Als ich beschlossen hatte, nach Hause zu ziehen, ging die Arbeit besser voran, ich begann mit einem Bild, das mir vielversprechend erschien, ich nahm es mit über das Meer, aber als alles Praktische, was mit dem Umzug zusammenhing, erledigt war und ich wieder anfangen wollte zu arbeiten, ging es nicht. Ich begann mit einem anderen, einem frühlingshafteren Bild, dann rief ich Mutter an, dann kam alles zum Stillstand. Ich wollte Museen und Galerien besuchen, wie ich das immer tue, wenn ich nicht weiterkomme, aber ich spürte eine Angst vor den öffentlichen Räumen, wie ich sie noch nie gespürt hatte. Ich war nach Marks Tod so viel allein gewesen, dass ich menschenscheu geworden war, oder lag es daran, dass ich die Stadt nicht mehr kannte, oder daran, dass Mutter in dieser Stadt wohnte und ich Angst hatte, ihr über den Weg zu laufen? Draußen fielen mir alle älteren Frauen auf. Sie steigen langsam und mit krummem Rücken in die Bahn. Halten sich an den Handgriffen fest, lehnen sich an Wände und Türen, richten sich mühsam auf, wenn sich die Bahn nähert, überprüfen den Inhalt ihrer altmodischen Handtaschen, um sich davon zu überzeugen, dass alles noch da ist, Portemonnaie, Brille, Schlüssel, ich habe auch schon damit angefangen, die Brille? In der Apotheke sitzen sie mit verschlossenen Gesichtern auf den wenigen Stühlen, lesen keine Zeitung, schauen nicht auf ihr Telefon, fortgewandt von der Welt oder, andersherum, dem Nächstliegenden zugewandt, den Nummernzettel zwischen den zittrigen Fingern, der Tafel, auf der immer neue rote Zahlen auftauchen, alles passiert so schnell, sie fürchten, die Zahl könnte verschwinden, ehe sie es geschafft haben, aufzustehen und an die Theke zu treten, um die notwendige Medizin zu bekommen. Alte Körper versagen. Versagt Mutters Körper? Warum will ich das wissen? Hat Mutter ein Hörgerät? Warum will ich das wissen? Das frage ich mich. Man interessiert sich besonders für Informationen, die einem nicht zugänglich sind. Aus Mangel an Informationen phantasiere ich mir Mutter zusammen. Was ist es, was möchte ich wissen? Ich möchte wissen, wie es ihr geht. Nicht aus Fürsorglichkeit, nicht so, sondern: Wie hast du das alles erlebt? Wie war es für dich? Und wie erlebst du die Situation jetzt, die existenzielle, die wir teilen, was denkst du über unsere Situation? Werde ich das niemals erfahren? Wird sie niemals erfahren, wie es für mich war, wie es für mich ist? Sie muss sich doch Fragen stellen. Danach, was ich denke, wie es mir geht, egal, wie wütend, wie beleidigt sie ist, muss sie sich doch diese Fragen stellen, denn ich bin trotz allem ihr fast sechzig Jahre altes Kind.