„Ich war wirklich froh, als du endlich aufgetaucht bist, Kate. Ich wollte schon einen Suchtrupp losschicken. Was hast du denn die ganze Zeit getrieben?“
Kate war sehr dankbar gewesen, dass Diane auf sie gewartet hatte. Noch dankbarer war sie, dass ihre Assistentin auf der Fahrt zum Büro keine Fragen stellte und daher keine Ausflüchte nötig waren. Aber nun war die Schonzeit offensichtlich vorbei.
„Hast du nicht noch etwas Wichtiges zu erledigen?“, fragte Kate, während sie die verschiedenen Papierstapel auf ihrem Schreibtisch ordnete.
Das Ablenkungsmanöver funktionierte allerdings nicht. Diane war von Natur aus ebenso neugierig und hartnäckig wie sie selbst. Grundsätzlich waren diese Eigenschaften in ihrem Beruf nicht von Schaden. Nur gerade jetzt wünschte Kate sich, sie wären bei Diane weniger ausgeprägt.
Die junge Frau ließ sich auf der Kante von Kates Schreibtisch nieder. „Das hat Zeit bis morgen. Nun komm schon, spuck es aus. Wohin seid ihr zwei nach der Show verschwunden? Mit niedlichen Handschellen aneinandergekettet, wenn ich mich recht erinnere.“
Kate stöhnte leise auf und verbannte die Erinnerung an Tylers Kuss in den hintersten Winkel ihres Gedächtnisses. „Da gibt es nicht viel zu erzählen. Wir haben die Handschellen aufgeschlossen. Dann haben wir uns kurz unterhalten, um unsere Grenzen aufzuzeigen, und das war es auch schon.“
Diane machte eine aufmunternde Handbewegung. „Aha! Ich wusste es doch! Warum sollte es nötig sein, Grenzen aufzuzeigen? Ist da etwas passiert zwischen dem knackigen SEAL und meiner draufgängerischen Chefin?“
Die Ironie in Dianes Worten ärgerte Kate. Sie wusste genau, dass ihre Assistentin keine Ruhe geben würde, bis sie nicht wenigstens einen Teil der Geschichte erfahren hatte. Resigniert hob sie die Schultern. „Ich kenne Tyler James von früher.“
Nach einem kurzen, verblüfften Schweigen grinste Diane triumphierend. „Ha, wie gesagt, ich wusste es! Da ist etwas zwischen euch. In dir scheint mehr zu stecken, als man mit bloßem Auge sehen kann. Und ich dumme Nuss bemitleide meine gestresste, arbeitsame Chefin. Dabei ziehst du mit sexy Seemännern herum!“
„Das ist eine ganz alte Geschichte. Außerdem ziehe ich mit niemandem herum. Ich habe Tyler vor sechs Jahren kennengelernt.“
Diane grinste noch immer. „Aha. Und heute habt ihr zwei hinter den Kulissen eure alte Liebe aufgefrischt.“
Kate wurde es allmählich zu viel. „Du irrst dich! Sei so gut und steck deine Nase in Dinge, die dich etwas angehen.“
„Aber das macht doch keinen Spaß!“ Diane stand vom Schreibtisch auf und ging im Raum umher. „Hast du deswegen das Gebot abgegeben? Weil du ihn wiedersehen wolltest? Das war wohl eine ziemlich heiße Geschichte, was?“
Kate warf einen Bleistift nach ihr. „Raus mit dir. Geh endlich an die Arbeit, sonst wirst du gefeuert!“
„Das würdest du nicht wagen. Ich bin deine rechte Hand, vergiss das nicht. Ohne mich bist du doch total aufgeschmissen.“ Diane lachte und verließ eilig den Raum. Ihr weiter orangefarbener Rock flatterte wie eine Fahne hinter ihr her.
Kate lehnte sich aufatmend zurück. Unwillkürlich musste sie lächeln. Diane hatte natürlich recht. Sie war die beste Assistentin, mit der Kate je zusammen gearbeitet hatte. Das Problem war nur, dass Diane das sehr genau wusste. Die meiste Zeit war Kate mit ihrer Assistentin mehr als zufrieden, aber gerade jetzt ärgerte sie sich darüber, dass Diane mit ihren Vermutungen über Tyler ziemlich richtig lag.
Nachdenklich betrachtete Kate ihr Handgelenk. Ihre Haut prickelte immer noch von Tylers Berührung. Dieser Mann hatte ihren Hormonhaushalt wirklich gründlich durcheinandergebracht.
Er war der erste Mann gewesen, mit dem sie geschlafen hatte. Seine Qualitäten als Liebhaber waren unübertroffen. Dennoch hatte sie eigentlich nicht den Wunsch, diesen Teil ihrer Vergangenheit wieder aufleben zu lassen.
Dennoch wurde ihr bei der Erinnerung an den leidenschaftlichen Kuss in der Garderobe ganz heiß. Erst das Läuten des Telefons brachte sie zurück in die Gegenwart.
„Kate Hayden am Apparat“, meldete sie sich abwesend.
„Du bist ja tatsächlich ins Büro zurückgefahren. Ich dachte, das wäre nur ein Vorwand gewesen, um mich loszuwerden.“
Tylers tiefe Stimme trug nicht dazu bei, ihre aufgewühlten Sinne zu beruhigen. Ganz im Gegenteil. Augenblicklich beschleunigte sich ihr Pulsschlag. Es war zum Verrücktwerden.
„Du dachtest also, ich wollte dich loswerden?“
Sein leises Lachen jagte ihr Schauer über den Rücken. „Nun ja, es gab Momente, die diesen Eindruck durchaus erweckten. Zumindest wirktest du nicht gerade sehr erfreut über unser Zusammentreffen.“
Sie bemühte sich um einen gleichmäßigen, kühlen Tonfall. „Ich ersteigere nicht jeden Tag einen Mann für die Hausarbeit. Vielleicht war ich nur ein wenig nervös.“
Gedankenverloren hatte sie begonnen, auf ihre Schreibtischunterlage zu kritzeln. Als sie bemerkte, dass sie ein großes Herz mit den Initialen K.H. und T.J. in der Mitte gezeichnet hatte, fiel sie fast vom Stuhl.
„Das halte ich für sehr unwahrscheinlich. Die Kate, die ich kenne, ist niemals nervös. Selbstbewusst und willensstark, das auf jeden Fall. Aber nervös? Nein, ganz bestimmt nicht.“
„Du hast etwas vergessen. Selbstbewusst, willensstark und wunderschön, oder?“ Sie fragte sich, warum ihre Stimme auf einmal so einen aufreizenden Unterton hatte.
Sie sollte wirklich nicht mit ihm flirten. Aber er brachte immer genau diese Saite in ihr zum Klingen. Auch wenn er es vielleicht gar nicht beabsichtigte. Sie hörte, wie er am anderen Ende der Leitung scharf die Luft einsog.
„Das brauche ich dir ja wohl nicht zu sagen. Das versteht sich doch von selbst.“ Er machte eine kurze Pause. „Kann es sein, dass du mit mir flirtest, Süße?“
Das zärtliche Kosewort gefiel ihr. Es war ihr klar, dass dies nur ein altvertrautes Spiel zwischen ihnen war. Aber plötzlich hatte sie Lust, mitzuspielen.
„Und wenn es so wäre? Ich bin eine Frau, und ich habe dich ersteigert. Warum sollte ich nicht mit dir flirten?“
„Ein Chamäleon ist nichts gegen dich. Erst hast du es furchtbar eilig, dich von meiner Anwesenheit zu befreien. Und kurz darauf schnurrst du am Telefon wie ein Kätzchen im Frühling. Vielleicht sollte ich mal kurz bei dir vorbeischauen?“
Mit gekreuzten Beinen lehnte sie sich in ihrem bequemen Ledersessel zurück. Sie blickte durch die große Fensterscheibe auf die blinkenden Lichter von Los Angeles. Die hell erleuchtete Stadt lag ausgebreitet wie ein Zauberland vierzig Stockwerke unter ihr. Sie liebte diese Aussicht. Es war, als könnte sie die lebendigen Vibrationen der Metropole mit jeder Faser ihres Körpers spüren. Aber diesen Anblick konnte sie jeden Tag genießen. In diesem Moment war es einfach aufregender, mit Tyler zu plaudern.
Mit ihm zu flirten machte ihr Spaß. Auch wenn sie nicht die Absicht hatte, aus dem Spiel Ernst werden zu lassen. Aber es war so lange her, dass sie ein wenig Spaß in ihrem Leben gehabt hatte. Die Frage war nur, wie weit sie gehen konnte.
„Was tust du gerade?“, gurrte sie in den Hörer.
„Ich versuche, mich daran zu erinnern, wo dein Büro ist. Du hattest es mir doch gesagt, oder?“
„Nein, habe ich nicht. Aber wenn ich hier Schluss gemacht habe, könnte ich dich zu einem Kaffee bei mir zu Hause einladen.“
„Oh. Was genau meinst du damit? Wirklich nur Kaffee?“ Seine Stimme schien eine Nuance tiefer zu sein als gewöhnlich.
„Kate, ich mache jetzt Feierabend“, drang Dianes Stimme von der Tür her zu ihr.
Kate setzte sich auf. „Warte bitte eine Sekunde“, sagte sie in den Hörer.
„Wer ist dran?“, wollte Diane wissen.
„Niemand Wichtiges. Jetzt verschwinde schon.“
„Was immer du sagst, Boss. Bis morgen.“ Mit einem Winken verließ Diane das Büro.
„Tyler?“, sprach sie wieder ins Telefon. „Entschuldige die Störung.“
„So, ich bin also nicht wichtig. Freut mich zu hören.“ Er klang beleidigt.
Sie musste unwillkürlich lächeln. Tylers Ego war also immer noch empfindlich. „So habe ich es doch nicht gemeint.“
„Wie hast du es denn gemeint? Bin ich dir nun wichtig oder nicht?“
Die Frage an sich war nicht uninteressant. Aber derzeit sah Kate sich nicht in der Lage, sie zu beantworten. Tyler hatte schon immer eine verheerende Wirkung auf ihr Denkvermögen gehabt.
„Sieh mal, ich bin wirklich sehr müde. Es war ein langer Tag. Und ich muss noch einen Artikel bearbeiten, bevor ich nach Hause fahren kann. Lass uns morgen reden, okay?“
„Du kriegst wohl gerade kalte Füße.“
„Ich habe keine Ahnung, wovon du sprichst.“
Er lachte leise. „Oh, doch, das hast du. Ich glaube, du willst wieder dort anfangen, wo wir vor sechs Jahren aufgehört haben.“
„Das wünschst du dir aber auch nur.“
Ihre Gedanken glitten zurück in die Vergangenheit. Tyler hatte sie nach einer rauschhaften Nacht verlassen, um sich ganz seinem geliebten Beruf zu widmen. Und sie hatte es ihm gleich getan. Sie hatte ihren erfüllenden, aber anstrengenden Job zu ihrem Lebensinhalt gemacht und war so weit von Tyler fortgezogen, wie es ihr möglich war.
Jetzt war Tyler wieder da. Immer noch so attraktiv, charmant und gefährlich wie früher. Wenn sie es zuließ, würde er ihren Seelenfrieden genauso zerstören wie damals.
„Allerdings. Das ist es, was ich mir wünsche.“ Er hielt inne, als müsste er seine Worte genau überdenken. „Übrigens, warum arbeitest du nach elf Uhr noch?“
„Das ist nicht ungewöhnlich. Ich muss mich an Termine halten. Es kommt öfter vor.“
„Hast du eigentlich ein Leben?“
Ihr eigenes Lachen klang ihr bitter in den Ohren. „Dies hier ist mein Leben.“
„Du solltest dich zur Abwechslung auch mal amüsieren. Zum Beispiel öfter ausgehen. Ich betrachte es als meine dringlichste Aufgabe, dich in der nächsten Woche abends auszuführen. Abgemacht?“
„Mal sehen“, antwortete sie lahm.
Er gab sich damit zufrieden. „Also dann bis morgen. Angenehme Träume, Katie.“
Kate legte den Hörer auf. Sie würde tief und fest schlafen und sich hoffentlich morgen früh an keine Träume erinnern. Wie auch immer, Tyler James war Vergangenheit.
Warum nur hatte sie das Gefühl, als hätte gerade etwas Neues begonnen?
Tyler war zu aufgedreht, um schlafen zu können. Er zog seine Jacke an, griff nach den Schlüsseln und ging zur Tür.
Es hatte seine Vorzüge, in der Nähe der Militärbasis zu wohnen. Er konnte mal eben im Offiziersclub vorbeischauen und einen Drink nehmen. Dabei war es fast unausweichlich, einem Bekannten in die Arme zu laufen. Für gewöhnlich war dies für ihn kein Anlass zur Freude. Aber heute Abend war ihm nach Gesellschaft zumute. Vielleicht würde eine Unterhaltung mit einem der Jungs ihn ablenken.
Allerdings hatte er Zweifel daran, dass sein Plan wirklich funktionieren würde. Der einzige Mensch, der ihn wirklich ablenken konnte, saß vergraben zwischen Papieren in einem Büro in der Innenstadt und arbeitete. Kate.
Sie hatte ihn mit ihrer aufreizenden Art am Telefon ziemlich in Wallung gebracht. Wenn diese Assistentin sie nicht unterbrochen hätte, wären sie vielleicht schon bei ihr zu Hause. Und er hätte sich nicht mit Kaffee zufriedengegeben.
Er wollte sie, das war eine schlichte Tatsache.
Das Wiedersehen mit Kate hatte ihn daran erinnert, wie sich ihre seidige Haut anfühlte. Er konnte die sinnlichen Laute, die sie beim Sex von sich gab, förmlich hören. Sie hatte ihm immer das Gefühl gegeben, als wäre er der einzige Mann auf der Welt für sie.
Das konnte natürlich längst nicht mehr der Wahrheit entsprechen. Sie war eine hinreißende Frau. Seit ihrer Trennung hatten die Männer bei ihr garantiert Schlange gestanden.
Wütend ballte er die Fäuste. Er hasste sich für den völlig irrationalen Anflug von Eifersucht. Er selbst hatte schließlich auch nach vorn geblickt. Und er hatte in den letzten sechs Jahren nicht gerade wie ein Mönch gelebt. Von einer schönen Frau wie Kate konnte man ganz bestimmt nicht erwarten, dass sie herumsaß und Däumchen drehte.
Er biss die Zähne zusammen, beschleunigte seinen Schritt und betrat schließlich den Club. Er verabscheute Komplikationen. Gedankenverloren holte er sich ein Bier und setzte sich an einen der Tische.
Wie Kate ihr Leben lebte und mit wem sie ihre Zeit verbrachte, ging ihn überhaupt nichts an. Das hatte nichts mit ihm zu tun. Er schätzte seine Unabhängigkeit. Auch wenn ihm das Zusammentreffen mit Kate wie ein Geschenk erschien, das ihm in den Schoß gefallen war. Er hatte zwar die Absicht, dieses Geschenk auszupacken und sich in der kommenden Woche daran zu erfreuen. Aber diesen Strudel von komplizierten Gefühlen, der am Ende ihrer Beziehung entstanden war, den wollte er keinesfalls. Er wollte nur sein Verlangen nach Kate stillen. Und er brauchte dringend Ablenkung, bevor die jährliche ärztliche Musterung seine Karriere vermutlich endgültig beendete.
„Hey, TJ! Was geht ab?“
Erfreut blickte er auf. Er war mehr als glücklich, den riesigen Kerl vor sich zu sehen, und streckte die Hand aus. „Hey, Bear. Was tust du denn hier? Ich dachte, Team Acht hätte gerade Urlaub.“
„Wir sind gestern Abend zurückgerufen worden. Das war es dann wohl fürs Erste mit den heißen Nächten.“
Tyler lachte. „Der Chef nimmt euch wohl ziemlich hart ran, was? Willst du ein Bier?“
Bear nickte, schnappte sich einen Stuhl und setzte sich mit der Lehne nach vorn gedreht hin. Tyler musste grinsen. Sein großer Freund hatte noch nie anders als verkehrt herum auf einem Stuhl gesessen.
„Ja, der Chef ist nie zufrieden mit uns. Aber du kennst ja den Drill.“
Tyler holte noch ein Bier und stellte es auf den Tisch. „Ja, das tue ich allerdings. Zum Wohl.“
Die beiden Männer prosteten sich zu. Tyler nahm einen kräftigen Schluck von dem eiskalten Bier und dankte seinem Schicksal, dass es ihm heute Abend ausgerechnet Evan Bridges zur Gesellschaft geschickt hatte. Ein Gespräch mit seinem besten Freund, der wegen seiner bärenhaften Statur von allen Bear genannt wurde, war jetzt genau das Richtige.
„Was ist los mit dir? Du siehst furchtbar aus.“
Tyler setzte seine Flasche ab. „Ist das so offensichtlich?“
„Leider ja. Komm schon, schütte deinem alten Kumpel das Herz aus.“
Tyler lehnte sich zurück und verschränkte die Arme. „Es ist das Waisenhaus. Leider sieht es so aus, als ob es schließen müsste.“
Bear schüttelte mitfühlend den Kopf. „Wie kann das sein? Das Geld, das du bis jetzt gespendet hast, müsste doch bis ins nächste Jahrhundert reichen.“
„Ich fürchte, nein. Das Heim ist in ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten.“
„Kann ich etwas tun?“ Bear zückte die Brieftasche.
„Nein, ich glaube nicht. Es sei denn, du könntest eine halbe Million Dollar springen lassen.“
Sein Freund blickte niedergeschlagen auf seine Brieftasche. „Das übersteigt meine Möglichkeiten. Tut mir leid, TJ.“
„Schon gut. Mir tut es auch leid“, sagte Tyler leise. Er fühlte sich hilflos und ausgeliefert. Das war das dritte Mal in seinem Leben, dass er nicht weiterwusste. Er war dieses Gefühl nicht gewohnt und konnte sich schlecht damit abfinden. Das erste Mal hatte er sich so gefühlt, als er Kate verließ. Das zweite Mal, als er die grausame Wahrheit über sein Knie erfahren hatte. Da war er sich genauso nutzlos vorgekommen wie jetzt.
SEALs waren bekannt für Einfallsreichtum und Beharrlichkeit. Sie wurden darauf trainiert, immer einen Ausweg zu finden. Dass er in dieser Sache, die ihm so viel bedeutete, keinen Ausweg wusste, machte Tyler schwer zu schaffen.
In diesem Moment betrat Jack Crawford, ihr vorgesetzter Offizier, den Club und schlenderte geradewegs auf ihren Tisch zu.
„Guten Abend, Bear. Hallo TJ. Ich dachte, du hättest Urlaub?“
Tyler ergriff die ausgestreckte Hand und schüttelte sie. „Das habe ich.“
„Was machst du dann hier?“
Tyler trank den Rest von seinem Bier. „Ich muss etwas erledigen.“
Jack grinste. „Darauf wette ich. Ich habe da etwas Läuten hören von einer Junggesellenauktion.“
Tyler ließ die Schultern sinken. Sein Geheimnis war entdeckt. „Wie hast du das herausgefunden?“
Bears Kopf schwang von einem zum anderen wie bei einem Tennismatch. „Was hat das denn zu bedeuten? Wovon ist hier die Rede?“
Jacks Grinsen wurde breiter. „Oh, hast du die neuesten Neuigkeiten noch nicht gehört? TJs derzeitiger Einsatz besteht offensichtlich darin, eine Woche lang den Hausangestellten für eine ziemlich hübsche Dame zu spielen.“
Bear stieß ein Grunzen aus und schaute Tyler verblüfft an. „Das ist doch wohl ein Scherz? Warum solltest du so etwas Idiotisches machen?“
„Aus Gründen der Wohltätigkeit natürlich.“
Tyler warf Bear einen warnenden Blick zu. Er konnte nur hoffen, dass Bear den Mund hielt. Sein Freund war der einzige, der von Tylers Kindheit im Waisenhaus wusste. Tyler wollte, dass dies auch so blieb. Er hatte soviel Mitleid wegen seines Schicksals erfahren, dass es für ein ganzes Leben reichte. Noch mehr Mitgefühl wäre nicht zu ertragen. Vor allem jetzt nicht.
Bear nickte kaum merklich und zog eine Augenbraue hoch. Er hatte verstanden. Ohne ein weiteres Wort widmete er sich seinem Bier.
Erleichtert atmete Tyler auf.
„Ich muss zugeben, das Waisenhaus ist ein guter Grund“, sagte Jack. „Obwohl ich den Verdacht nicht ganz loswerde, dass mehr dahintersteckt. Die junge Lady, die TJ ersteigert hat, soll wirklich verteufelt hübsch sein.“
„Wer hat dir das erzählt?“, fragte Tyler neugierig.
„Leila war auch bei der Auktion. Als sie nach Hause kam, hat sie mir brühwarm von dir und der attraktiven Redakteurin berichtet. Sie sagt, dass zwischen euch förmlich Funken geflogen sind. Und zwar schon, bevor ihr mit Handschellen aneinandergekettet wurdet.“
Beim Gedanken daran, wie nah er Kate gekommen war, wurde Tyler die Kehle eng. Er lehnte sich zurück und bemühte sich um einen gleichmütigen Gesichtsausdruck. „Leila hat offensichtlich eine sehr lebhafte Fantasie. Da waren keine Funken. Ich stelle nur meine Zeit für einen guten Zweck zur Verfügung. Das ist alles.“
Jack lachte ironisch. „Wer’s glaubt, wird selig. Aber dass das Mädchen aussieht wie ein Model, stört dich nicht gerade, oder?“
„So ist es.“ Tyler schob seinen Stuhl zurück und stand auf. „Es tut mir leid, Männer. Aber mein Bett ruft nach mir. Ich muss morgen früh raus.“
Sein Verlangen nach Gesellschaft war plötzlich verschwunden. Er war gekommen, um sich abzulenken. Er hatte nicht das geringste Bedürfnis, über Kate zu sprechen. Er kannte die Jungs nur allzu gut. Wenn er erstmal etwas über sich und Kate verriet, würden sie keine Ruhe geben, bis sie auch das letzte Detail aus ihm herausgekitzelt hätten. Er winkte seinen Freunden zu, grinste und ging davon.
„Wir sehen uns in einer Woche, TJ. Wenn du dann noch am Leben bist.“
Tyler ignorierte Jacks letzten Scherz und trat hinaus in die milde kalifornische Nacht. Natürlich würde er überleben. Er hatte schon schlimmere Einsätze überstanden.
Vor seinem geistigen Auge sah er Kates schönes Gesicht. Die Erinnerung an den Kuss in der Garderobe beruhigte seine gereizten Nerven nicht gerade.
Er konnte nur hoffen, dass die Woche mit Kate keine Katastrophe werden würde.