Seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts war das Interesse an der Person Caesars stets groß. Einen frühen Höhepunkt bildete die Römische Geschichte von Theodor Mommsen, die in drei Bänden zwischen 1854 und 1856 erschien und für die der Verfasser fast ein halbes Jahrhundert später den Literaturnobelpreis erhielt. Mommsen legt den Akzent auf das letzte Jahrhundert der Republik. Dessen Darstellung macht fast zwei Drittel des Gesamtumfangs aus und gruppiert sich sozusagen um die Person Caesars. Sie endet nicht zufällig mit der Schlacht von Thapsos im Jahre 46, denn sie ist der Höhepunkt in Caesars Karriere. Den kurzen Niedergang behandelt der Autor nicht mehr. Für Mommsen war Caesar der „vollendete Staatsmann“ schlechthin, ein „geborener Herrscher“ von gewaltiger Schöpferkraft und doch zugleich von „durchdringendstem Verstand“.
Gegen Mommsen wandte sich 1918 polemisch Eduard Meyer mit seiner Monographie, ohne freilich ganz von Mommsens Urteilen abzurücken. Der Akzent liegt hier auf der Innenpolitik zwischen der Mitte der sechziger und der vierziger Jahre. Pompeius und Cicero bekommen breiteren Raum.
Nur drei Jahre nach Meyer erschien die erste Fassung der Monographie von Matthias Gelzer, die nach verschiedenen Korrekturen und Neubearbeitungen wie der von 1940 erst knapp vierzig Jahre später, im Jahre 1960, ihre endgültige Gestalt bekommen sollte. In dieser ist sie bis heute, ergänzt durch eine Pompeius- und eine Cicero-Biographie des Verfassers, eingestanden oder uneingestanden die Grundlage aller neuen Arbeiten über Caesar. Es ist die Fülle der im Apparat bestens dokumentierten Fakten, die diesem Buch seinen Rang und Wert gibt und gleichzeitig seine Lektüre erschwert. Wer sich intensiver mit Caesar beschäftigen will, kann auf Gelzer nicht verzichten.
Der Umbruch, den der Zweite Weltkrieg im Verständnis Caesars bewirkte, zeigt sich am besten in den von Hermann Strasburger vor und nach dieser Zäsur veröffentlichten Arbeiten, die in zunehmendem Maße die Schattenseiten der Herrschaft Caesars betonen. Es sind die Aufrichtigkeit und die Bereitschaft, einmal gefasste Meinungen auch aufzugeben, die bei Strasburger überzeugen.
Nach vielfältigen Vorarbeiten, zu denen neben theoretischen Aufsätzen sowohl die Dissertation als auch die Habilitationsarbeit gezählt werden dürfen, publizierte Christian Meier 1982 seine fulminante Biographie, die zu Recht Aufsehen erregte. Meier verstand es, einen Helden zu schaffen, dessen Schicksal ungeachtet des bekannten Ausganges von Lebensstation zu Lebensstation, von Kapitel zu Kapitel, immer wieder Neugier und Interesse weckt. Es ist die Spannung, die dieses Buch heraushebt. Ob dagegen das vom Autor gezeichnete Bild eines großen Außenseiters der Überprüfung standhält, muss offen bleiben. Der bedeutende amerikanische Althistoriker E. Badian hat das in einer ausführlichen, von Meier akzeptierten Rezension bestritten.
Eine Art Gegenentwurf zu Meier stellt das nicht minder faszinierende Buch von Werner Dahlheim dar, der Caesar gleichsam wieder auf die Füße stellt. Dahlheims Held bewegt sich ganz im Denken und Wollen seiner Zeit und seiner Klasse. Im Mittelpunkt steht ein römischer Nobilis, der die Erfüllung seines Lebens, „seinen Himmel und seine Hölle“, dort findet, wo er allein erfolgreich ist, im Krieg, der ihm zur Verteidigung seiner dignitas, verknappt Ehre, dient. Gleichzeitig vergisst Dahlheim in der Tradition Strasburgers auch die „Leiden der Unzähligen“ nicht. Er stellt alle Seiten des Kampfes dar, und das letzte Jahrhundert der Republik war ein Jahrhundert der Umbrüche, Bürgergemetzel, Attentate und Pogrome.
Mit Luciano Canforas Der demokratische Diktator liegt die Arbeit eines renommierten italienischen Forschers vor. Die Stärke des Buches ist die Quellennähe. Canfora benennt die Zeugnisse in extenso und lässt den Leser an seiner Interpretation teilnehmen. Allerdings führt dieser philologische Ansatz gelegentlich zu einer gewissen Kleinteiligkeit und ist mit dem Verzicht auf eine weiträumige historische Einordnung erkauft. Zahlreiche Übersetzungsfehler führen zudem zu Missverständnissen. Hinter dem Caesar von Helga Gesche verbirgt sich ein Forschungsbericht, der über 1900 Titel berücksichtigt. Der Autorin gelingt das Unmögliche. Aus einer Diskussion der widerstreitenden Forschungsmeinungen entwickelt sie eine Caesar-Biographie sui generis, die auch heute nicht veraltet ist. Karl Christ, der bedeutende Kenner der römischen Republik, bietet mit seinen Annäherungen an einen Diktator einen großartigen Überblick über Wandlungen und Veränderungen des Caesar-Bildes, angefangen bei Zeitgenossen wie Sallust und Cicero über die kaiserzeitlichen Autoren, Spätantike und Mittelalter bis hin zur modernen Wissenschaftsgeschichte.
Sergej L. Uttschenko versucht eine marxistische Einordnung des Phänomens, während Martin Jehne, auf wichtigen eigenen Forschungen und Publikationen gründend, den kompetenten Einstieg in das Thema gibt. Das etwas veraltete Büchlein von Hans Oppermann, dem verdienstvollen Herausgeber der Werke von Wilhelm Raabe, liefert dazu das Bildmaterial.
Canfora, L., Caesar. Der demokratische Diktator, München 2001.
Christ, K., Caesar. Annäherungen an einen Diktator, München 1994.
Dahlheim, W., Julius Caesar. Die Ehre des Kriegers und die Not des Staates, Paderborn 2005.
Gelzer, M., Caesar. Der Politiker und Staatsmann, Wiesbaden 6. Aufl. 1960.
Gesche, H., Caesar, Darmstadt 1976.
Jehne, M., Caesar, München 1997.
Meier, Chr., Caesar, Berlin 1982.
Meyer, E., Caesars Monarchie und das Principat des Pompejus. Innere Geschichte Roms von 66 bis 44 v. Chr., 3. Aufl. 1922 (Nachdruck Darmstadt 1978).
Mommsen, Th., Römische Geschichte, Berlin 9. Aufl. 1902–1904 (= TB-Ausgabe München 1976; darin Bd. 4 u. 5).
Oppermann H., Julius Caesar in Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Reinbek 1968.
Strasburger, H., Caesars Eintritt in die Geschichte, München 1938 (Nachdruck Darmstadt 1965).
Uttschenko, S. L., Caesar, Berlin 1982.
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Quellen
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Cicero, An seine Freunde, übers. v. H. Kasten, München 1964.
Cicero, Atticus-Briefe, übers. v. H. Kasten, München 1959.
Lukan, Der Bürgerkrieg, übers. v. G.
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Sallust, Werke, übers. v. W. Eisenhut, J. Lindauer, 2. Aufl. München/Zürich 1994.
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Text mit Kommentar:
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Übersetzungen:
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Zweisprachige Ausgaben:
Caesar, Der Gallische Krieg, übers. v. M. Deissmann, Stuttgart 1981.
Caesar, Der Gallische Krieg, übers. v. G. Dorminger, München/Zürich 8. Aufl. 1990.
Caesar, Der Bürgerkrieg, übers. von O. Schönberger, München/Zürich 2. Aufl. 1990.
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