Kapitel 2
IN DIESEM KAPITEL
Die antike griechische Mythologie stellt uns Narziss als einen auffallend gut aussehenden jungen Mann vor, der wusste, wie schön er aussah und der stark von sich selbst eingenommen war. Gleichzeitig wies Narziss diejenigen, die seine Zuneigung suchten, schroff zurück. Seine Eitelkeit und Grausamkeit wurden von der Göttin Nemesis bemerkt. Sie beschloss, sich an Narziss für seine herzlose Ablehnung anderer Menschen zu rächen. Nemesis verdammte Narziss dazu, den Rest seines Lebens mit der Betrachtung seiner eigenen Schönheit zu verbringen. Als Narziss an einem Teich spazieren ging, erblickte er im Wasser sein Spiegelbild und war sofort davon fasziniert. Unfähig, den Blick von seinem eigenen schönen Antlitz abzuwenden, blieb er am Teich stehen und starrte sich selbst an, in völliger Verzweiflung, weil er den schönen Jüngling im Spiegelbild nicht erreichen konnte. Schließlich verkümmerte er und starb.
Aus dieser mythologischen Erzählung der alten Griechen entwickelte sich der moderne Begriff des Narzissmus. Heutzutage bezeichnet man einen Narzissten als eine Person, die eine ungewöhnlich hohe Meinung von sich selbst hat, übermäßig viel Aufmerksamkeit und Bewunderung sucht und glaubt, dass sie etwas Besonderes und Einzigartiges ist. In diesem Kapitel werden die Merkmale des Narzissmus näher beleuchtet. Darüber hinaus werden die verschiedenen Arten von Narzissmus beschrieben und die Kriterien für die Diagnose einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung (NPS) erörtert.
Psychische Störungen werden in einer internationalen Krankheitsklassifikation der Weltgesundheitsorganisation WHO beschrieben (ICD-10, International Classification of Diseases). Laut ICD-10 gibt es neun verschiedene Symptome für Narzissmus. Wenn fünf dieser Symptome zutreffen und die allgemeinen Kriterien für eine Persönlichkeitsstörung erfüllt sind, wird die Diagnose »Narzissmus« vergeben. Die folgenden Abschnitte befassen sich eingehend mit diesen Hauptsymptomen und zeigen anhand von Beispielen auf, wie sie sich bei einer Person manifestieren können.
Grandiosität oder Großartigkeit ist ein besonders häufiges Symptom des Narzissmus. Wie das Wort selbst andeutet, halten sich Menschen mit dieser Eigenschaft für großartig. Sie glauben an ihre überragende Bedeutung, auch wenn ihr Leben dies nicht widerspiegelt. Sie überschätzen ihre Fähigkeiten und Fertigkeiten. Das folgende kurze Beispiel veranschaulicht diese Eigenschaft:
Dabei vergisst Bernd völlig, dass er bei seinen Eltern lebt, die ihn weiterhin unterstützen, indem sie ihm Unterkunft und Essen stellen und für seine Krankenversicherung aufkommen. Als es mit Bernds Geschäften bergab geht, weil er keine Freunde und Verwandten mehr hat, die sich tätowieren lassen wollen, bittet er seine Eltern, ihm etwas Geld zu geben, damit er sein eigenes Studio eröffnen kann.
In weiser Voraussicht bittet sein Vater ihn, einen Geschäftsplan zu erstellen, in dem die monatlichen Ausgaben, die voraussichtlichen Einnahmen und die rechtlichen Anforderungen aufgeführt sind. Bernd erstellt einen übermäßig optimistischen, vereinfachten und unvollständigen Plan.
Sein Vater teilt ihm mit, dass er, falls Bernd seinen Schulabschluss machen und einige Wirtschaftskurse an der Volkshochschule besuchen würde, darüber nachdenken will, in das Unternehmen seines Sohnes zu investieren. Bernd ist wütend über die Antwort seines Vaters. Er schwört, einen anderen Investor zu finden, der wirklich an seine Talente glaubt.
Bei Bernd zeigt sich Grandiosität. Er glaubt, dass er ein erfolgreiches Unternehmen führen kann, ohne über das notwendige Wissen oder die Erfahrung zu verfügen. Er kann kein vernünftiges Feedback annehmen und macht sich nicht die Mühe, ein wirtschaftlich rentables Unternehmen aufzubauen.
Narzissten mit diesem Charakterzug haben große Pläne für die Gegenwart und die Zukunft. Sie planen, mit Strategien Geld zu verdienen, die für andere unrealistisch sind. Sie werden wie ein Magnet von allem angezogen, was ihnen einen schnellen und einfachen Zugang zu Macht und Erfolg verspricht.
Theos Geschichte ist ein Beispiel für narzisstischen Optimismus, der zu weit getrieben wird. Viele Menschen mit dem Wunsch nach grenzenlosem Erfolg können Opfer ihrer eigenen Träume werden und andere mit in den Abgrund reißen.
Theo erzählt seiner Frau von seinen Plänen. Sie sagt ihm unverblümt, für wie lächerlich sie das hält. Erstens haben sie kein Geld, zweitens ist er immer müde, wenn er von der Arbeit nach Hause kommt, und drittens haben sie vier Kinder, die seine Aufmerksamkeit brauchen.
Theo legt seine Pläne auf Eis und beschließt abzuwarten, bis sich eine Gelegenheit bietet. Er bittet einen seiner Feuerwehrkameraden, der nebenbei als Immobilienmakler arbeitet, ein Auge auf ein renovierungsbedürftiges Haus zu haben. Schließlich findet Theo sein Haus. Er kauft es, ohne die damit verbundenen Risiken oder die möglichen Auswirkungen auf seine Familie zu bedenken. Seine Frau ist wütend.
Sie können sich vorstellen, was passiert: Theo hatte weder mit den hohen Materialkosten noch mit der Zeit und dem Fachwissen gerechnet, die er für die Renovierung benötigen würde. Schließlich stellt er fest, dass er trotz Sonderschichten mit den zusätzlichen Zahlungen nicht mehr nachkommen kann. Sein Plan ist gescheitert. Doch Theo lässt sich nicht entmutigen und sucht weiter nach dem nächsten einfachen Weg zu Ruhm und Reichtum.
Menschen mit dieser narzisstischen Eigenschaft glauben, dass sie anders sind als andere, dieser Unterschied sie einzigartig macht und über andere Menschen erhebt. Sie fühlen sich wie Mitglieder eines exklusiven Clubs, dem nur ganz besondere Menschen angehören können. Diese einzigartigen Narzissten suchen oft die Gesellschaft anderer Menschen, die sie für einzigartig und besonders halten, und meiden diejenigen, von denen sie glauben, dass sie nicht dazugehören.
Der Glaube an die Einzigartigkeit ist oft mit der Überzeugung verbunden, dass man das Recht hat, besondere Ansprüche zu stellen. Charlottes Geschichte zeigt sowohl dieses Anspruchsdenken als auch das Gefühl der Einzigartigkeit.
Zu den Anforderungen für Charlottes Abschlussklasse gehört die freiwillige Mitarbeit in einer Tafel. Charlotte ist entsetzt. Sie weigert sich, freiwillig mitzuarbeiten, weil sie die Menschen dort für ekelhaft hält. Sie sagt: »Es wird stinken, und diese Obdachlosen sind alle faule Drogensüchtige. Sie haben kein kostenloses Essen verdient. Die können sich doch einen Job suchen. Ich werde das nicht tun.«
Charlotte verlangt, dass ihre Eltern sie von dieser unerträglichen Aufgabe entbinden. Natürlich willigen ihre Eltern ein und arrangieren ein Treffen mit dem Schulleiter. Der Schulleiter versucht, Charlottes Eltern zu versichern, dass viele Schüler überrascht sind, wie sinnvoll ehrenamtliche Arbeit sein kann, und dass die Zuteilung nicht verhandelbar ist. Charlottes Vater erinnert den Schulleiter an die großzügigen Spenden, die er im Laufe der Jahre geleistet hat. Charlotte wird eine andere Aufgabe zugewiesen.
Charlotte und ihre Eltern gehören zu einem exklusiven Club, den Reichen. Und einige reiche Leute denken, dass sie besser sind als andere. Regeln gelten für sie nur bedingt, vor allem, wenn sie mit ihrem Geld herumwedeln. Der Club mag exklusiv sein, aber die »Mitgliedschaft« kann den Narzissmus befeuern.
Narzissten haben oft einen unstillbaren Drang nach Anerkennung. Sie wollen bewundert werden und in einem ununterbrochenen Strom positiver Aufmerksamkeit baden. Wenn sie nicht genügend Anerkennung bekommen, beginnen sie zu schmollen, sind eingeschnappt oder werden wütend.
Susanne und ihr Mann sind vor Kurzem in eine neue Stadt gezogen. In ihrem bisherigen Umfeld hatten sie sich stark in gemeinnützigen Initiativen engagiert. Susanne weiß, dass dies eine gute Möglichkeit ist, sich in der Gemeinde zu integrieren und neue Freunde zu finden. Sie genießt es besonders, sich geschätzt zu fühlen.
Die Vorstandsmitglieder nehmen ihre Erfahrung zur Kenntnis und hoffen, dass sie eine engagierte Freiwillige gefunden haben. Bei ihrem zweiten Treffen fragt die Vorsitzende Susanne, ob sie an der Leitung eines Ausschusses interessiert sei. Wie bei den meisten Vereinen ist es immer schwierig, zuverlässige Freiwillige zu finden.
Susanne beginnt ihre Arbeit als Mitvorsitzende des Ausschusses und übernimmt sofort das Ruder. In ihrer ersten Woche belehrt sie die anderen Mitglieder über all die Fehler, die sie derzeit machen. Sie informiert die anderen über ihre Änderungen und setzt sie um, ohne die Meinung der erfahreneren Freiwilligen einzuholen. Sie setzt ihre Ideen durch und wartet auf den Beifall.
Viele von Susannes Ideen sind sehr gut, und sie erhält viel Aufmerksamkeit von den Mitgliedern. Die altgedienten Mitglieder fühlen sich jedoch von Susanne ein wenig überfahren. Die Vorstandsmitglieder bitten die Vorsitzende zu intervenieren und Susanne zu raten, sich ein wenig zu zügeln.
Susanne kann nicht einmal einen Hauch von Kritik vertragen. Als die Vorsitzende einige der Bedenken der Mitglieder anspricht, sucht Susanne nach Zustimmung für ihre Haltung. Als sie nicht genug findet, wirft sie sofort das Handtuch und verlässt den Verein.
Narzissten lieben Aufmerksamkeit und Anerkennung. Sie treten jedoch nur vor einem freundlich gesinnten Publikum auf. Bekommen sie die ersehnte Anerkennung nicht, ziehen Narzissten weiter zu einem anderen Schauplatz.
Das Wort berechtigt hat seinen Ursprung in der Tatsache, dass man einen Rechtsanspruch auf etwas hat. Zum Beispiel haben Sie einen Besitzanspruch auf Ihr Haus, wenn Sie es gekauft und bezahlt haben. Oder einen Eigentumsanspruch auf ein Auto, das Sie erworben haben. Diese Ansprüche haben Sie sich durch Bezahlung verdient. Narzissten leiten ihre Ansprüche jedoch aus der Einzigartigkeit und Grandiosität ihrer Person ab, fast wie in früheren Jahrhunderte Könige oder der Erbadel, die allein durch ihre Geburt mit Privilegien ausgestattet waren.
Vor Jahren besuchte ich mit meinem jüngsten Sohn einen kalifornischen Freizeitpark. Da ich nicht in langen Schlangen anstehen wollte, bezahlte ich einen Zuschlag auf das normale Ticket, der uns ermöglichte, die Warteschlangen zu umgehen. Aufgeregt eilten wir an den Leuten vorbei, die in der heißen Sonne schwitzten, und sprangen voller Freude auf die Fahrgeschäfte, ohne zu warten.
Das stimmt allerdings nur zum Teil. Wir sprangen nicht aufgeregt und voller Freude auf die Fahrgeschäfte. Tatsächlich war es mir peinlich, an den verschwitzten, mürrischen Leuten vorbeizugehen, die in der Schlange standen. Ich vermied jeden Blickkontakt mit den Wartenden, weil ich annahm, dass sie uns wütend anstarrten, als wir an ihnen vorbei durch den Eingang schlüpften. Ich befürchtete, angespuckt zu werden. Ich machte mir Sorgen über schlechtes Karma. Offensichtlich bin ich kein Narzisst.
Ein Narzisst würde hoch erhobenen Hauptes an den Leuten vorbeistolzieren, die auf eine Achterbahnfahrt warten müssen. Das liegt daran, dass Narzissten davon überzeugt sind, dass sie eine bevorzugte Behandlung verdienen und dass man sie niemals warten lassen sollte. Sie empfinden keine Reue, wenn sie auf ein paar Füße treten. Mit anderen Worten: Ein Narzisst fühlt sich berechtigt und erhebt hohe Ansprüche.
Eine verbreitete Eigenschaft von Narzissten ist die Ausnutzung und die Kontrolle anderer Menschen, was besonders in intimen Beziehungen viel emotionalen Schaden anrichtet. Narzissten betrachten Menschen als Instrumente zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse. Sie bedienen sich anderer, die diese Bedürfnisse erfüllen können. Manche bevorzugen abhängige Partner, die nach ihrer Pfeife tanzen; andere suchen nach Menschen, die ihnen zu größerem Ansehen verhelfen können.
Schauen wir uns ein Beispiel an:
Andrea hat Lothar über eine Online-Dating-App kennengelernt. Sie bereitet sich gerade auf ihren Abschluss als Krankenschwester vor. Lothar ist Gefreiter der Luftwaffe und auf einem Luftwaffenstützpunkt in der Nähe von Andreas Schule stationiert. Bei ihrer ersten Verabredung machen die beiden einen Spaziergang durch einen Park und essen anschließend gemütlich zu Mittag. Lothar beschreibt seine Ambitionen, schnell Karriere zu machen – Andrea ist davon beeindruckt. Er fragt sie nach ihren Zukunftsplänen, und sie erzählt ihm, dass Medizin sie schon immer fasziniert hat. Lothar meint, dass die Krankenpflege ein flexibler Beruf sei, der sich gut mit häufigen Umzügen vereinbaren ließe.
In den folgenden Wochen schickt Lothar Blumen und Hunderte SMS an Andrea. Als sie auf eine SMS nicht sofort antwortet, fragt er sie, ob sie ihn ignoriert. Ein paar Verabredungen später macht Lothar Andrea einen Heiratsantrag. Etwas überwältigt, aber geschmeichelt, denkt Andrea über eine mögliche Zukunft mit Lothar nach. Irgendwie gefällt ihr die Vorstellung, mit einem gut aussehenden jungen Offizier der Luftwaffe um die Welt zu reisen. Doch dann wird ihr klar, dass sie Lothar nicht wirklich kennt, und obwohl sie sich stark zu ihm hingezogen fühlt, ist sie nicht über beide Ohren verliebt.
Andrea versucht, Lothar ihre Gefühle zu erklären. Anstatt verständnisvoll oder traurig zu reagieren, wird er durch ihr Zögern wütend. Er sagt Andrea, dass er dachte, sie sei die Partnerin, von der er immer geträumt habe. Sie wären das perfekte Team gewesen. Aber er könne es sich nicht leisten, zu warten, bis sie sich entschieden habe. »Übrigens«, sagt er zu ihr, »du wärst wunderschön, wenn du nicht dieses furchtbar billige Make-up tragen würdest.«
Dann geht er kühl davon. Indem er sie niedermacht, behält er ein Gefühl der Kontrolle. Sein Versuch, sie auszunutzen, ist gescheitert. Also zieht er weiter. Beim nächsten Mal wird er seine Annäherung verfeinern und sich etwas mehr Zeit lassen, um die Eroberung anzubahnen. Irgendwann wird er mit seiner Masche durchkommen und seine Versuche der Kontrolle und Ausbeutung werden erfolgreich sein.
Einfühlungsvermögen erfordert, eine andere Perspektive als die eigene zu verstehen. Es ist die Fähigkeit, sich in die Lage einer anderen Person zu versetzen. Narzissten, denen es an Einfühlungsvermögen mangelt, kennen nur ihre eigene Lage – eine andere gibt es nicht. Sie verstehen die Erfahrungen, emotionalen Zustände oder Wünsche anderer nicht.
Ein Narzisst mit eingeschränktem Einfühlungsvermögen ist ein bisschen wie ein Kleinkind. Ein Kleinkind fühlt sich als Mittelpunkt des Universums und benutzt andere, um seine eigenen Bedürfnisse zu befriedigen. »Ich will mehr Milch. Spiel mit mir. Ich will jetzt nach draußen gehen.« Auf der anderen Seite zeigen normal entwickelte Kleinkinder durchaus Liebe und Ansätze von Besorgnis für andere.
Im Gegensatz dazu lebt ein Narzisst ohne Einfühlungsvermögen ausschließlich in einer egozentrischen Welt, in der er ohne jedes Schuldgefühl andere eiskalt ausnutzt, um zu bekommen, was er will. Narzissten kümmern sich nur um ihre eigenen Gefühle und sind weniger in der Lage, die Auswirkungen ihres Verhaltens auf andere zu erkennen. Das folgende Beispiel zeigt, wie gefühllos sie mit dem Schmerz anderer umgehen.
Michael ist gut gekleidet, hält sich fit und hat die Fähigkeit, fast jeden zu bezaubern. Er zeigt großes Interesse an seinen Opfern, stellt ihnen persönliche Fragen, überhäuft sie mit Schmeicheleien und verwöhnt sie mit Aufmerksamkeit. Michael gibt nur vage Informationen über sich selbst, deutet an, dass er wohlhabend sei, und nimmt die Opfer nie mit zu sich nach Hause.
Der Betrug findet statt, nachdem eine persönliche Verbindung hergestellt wurde. Michael ändert seine Geschichte so, dass sein Opfer kaum widerstehen kann. Er sagt vielleicht, dass er ein paar Hundert Euro brauche, bis sein großer Scheck mit der Post käme, oder er bietet die Möglichkeit, Tausende Euro in ein neues lukratives Geschäft zu investieren. Oder er gibt vor, dass er einem kranken Verwandten dringend Geld schicken müsse. Er verspricht immer eine schnelle Rückzahlung. Sobald er das Geld erhalten hat, verschwindet Michael.
Seine Opfer, die sich verletzt, dumm und beschämt fühlen, melden ihre Verluste nur selten der Polizei. Vielleicht erzählen sie nicht einmal ihren engsten Freunden oder ihrer Familie davon. Genau darauf verlässt sich Michael und setzt seinen Beutezug fort. Er empfindet kein Mitgefühl für seine Opfer, sondern ist sogar stolz auf seine Leistung.
Narzissten ohne jegliches Einfühlungsvermögen nehmen keine Rücksicht auf die Gefühle anderer. Das Leid anderer Menschen interessiert sie selten. Diese besondere Eigenschaft kann Beziehungen aller Art für diejenigen erschweren, die es mit einem Narzissten zu tun haben, der den Schmerz eines anderen nicht nachempfinden kann.
Weil sich Narzissten anderen gegenüber als überlegen betrachten, fühlen sie sich bedroht, wenn jemand anderes etwas Besseres hat als sie selbst. Bei anderen Menschen mehr Status, Reichtum, Intelligenz, Freunde, Erfolg oder was auch immer zu beobachten, kann in Narzissten größten Neid wecken. Ihr Neid kann sich auf nicht greifbare Dinge wie Beliebtheit und sozialen Status oder auf greifbare Dinge wie ein teures Auto und einen attraktiveren Partner beziehen.
Neid und die damit einhergehenden Gefühle der Unzufriedenheit können zu tiefgreifenden Gefühlen der Verbitterung, Feindseligkeit, Angst oder Wut führen. Dass ein Narzisst besonders häufig Neid und Eifersucht empfindet, liegt daran, dass er sein aufgeblasenes Selbstwertgefühl bedroht sieht, wenn er weniger hat als andere. Diese Angriffe auf das narzisstische Ego führen zu verzweifelten Versuchen, entweder das zu erreichen, was andere haben, oder deren Erfolg zu schmälern. Dies kann unter anderem zu folgenden Reaktionen führen:
Narzisstischer Neid und Eifersucht können sehr verwirrend sein. Stellen Sie sich vor, Sie erreichen ein Ziel in Ihrem Leben. Sie schaffen Ihren Schulabschluss, verloben sich, nehmen fünf Pfund Gewicht ab oder laufen einen Marathon. Sie freuen sich natürlich darüber, etwas erreicht zu haben. Der Narzisst in Ihrem Leben mag zwar so tun, als würde er Ihren Erfolg unterstützen, aber unterschwellig schwingt eine neidische Feindseligkeit mit. Ein Narzisst will im Mittelpunkt stehen und die volle Bewunderung auf sich lenken. Da kann es einfach nicht sein, dass andere bekommen, was sie wollen.
Wie ich bereits erwähnt habe, überschneiden sich viele der Merkmale des Narzissmus. Wie kann sich zum Beispiel jemand anspruchsberechtigt fühlen und gleichzeitig das Gefühl haben, nichts Besonderes zu sein? Oder arrogant und nicht besser als andere? Arroganz ist eine solche Facette des Narzissmus. Arrogante Menschen sind anmaßend und schauen auf andere herab. Sie neigen dazu, unangenehm dreist und hochmütig zu sein und strotzen nur so vor Selbstgefälligkeit.
Das folgende Beispiel dürfte vielen Ersthelfern bekannt vorkommen, die in schwierigen Situationen arbeiten:
Im Laufe der Nacht füllt sich der Warteraum mit Opfern verschiedener Missgeschicke. Alle Patienten werden bei ihrer Ankunft nach dem jeweiligen Verletzungsgrad und der Dringlichkeit aufgenommen. Angelegenheiten, bei denen es um Leben und Tod geht, werden immer zuerst behandelt.
Die meisten Patienten warten ruhig, einige stöhnen, andere (vor allem Kinder) weinen. Krankenwagen treffen ein und einige Patienten werden an den Wartenden vorbei direkt in die Notaufnahme gerollt. Frustriert, verletzt und enttäuscht über die lange Wartezeit kommen einige zum Empfang und fragen, wie lange sie noch warten müssen. Die Arzthelferin, die es gewohnt ist, die Wartenden zu trösten, erklärt ihnen die notwendige Priorisierung und nimmt ihre Ungeduld zur Kenntnis.
Gegen 21:30 Uhr öffnen sich die Türen der Notaufnahme und ein Mann, eine Frau und ein kleiner Junge stürmen in das Wartezimmer. Das Kind schreit vor Schmerzen, der Mann schreit um Hilfe und die Frau weint. Das besorgte Personal eilt hinaus, um zu sehen, was los ist. Der Arm des Kindes baumelt in einem seltsamen Winkel, und das Personal stellt fest, dass der Arm wahrscheinlich gebrochen ist.
Um Chaos zu vermeiden, bringen die Mitarbeiter die Familie in einen kleinen Seitenraum. Sie messen die Vitalfunktionen des Jungen und bestätigen, dass er stabil ist. Der Pfleger erklärt, dass in Kürze ein Röntgenassistent eintreffen wird. Nach einer Viertelstunde verlässt der Vater seinen schluchzenden Sohn und verlangt lautstark, einen orthopädischen Chirurgen zu sehen. Der Pfleger erklärt ihm ruhig, dass eine Röntgenaufnahme notwendig sei, um eine Diagnose zu stellen.
»Und wann wird das sein? Ich brauche das jetzt.« Das Gesicht des Vaters läuft rot an und er wird lauter. »Lassen Sie mich mit Ihrem Chef sprechen. Dieser ganze Laden ist inkompetent. Ich verlange, dass etwas passiert, oder Sie werden von meinem Anwalt hören.«
Der Pfleger versichert dem Vater, dass er einen zuständigen Mitarbeiter suchen wird. Zu diesem Zeitpunkt ist die Notaufnahme voll mit Patienten in kritischem Zustand. Der Pfleger bittet die Oberschwester um ein paar Minuten ihrer Zeit. Sie erklärt den Eltern, dass sie zwar Verständnis für das Unbehagen und die Schmerzen des Kindes hat, dass aber Menschen in der Notaufnahme sind, die sterben werden, wenn sie nicht sofort behandelt werden.
Der Vater schreit die Krankenschwester mit hochrotem, schweißüberströmtem Gesicht an: »Wissen Sie nicht, wer ich bin?«
Sie antwortet: »Es tut mir leid, ich fürchte, ich kenne Sie überhaupt nicht.«
»Ich bin der Chefreporter«, schreit er und nennt ihr den Namen eines lokalen Fernsehsenders.
»Tut mir leid, ich muss zurück zu meinen Patienten. Sie werden aufgerufen, sobald wir einen Moment Zeit haben.«
Der Vater ergreift den Arm der Krankenschwester. »Ich werde Sie und dieses Krankenhaus morgen in den Abendnachrichten fertigmachen, wenn Sie sich nicht sofort um meinen Sohn kümmern.«
Schrecklich, nicht wahr? Leider ist dieses Verhalten in Krankenhäusern überall im Land nicht untypisch. Überforderte und unterbesetzte Gesundheitsdienstleister haben fast täglich mit arroganten, wütenden Patienten zu tun, die glauben, dass sie besser seien als andere und eine sofortige Behandlung verdienen, während sie die Nase über diejenigen rümpfen, die sich an die Regeln halten.
Viele weitere Symptome sind bei narzisstischen Menschen verbreitet. Mithilfe der Forschung über Narzissmus wurden einige Anzeichen aufgedeckt, die im ICD-10 nicht aufgeführt sind. Zu diesen Anzeichen gehören unter anderem:
Diese Symptome können bei der Person, mit der Sie es zu tun haben, zutreffen oder auch nicht. In jedem Fall jedoch erhöhen sie den Leidensdruck für diejenigen Menschen, die einem Narzissten nicht aus dem Weg gehen können.
Narzissten gibt es in den unterschiedlichsten Ausprägungen. Derzeit geht man davon aus, dass es drei Hauptarten von Narzissten gibt und einen vierten Typ, der Teile aller drei Arten in sich vereint. Unter Sozialwissenschaftlern wird viel darüber diskutiert, wie diese Kategorien zu definieren sind und wie man sie bezeichnen sollte.
In den folgenden vier Abschnitten werden die verschiedenen Arten von Narzissmus beschrieben, wie sie dem heutigen Denken entsprechen. In Wahrheit stellen viele Psychotherapeuten fest, dass Narzissten oft zwischen den drei Hauptarten hin und her wechseln, wenn sie mit verschiedenen Herausforderungen im Leben konfrontiert werden.
Der großspurige Narzisst ist das, woran die meisten Menschen denken, wenn sie das Wort Narzissmus hören. Großspurige Narzissten halten sich für überlegen, einzigartig und außergewöhnlich. Sie neigen dazu, herrschsüchtig und manipulativ zu sein, und suchen die Bewunderung ihrer Mitmenschen. Sie verlangen besondere Aufmerksamkeit von anderen und sind der Überzeugung, dass sie besondere Privilegien verdient haben.
Gegenüber anderen Menschen sind sie oft aggressiv, fordernd und wenig mitfühlend. Ihr narzisstisches Verhalten ist offenkundig. Sie versuchen nicht, es zu verbergen. Können sie ihren Willen nicht durchsetzen, ist auch mal ein Wutanfall angesagt. Im Grunde verhalten sie sich wie verwöhnte Kinder.
Wie großspurige Narzissten halten auch verletzliche Narzissten sehr viel von sich selbst. Ihre narzisstischen Züge sind vielleicht nicht so offensichtlich wie bei großspurigem Narzissmus. Aber sie drücken ihre Überlegenheitsgefühle indirekt oder verdeckt aus. Sie können auch arrogant, eingebildet, kalt und gefühllos sein. Sie tendieren dazu, sehr eifersüchtig auf andere und nachtragend zu sein.
Verletzliche Narzissten neigen zur Dünnhäutigkeit, sind schnell beleidigt und fühlen sich durch jede Andeutung von Kritik bedroht. Sie sind sehr verletzlich, wenn ihr übermäßig positives Selbstwertgefühl bedroht wird. Ihr überhöhtes Selbstwertgefühl ist jedoch ziemlich zerbrechlich. Sie haben Angst davor, von anderen als schwach oder unfähig eingestuft zu werden. Schon die geringste Kritik kann sie in Verzweiflung stürzen. Wenn ihr überragendes Selbstbild infrage gestellt wird, reagieren sie mitunter mit Depressionen, Ängsten, Gefühlen der Leere und manchmal sogar mit Panik.
Verletzliche Narzissten erscheinen unsicher, schüchtern und introvertiert. Infolge ihrer Verletzlichkeit erbringen sie möglicherweise nicht die gewünschten Leistungen. Aus Angst, gedemütigt zu werden, nehmen sie manchmal Stellen an, die unter ihren Fähigkeiten und ihrer Ausbildung liegen. Sie hegen jedoch Großartigkeitsfantasien. Diese Vorstellungen werden jedoch nur selten verwirklicht.
Verletzliche Narzissten verhalten sich vielleicht nicht direkt feindselig, aber wenn sie von anderen bedroht werden, können sie Groll hegen, Rachegelüste verspüren und passiv-aggressiv handeln.
Wie andere Narzissten glauben auch bösartige Narzissten an ihre einzigartige Überlegenheit. Angesichts dieser Tatsache erwarten sie, dass sie das Beste von allem erhalten und wie Könige behandelt werden. Sie neigen dazu, arrogant, aber oberflächlich zu sein und mit ihren Heldentaten zu prahlen. Sie haben ein großes Bedürfnis, andere zu kontrollieren, und reißen oft alle Gespräche an sich.
Was bösartige Narzissten noch lästiger und manchmal auch gefährlicher macht, ist ihr völliger Mangel an Achtung vor anderen. Sie betrachten andere Menschen als Mittel zum Zweck, um zu bekommen, was sie wollen. Sie haben keine Hemmungen, feindselig, grausam und aggressiv zu handeln.
Bösartige Narzissten haben ein sehr zerbrechliches Selbstwertgefühl. Sie müssen jeden Wettbewerb oder jedes Rennen gewinnen. Wie bei verletzlichen Narzissten wird ihr Überlegenheitsgefühl sehr leicht von anderen bedroht. Auf solche Bedrohungen, beispielsweise Kritik, Meinungsverschiedenheiten, Verluste oder Misserfolge, reagieren sie mit Wut und manchmal mit Gewalt.
Bösartige Narzissten haben kein Problem damit zu lügen, zu betrügen oder zu schikanieren, um das zu bekommen, was sie zu verdienen glauben. Sie verbreiten Gerüchte und Klatsch über diejenigen, die sie als Feinde betrachten. Sie demütigen sehr gern. Sie zeigen keine Reue, geben selten Fehler zu und kümmern sich nicht wirklich um diejenigen, die sie verletzt haben.
In der Realität ist es ziemlich schwierig, Menschen mit Narzissmus in die Kategorien großspurig, verletzlich oder bösartig einzuteilen. Die meisten Narzissten zeigen je nach Situation eine Mischung aus all diesen Formen.
Ein großspuriger Narzisst kann zum Beispiel in eine große Verlegenheit geraten und sich ziemlich verletzlich fühlen. Ein verletzlicher Narzisst hat vielleicht die Möglichkeit, einen erträumten Erfolg zu verwirklichen. Wenn dies geschieht, kann die zugrunde liegende Unsicherheit durch ein stabileres Gefühl der Selbstachtung ersetzt werden.
Und letztendlich können sowohl verletzliche als auch großspurige Narzissten unter stark belastenden Bedingungen bösartig werden.
Sie müssen kein Diagnostiker sein, um zu wissen, ob eine Ihnen nahestehende Person Ihr Leben mit unausstehlichen, narzisstischen Zügen beeinträchtigt. Sie sollten jedoch wissen, dass narzisstische Züge in ihrer Ausprägung von leicht bis extrem variieren können. Wenn Sie eine Beziehung zu einer Person mit leichten narzisstischen Zügen haben, können Sie vielleicht eine erträgliche oder sogar angenehme Beziehung aufbauen. Haben Sie es jedoch mit jemandem zu tun, bei dem eine NPS diagnostiziert wurde, ist es sehr viel unwahrscheinlicher, dass Sie einen Weg finden, sein Verhalten zu tolerieren oder zu ändern.
In der internationalen Krankheitsklassifikation der Weltgesundheitsorganisation WHO (ICD-10, International Classification of Diseases) sind folgende Kriterien beschrieben, damit eine Person mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung (NPS) diagnostiziert werden kann: Die Person muss
Stellen Sie sich eine Person vor, die arrogant ist und glaubt, sie sei etwas Besonderes. Sie hat kein Mitgefühl und sieht andere als Objekte, die man ausnutzen kann. Sie weist vier signifikante Merkmale der NPS auf, besitzt aber technisch gesehen nicht die fünf Merkmale, die nach dem ICD-10 für eine formale Diagnose erforderlich sind. Dennoch würden die meisten Menschen eine solche Person wahrscheinlich für narzisstisch halten. In den nächsten beiden Abschnitten wird der Unterschied zwischen einer formalen Diagnose der narzisstischen Persönlichkeitsstörung und einer Person beschrieben, die signifikante Merkmale des Narzissmus aufweist.
Eine Person, bei der eine narzisstische Persönlichkeitsstörung (NPS) diagnostiziert wird, ist stärker beeinträchtigt als Personen, die lediglich narzisstische Züge aufweisen. Menschen mit NPS haben enorme Probleme im Alltag. Diese Probleme betreffen den Kontakt mit anderen Menschen, das Einfügen in die Gesellschaft und die Befolgung von Regeln sowie die Impulskontrolle. Außerdem weisen sie mindestens fünf der neun Merkmale auf, die im vorigen Abschnitt »Offizielle Diagnose der narzisstischen Persönlichkeitsstörung« aufgeführt sind.
Das folgende Beispiel stammt aus meiner eigenen Erfahrung in der Arbeit mit jungen Menschen im Gefängnis und veranschaulicht einige der Merkmale einer Person mit NPS (es handelt sich nicht um eine reale Person, sondern um eine Figur, die sich aus mehreren Begegnungen zusammensetzt).
Dr. David begrüßt ihn: »Hey Toni, wie geht es Ihnen hier drin? Ich habe Sie seit dem Jugendknast nicht mehr gesehen.«
Toni antwortet: »Ich bin hier Boss, keine große Sache. Ich habe hier alles unter Kontrolle; die wissen, wer ich bin, und niemand wird mich belästigen.«
»Wirklich, kennen Sie die Leute hier schon?« fragt Dr. David.
»Ich bin eine besondere Nummer, man kennt mich draußen auf der Straße; die Leute müssen mich respektieren. Schon heute Nachmittag häng' ich mit den Top-Leuten ab. Hey, wissen Sie, wann ich rauskomme? Ich hab nichts getan.«
»Nun, Toni, hier steht, dass Sie festgenommen wurden, weil Sie eine ältere Frau auf dem Parkplatz zu Boden gestoßen haben, als Sie ihr die Handtasche klauen wollten. Sie hat sich dabei die Hüfte gebrochen. Es gab mehrere Augenzeugen, und der Wachmann hat Sie erwischt.«
»Na ja, die hätte mir einfach ihre Handtasche geben sollen, dann hätte ich sie nicht stoßen müssen. Da sieht man mal wieder, wie dumm alte Leute sind. Und das ist mein erstes Vergehen.«
»Klar, Toni, das erste Vergehen als Erwachsener, aber Sie waren schon ein paar Mal im Jugendgefängnis, seit Sie 12 waren.«
»Na und« prahlt Toni, »das Gericht weiß das doch nicht. Ich werde hier raus sein, sobald meine Vorverhandlung stattgefunden hat. Ich muss da draußen sein und gute Arbeit leisten.«
»Okay, Toni, ich sehe, Sie sind immer noch ein Optimist. Ich hoffe, es läuft gut für Sie. Ich bin für Sie da, wenn Sie etwas dafür tun wollen, um sich von Ärger fernzuhalten. Oder wenn Sie einfach nur reden wollen.«
»Gute Frau, ich verdiene an einem guten Wochenende doppelt so viel Geld wie Sie. Ich brauche keine Ratschläge von Ihnen. Sie bringen nur ein bisschen Abwechslung in meinen Tag.«
Zu Beginn meiner beruflichen Laufbahn hatte ich mit einigen Menschen zu tun, denen es ähnlich erging wie Toni. Man schätzt, dass über 20 Prozent aller inhaftierten Personen eine narzisstische Persönlichkeitsstörung haben. Toni hat die notwendigen Symptome, um die Diagnose einer NPS zu erhalten: Er zeigt ein hohes Maß an Grandiosität und glaubt, dass er etwas Besonderes ist. Er hat ein ausgeprägtes Anspruchsdenken, beutet andere auf grausame Weise aus und hat mit Sicherheit kein Mitgefühl. Dies sind fünf eindeutige Anzeichen für eine NPS. Außerdem zeigen sich diese Muster über einen längeren Zeitraum, weichen von den Erwartungen der Gesellschaft ab und beeinträchtigen seine Funktionsfähigkeit. Toni gehört zu den Menschen, denen man auf der Straße lieber nicht begegnen möchte.
Menschen mit narzisstischen Zügen sind nicht so stark beeinträchtigt wie Menschen mit NPS. Ihr Verhalten kann jedoch zu toxischen Beziehungen zu anderen, mehrfachen Trennungen, Problemen am Arbeitsplatz und Schwierigkeiten im Umgang mit Menschen führen. Das folgende Beispiel ist typisch für eine Person mit narzisstischen Zügen.
»Aber Vani, wir sind schon spät dran für das Abendessen. Ich will die anderen nicht warten lassen.«
»Wen kümmert's? Sie werden einfach warten müssen. Ich brauche dieses Rouge. Liebst du mich oder was? Hol es einfach, statt hier rumzuquatschen.«
»Aber Liebling«, fleht Jasper, »wir haben unsere Freunde schon so oft warten lassen. Du siehst auch ohne Rouge toll aus. Lass uns jetzt einfach gehen.«
»Oh, ich hab's kapiert«, sagt Vanessa, plötzlich kalt. »Ich oder mein Aussehen sind dir völlig egal. Du willst nur deine Freunde beeindrucken. Ihr könnt mich mal, ich gehe nicht mit zu eurem blöden Essen.«
Jasper ist verwirrt und fragt sich, was da gerade passiert ist.
Vanessa zeigt narzisstische Züge. Sie glaubt, etwas Besonderes zu sein, und stellt ihre Bedürfnisse über die anderer. Außerdem nutzt sie Jasper aus, indem sie eine unangemessene Forderung stellt. Sie hat jedoch keine größeren Probleme bei der Arbeit, in Beziehungen zu Freunden oder bei der Impulskontrolle. Daher wird bei ihr keine NPS diagnostiziert.