Mutter steht auf und schaltet die Kaffeemaschine ein. Während sie auf den Kaffee wartet, geht sie hinaus in die Diele, öffnet die Tür und hebt die Zeitung von der Fußmatte auf, sie hat noch immer eine Papierzeitung abonniert. Sie geht damit in die Küche und schlägt die Todesanzeigen auf, Mutters Zugang zu ihren Toten. Ich hoffe, dass sie nicht den Fernseher einschaltet. Ruth hat dafür gesorgt, dass sie alle Sender hat, vielleicht lässt Mutter den Fernseher von morgens bis abends laufen, ich hoffe nicht. Ich lasse Mutter das Radio einschalten, während sie auf den Kaffee wartet. Ich habe das Radio eingeschaltet, ich warte auf den Kaffee.
Vom Küchentisch aus sieht Mutter Bäume, aber nicht solche, wie ich sie von der Hütte aus sehe, Fichten, Tannen und ab und zu eine verkrümmte Birke. Die Bäume, die auf dem Bild der Onlineauskunft auftauchen, ähneln denen, die ich sehe, wenn ich im Atelier auf der Dachterrasse stehe und nach unten schaue, gepflanzte Ahornbäume, ich stelle mir vor, dass Mutter vom Küchentisch aus, wo sie sich hingesetzt hat, Bäume sieht. Zum Kaffee, beschließe ich, isst sie einen Zwieback mit Butter und Ziegenkäse, die Ahornblätter, die sie sieht, fangen gerade erst an, gelb zu werden, die Sonne scheint auf die Blätter und auf Mutter, wie sie auf die Blätter und auf mich scheint, der Himmel ist blau, für sie wie für mich, und es ist nicht zu glauben, dass wir diesen Anblick teilen. Mutter trinkt den heißen Kaffee in kleinen Schlucken, in der Zeitung blättert sie jedoch nicht weiter, die interessiert sie nicht mehr so wie früher, im Grunde hat die Zeitung sie nie interessiert, aber hinten steht das Fernsehprogramm. Dann klingelt das Telefon, das neben ihr auf dem Tisch liegt, es ist Ruth, sie ruft immer um diese Zeit an. Sie fragt, ob Mutter gut geschlafen hat, und Mutter erzählt, wie sie geschlafen hat und was sie an diesem Tag vorhat, und beide fühlen sich besser, als das Gespräch beendet ist. Es tut gut, mit einem Menschen zu sprechen, den man mag. Der Tag kann beginnen. Mutter wird sich mit Rigmor treffen, die ebenfalls Witwe ist, sie treffen sich regelmäßig in der Konditorei am Sous plass. Mutter freut sich darauf, mit Rigmor zu sprechen, sie waren kürzlich beide beim Arzt. Ich stelle mir vor, dass sie eine selbstironische Beziehung zu ihren alternden Körpern haben, dass sie darüber lachen, dass sie manchmal die Brille in den Kühlschrank legen, dass es ihnen aber auch Angst macht. Über ihre Angst reden sie nicht, glaube ich. Sie sprechen über Kinder und Enkelkinder und zeigen sich gegenseitig Bilder auf ihren Telefonen. Ruths Kinder sind nicht so alt, dass Mutter schon Urenkelkinder hätte, glaube ich, sie hat nur eins, Johns Erik, von dem sie nichts weiß. Mutter und Rigmor reden über alte Zeiten, sie erinnern sich an die Toten, seit sie sich das letzte Mal gesehen haben, sind mehrere Bekannte gestorben. Sie scherzen darüber, dass sie bald an der Reihe sind. Aber im tiefsten Inneren fürchten sie sich. Über ihre Furcht reden sie nicht, und sie reden auch nicht über mich. Sie sitzen lange in der Konditorei und essen Kuchen. Oder sie essen keinen Kuchen, weil es nicht gut für den Cholesterinspiegel ist und weil sie lange leben wollen auf Erden. Danach gehen sie einkaufen, immer hat jemand Geburtstag, und es ist schön, den Enkelkindern eine Freude zu machen. Ehe sie sich trennen, umarmen sie einander, dann geht Mutter beschwingt und auf gute Weise müde nach Hause und packt ihre Siebensachen aus.