem Entschluss bestärkte, sich dringend eine eigene Bleibe zu suchen.

Sie stieg gerade wieder aus der Dusche, da hörte sie das Knattern von Rotorblättern. Als sie aus dem Waschraum kam, sah sie, wie der Hubschrauber landete, Zachary seine Tasche hineinwarf und einstieg. Dann setzte er sich Kopfhörer auf, und der Hubschrauber hob wieder ab.

Irgendwie schaffte Abby es, die Rückreise zu überstehen, auch wenn sie weder dem vorzüglichen Büfett auf der Jacht noch der Tropenidylle um sie herum etwas abgewinnen konnte. Zum Glück ließ Vince sie in Ruhe, denn der war mit der Blondine von gestern Abend beschäftigt.

Der Minibus setzte sie am Capricorn Center ab. Abby war sicher, dass Zachary sich bereits in die Arbeit gestürzt hatte. Sie mussten über das sprechen, was geschehen war.

Er war nicht da, und die Aushilfe, die Tina für ein paar Tage vertrat, erzählte, Zachary hätte sich für den Tag abgemeldet.

Falls der Kundenstrom weiter so blieb wie in den ersten zwei Tagen, würde „Good Vibrations“ sehr erfolgreich werden. Abbys Terminplan war voll.

Aber ihre Nächte waren einsam.

Am dritten Morgen sah Abby in Tinas Büro vorbei. „Hi, Mrs. Langotti. Willkommen zurück.“

Tina strahlte. „Hi, Abby.“

„Na, wie war’s? Ach, was frage ich? Die Insel ist ein Traum!“

„Nur zwei Tage … und Nächte.“ Tina strahlte. „Nicht lange genug, auch wenn ich selig war, als ich Danny wiedergesehen habe.“ Sie kam um den Schreibtisch herum, um Abby zu umarmen. „Zachary und du, ihr habt die Magie der Insel ebenfalls genossen, wie ich festgestellt habe.“

„Oh, das …“

„Ich finde es schön“, fuhr Tina fort. „Du bist genau die Frau, die Zachary jetzt braucht.“

„Zachary ist nicht bereit für eine richtige …“

„Abby, meine Liebe, nach allem, was ich auf der Tanzfläche gesehen habe, ist er bereit. Und das wurde auch Zeit.“

„Ich hatte keine Ahnung, dass er verheiratet war“, sagte Abby und trat an das große Fenster. „Warum hast du mir nichts davon gesagt?“

„Das wollte ich lieber Zachary überlassen“, antwortete Tina.

„Er hat mich in sein Haus aufgenommen, hat mir einen Praxisraum gegeben, war aufmerksam, anständig und ehrlich zu mir. Nur dieses sehr wichtige Detail erwähnte er nicht.“

„Und dadurch ist jetzt alles anders?“, fragte Tina.

Ja. Ich liebe ihn.

Sie liebte einen Mann, der außerstande war, ihre Liebe zu erwidern.

„Wie ist es passiert?“, fragte sie Tina.

„Ihr Wagen stürzte von einer Brücke. Zachary fuhr hinter ihr und sprang ihr nach, aber sie steckte im Auto fest. Er konnte gar nichts tun. Beinahe wäre er auch ums Leben gekommen.“

„Die Narbe auf seinem Schenkel“, murmelte Abby.

„Ja. Diane war meine beste Freundin. Wir drei sind zusammen aufgewachsen, und mir fehlt sie bis heute.“

„Das tut mir leid.“

„Ja. Ich habe übrigens ein Bild von ihr, das ich auf meinen Schreibtisch stellen wollte.“ Tina ging zu einem Stapel Kartons, wühlte einen Moment und holte dann ein gerahmtes Foto von Zachary und Diane mit Tina und Nick hervor.

Abby betrachtete Diane, die ohne Weiteres ein Model oder Filmstar hätte sein können. Sie sah elegant aus und trug ein Kleid, das mehr gekostet haben dürfte, als Abby im Jahr verdiente. Zachary und Diane wirkten wie eines dieser erfolgreichen Paare, die man auf den Titel von Hochglanzmagazinen fand.

Sie gab Tina das Foto zurück. „Ich wünschte, er hätte es mir eher gesagt.“ Bevor ich mich zur Idiotin gemacht habe.

Als sie wieder in ihrer Praxis war, mischte sie Zedern-, Jasmin- und Ylang-Ylang-Öl für die Aromaleuchte, doch statt sich auf ihren nächsten Kunden zu konzentrieren, war sie in Gedanken bei Diane.

Wie sehr musste Zachary sie geliebt haben, dass er sein Leben aufs Spiel setzte. Hatte Diane gewusst, wie viel sie ihm bedeutete? Vor allem, hatte sie zu schätzen gewusst, was für ein Juwel von Mann sie geheiratet hatte? Natürlich hatte sie das. Die beiden kannten sich seit der Kindheit, liebten sich über Jahrzehnte. Kein Wunder, dass er sich allen Gefühlen verschloss und nie wieder lieben wollte. Er mochte Abby auf körperliche Weise begehren, aber mehr auch nicht.

Seine Liebe gehörte nach wie vor seiner Frau.

Zachary saß in der Business-Class eines Fliegers, der ihn von Sydney zurück nach Hause bringen sollte, und beobachtete, wie die Stadt unter einer Wolke verschwand.

Seine Familie war überrascht gewesen, ihn zu sehen, zumal er nach zwei Tagen Camping draußen im Busch schmutzig und zerzaust ankam. Er hatte die Zeit allein gebraucht, um zu einer wichtigen Entscheidung zu finden. Dann hatte er alle Familienmitglieder zusammengetrommelt und ihnen erklärt, warum er Forrester Building Restorations verkaufen wollte.

„Möchten Sie etwas trinken, Sir?“, fragte ihn die Stewardess und klappte dabei seinen Tisch herunter.

„Bourbon mit Eis, bitte.“ Normalerweise trank er nie vor Mittag, aber heute musste er mit Abby reden, und das machte ihm beinahe so viel Angst wie die Szene am Meer. Sie verdiente viel mehr, als er ihr gegeben hatte, weshalb er alles versuchen würde, um es nachzuholen – vorausgesetzt, sie ließ ihn.

Er liebte sie.

Die Erkenntnis war erst vier Tage alt, kam also mehrere Wochen zu spät, und sie traf ihn immer noch mit einer Wucht, die ihm fast den Atem raubte.

Wäre der Moment auf der Insel nicht gewesen, hätte er vielleicht gar nicht begriffen, dass seine Schuldgefühle wegen Dianes Tod nichts waren im Vergleich zu dem Gedanken, er könnte Abby verlieren. Ohne sie war sein Leben leer.

Ihm fehlte ihr sonniges Lachen, die Art, wie sie die Schulter hob, wenn sie redete, wie sie ihn allein mit einem Blick, einem Wort oder einer Berührung glücklich machte, selbst wenn er alles tat, um sie zu ignorieren. Er liebte ihre Zuversicht, und dass sie nie infrage stellte, wie er sein Leben führte.

Abigail Seymour, die eigentlich überhaupt nicht zu ihm passte, hatte es geschafft, seine Mauern zu durchbrechen.

Diane war fort. Er hatte sie geliebt, und dennoch hatte er sie längst verloren gehabt, bevor ihr Wagen von der Brücke stürzte.

Er hatte seine Frau nicht vernachlässigt. Vielmehr waren sie beide ganz in ihrer Arbeit aufgegangen und hatten sich darüber auseinandergelebt. Trotzdem war Diane in den letzten Monaten anders gewesen. Unglücklich. Und sie hatte sich an jenem Abend betrunken hinters Steuer gesetzt. Er würde sich nie verzeihen, dass er es nicht geschafft hatte, ihr die Schlüssel wegzunehmen und sie aufzuhalten.

Aber wollte er sich deshalb für den Rest seines Lebens bestrafen?

Sobald das Flugzeug in Gold Coast gelandet war, fuhr er direkt ins Capricorn Center. Er hatte einiges zu erklären. Sicher war Abby noch wütend, wahrscheinlich auch verletzt.

Vielleicht sollte er sie zum Essen ausführen. Oder zu einem Spaziergang am Strand. Nein, der schied aus, denn oben brauten sich dunkle Wolken zusammen.

„Sie hat heute Nachmittag geschlossen“, sagte ihm die Friseurin im Laden neben Abbys Praxis, als er vor verschlossenen Türen stand. „Wie sie sagt, will sie eine Wohnung suchen.“

Die Nachricht traf Zachary wie ein Fausthieb. Warum wollte sie so überstürzt ausziehen? Er rieb sich den Dreitagebart. Nun ja, er wusste warum.

Er musste sie suchen. Aber vorher brauchte er dringend eine Dusche, eine Rasur und etwas Kühles zu trinken. Deshalb sollte er erst mal nach Hause fahren.

Als er vor seinem Haus hielt und die Vordertreppe hinauflief, war schon das erste Donnergrollen in der Ferne zu hören. Drinnen warf er seine Tasche aufs Bett, zog sich vollständig aus und stellte den Deckenventilator an. Dann ging er in die Küche, nahm sich ein Bier aus dem Kühlschrank und kehrte damit wieder ins Schlafzimmer zurück.

Von dort war er schon zwei Schritte ins Bad gegangen, ehe er merkte, dass alles voller duftendem Wasserdampf war.

Und dann sah er sie. Abby hockte auf allen vieren in der Dusche und schrubbte die Fliesen. Sie trug nichts außer einem winzigen weißen Tanga und einem BH. Und sie wiegte ihren praktisch nackten Po zu einer Musik, die nur sie allein aus dem MP3-Player hörte, der vor ihren Brüsten baumelte.

Das war nicht ganz so, wie er es geplant hatte.

Zieh dich zurück, bevor sie dich bemerkt. Leider hatte dieser Befehl noch nicht seine Füße erreicht, als Abby sich halb aufrichtete, um ihr Haar zu bändigen, von dem sich mehrere Locken aus dem Clip gelöst hatten. Und da sah sie ihn.

Erschrocken drehte sie sich zu ihm um.

Verdammt. „Wieso zum Teufel machst du um diese Zeit hier sauber?“, fragte er. „Du weißt doch, dass ich das nicht will.“ Er stellte die Dose etwas zu heftig auf den Waschtisch, sodass ihm einiges von dem Bier über die Hand spritzte.

„Was?“ Sie nahm ihre Kopfhörer raus und stand auf. „Ich hatte dich nicht erwartet“, sagte sie eilig und sah zu dem feuchten Handtuch, das auf dem Waschtisch lag. Bevor sie es aufnehmen konnte, griff Zachary allerdings danach und wickelte es sich eilig um die Hüften, um seine Erregung vor Abby zu verbergen.

„Was stimmt mit dem anderen Bad nicht?“, fragte er.

„Nichts, alles bestens, aber mein Duschgel war noch hier, und …“

Sie verstummte mitten im Satz – oder zumindest glaubte er das, denn er hörte sowieso nicht mehr zu. Ihre frisch geduschte Haut hatte einen zarten rosigen Glanz, und durch den dünnen BH zeichneten sich ihre Brustspitzen ab, was ihm nicht entging, obwohl er sich alle Mühe gab, nicht hinzusehen.

„Ich …“

„Tess sagte, du bist auf Wohnungssuche“, sagte er, und es klang wie ein Vorwurf.

„Bin ich … war ich … Zachary, das ist irgendwie merkwürdig.“

Hatte sie etwa schon eine Wohnung gefunden? Er ballte die Fäuste. Nein, danach würde er sie jetzt nicht fragen.

„Es tut mir leid“, flüsterte sie. „Ich gehe dann besser.“

Sein Magen krampfte sich zusammen, als sie an ihm vorbeigehen wollte. „Nein, geh nicht“, sagte er, umfasste ihren Oberarm und drehte sie zu sich. Noch ehe sie etwas erwidern konnte, küsste er sie und presste sie an sich, bis sich ihre Lippen unter seinen öffneten.

Er wollte sie. Jetzt.

Ungeduldig glitten seine Hände über ihren festen Körper. Er öffnete ihren BH und streichelte stöhnend ihre aufregenden Brüste, sodass sich die Spitzen an seiner Haut rieben. Doch das reichte ihm nicht.

Ohne den Kuss zu unterbrechen, hob er Abby hoch, drehte sich mit ihr um und setzte sie auf den Waschtisch. Er sah, wie ihre Augen sich verdunkelten. Mit dem Arm stieß er die Bierdose um, die vom Tisch rollte und überall Bier verteilte.

Abbys Hüften waren weiblich rund, kühl, stramm, die Innenschenkel glatt und verführerisch warm. Als er über das winzige Stoffdreieck zwischen ihnen strich, fühlte es sich feucht vor Verlangen an.

Sie nahm die Spange aus dem Haar, sodass sich ihre flammend roten Locken über ihre Schultern ergossen, und stützte die Hände hinter sich auf, um sich ihm darzubieten.

Mehr Ermunterung brauchte er nicht.

Er zerriss den Tanga, schob die Fetzen beiseite und zog Abby weiter nach vorn. Dann küsste er ihren Hals und ihr Schlüsselbein, während er erneut ihre Brüste streichelte.

Abby tauchte die Hände in sein Haar.

Tiefer. Schließlich war er dort, wo er hin wollte – nahe an ihrem Herzen. Er liebkoste eine ihrer Brustspitzen mit dem Mund, die andere mit den Fingern, bis Abby stöhnte und er mit der Hand tiefer wanderte.

„Ja“, hauchte sie hilflos, als er sie dort berührte, wo sie sich am meisten nach ihm verzehrte.

Dann bog sie sich ihm entgegen und schrie seinen Namen.

Sie anzusehen, wie sie den Kopf in den Nacken warf, sich an seine Schultern klammerte und erbebte, war atemberaubend.

Lebendig. Unglaublich wunderbar lebendig fühlte sie sich. Alles drehte sich noch, als Abby die Augen öffnete. „Zachary“, flüsterte sie mit belegter Stimme. „Bitte, sag mir, dass du Kondome hast …“

„Ja, gleich hier“, sagte er heiser und zog eine Schublade auf, ohne den Blick von ihr abzuwenden. Dann holte er ein Plastikpäckchen heraus.

„Beeil dich.“ Ihr Herz hämmerte so sehr, dass es ihr beinahe den Brustkorb sprengte. „Schnell.“

Endlich. Sie hielt den Atem an und schlang die Beine um Zachary, kaum dass er sich ein Kondom übergestreift hatte. Mit beiden Händen umfasste sie sein Gesicht, bis sie nichts mehr außer seinen unwahrscheinlich blauen Augen sah.

Und dann drang er in sie ein. Für diesen einen Moment gehörte er ganz allein ihr. Und es fühlte sich fantastisch an, ihn in sich zu spüren.

Es war wie ein Gewitter – Licht, Lärm und geballte Energie. Eine Vielzahl von Empfindungen durchfuhr sie, während sie sich seinem Rhythmus anpasste und die lustvolle Hitze genoss. Gleichzeitig hielten seine starken Arme sie fest, und sie gab sich ihm vor Lust stöhnend hin.

Die Wildheit, mit der er sie nahm, katapultierte sie binnen kürzester Zeit wieder in schwindelnde Höhen. Sie klammerte sich an ihn, biss ihm in die Schulter und fürchtete, sich vollkommen zu verlieren. „Halt mich“, flehte sie atemlos. „Lass mich nicht los.“

„Ich halte dich fest, Liebes.“

Seine zärtliche Stimme rührte sie fast zu Tränen. Sie konnte keinen klaren Gedanken mehr fassen, bis sie im nächsten Augenblick einen unfassbaren Höhepunkt erlebte.

Halb benommen merkte sie, dass Zachary sie hochhob und zu seinem Bett trug. Draußen regnete es, und die Luft, die zum Fenster hineinwehte, duftete grün und satt. Nachdem Zachary sich neben sie gelegt hatte, zog er ihren Kopf an seine Schulter.

Eine Weile später stützte sie sich auf einen Ellbogen auf und sah ihn an. Er hatte die Augen geschlossen und wirkte tatsächlich entspannt.

Bei dem Anblick ging ihr das Herz auf vor Liebe, und gleichzeitig fürchtete sie sich davor, sehr bald schon unter dem unweigerlich folgenden Trennungsschmerz leiden zu müssen. Gerade deshalb wollte sie den Moment auskosten, den sie Zachary betrachten durfte.

Sie hatte Dianes Foto gesehen, und seitdem wusste sie, dass sie schon rein äußerlich mit dem krausen Haar und den Sommersprossen nie zu Zachary passen würde. Sie war nicht sein Typ. Andererseits fühlte sie sich wohl, so wie sie war, und würde sich für niemanden ändern. Vorsichtig wollte sie ein Stück wegrutschen.

„Wohin willst du?“, fragte er schläfrig, drehte sich auf die Seite und zog sie an sich. Er war bereits wieder hart, was äußerst verlockend war.

Nein, nein, nein! Abby entwand sich ihm und setzte sich auf die Bettkante. In diesem Bett waren drei Personen: Abby, Zachary und seine verstorbene Frau Diane – oder vielmehr ihr Andenken. „Du brauchst eine Dusche“, sagte sie. „Ich bin in der Küche, wenn du reden willst.“

Mit diesen Worten stand sie auf und ging in ihr Zimmer. Ihre Hände zitterten, als sie sich Shorts und T-Shirt überzog und versuchte, ihr nun erst recht unbändiges Haar zu zähmen und nicht zu weinen.

Von der Küche aus, wo sie Salat schnippelte, um sich irgendwie abzulenken, hörte sie die Dusche laufen.

In dem Moment, in dem Zachary in die Küche kam, begegneten sich ihre Blicke, und für ein paar Sekunden war Abby wie verzaubert. Vor nicht einmal einer halben Stunde hatten seine Augen vor Leidenschaft gefunkelt. Nun jedoch war da etwas anderes. Reue? Verdammt, sie konnte seine Gefühle nicht deuten, solange ihre eigenen ein einziges Chaos waren.

Er trug Jeans und ein T-Shirt. Und er hatte sich rasiert. Das Messer, das Abby in der einen Hand hielt, glitt von der Karotte und über ihren Finger. Mist! Sie ging zur Spüle, um sich das Blut abzuwaschen.

„Lass mich mal sehen“, sagte er hinter ihr.

„Das ist bloß ein Kratzer. Ich mache ein Pflaster darauf.“ Sie ging zum Schrank, nahm den Erste-Hilfe-Kasten heraus und holte sich ein Pflaster, das sie über den kleinen Schnitt klebte.

„Hör auf“, sagte er, als sie das Messer wieder aufnahm. „Es tut mir leid.“ Er hob ihr Kinn, sodass sie ihn ansehen musste.

„Ich hätte es dir erzählen sollen.“

„Ja, das hättest du wirklich. Warum hast du es nicht getan? Dir muss doch klar gewesen sein, was ich für dich empfinde.“

„Ich wollte kein Mitleid, Abby. Seit einem Jahr gucken mich alle nur voller Mitleid an, und das wollte ich einfach nicht – nicht von dir.“

„Ich hätte dich nicht bemitleidet, sondern verstanden.“

„Das will ich genauso wenig, denn niemand versteht es wirklich.“

„Okay. Erzähl mir von Diane.“

Er rieb sich die Brust. „Was willst du wissen?

Alles. Nichts. Hast du sie geliebt? Blöde Frage. Bleib beim Alltäglichen. „Hat sie auch für deine Firmen gearbeitet?“

„Nein.“

„Ich bin nicht die Einzige, die findet, dass du zu viel arbeitest. War Diane berufstätig?“

„Ja, als Einkäuferin für eine Modekette.“

„Dann war sie oft unterwegs?“

„Sydney, Melbourne, gelegentlich auch Asien.“

„Allein?“

Er stützte eine Hand auf die Arbeitsplatte. „Ich hatte zu tun.“

Aha.

„An dem Abend, als sie starb, warf ich ihr vor, eine Affäre zu haben“, sagte er. „Ich werde nie erfahren, ob es stimmte oder nicht. Sie starb, bevor wir uns aussprechen konnten.“

Abby war zunächst verwundert. Aber im Grunde ergab dadurch alles erst recht einen Sinn. „Du gibst dir die Schuld.“

Er atmete langsam aus.

„Und wie lange willst du dich an diese Schuld klammern, Zachary? Vor wenigen Tagen hast du mir gesagt, du willst keine Beziehung, und die wirst du nie wollen, solange du dich nicht von deinen Schuldgefühlen freimachst.“

„Das war, bevor ich …“

„Bevor du vier Tage lang abgetaucht bist“, ergänzte sie. „Ich habe kein Wort von dir gehört, sondern erfuhr von der Vertretung in deinem Büro, dass du weggefahren bist. Sieht so eine intakte Beziehung für dich aus, Zachary? Aber nein, wir haben ja gar keine Beziehung!“

Da sie keine Ausreden hören wollte, ließ sie Zachary gar nicht zu Wort kommen, sondern fuhr fort: „Du weißt, wie ich für dich empfinde, aber mir reicht diese emotionale Achterbahnfahrt.“

Er schüttelte den Kopf. „Abby, bitte, gib mich jetzt nicht auf.“

Das wollte sie auch nicht, doch konnte sie sicher sein, dass er sie nicht wieder zurückwies? „Wir brauchen Abstand voneinander. Ich habe mit Tina abgemacht, heute Abend zu ihr zu kommen und sie zu massieren. Nick ist nach Brisbane gefahren und kommt erst morgen wieder. Und da ich in der Stimmung bin, reichlich zu trinken, schlafe ich bei ihr.“

„Ich könnte dich abholen.“

„Nein“, erwiderte sie streng. „Nutz die Zeit, um Arbeit aufzuholen. Deine Firma muss doch kurz vor dem Kollaps sein, nachdem du tagelang nicht gearbeitet hast.“ Ihr Sarkasmus ließ sich nicht vermeiden.

„Ich verkaufe Forrester Building Restorations. Es gibt bereits Interessenten.“

Ein Hoffnungsschimmer regte sich in Abby. „Na ja, das ist … doch schon mal ein Anfang. Gut. Und wie steht dein Vater dazu?“

„Ich war in Sydney und habe mit ihm und den anderen geredet. Sie verstehen es und sind einverstanden.“

„Prima. Dann hoffe ich, dass alles so klappt, wie du es dir vorstellst.“ Und bevor sie es sich anders überlegte, ging sie an ihm vorbei in ihr Zimmer, um sich eine Tasche zu packen.

Zachary war bereits fort, als sie losfuhr.