Ruth und Mutter Arm in Arm fünfunddreißig Meter vor mir wie zwei in Harmonie trauernde Gestalten, wie lange ist es her, dass Vater gestorben ist? Sie gehen, als wäre Vater vorgestern gestorben, gehen, als ob sie in Trauer wären und als ob das nichts mit mir zu tun hätte, sie brauchen eine reine Trauer und haben sich eine reine Trauer nur für sich erschaffen, sie gehen jeden Samstagvormittag zu Vaters Grab, bei jedem Wetter, es ist ein Ritual, das den Pakt bestätigt und befestigt, von dem sie beide abhängig sind, wenn auch auf unterschiedliche Weise, sie haben dem Pakt aus unterschiedlichen Gründen zugestimmt, doch darüber reden sie nicht, über Bedingungen und Grundlagen dieses Paktes reden sie nicht, aber was weiß ich schon. Vater ist gestorben, doch sein Tod machte Mutter nicht frei, und sie wollte nicht frei werden, wagte es nicht, sie hatte immer unter seiner Vormundschaft gestanden, und ließ jetzt auch über sich verfügen, sie war von meiner Schwester abhängig, sie konnte sich nicht von ihr lösen, und sie liebte sie, natürlich, ich sehe das, was ich sehen will. Es liegt Regen in der Luft, der Himmel ist schwer, seine Schwere hängt bis auf den Boden, und die Bäume auf dem Friedhof sehen ohne Blätter armselig aus, die Äste recken sich traurig und hilflos in den Nebel wie verbrannte Finger, Mutter und Ruth schreiten zwischen den Grabsteinen, als ob sie eben erst die traurige Mitteilung von Vaters Tod erhalten hätten, sie brauchen dieses Ritual der Trauer, es bringt sie dazu, etwas zu empfinden, aber was? Etwas wie Zugehörigkeit, eine gemeinsame Geschichte, so war es doch, nicht wahr, ja, so war es.