»Tara sagt, Sie haben Neuigkeiten für mich?« Als Daisy endlich nach unten kam, harrte Barney immer noch vor ihrer Tür aus, wie ein Sechstklässler, der ins Büro der Direktorin gerufen worden war. »Sagen Sie mir nicht, dass Sie es an diesem gottverdammten Ort keine Sekunde länger aushalten und Sie mir Ihre Kündigung überreichen wollen.«
Barney erwiderte mit funkelnden Augen: »Sie wissen, dass ich das niemals tun werde. Ich liebe meine Arbeit hier.«
»Worum geht es dann?« Daisy setzte sich auf den Rand ihres Schreibtisches und griff nach der Liste mit Nachrichten, die ihr Brenda bereitgelegt hatte.
»Ich habe doch diese Frau kennen gelernt. Und wir mögen uns wirklich. Die Sache ist die … sie muss ihre Wohnung in Bristol aufgeben und wir möchten wirklich gern zusammen sein … «
Daisy grinste: »Schon in Ordnung, Barney. Ich weiß von Rose Timpsons Cottage.«
»Ist Ihnen das recht?« Barney war sichtlich erleichtert. »Macht es Ihnen wirklich nichts aus?«
»Barney, natürlich bin ich damit einverstanden, warum auch nicht? Ich frage mich nur, was Ihre Freundin davon hält. Ist Brock Cottage nicht etwas düster?«
Düster war untertrieben. Daisy bewunderte seinen Optimismus. Sie konnte sich nicht vorstellen, jemand so sehr zu lieben, dass es einen nicht weiter kümmerte, in so einer Bruchbude zu hausen.
»Wenn ich damit fertig bin, wird es nicht mehr düster sein«, erklärte Barney begeistert. »Heute Abend kommt Bert Connellys Bruder mit einem großen Laster und wir räumen das Haus aus.«
Daisy lächelte. »Ich bin froh, dass Sie jemand Nettes kennen gelernt haben. Sie beide werden sicher sehr glücklich.«
»Eigentlich sind wir zu dritt.« Barney schwoll vor Stolz an. »Sie hat ein Baby. Einen kleinen Jungen. Er ist phantastisch.«
Meine Güte, eine allein erziehende Mutter. Das würde der Gerüchteküche des Dorfes ganz schön einheizen. Daisy wollte sich gerade nach den Namen der beiden erkundigen, als das Telefon klingelte.
Es war Pam, die ein Überseegespräch durchstellte. Ein Amerikaner wollte im Hotel eine Überraschungsparty für seine Frau durchführen. Es mussten jede Menge komplizierter Arrangements getroffen werden. Daisy hielt eine Hand über den Hörer und sagte zu Barney: »Tut mir Leid, die Arbeit ruft.«
»Kein Problem. Ich muss auch los. Danke für alles.« Barney dachte wieder einmal, wie reizend sie doch war und wie viel Glück Steven gehabt hatte, eine Frau wie sie zu finden.
»Viel Glück mit dem Cottage«, flüsterte Daisy. »Ich komme vorbei, wenn alles fertig ist.«
»Unbedingt.« Barney grinste. »Sie werden Bauklötze staunen, das verspreche ich.«
Zum ersten Mal seit langer Zeit verspürte Maggie Herzklopfen beim Anblick eines Mannes, der nicht Hector war. Endlich war er da! Auf die Minute pünktlich und ungeheuer effizient aussehend. Sogar die Art und Weise, wie er seinen Lieferwagen abschloss und den Weg zum Haus entlangschritt, wirkte beeindruckend.
Maggie eilte beglückt vom Wohnzimmerfenster zur Haustür. »Hallo! Haben Sie das Ersatzteil dabei?«
An diesem Tag war es ein anderer Techniker, was nur gut sein konnte. Er war kahl und untersetzt, ähnelte einer Kröte und trug einen Identifikationsausweis auf den Namen Owen Jones. Er hielt einen kleinen Plastikbeutel in der Hand, in dem sich etwas technisch Aussehendes in einer Luftpolsterfolie befand.
»Hier ist es, Mrs. Donovan, nur keine Sorge. Bald ist alles wieder gut. Ich wette, Sie hätten nie geglaubt, dass dieser Tag kommen würde, was? Aber keine Angst, Owen ist zur Stelle!«
Maggie war so überwältigt, dass sie ihn hätte umarmen können. Sie sagte das einzig Mögliche unter diesen Umständen: »Kaffee? Oder Tee?«
»Ah, eine Frau, die meine Sprache spricht.« Owen strahlte und folgte ihr in die Küche. »Tee, bitte. Mit drei Stück Zucker. Aber es wird nur ein paar Minuten dauern, dieses kleine Prachtstück einzubauen. Wahrscheinlich bin ich fertig, noch bevor Sie den Tee aufgebrüht haben.«
»Owen, Sie sind ein Mann nach meinem Herzen.« Maggie griff nach dem Kessel.
Als das Teewasser kochte, war Owen in der Tat fertig. Binnen kürzester Zeit hatte er die Waschmaschine zerlegt, versucht, das innig erwartete Ersatzteil einzubauen, und entdeckt, dass es das falsche Ersatzteil war. Maggie häufte Zucker in die Tasse, als sie merkte, dass er die Maschine wieder zusammenbaute. »Meine Güte, das ging aber wirklich schnell!«
»Tut mir Leid, Mrs. Donovan, da ist der Wurm drin.« Owen schüttelte den Kopf, anscheinend vor Verzweiflung über die Inkompetenz anderer. »Das ist das falsche Ersatzteil.«
Maggie starrte ihn an. Er blies seine Wangen auf und sah jetzt noch krötiger aus als zuvor. »Owen, bitte sagen Sie mir, dass Sie nur scherzen.«
»Es verhält sich wie folgt: Das ist die Codierungsnummer auf dem Bestellformular.« Er schlurfte zu ihr und wies auf das zerknitterte Blatt Papier in seiner Linken. »Die hat jemand falsch übertragen. Sehen Sie diese Drei hier? Tja, das sollte eine Acht sein. Ich ahne, wie es passiert ist. Manche Leute haben einfach eine unleserliche Schrift.«
»Soll das heißen, meine Waschmaschine ist immer noch defekt?« Der heiße Tee zitterte unheilvoll in Maggies Hand.
»Wie ich schon sagte, es tut mir ehrlich Leid, aber das hat nichts mit mir zu tun. Ich bestelle Ihnen das andere Ersatzteil«, versicherte Owen. »Und sobald es eintrifft, melden wir uns wieder bei Ihnen.«
»Womöglich in weiteren zwei Wochen? Damit gebe ich mich nicht zufrieden. Ich brauche sofort eine Waschmaschine, die funktioniert!« Maggie knallte die Tasse auf den Trockner. Sie wollte verdammt sein, wenn er fürs Nichtstun einen Tee bekam. »Ich will Ihnen mal etwas sagen: Nehmen Sie doch diese Maschine mit und warten Sie in aller Seelenruhe auf das Ersatzteil. In der Zwischenzeit wird mir Ihre inkompetente Firma eine funktionstüchtige Maschine leihen. Das ist doch wohl nur fair!«
Owen seufzte und schüttelte seinen runden, kahlen Kopf. »Geht leider nicht.«
»Aber das fällt unter die Garantie!«
»Wir garantieren, jeden Schaden zu reparieren. Das stimmt.«
»Und genau das haben Sie nicht getan!« Mit den Nerven völlig am Ende schlug Maggie mit der Handfläche auf die nutzlose Waschmaschine ein. »Sie haben sie nicht repariert.«
»Die Garantie deckt Ersatzteile und Arbeitszeit ab.« Owen war nicht länger quietschvergnügt. Die lächelnde Frau, die ihn so fröhlich an der Tür begrüßt hatte, war zu einer grantigen Albtraumkundin mutiert. »Wenn Sie Ihren Vertrag sorgfältig lesen«, fügte er verbissen hinzu, »dann werden Sie feststellen, dass wir keine Ersatzgeräte zur Verfügung stellen, wozu wir von Rechts wegen auch nicht verpflichtet … «
»Das ist ARMSELIG!«, brüllte Maggie, bevor er ausreden konnte. »Geben Sie mir den Namen und die Telefonnummer Ihres Vorgesetzten, damit ich ihn anrufen und ihm sagen kann, was ich von seiner lausigen Klitsche halte.«
Owen konnte gar nicht schnell genug aus dem Cottage kommen. Als er gegangen war, starrte Maggie auf das Stück Papier, auf das sie die Angaben über den Geschäftsführer notiert hatte. Sie phantasierte, was sie ihm sagen würde, und stellte sich vor, wie er in seinem Büro kauerte und sich weitschweifig bei ihr entschuldigte.
Dann fand sie schlagartig in die Realität zurück. Wem machte sie da was vor? Kunden, die Ärger verursachten, wurden fortan nur schlechter behandelt, nicht besser. Um ihr eine Lektion zu erteilen, würde man sie wahrscheinlich zwei Jahre lang auf das entscheidende Ersatzteil warten lassen.
Maggie zerriss frustriert den Notizzettel und warf die Fetzen in den Mülleimer. Wutanfälle würden nichts bringen. Besser, sie biss in den sauren Apfel und akzeptierte, dass sie noch eine Zeit lang von Hand waschen musste.
Ach Hector, komm zu mir und heitere mich auf. Bitte.
Barney mühte sich redlich, Haltung zu bewahren, aber es fiel ihm schwer, Paula Penhaligon nicht anzustarren, als sie aus dem Wagen ausstieg. Zum einen duftete sie phantastisch. Ihre hochhackigen Schuhe sahen teurer aus als alles, was ihm bislang unter die Augen gekommen war. Sie trug helle Strümpfe, einen schmalen, honigfarbenen Wildlederrock und eine passende schokoladenbraune Bluse mit einer Art cremefarbener Stola um die Schultern. Ihr glänzendes, rotes Haar war in einem Präzisionsschnitt zum Bubikopf frisiert, ihr Make-up war so makellos wie bei einem Filmstar, und sie trug eine dunkle Sonnenbrille. Obwohl die Sonne nicht schien.
Barney wusste, dass es keine Rolle spielte, ob der Himmel derzeit eine einzige graue Daunendecke war. Eine Sonnenbrille an Tagen ohne Sonne zu tragen, war eins dieser Dinge, die Berühmtheiten machten, weil es sie glauben ließ, sie könnten inkognito umherspazieren.
Nicht, dass Paula Penhaligon jemals unauffällig sein könnte. Sie mochte ein wenig in die Jahre gekommen sein – fast fünfzig, schätzte Barney –, aber für ihr Alter sah sie immer noch ziemlich umwerfend aus.
Daisy war am Telefon aufgehalten worden, darum schenkte Barney ihr sein wärmstes Lächeln und sagte: »Miss Penhaligon, willkommen auf Colworth Manor.«
»Danke schön.« Paula Penhaligon zeigte mit schmalen Fingern auf den Kofferraum. »Meine Koffer sind da drin, wenn Sie so freundlich wären … hoppla.« Beim Umdrehen glitt ihr die elfenbeinfarbene Kaschmirstola von den Schultern. Wie der Blitz griff Barney zu und erwischte sie, bevor sie auf dem nassen Kies aufkam.
»Gut gefangen!« Paula Penhaligon nahm ihre dunkle Brille ab und sah ihn an. »Mir gefällt dieses Hotel bereits.«
Ihre Augen waren stark geschminkt, aber man erkannte dennoch schwache gelbliche Blutergüsse, die unter dem Make-up gerade noch auszumachen waren. Barney fiel schlagartig ein, dass sie derzeit eine traumatische Scheidung durchlief. Ihrem Anblick nach zu schließen, musste sie körperlich misshandelt worden sein. Schockiert wurde ihm klar, dass ihr Ehemann der Täter war.
»Wie heißen Sie?«
»Äh … Barney. Barney Usher.«
»Hervorragende Reflexe.« Paula Penhaligons Lippen zuckten spielerisch. »Gut gemacht!«
Barney war sprachlos. Er fragte sich, ob er darauf überhaupt etwas erwidern sollte. Dankenswerterweise tauchte Daisy auf, und er konnte das Gepäck aus dem Kofferraum laden. Paula Penhaligon hatte bergeweise Koffer mitgebracht. Aber wenn sie vor ihrem prügelnden Ehemann floh, dann enthielten diese Koffer möglicherweise ihr ganzes Hab und Gut.
»Der gute Lionel hat mir Ihr Hotel empfohlen«, hörte Barney sie zu Daisy sagen. »Ich wünsche keine besondere Behandlung. Ich möchte mich hier nur entspannen und meine Batterien aufladen. Anfragen der Presse leiten Sie bitte direkt an meinen Agenten weiter.«
Barney tat diese arme Frau furchtbar Leid. Sie wollte nicht, dass irgendjemand von ihrem Schicksal als geprügelte Ehefrau erfuhr.
»Keine Sorge«, versicherte Daisy Paula Penhaligon grinsend. »Wenn Sie keine besondere Behandlung wünschen, sind Sie bei uns genau richtig. Wir behandeln all unsere Gäste gleich schrecklich.«