DER DRITTE TAG

Am nächsten Morgen war Kornmaier erst mal eine Runde gejoggt, die Fitness der Alpenüberquerung ein bisschen konservieren. Er wog zu viel, immer noch. Er wirkte breiter, als er eh schon war, die Eleganz seiner aktiven Boxertage war dahin.

Theo, jetzt doch eine Midlife-Crisis, oder was?

Das hätte sein Freund Otto in München gesagt.

Kornmaier hatte Otto ein ja, quatsch du mal gewidmet und war schicksalsergeben losgetrabt. Vorbei ging es am Grundstück mit dem gebügelten Typen, in dessen Auffahrt ein roter Ferrari stand.

Bei der Runde um den Puig de Catlar gab es einen fiesen Anstieg, da wollte er heute nicht versagen, das würde doch wohl zu schaffen sein.

Er schaffte es, mit allerletzter Kraft.

Und gerade, als er kurz vor dem Verenden oben angekommen war, trat frisch und ausgeruht aus einer Gartentür: Julia.

Leider musste er stehen bleiben, er konnte einfach nicht mehr.

Julia würde das falsch auffassen, Schicksal. Seine Hände auf den Oberschenkeln abstützend, stieß er ein gerade so verständliches »guten Morgen« aus. Dann erst mal atmen, Kopf nach unten hängen lassen.

»Guten Morgen«, Julia stand da und haderte. Es wäre unhöflich gewesen, jetzt weiterzugehen, oder war es unhöflich, jemanden in diesem Zustand zu begrüßen?

Matt hob Kornmaier den rechten Arm: »Sekunde, geht gleich wieder.«

Er richtete sich auf, pumpte vor sich hin, jetzt ein bisschen Konversation, ließ sich gar nicht vermeiden, die Gelegenheit nutzen, das von gestern etwas wettmachen.

»Wohnst du hier?« Höflich, Theo, höflich sein.

»Nee, nur was abgegeben.«

»Ich war wohl gestern etwas … falls das also.«

»Nein, nein, du hast ja Urlaub, also das war ja im Grunde …« Wo sollte sie hingucken, am besten einen Fleck von den Shorts entfernen, der gar nicht da war.

Und Kornmaier guckte und dachte: da ist doch gar kein Fleck und jetzt irgendwas sagen:

»Doch, doch, ich hätte ja schon …« Jetzt nicht übers Ziel hinausschießen vor lauter Höflichkeit, Vorsicht, Theo, tu’s nicht! »Wollen wir uns noch mal … zusammensetzen? Deswegen?« Volltrottel.

»Wirklich!? Das wäre natürlich …«, Julia guckte verhalten freudig. »Sie hat sich nämlich immer noch nicht gemeldet.«

Was ging ihn Katrin an. Aber vielleicht würde er so Julia … nur eine Verabredung, die das Gleichmaß der Tage, der schönen Tage ohne Frage, die also das Gleichmaß der Tage … das war doch, das ging doch, mehr würde nicht sein.

Und irritierenderweise tauchte kurz das Wort SOS auf und das Bild von einer Gestalt, die im Mondlicht auf der Zufahrt stand und sein Haus beobachtete.

Beides verschwand gleich wieder und doch klebte es noch ein wenig im Unterbewusstsein wie ein Kaugummi unter der Schuhsohle, beharrlich.

»Okay, 18 Uhr? Auf dem alten Marktplatz im Club

»Auf dem alten Marktplatz im Club.« Da stand sie, die Julia, weiße Shorts, weiße Bluse, nicht verkehrt.

Kleine Verbeugung, lostraben.

Und wieso fiel ihm das gerade jetzt auf, keine Ahnung, nämlich, dass diese zwei Wörter sich so trefflich reimten: Freuen und Bereuen.

Kornmaier hatte eine Mitgliedschaft, aber nicht weil er so gerne in einem Verein war, nein, natürlich nur zur Unterstützung. Dazu hatte er sich mal überreden lassen, nach zwei hervorragenden Whiskys mit Tomeo.

»Ja«, hatte er gesagt, »für 80 Euro im Jahr mach ich das, Mitglied werden im Club Pollença

Vor allem der Historie wegen, die liebte er, da konnte er nicht anders.

Jetzt saß er hier mit Julia vor dem Club auf diesen angesagten düsteren Plastik-Flechtstühlen, blickte auf den altehrwürdigen Platz, von Platanen bestanden und von der Abendsonne in warmes Licht getaucht. Sah, wie die Kirche an der Schmalseite wie eine Glucke über die spielenden Kinder wachte und prüfte den Weißwein. Für Whisky war es zu früh.

»Sie ist immer noch verschwunden.« Julia hatte Kornmaier vorsichtig von der Seite betrachtet, beobachtet, wie er über den Platz blickte, der Mann war irgendwie sperrig. Schwer einzuordnen. Anziehend, vielleicht weil er nicht zu lesen war. Höflich und unhöflich zugleich. Fast hätte sie seine Frage überhört.

»Wen wollte deine Freundin denn treffen? Gibt’s einen Namen?«

»Katrin ist keine Freundin, wir kennen uns vom Chor. Irgendjemanden, den sie auf einem Datingportal kennengelernt hat. Sie war …«, Julia suchte nach dem richtigen Wort: »Sie war euphorisch.«

Interessierte ihn das? Nein. Warum saß er also hier?

Theo, trink deinen Wein und sei einfach mal im Hier und Jetzt.

»Julia, was hältst du eigentlich vom Hier und Jetzt?«

»Wie?«

»Na, wie klingt das in deinen Ohren, das mit dem Hier und Jetzt?« Kaum ausgesprochen bereute Kornmaier die Frage. Immer legte er Fallen aus, nur um sich die Liebe vom Hals zu halten. Die Liebe mit ihren Enttäuschungen, den gebrochenen Herzen und Tränen, weil es wieder nicht reichte, ihm nicht reichte. Er wollte das nicht mehr.

Am liebsten wäre er jetzt aufgestanden, hätte sich in aller Form entschuldigt und wäre gegangen.

»Was hat das denn mit Katrin …«

»Du hast völlig recht, bitte entschuldige.« Kurz blickte Kornmaier in Julias Augen.

»Ich bin jetzt für dich da«, wie klang das denn, »ich hör dir zu.« Das machte es nicht besser, schlimmer, viel schlimmer machte es das, Theo, keinen Wein mehr für dich.

»Okay.« Julia musste sich offenbar sammeln.

»Sie nennt sich Sonnenschein38

»Das hat sie dir erzählt?«

»Euphorisch eben.«

»Was weißt du noch?«

»Clemens, reicher Geschäftsmann, 40, lebt auf Mallorca, eigenes Flugzeug, gut aussehend …«

»Und Deine Freun… deine Bekannte?« Jetzt mal Konzentration hier, Theo. »Passt die dazu?«

Schweigen.

»Keine Beschönigungen, nur die Wahrheit und nichts als …« Er hielt inne, was erzählte er da für einen blöden Mist, kurz hatte er Julia angesehen, die Sommersprossen in der Abendsonne: wie kleine Kaffeefleckchen, blickte jetzt wieder über den Platz, sah wie die Häuser immer längere Schatten warfen, fühlte wieder die Wärme der Steine, sah dreißig Meter entfernt Angelika den Platz queren, hoffentlich würde die jetzt nicht rüberkommen, versuchte sich zu konzentrieren und …

»Na ja. Unscheinbar, keine Freunde, kein Geld, 38.«

»Unscheinbar?«

»Unscheinbar.«

»Kein Geld?«

»Kein Geld.«

Das klang jetzt doch ein wenig alarmierend. Auch wenn er diese Katrin nicht kannte. Das war gar nicht gut. Das altmodische Wort »Lustmörder« tauchte an der Oberfläche seines Assoziationsflusses auf.

»Wo wohnst du?« Kornmaier lehnte sich zurück, fischte Geld aus seiner Hosentasche.

»Gleich hier um die Ecke.«

»Internet? Computer?« Aufstehen, dem Kellner winken, Geld auf den Tisch legen, wie geübt, aus einem Guss.

»Ja?« Julia saß noch, konnte nicht ganz folgen, was war jetzt los?

»Dann auf.« Wieso war Julia so langsam von Kapee?

»Wohin?«

Hilfiger, Flieger, abgekaute Fingernägel, begriffsstutzig. Für den Moment war das genug Strecke, die Kornmaier zwischen sich und Julia gelegt hatte, um sich wieder konzentrieren zu können.

Wie die geguckt hatte, diese Galeristin. Dr. Mitschke kicherte in sich hinein und war froh darüber, da war doch noch ein Hauch von Frohsinn in seinem Gemüt, aber gleich war der auch wieder weg, der Frohsinn.

Das Wort Gemüt hatte Ungutes getriggert, das Gemüt eines Metzgers habe er, ein Kurpfuscher sei er, ein richtiger Dr. Mabuse. Seine Kommilitonen hatten ihn auf dem Kieker gehabt, ein selten dämliches Volk war das gewesen und wie hatte es ihn gefreut, als der Gutsche Pleite gemacht hatte und dem Flossi die Approbation entzogen worden war. Das waren die schönsten Tage in seinem Leben gewesen.

Und wer stand gut da? Wer hatte Knete? Er, Mitschke, und wie er zu dem ganzen Geld gekommen war, das ging keinen was an.

Jetzt stand Mitschke auf dem alten Marktplatz. Abendessen, Rioja und gucken, ob was ging.

Kurz hatte er gestutzt, die kannte er doch? Und den auch?

Und gleich hatte er sie schon wieder vergessen, Julia und Kornmaier.

Vorläufig.

Männer auf Motorrädern, Männer vor Wohnzimmerschränken, Männer mit Bauch in engen Rennanzügen auf Fahrrädern. Männer vor einer Sehenswürdigkeit, Männer mit einem Bier in der Hand, dem Fotografen zuprostend, Männer am Steuer eines Segelschiffs. Männer mit Sonnenbrillen im Gesicht, Männer mit Baseballkappen, Männer auf deren Foto eine Dame abgeschnitten worden war, nur ein paar blonde Haare waren noch zu erahnen, manchmal lag da auch eine Frauenhand auf der Schulter. Männer vor ihrem Badezimmerspiegel, ein Selfie machend, Männer in gefliesten Wohnungsfluren, Männer neben Grünpflanzen kniend, Männer vor Springbrunnen, Männer vor Sehenswürdigkeiten. Männer, die durch ein Astloch guckten, Männer ohne Ende.

Sonnenschein38 suchen und finden.

Login: 1234567, Du meine Güte, ein Hascherl. Kornmaier flog etwas an, eine Traurigkeit. So schnell, wie die aufgetaucht war, war sie auch wieder verschwunden.

Treudoof hatte Katrin mit diesem DeinFels gechattet.

Sein Profil war gelöscht worden.

Mitgefühl und Wut hielten sich die Waage. Was für ein Arsch, dieser Fels, und was für ein blauäugiger Mensch, diese Katrin. Kornmaier schnaufte. Wo würde das hinführen?

Jetzt könnte er gemütlich vor seiner Finca sitzen, Nanita neben sich, nach Osten schauen, dahin, wo das Zartblau des Abendhimmels langsam verblasste, wo der Mond aufgehen würde, ein Mond, der dann rund und dick und gemütlich über die Hügelkette rollen würde, und wo das Meer lag, das tagsüber beständig eine kleine Brise durch das Tal sandte.

Also, Profil erstellen: KleineBlume38, 38, 1,70. Braune Haare, grüne Augen.

»Können wir nicht ein Foto aus dem Netz klauen?«

»Besser nicht.«

»Und was machen wir dann?«

Kornmaier war vielleicht nicht richtig bei der Sache, oder bei der falschen Sache? Wollte er einfach nur ein Foto von Julia? Auf keinen Fall. Nie!

»Und warum nicht draußen?«

»Da sieht man doch, dass du in Spanien bist.«

Neutraler Hintergrund, weiße Wand.

Julia seufzte, guckte angespannt in die Handykamera von Kornmaier.

»Außerdem bin ich 42.«

»Gnädige Frau, Sie sehen viel jünger aus.« Na also, das half. Ein wundervolles Lächeln, ein wundervolles Foto. Kornmaier betrachtete das Bild.

Eigentlich brauchten sie ja ein Verhuschtes, eines, das ein leichtes Opfer suggerierte.

»Guck mal verhuscht.«

»Wie?«

»Na, wie das Reh im Wald.«

»Und wie soll ich das machen?« Da wurde doch die Strecke zwischen ihm und ihr wieder größer, wunderbar.

Kornmaier brachte das Handy in Position. »Stell dir mal vor«, er blickte konzentriert auf das Display, »eine dicke schwarze Spinne seilt sich über deinem Kopf ab.«

Na, ging doch.

Foto hochladen. Und dann, in letzter Sekunde: Nein, nicht hochladen, fühlte sich sicherer an. Doch ein Foto klauen. Hatte er das mit dem Foto etwa doch nur? Bestimmt nicht!

Nun wurde ein Statement verlangt.

Als solle ein Politiker eine Stellungnahme abgeben.

Kornmaier schob den Laptop zu Julia rüber. »Das machst du.«

»Was soll man denn da …«, Julia guckte gequält.

»Na, ein Text, aus dem klar wird, wie einsam du bist.« Kornmaier sah es schon kommen, den Text würde er auch machen müssen.

Hilfiger, abgekaute Fingernägel, begriffsstutzig, Kreativität: Fehlanzeige. Die Liste wurde länger, ob es wirklich helfen würde?

»Unser Ziel muss sich angesprochen fühlen.« Wenn es denn überhaupt ein Ziel gab.

SOS fiel ihm ein. Der Rollmops hätte auch eine Leiche sein können, aber er hatte doch nachgesehen. Auf dem Feld nichts, was ein Grab hätte sein können.

»Ich bin nicht einsam.« Julias Stimme klang ein wenig brüchig, das Wort einsam war störrisch, stieß etwas an, das sie nicht preisgeben wollte.

Wortlos zog Kornmaier den Computer wieder zu sich heran, begann zu tippen. Und ignorierte den möglichen Einblick in Julias Innenwelt.

Er tippte also einen kleinen Floskelwald:

Nach großer Enttäuschung suche ich einen ehrlichen und treuen Mann, der wieder Freude in mein Leben bringt. Das Aussehen ist dabei nicht wichtig, der Charakter zählt. Nur ernst gemeinte Anfragen.

Altbacken klang das, aus der Zeit gefallen, als habe jemand den Anschluss an den Zeitgeist verpasst.

»So schreibt doch keiner mehr.« Julia hatte die Gelegenheit genutzt, sich dicht neben Kornmaier gesetzt, er spürte ihre Wärme, sie war jetzt in den Anblick seiner Unterarme versunken.

»Unser Täter!« Theo, fängst du gerade an zu dozieren? Kann das sein? »Unser Täter sucht bestimmt, also vermute ich nach deiner Beschreibung, also er sucht …«, Julia saß etwas dicht, Konzentration, Theo! »Er sucht eine Frau, die nicht viele Kontakte hat, Kitschromane liest, sich die große Liebe erhofft und nicht viel Realitätssinn besitzt.«

Geld, das mit dem Geld hatte Kornmaier noch nicht geschnallt, wie auch.

»Die große Liebe«, Julia konnte offenbar nicht anders, »die erhofft sich doch jeder?«

Stille. »Du bestimmt auch?« Stille.

Theophil Kornmaier hatte den Kopf gehoben, blickte zum Fenster hinaus, sah auf den kleinen Innenhof mit Palme, Tontöpfen und mit, schon wieder, Hibiskus und Bougainvillea.

»Die große Liebe ist eine Schimäre.«

Leider hatte er mit diesem Satz, ganz unbeabsichtigt, den Jagdinstinkt von Julia geweckt.

Es war schiefgelaufen. NurDieLiebe war abgesprungen.

Er war einfach zu ungeduldig gewesen.

In der Küche tickte die Wanduhr, so wie sie das seit 38 Jahren tat. Informierte ihn ungerührt darüber, wie seine Lebenszeit verrann.

Eine Fliege hatte sich in der Gardine verheddert und summte in einem ungesunden Dauerton.

Im Radio liefen leise die Verkehrsnachrichten.

»Nimm doch noch eine Roulade, Schatz.«

Seine Mutter hatte Lockenwickler auf dem Kopf, er hasste das. Aber es war vertraut, alles war vertraut. In dieser Küche, in dieser Wohnung, änderte sich nichts.

Der schwimmbeckengrüne Fliesenspiegel, die Resopalschränke mit Schiebetüren. Über der Spüle verblassten Prilblumen.

Er hatte keinen Hunger mehr, aber es war nicht gut, seine Mutter zu verärgern. War es noch nie gewesen.

Eine helle und eine dunkle Mutter gab es, eigentlich zwei Mütter.

Er hätte ihre grobknochige Gestalt mit einem Schlag töten können und tat es nicht.

Er hätte das Haus verlassen können und tat es nicht.

Er war in der Schraubzwinge ihrer Macht. In ihrer Anwesenheit wurde er kraftlos, als würde es einen Stromabfall geben.

Eines Tages würde es gelingen, dann würde er von Mallorca nicht zurückkehren, ihren Bannkreis verlassen, vielleicht aus Chile eine Karte schicken, den Text hatte er schon.

Böse Mutter, schönes Sterben.

Dein Schatz.

»Schmecken gut, Mutti, die Rouladen.«

Er sah, wie sich ihre Stirn entspannte, hörte, wie sie aufhörte, mit dem Fuß zu tippen.

Gleich nach dem Essen würde er wieder auf die Jagd gehen.

»Na, ihr zwei Hübschen?« Angelika.

Stand im Höfchen des Apartment-Hotels, vier lange Ketten über der Tunika und guckte zum Fenster herein.

Kornmaier war sofort auf Krawall gebürstet. In einer Millisekunde.

Schon dieser Satz, diese Formulierung, diese mitschwingende Unterstellung. Fehlte nur noch, dass sie nachsichtig-wissend grinsen würde.

Angelika begann nachsichtig-wissend zu grinsen.

»Hallo Angelika! Wir versuchen gerade …«, Julias Mitteilungsfreude währte nur kurz.

»Angelika, das ist jetzt gerade ganz schlecht …«

Da gab es doch so einen Film: Männer, die auf Ziegen starren. Jetzt starrten Frauen auf Kornmaier.

»Oh, dann will ich nicht stören.« Angelika verschwand etwas abrupt aus dem Bildausschnitt des Fensterrahmens.

»Aber …« Julia guckte betroffen.

»Julia«, Kornmaier drehte sich zu ihr um, ihre grünen Augen waren viel zu nah, es war Zeit für eine Warnung: »Julia, ich hasse die Worte Klacks, genauso wie Erfrischung oder Flieger, auch Portion klingt scheußlich, ich möchte Männern in kurzen Hosen Schippe und Eimerchen für den Sandkasten reichen, es ist nicht einfach mit mir!« Warum so ausführlich Theo, fasse dich kurz. Er hielt inne, ein Schweigen trat ein und dann: »Ich weiß nicht, warum ich dir das sage.« Lüge! Er wusste es: »Jedenfalls: Es geht keinen etwas an, was wir hier machen, keinen. Je weniger etwas wissen, desto besser.«

Vielleicht machte er einen Fehler, vielleicht war es besser, ganz viele wussten davon, aber manchmal siegte der Impuls über den Verstand. So schlecht war er damit bisher nicht gefahren.

Er würde sich morgen bei Angelika entschuldigen müssen. Und schon das Wort müssen passte ganz und gar nicht zu dem Urlaub, den er sich erhofft hatte.

Sie hatten noch zwei Stunden Männer-Profile studiert, dann hatte sich Kornmaier zurückgelehnt und gesagt: »Ich verabschiede mich mal in den Urlaub.«

Eigentlich wunderte er sich gerade permanent über sich. Seine Grundhöflichkeit ließ ihn im Stich. Gerade schon wieder. Was sollte das? »Also für heute.«

Dass Julia immer mehr den Eindruck gewonnen hatte, diesen Mann retten zu müssen, ahnte Kornmaier zum Glück nicht, gerade bog er in seinem Mietwagen in den schmalen Cami de Can Musquaroles ein, die Autoscheinwerfer beleuchteten verstaubte Sträucher am Wegesrand, es hatte lange nicht geregnet und weiter vorne zickzackte ein Hase davon. Chet Baker sang Angel Eyes, unnachahmlich unaufgeregt. Kornmaier verlangsamte das Tempo, blieb vor dem Abzweig zum Haus stehen, dort, wo eine kleine Brücke über das ausgetrocknete Flussbett führte, stellte den Motor ab und stieg aus.

In der plötzlichen Stille das übliche Zirpen und zartes Glöckchenbimmeln. Sonst nichts. Kornmaier legte seine Arme auf das Autodach.

Da lag das Haus. Unbeleuchtet wirkte es abweisend und kalt, so als habe es zwei Gesichter, Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Scharf gezeichnet stand es im Mondlicht und Kornmaier erwartete fast, dass im ersten Stock eine Gestalt auf den Balkon treten, sich in seinen Stuhl setzen und langsam den Kopf zu ihm drehen würde.

Mann, mann, mann. Kornmaier stieg wieder ein, startete den Motor und holperte auf dem Feldweg dem Haus entgegen.