Melina hob glücklich den Kopf von Adams Brust und betrachtete den Mann, der ihr in kurzer Zeit so ans Herz gewachsen war. Sie war schon immer etwas sentimental gewesen, aber nachdem Adam sie nun geliebt hatte, konnte sie ihre Gefühle kaum noch im Zaum halten.
Sie war Peter Stakis unendlich dankbar, dass er Adam damals in der Botschaft dazu geraten hatte, lieber eine Frau zu heiraten, anstatt eine Haushälterin einzustellen. Ohne ihn wäre das nie möglich gewesen.
Sanft streichelte sie Adams immer noch heiße Brust. „Ich liebe dich.“ Allerdings sah sie in Adams Augen keine Liebe, sondern eher Zweifel.
Er rührte sich nicht.
„Adam?“ Melina sah ihn beunruhigt an, während er von ihr wich. Ein eiskalter Schauder lief ihr den Rücken herunter.
„Wir müssen unbedingt miteinander reden.“ Adam sah sie befremdet an. „Warum hast du mir nicht erzählt, dass es dein erstes Mal war?“
Melinas Herz wurde schwer. Anstatt froh darüber zu sein, dass er der erste Mann war, der sie berührt hatte, fühlte er sich von ihr geradezu hintergangen. Was für eine Ironie des Schicksals. „Welchen Unterschied hätte es denn gemacht? Wir sind doch immerhin verheiratet.“
Adam rieb sich die Schläfe. Es hätte sehr wohl einen Unterschied für ihn gemacht, wenn er von Anfang an gewusst hätte, dass sie noch Jungfrau war. Ihm hätte doch schon bei ihrem ersten Kuss auf der Hochzeit auffallen müssen, wie unsicher und unerfahren sie wirkte.
Adam verfluchte sich dafür, dass er nicht sensibel genug gewesen war, um zu merken, dass sie noch unberührt war. Er hätte wissen müssen, dass ihr traditionsreicher Hintergrund das von ihr verlangte … und noch schlimmer, dass ihre Ehe damit nun endgültig besiegelt war.
Leider konnte er aber keine feste Beziehung mit ihr eingehen, sosehr er sich auch zu ihr hingezogen fühlte. Sie hatten doch unter ganz anderen Voraussetzungen geheiratet. Er wollte, dass seine Tochter Jamie während seiner Geschäftsreisen versorgt war, und Melina hatte nur das Ziel, durch die Ehe eine Greencard zu erhalten. Das waren klare Absprachen, und jetzt? Wie konnte er nur so dumm sein und einen weiteren Fehler begehen?
„Es ist nicht deine Schuld, Melina, sondern meine“, sagte er schließlich. „Ich hätte es besser wissen müssen. Niemals hätte ich etwas mit dir anfangen dürfen, sondern mich an mein Versprechen halten müssen.“
„Hat es dir denn nicht gefallen? Ich dachte, dass die meisten Männer davon träumen, mit einer Jungfrau zu schlafen. So ist es jedenfalls in Griechenland.“
„Natürlich hat es mir gefallen. Darum geht es aber nicht. Wir hatten eine Vereinbarung, und ich habe mich nicht daran gehalten.“
In Wirklichkeit begehrte Adam sie nicht nur, er war sogar dabei, sich in sie zu verlieben. Und das war vollkommen unmöglich.
Er konnte die anzüglichen Statuen dafür verantwortlich machen, dass er schwach geworden war. Trotzdem hätte er sich niemals einfach seiner Lust hingeben dürfen.
„Eine Vereinbarung? Du meinst die Abmachung, dass wir uns nicht berühren dürfen?“ Melina sah ihn ungläubig an. „Das ist doch wohl nicht dein Ernst, oder?“
Sie hatte recht. Welcher Mann hätte in so einer Situation an irgendwelche Abmachungen gedacht?
Adam zuckte mit den Achseln. „So komisch dir das auch erscheinen mag, ich habe versucht, mich an unsere Spielregeln zu halten. Nur ist es mir dieses eine Mal leider nicht gelungen.“
Eigentlich hätte er wissen müssen, dass es absolut unrealistisch war, so eine Vereinbarung mit einer attraktiven Frau wie Melina zu treffen. Allein schon die Tatsache, dass sie Griechin war, hatte seine Hormone von Anfang an durcheinandergebracht. Außerdem verkörperte sie alles, was sich ein Mann nur wünschte. Aber dasselbe hatte er am Anfang von Jeanette auch gedacht. Konnte er noch einmal ein Risiko eingehen?
„Die Abmachung haben wir doch am Anfang unter ganz anderen Voraussetzungen getroffen“, erklärte Melina. „Aber jetzt ist sie nicht mehr gültig.“
Adam fühlte sich schuldig, weil Melina verletzt war. Sie hatte ihm ihre Gefühle gestanden, und er hatte alles einfach kaputt gemacht, indem er auf alte Regeln pochte. Dabei hatte er doch einfach nur Angst, dass sie ihn verlassen würde, sobald sie die Greencard hatte. Deshalb war er vorsichtig, wenn es darum ging, Gefühle in die Beziehung zu Melina zu investieren.
Adam konnte nicht wissen, ob sie wirklich ernst meinte, was sie sagte. Gut, sie hatten zwar unglaublichen Sex gehabt, und sie hatte gesagt, dass sie nun eine wirkliche Ehe führen wollte. Aber sie hatte noch nicht erwähnt, dass sie vorhatte, bei ihm zu bleiben – auch nach Erhalt der Greencard.
Wie konnte er nur zulassen, dass sein Verlangen über seinen Verstand siegte? Nun musste er die Konsequenzen ziehen. Ihm blühte wohl eine weitere Scheidung. Seine erste Trennung hatte so tiefe Narben bei ihm hinterlassen, dass er sich geschworen hatte, niemals mehr etwas Ähnliches durchzumachen.
Er hatte seine erste Ehe nicht kampflos aufgegeben. Das Problem war nur gewesen, dass er gedacht hatte, er müsse seiner Familie durch harte Arbeit etwas bieten. Stattdessen hatte sie einfach nur ihn gebraucht. Da er aber nie da gewesen war, hatte Jeanette ihn verlassen. Er hatte sich schließlich daran gewöhnt, Single und Teilzeitvater zu sein. Seitdem er sich jedoch ab und zu um Melina kümmern musste – und auch wollte –, wusste er, was er die ganze Zeit verpasst hatte.
Und nun?
Adam musste wieder auf Distanz zu Melina gehen. Hoffentlich war es dafür nicht schon zu spät.
Er zwang sich, aufzustehen und sich anzuziehen. Sobald er mit Melina seinen Frieden gemacht hätte, würde er alles tun, um ihre unvermeidbare Trennung so schmerzlos wie möglich zu gestalten. „Ich muss jetzt leider los.“
Melinas Herz zerbrach fast, als Adam aufstand und sich anzog. Sie fragte sich, wie er sie zurückweisen konnte, nachdem sie ihn geliebt und ihm ihre Gefühle offenbart hatte. „Geh nicht, Adam. Du hast recht, wir müssen uns unterhalten. Können wir nicht noch etwas bleiben?“
„Nein, ich fürchte nicht.“ Adam sah auf die Uhr. „Der Nachtwächter wird bald seine Runde drehen. Wenn er um diese Zeit noch Licht im Büro sieht, glaubt er, dass irgendetwas nicht in Ordnung ist.“
Adams Stimme klang nüchtern und kalt. Wie konnte dieser Abend, der so magisch begonnen hatte, so schrecklich enden? Was war auf einmal nur mit dem Mann los, der ihr vor Kurzem noch das Paradies gezeigt hatte?
Am nächsten Morgen verschmähte Adam das Frühstück, das Melina für ihn zubereitet hatte. „Tut mir leid, ich muss zur Arbeit. Ich habe ein Treffen mit neuen Kunden im Lagerhaus, und ich bin schon spät dran.“
„Willst du nicht wenigstens einen Kaffee?“ Melina beobachtete ihn, während er schnell einen Becher Kaffee trank. „Wann bist du wieder zurück?“
„Ich werde wahrscheinlich den ganzen Tag weg sein.“ Adam wich ihrem Blick aus, nahm seine Aktentasche und eilte zur Tür. „Wenn du nach draußen gehst, dann lauf nicht zu weit. Du möchtest doch nicht in der großen Stadt verloren gehen.“
Melina stiegen Tränen in die Augen, nachdem Adam die Tür hinter sich geschlossen hatte. Wenn er wüsste, wie verloren sie sich bereits fühlte.
Sie hatte das Gefühl, dass Adam nicht nur wegen der neuen Kunden den ganzen Tag außer Haus sein würde. Wahrscheinlich wollte er wieder Distanz zu ihr aufbauen. Das hatte sie in seinen Augen sehen können, als er an diesem Morgen aufgestanden war. Wie konnte er sich nur aufführen, als ob sie Fremde waren, nach allem, was sie gestern zusammen erlebt hatten?
Ihr einziger Trost war, dass Adam weiterhin im selben Zimmer schlief, obwohl Jamie nun nicht mehr da war. Er hatte ihr gestern Abend kurz vor dem Einschlafen erklärt, dass es besser so war, da sie jederzeit ungebetenen Besuch von der Einwanderungsbehörde bekommen konnten.
Da Adam gegangen war und auch Jamie nicht mehr durch die Flure tobte, kam Melina das Haus traurig und leer vor. Es war nicht mehr das Zuhause, das sie sich erträumt hatte. Sie tigerte durch die leeren aufgeräumten Zimmer und sah keinen Grund mehr, den Tag hier drinnen zu verbringen. Was sollte sie nun tun? Sie schlug das Telefonbuch auf und suchte eine Adresse, bei der sie bestimmt Rat finden konnte.
Wenig später strahlte sie, als sie die Adresse der Griechischen Verkündigungskirche in der Valencia Street nahe dem griechischen Supermarkt von Papadakis entdeckte. Dort war sie ja schon mit Adam gewesen, also würde sie den Weg dorthin bestimmt wieder finden.
Die Türen der Kirche, mit ihren gewölbten Decken und wunderschönen Fenstern, standen offen. Das Innere wurde vom Sonnenlicht durchflutet, welches durch die bunt bemalten Fenster einfiel. Es duftete nach Kerzen und Weihrauch. Auf einigen Bänken saßen Gläubige, die im Gebet vertieft waren.
Melina setzte sich in die letzte Reihe und dachte nach. Sie musste einen Weg finden, um Adam davon zu überzeugen, dass ihre Beziehung zu wertvoll war, um sie wegen einer unsinnigen Vereinbarung einfach aufzugeben.
Je mehr Zeit verstrich, desto klarer wurde Melina, dass sie ihr Schicksal selbst in die Hände nehmen musste. Die Antwort auf ihre Fragen war denkbar einfach. Sie mussten offener zueinander sein und die kulturellen Barrieren zwischen ihnen überwinden. Und vor allem mussten sie offen miteinander reden. Melina wusste nur nicht, wie sie Adam dazu bringen konnte.
Plötzlich fiel ihr etwas ein. Sie hatte von ihrer Mutter gelernt, dass Liebe durch den Magen geht. „Füttere ihn gut, und er wird immer an deiner Seite bleiben“, hatte ihre Mutter immer gesagt.
Voller Optimismus eilte Melina aus der Kathedrale und lief zu Papadakis’ Laden. Sie wollte Adam ein unvergessliches Abendessen zubereiten. Dann hätten sie die beste Grundlage für ein klärendes Gespräch. Wenn es bei Adam genauso gut funktionierte wie bei ihrem Vater, dann würde er ihr buchstäblich aus der Hand fressen und sie anflehen, für immer bei ihr zu bleiben.
Josef Papadakis begrüßte Melina herzlich, als sie den Laden betrat. „Ah, Mrs. Blake. Guten Tag.“ Er verbeugte sich vor ihr und rief nach seiner Frau. „Katherine, sieh mal, wer uns besuchen kommt! Es ist schön, Sie wiederzusehen, Melina.“
Melina fühlte sich gleich wieder ganz wie zu Hause. Begeistert erzählte sie den freundlichen Ladenbesitzern von ihrem Plan. „Ich möchte ein besonderes Pastitso für meinen Mann machen. Er liebt griechisches Essen. Es muss das Beste werden, was er jemals gegessen hat.“
Josef nickte. „Sie sind eine gute Ehefrau. Ihr Mann kann sich wirklich glücklich schätzen.“
Katherine Papadakis ging mit Melina zum Kühltresen, wo sie alle benötigten Zutaten für das Essen heraussuchten. „Haben Sie Butter, Limonen, Eier und Milch für die Soße?“
Melina dachte einen Moment lang nach. Sie hatte schon einige der Zutaten gekauft, als sie die Kekse gebacken hatte. „Alles außer frischen Limonen.“
„Ah ja.“ Katherine eilte zum Obstregal, um Limonen zu holen. „Frische Limonen geben der Soße den richtigen Geschmack. Brauchen Sie noch etwas?“
Melina schüttelte den Kopf. Sie konnte es kaum erwarten, zurück im Haus zu sein und die griechische Lasagne zuzubereiten.
„Kein griechisches Abendessen ist ohne meine Appetithäppchen komplett“, sagte Josef stolz. „Außerdem brauchen Sie auch noch Wein, um Ihren Ehemann willig zu machen.“
Katherine fing an, lautstark mit ihrem Mann auf Griechisch zu schimpfen.
Josef lächelte nur, während Melina errötete.
„Sie müssen Ihrem Ehemann Appetit machen.“ Josef geleitete sie zu einem Regal mit Kaviar, marinierten Artischocken und Oliven. „Nun …“, sagte er, während er von jeder Köstlichkeit etwas in Melinas Einkaufskorb legte, „… haben Sie alles, was Sie brauchen, um Ihren Mann in die Knie zu zwingen. Was dann folgt, hängt ganz von Ihnen ab.“ Er lachte lauthals, während seine Frau ihm ärgerlich auf die Schulter schlug, um ihn zum Schweigen zu bringen.
Mit hochrotem Kopf dankte Melina dem Paar und flüchtete aus dem Laden, bevor Josef ihr noch mehr intime Ratschläge geben konnte. Sie fragte sich, ob nur Griechen so ungehemmt über die Liebe und Sex sprachen, als ob es das Normalste auf der Welt war.
Zwei Stunden später waren der Pastitso im Ofen, der Tisch für zwei gedeckt und der Wein gekühlt. Zufrieden mit der Atmosphäre, die sie geschaffen hatte, ging Melina ins Schlafzimmer, um sich umzuziehen.
Es klingelte. Melina warf sich schnell einen Morgenmantel über, eilte zur Tür und sah durch den Spion.
Ein Mann im dunkelblauen Nadelstreifenanzug und eine Frau im Hosenanzug standen vor der Tür und hielten Aktentaschen in den Händen.
„Mrs. Blake?“
Melina öffnete zögernd die Tür. Bevor sie überhaupt etwas sagen konnte, hielt ihr der Mann eine Visitenkarte entgegen.
„Thomas Webber, von der US-Einwanderungsbehörde. Das ist meine Kollegin Miss Camden.“
Melina hielt mit einer Hand ihren Morgenmantel zusammen und nahm mit der anderen die Karte entgegen. „Es tut mir leid, aber mein Mann ist nicht zu Hause.“ Wer hätte gedacht, dass die Einwanderungsbehörde sie wirklich in Adams Haus besuchen würde? „Ich fürchte, dass er mir nichts von dem Termin mit Ihnen erzählt hat.“
„Wir haben keinen Termin mit ihm ausgemacht, Mrs. Blake“,sagte Mr. Webber und starrte auf ihren Ausschnitt. „Können wir hereinkommen?“
„Natürlich.“ Melina öffnete die Tür.
Mr. Webber und seine Kollegin betraten das Haus und sahen sich um. Ihr Blick fiel sofort auf den gedeckten Tisch mit den Kerzen.
„Gibt es einen besonderen Anlass?“, fragte Mr. Webber.
Melina errötete und versuchte, ihren Ausschnitt zu bedecken.
„Lass es gut sein, Tom“, sagte Miss Camden leise, aber laut genug, dass Melina ihre Worte hören konnte. „Mrs. Blake hat immerhin gerade erst geheiratet.“
„Und genau das möchten wir heute überprüfen.“ Mr. Webber sah Melina misstrauisch an. „Am liebsten kommen wir unerwartet, weil die Leute dann am ehrlichsten sind.“
„Ich habe nichts zu verbergen“, sagte Melina entschieden.
Mr. Webber hob vielsagend eine Braue.
Melina errötete, als sie die Zweideutigkeit ihrer Worte bemerkte. Ihre Freude auf den romantischen Abend mit Adam wich immer mehr dem Ärger über die fremden Eindringlinge. „Bitte setzen Sie sich. Ich bin gleich wieder zurück, ich will mich nur schnell anziehen.“ Seufzend betrachtete sie das Kleid, das schon auf dem Bett lag. Sie hatte es an diesem Abend tragen wollen, um Adam zu verführen. Jetzt konnte sie es aber auf keinen Fall anziehen, da sie Mr. Webbers Aufmerksamkeit nicht noch mehr auf sich lenken wollte. Deshalb zog sie sich schnell etwas Gemütliches an und kehrte in das Wohnzimmer zurück.
Miss Camden schnüffelte und deutete auf die Küche. „Brennt da nicht etwas an?“
Melina eilte in die Küche, um die schwarz gewordene Lasagne aus dem Ofen zu holen. Sie stellte das Blech verärgert in die Spüle und bedeckte es mit einem Tuch. So viel zum romantischen Abendessen mit Adam. Sie schüttelte den Kopf und ging zurück.
„Lassen Sie uns von vorn anfangen.“ Mr. Webber öffnete seine Aktentasche, nahm einen Ordner heraus und blätterte ihn durch. „Sie und Mr. Blake sind nun seit etwa einem Monat verheiratet, richtig?“
Melina nickte.
„Macht es Ihnen etwas aus, mir zu erzählen, wie und wann Sie sich kennengelernt haben? Mich würde nämlich interessieren, wie lange Sie sich kannten, bevor Sie geheiratet haben.“
Melina hörte sich die unzähligen Fragen von Mr. Webber an und hoffte, dass Adam bald nach Hause käme.
„Ja, das haben wir bereits alles angegeben.“ Melina deutete auf den Ordner in Mr. Webbers Händen. „Ich bin sicher, dass ich alle Fragen auf den Bögen beantwortet habe, als ich die Greencard beantragt habe.“
Mr. Webber lächelte höflich und hob eine Braue. „Erzählen Sie es mir noch einmal.“ Er nahm einen Stift in die Hand und bereitete sich darauf vor, alles niederzuschreiben.
Melina schloss die Augen und versuchte, sich auf die Antwort zu konzentrieren. Adam und sie hatten bei all dem Trubel der letzten Wochen keine Zeit gehabt, um sich auf eine Version der Geschichte zu einigen, falls jemand sie fragte. Eigentlich hatten sie gar nicht mehr mit einem Besuch der Einwanderungsbehörde gerechnet. Adam war ja immerhin Amerikaner und ein angesehener Geschäftsmann. Wer sollte ihn schon verdächtigen, eine Scheinehe zu führen? Vielleicht hatten die Umstände ihrer Hochzeit aber auch die Aufmerksamkeit der Behörden erregt. Niemand außer Peter Stakis kannte die Wahrheit. Und er hätte sie bestimmt nie verraten.
„Ich habe zwei Jahre lang bei der US-Botschaft in Athen gearbeitet“, antwortete Melina. „Mein Mann kam regelmäßig in die Botschaft, da er geschäftlich dort zu tun hatte. Dort haben wir uns dann kennengelernt.“
„Wir haben herausgefunden, dass Ihre Stelle in der Botschaft gerade gestrichen wurde, als Sie Ihre Hochzeit bekannt gaben.“
„Das war nur Zufall. Wir wollten schon vorher heiraten, nur hat es sich zeitlich nicht ergeben.“
„Es hat sich nie ergeben?“
„Ich habe Ja gesagt, als mein Mann mir den Heiratsantrag gemacht hat. Das ist die Wahrheit.“
„Und wie kam es dazu, dass Ihre Flitterwochen gerade mal einen Tag dauerten?“ Mr. Webber las weiter in seinem Ordner. „Sind Sie sicher, dass Sie nicht nur zum Schein geheiratet haben, damit Sie als Frau eines Amerikaners eine Greencard bekommen können?“ Da Melina nicht antwortete, fuhr er fort: „Sie wissen doch hoffentlich, dass es bis zu zwei Jahren dauern kann, bevor eine Greencard ausgestellt wird?“
Als Mr. Webber die Flitterwochen und die Bearbeitungszeit der Greencard ansprach, hätte Melina beinahe die Nerven verloren. Kein Wunder, dass die Behörden auf sie aufmerksam geworden waren, da es einige Ungereimtheiten bezüglich ihrer Eheschließung gab. Trotzdem ging das alles nur Adam und sie etwas an.
Miss Camden schaltete sich schließlich zur Erleichterung Melinas ein. „Ich weiß nicht, Tom. Das sieht für mich wie eine echte Liebesbeziehung aus.“ Sie deutete auf den romantisch gedeckten Esstisch. „Viel echter kann es gar nicht mehr wirken.“
Mr. Webber rümpfte die Nase. „Das mag oberflächlich vielleicht so erscheinen. Lassen Sie uns aber zurück zum Thema kommen. Soweit ich das beurteilen kann, ist etwas faul daran, wie schnell Sie Mr. Blake geheiratet haben. Wir haben in den letzten Monaten schon einige ungewöhnliche Fälle gehabt. Deshalb frage ich Sie, Mrs. Blake: Sind Sie auf irgendeine Weise dazu gezwungen worden, in die Vereinigten Staaten zu kommen?“
Melina war erleichtert, als sie hörte, wie die Haustür aufgeschlossen wurde. Adam war endlich gekommen! Sofort schoss sie von ihrem Platz hoch und lief zu ihm. Sie musste ihn irgendwie vor Mr. Webber und seinen Vermutungen warnen und sichergehen, dass seine Geschichte mit ihrer übereinstimmte. Wenn ihr das nicht gelang, würde man sie schneller nach Griechenland zurückschicken, als sie Adam klarmachen konnte, wie sehr sie ihn liebte.