Maggies Stelldichein mit Hector MacLean war stets das Glanzlicht ihrer Woche. Seit über achtzehn Monaten sah sie ihren heimlichen Treffen mit einer hektischen, beinahe teenagerhaften Vorfreude entgegen – mit Schmetterlingen im Bauch, an Übelkeit grenzender Erregung, dem ganzen Brimborium. Und dank Handy und SMS wusste kein Mensch über sie beide Bescheid.
Was beiden überaus recht war.
Natürlich hatte Hector keine Ahnung, wie viel er ihr wirklich bedeutete, und Maggie bemühte sich sehr darum, dass er es auch nie herausfinden würde. Soweit es ihn betraf, hatten sie ein beiderseitig vorteilhaftes Arrangement getroffen. Es gefiel ihm, angenehmen, unkomplizierten Sex mit ihr zu haben, ohne den Stress einer emotionalen Beziehung. Und dafür bezahlte er sie, was ihr einen besseren Lebensstil ermöglichte, als sie es sich sonst hätte leisten können.
Anfangs hatte Maggie wegen des Geldes monatelang Höllenqualen gelitten. Es wäre ihr sehr viel lieber gewesen, das Geld nicht anzunehmen. Aber wann immer sie dieses Thema zur Sprache brachte, wurde sie von Hector kategorisch abgefertigt. Sollte sie sich der Bezahlung verweigern, würde ihr Arrangement sofort enden. Es wäre sonst nicht fair für sie, erklärte er ihr. Er könnte nicht erwarten, dass eine Frau mit ihm schlief, ohne dass er ihr eine Beziehung bot. Und eine Beziehung – egal mit wem – war das Letzte, was er brauchte. Seit dem Tod seiner geliebten Frau war Hector zu einem der begehrtesten Junggesellen in Gloucestershire geworden. Erstaunlich schamlose Frauen, sowohl verheiratete als auch alleinstehende, hatten ihn gejagt und ihm Anträge gemacht.
Es war aus heiterem Himmel geschehen, in einer Sommernacht auf einer Party im Hotel.
»Den ganzen Ärger brauche ich nicht«, hatte Hector Maggie anvertraut. »Ich will keine neue Frau in meinem Leben, und so wahr mir Gott helfe, ich kann mir nichts Schlimmeres vorstellen, als mich wieder auf dem Singlemarkt umzutun. Das Einzige, was ich vermisse, ist der Sex.«
An diesem Abend war reichlich Alkohol konsumiert worden. Wäre Maggie nicht angetrunken gewesen, sie hätte niemals gesagt, was sie daraufhin sagte. Aber nach mehreren Gläsern eines exzellenten Weines war es ihr unglaublich leicht gefallen, ihre Hand auf seinen Arm zu legen und zu flüstern: »Du brauchst jemand Diskretes, dem du vertrauen kannst.«
Dann hatte sie eine bedeutsame Pause eingelegt, und ihre Blicke hatten sich getroffen. Tja, warum auch nicht? Hector war ein reizender Mann. Sie hatte ihn schon immer gemocht.
Hector hatte sich mehrere Sekunden lang nicht gerührt. »Willst du damit sagen, was ich denke, dass du sagen willst?«
Von der Unsicherheit in seiner Stimme gerührt, hatte sie genickt und ihn angelächelt.
Und so hatte es mit ihnen angefangen. Sie hatten sich unauffällig von der Party fortgeschlichen. Mit Hector ins Bett zu steigen war ein Genuss gewesen.
Danach hatte er darauf bestanden, ihr Geld zu geben. Zu diesem Zeitpunkt war sie schon ein wenig in ihn verliebt gewesen, also war Maggie gezwungen, in der ganzen Sache eine gewisse Logik zu sehen. Und heute, viele Monate später, schien es logischer denn je. Wenn sie jetzt darauf bestehen würde, Hectors Geld nicht länger anzunehmen, würde er den Kontakt sofort abbrechen, weil er ein Ehrenmann war. Ausgerechnet.
Ein Ehrenmann mit Prinzipien.
Sie wusste natürlich, was sie tun sollte. Sich einen anderen Mann suchen. Aber sie wollte keinen anderen. Nur Hector.
Das war also die Zwickmühle, in der Maggie steckte. Wie sollte sie sich entscheiden? Köstlicher, verbotener Sex mit einem Mann, der ihr alles bedeutete, sie aber dafür bezahlte? Oder kein Sex und kein Geld?
Mal ehrlich, diese Entscheidung war nicht wirklich schwer.
»Gottverdammt, wer ist das denn jetzt?«, seufzte Hector. Sie waren gerade in Maggies Schlafzimmer getreten, als es unten an der Tür klingelte.
»Keine Ahnung. Ich erwarte keinen Besuch.« Der Einzige, den Maggie erwartet hatte, war Hector.
Rrrrrrrinnnnggg.
»Mein Gott, wie ich das hasse«, flüsterte Maggie. »Soll ich so tun, als wäre ich nicht hier? Oder soll ich dich in den Schrank sperren?«
Hector grinste. »Das mit dem Schrank wäre nicht ganz mein Bier.«
»Also gut. Warte hier.« Maggie näherte sich dem Fenster wie ein Heckenschütze. Verflixter Mist! Sie klammerte sich frustriert an das Fensterbrett, als sie den auffälligen, rotweißen Lieferwagen vor dem Cottage entdeckte.
Das war so was von unfair. Als sie bei der Firma Carvers Haushaltsgeräte in Bristol angerufen hatte, um sich über ihre defekte Waschmaschine zu beschweren, hatten sie ahem und aha gesagt und schließlich versprochen, Montagnachmittag einen Techniker vorbeizuschicken. Einen genauen Zeitpunkt hatten sie natürlich nicht nennen können, aber es würde definitiv irgendwann zwischen 14 und 18 Uhr sein.
Maggie sah auf ihre Armbanduhr. 11 Uhr 53. Typisch!
Maggie seufzte und öffnete das Fenster.
»Mrs. Donovan? Puh, was für eine Erleichterung! Ich fürchtete schon, Sie wären ausgegangen. Gerald Porter.« Der Techniker pochte stolz auf sein Namensschild. »Ich soll mir Ihre Waschmaschine ansehen.«
»Sie sind zu früh«, rief Maggie nach unten. »Es hieß, Sie kommen heute Nachmittag zwischen zwei und sechs.«
»Nein, nein, Sie sind für einen Vormittagstermin eingetragen.« Gerald sah auf sein Klemmbrett. »Zwischen acht und zwölf.«
Maggie klammerte sich ans Fensterbrett. »Die Frau sagte, zwischen zwei und sechs. Kein Irrtum möglich.«
»Hat sie das? Tja, wie auch immer, jetzt bin ich hier«, verkündete Gerald fröhlich. »Und Sie sind auch hier. Warum lassen Sie mich nicht einfach herein?«
»Hören Sie, es tut mir Leid, aber es passt gerade nicht«, sagte Maggie.
»Na gut, macht nichts.« Gerald zuckte sichtlich enttäuscht mit den Schultern. Er drehte sich um und ging zum Lieferwagen.
Euphorisch durch ihren Sieg rief Maggie herzlich: »Vielen Dank! Dann bis heute Nachmittag!«
Mit gerunzelter Stirn drehte Gerald den Kopf auf seinem giraffenartigen Hals. »Wie?«
»Heute Nachmittag, zwischen zwei und sechs.« Maggie nickte ihm ermutigend zu. Wahrscheinlich eher zwei Uhr. Er könnte jetzt seine Mittagspause einschieben und dann die Waschmaschine reparieren in … ach, in einer Stunde, wenn er mochte.
»O nein, Mrs. Donovan. Das sehen Sie falsch. Ich habe Sie nicht für heute Nachmittag eingetragen. Sie müssen bei Carver anrufen und einen neuen Termin vereinbaren.«
Was?
»Na gut, können Sie morgen früh vorbeischauen?« Maggie musste an den Haufen Schmutzwäsche im Wäschekorb denken. Die Waschmaschine zickte schon seit über vierzehn Tagen herum. Sie hatte sich fest darauf verlassen, dass sie heute repariert wurde.
»Tut mit Leid, Mrs. Donovan, Sie müssen bei Carver anrufen. Die vereinbaren dort alle Termine … «
Auf ihre ganz eigene, ineffiziente Weise, dachte Maggie verärgert.
» … aber ich muss Sie warnen, vor nächster Woche bekommen Sie bestimmt keinen neuen Termin.«
»Ach, kommen Sie, das kann unmöglich Ihr Ernst sein. So lange kann ich nicht warten!«
»Ich kann da leider gar nichts tun, fürchte ich.« Gerald zuckte mit seinen schlaksigen Schultern. »Außer natürlich, Sie lassen mich gleich einen Blick auf Ihre Waschmaschine werfen.«
Mein Gott!
Maggie hörte, wie sich Hector hinter ihr räusperte. »Ich sollte besser gehen!«
»Nein!« Sie wirbelte herum und schüttelte den Kopf, dann hatte sie eine Idee und beugte sich aus dem Fenster. »Hören Sie, wie lange werden Sie denn brauchen?«
Gerald leuchtete sichtlich auf. »Tja, wenn es nur ein einfacher Defekt ist, etwa fünf Minuten.«
»Geh nach unten und lass ihn herein«, flüsterte Hector von der Tür. »Ich warte hier solange.«
Das entscheidende Wort lautete wenn, das muss wohl nicht erst erwähnt werden. Wenn es nur ein einfacher Defekt ist. Was es natürlich nicht war. Offenbar handelte es sich um etwas ziemlich Kompliziertes.
Maggie hüpfte in der Küche von einem Fuß auf den anderen, sah ständig auf ihre Armbanduhr, drängte ihn stumm, sich zu beeilen. Aber Gerald gehörte zu diesen langsamen, methodischen Arbeitern, die ein echtes Interesse für ihre Tätigkeit entwickeln und auf ihre Gründlichkeit stolz sind.
Zwanzig Minuten verstrichen wie in Zeitlupe. Dann dreißig. Gerald kniete immer noch verzückt vor einem integrierten Schaltbrett, als Maggie Schritte auf der Treppe hörte.
Sie schlängelte sich aus der Küche und schloss die Tür fest hinter sich. Im Flur traf sie auf Hector.
»Der verdammte Typ hat die Maschine in ihre Einzelteile zerlegt. Sieht aus, als ob er es sich gemütlich machen wolle.«
»Und ich muss um 14 Uhr in Bath sein. Ich trolle mich jetzt besser.«
»Es tut mir so Leid.«
»Das muss es nicht. Ist ja nicht deine Schuld.« Er lächelte und pflanzte ihr einen aufmunternden Kuss auf die Wange. »Wir vereinbaren einfach ein neues Treffen.«
Hector schien es gut aufzunehmen, aber er musste enttäuscht sein. Fast so enttäuscht wie ich, dachte Maggie, die sich die ganze Woche auf ihr heimliches Treffen gefreut hatte.
Glücklicherweise war es für Hector kein Problem, ungesehen wegzuschleichen. Gerald ging so in seiner Arbeit auf, dass er nicht mitbekam, wie Hector die Küche durchquerte und das Haus durch die Hintertür verließ, um in dem Wald hinter dem Cottage zu verschwinden.
Das war’s dann also.
»Ach, da sind Sie ja wieder.« Gerald tauchte aus seiner eigenen kleinen Waschmaschinentraumwelt auf, reckte den Kopf und meinte beseelt: »Das ist wirklich faszinierend. Absolut faszinierend. Ich nehme nicht an, dass ich eine Tasse Kaffee bekommen könnte?«
Die andere Illusion, der Maggie sich hingegeben hatte, war – idiotischerweise –, dass der Waschmaschinentechniker tatsächlich ihre Waschmaschine reparieren könnte. Wo Gerald doch in Wirklichkeit nur versprochen hatte, sich die ›Sache einmal anzuschauen‹.
O ja, genau das hatte er auch getan. Gegen 15 Uhr hatte er die Einzelteile wieder zusammengesetzt und die Maschine an ihren Platz zwischen Herd und Kühlschrank geschoben.
»Ich werde jetzt eine Bestellung für ein neues Schaltmodul aufgeben, Mrs. Donovan. Das könnte möglicherweise helfen.«
Maggie wollte es nicht fassen. Geschlagene drei Stunden, fünf Tassen Kaffee, ein Hühnersandwich und sechs Schokokekse später, und er hatte das verdammte Ding immer noch nicht repariert. »Wann wird dieses Schaltmodul eintreffen?«
»Ach, mal überlegen. In fünf oder sechs Tagen, schätze ich.«
»Aber … «
»Geht nicht anders, tut mir Leid. So was kommt vor. Wenn Sie jetzt hier unterschreiben würden, Mrs. Donovan, dann haben Sie sofort Ihre Ruhe.«
Ruhe würde sie so schnell nicht finden, dachte Maggie angesäuert, als sie ihren Namen auf die gestrichelte Linie setzte.