»Ich sagte, du sollst mir den Rücken schrubben.« Daisy zappelte in der Badewanne und verspritzte Schaum und Wasser, während Joshs Hand spielerisch um ihren Brustkorb glitt. »Das ist nicht mein Rücken.«
»Anatomie war immer schon mein Schwachpunkt. Gut, dass ich nicht Chirurg geworden bin.« Er grinste und sah aus dem Badezimmerfenster. Da begann sein Handy im Wohnzimmer zu klingeln. »Es schneit schon wieder. Warte, ich geh nur schnell ans Handy.«
Daisy hörte, wie er sich meldete und einen seiner Freunde überschwänglich begrüßte. Während sie gemächlich ihre Arme einseifte, kehrte Josh ins Bad zurück.
» … was? Du bist wo? Gott, das klingt toll. Bleib kurz dran, sie ist hier, ich frage sie. Es ist Tom Pride. Er ist in Österreich und teilt sich mit ein paar Leuten ein Chalet in Kitzbühel. Einer der anderen musste gerade mit einem gebrochenen Becken ausgeflogen werden. Das ist schlimm für ihn, aber andererseits … «
»Ist es gut für dich?«, mutmaßte Daisy. »Sag es nicht: Sie haben jetzt wieder Platz für einen und dachten dabei an dich.« Lag da etwa ein Nörgeln in ihrer Stimme?
»Falsch. Die Frau des Typen ist mit ihm abgeflogen, und jetzt haben sie Platz für zwei und dachten an uns.« Glücklicherweise nahm Josh es ihr nicht übel. Er setzte sich auf den Rand der Wanne und meinte beschwörend: »Was denkst du? Kann Vince sich nicht um das Hotel kümmern? Es ist doch nur für eine Woche. Tom sagt, das Chalet sei phantastisch, die Skibedingungen erstklassig, und sie haben eine tolle Gruppe beisammen – gemischt, nicht nur ein Haufen Kerle, die sich nonstop besaufen und sich dann ins Jacuzzi übergeben. Komm schon«, er beugte sich aufreizend über die Wanne, »wir würden uns herrlich amüsieren. Und du könntest etwas Urlaub vertragen.«
Daisy wusste, dass sie urlaubsreif war, aber sie wusste auch, dass es nicht möglich war. Vince hatte sich in der kommenden Woche bereits ein paar Tage frei genommen, um an der Hochzeit seines Vetters in Glasgow teilzunehmen.
»Ich kann nicht.« Sie schüttelte bedauernd den Kopf. »Vince ist nicht da.« Es war tragisch, aber es ließ sich nicht ändern.
Josh blickte enttäuscht. »Na gut.« Er sprach wieder ins Handy. »Tom, tut mir Leid, Kumpel. Wir können nicht. Daisy muss arbeiten.« Er lauschte eine Weile auf Toms Stimme, dann sagte er: »Nein, nein, danke, aber es geht nicht … es wäre nicht … «
»Du kannst doch trotzdem fahren«, schlug Daisy vor und drückte kleine Bläschen aus dem Schwamm.
Josh sah sie an. Zögernd. Sie wusste, wie sehr er es sich wünschte. »Bleib mal dran, Tom. Daisy sagt gerade was.« Er hielt das Handy zur Seite und fragte: »Würde es dir wirklich nichts ausmachen?«
»Natürlich nicht. Du fährst so gern Ski. Und bei dem Wetter hier kannst du ohnehin nicht viel tun.« Sie winkte auf den Schnee, der wie Konfetti am Fenster vorbeirieselte. »Kein Golf, keine Fahrstunden für Tara. Und es ist ja nur für eine Woche.«
Sie meinte es ernst. Dieser kurze Augenblick des Nörgelns war nur eine Pawlow’sche Reaktion, ein Überbleibsel ihrer Ehe. Auch wenn sie geglaubt hatte, sie würde Steven vertrauen, hatte irgendein innerer Instinkt ihm nie ganz getraut. Aber das war einmal. Jetzt war alles anders. Das hier war Josh, und sie wusste, dass sie ihm vertrauen konnte. Er war das absolute Gegenteil von Steven.
»Weißt du, was du bist?« Josh grinste, lehnte sich gefährlich weit über den Rand der Wanne und küsste sie fest. »Fabelhaft!« Aus dem Handy in seiner Hand lachte es gackernd, und Josh sprach wieder hinein. »Nein, nicht du, du bist ein hässlicher, alter Sack. Ich spreche von dieser wunderschönen Frau hier … ja, ich meine Daisy. Und sie ist nackt. In der Badewanne. O ja. Und im Moment weiß ich nicht, ob ich sie hier wirklich allein lassen soll, aber sie sagt, wenn ich nach Kitzbühel will, dann ist ihr das recht.«
Zehn Minuten später war alles geregelt. Josh hatte einen Flug von Bristol nach Salzburg gebucht und flog schon am nächsten Mittag. Am späten Nachmittag würde er im Haus Sattelkopf bei Kitzbühel eintreffen und eine Woche lang tagsüber skifahren und nachts feiern.
»Bist du sicher, dass es dir nichts ausmacht?« Josh trug eine Flasche Burgunder ins Badezimmer und reichte Daisy ein Glas.
»Ganz sicher.« Sie lächelte, weil er wie ein kleiner Junge am Weihnachtsmorgen aussah.
»Mach dir um mich keine Sorgen. Ich stelle nichts an«, versprach Josh.
»Das weiß ich doch.« Daisy wusste es wirklich, und das war ein großartiges Gefühl.
»Wirst du mich vermissen?« Josh setzte sich wieder auf den Wannenrand.
»In jeder Minute jedes einzelnen Tages.« Sie hob ihm ihr Gesicht für einen Kuss entgegen und fügte hinzu. »Außer natürlich, Jude Law würde sich im Hotel einbuchen. Das versteht sich von selbst.«
Josh nickte. »Natürlich. Ich würde auch sofort mit Jude Law schlafen. Was machst du denn da?«
»Ich glaube, du brauchst ein Bad.« Daisy hakte ihre nassen Finger in sein T-Shirt und zog ihn zu sich.
»Jetzt sofort?«
Sie zog fester. »Genau jetzt.«
»Angezogen?«
»Du kannst dich ausziehen, wenn du möchtest – hoppla.« Daisy quietschte glücklich auf, als er planschend ins Wasser fiel. »Zu spät.«
Tara hatte einen phantastischen Traum. Sie hatte es bei Wer wird Millionär? in die Mitte geschafft, und Moderator Chris Tarrant lächelte ihr verschmitzt zu. Sie war schon bei 500 000 Pfund. Es lag nur noch eine Frage vor ihr. Das Publikum tobte.
Chris wischte sich einen imaginären Schweißtropfen von der Stirn. »Also, Tara. Sind Sie bereit?«
»Ich bin bereit, Chris.«
»Für eine Million Pfund will ich von Ihnen wissen«, verkündete er und baute die Spannung auf, »in der griechischen Mythologie … «
Tara lauschte der Frage, und ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus, als er die vier möglichen Antworten vorlas. Sie wusste nichts über die griechische Mythologie, aber glücklicherweise kannte sie eine Frau, die darin Expertin war. Und glücklicherweise hatte sie noch ihren Telefonjoker.
»Natürlich steht sie dir als Telefonjoker zur Verfügung«, hatte Dominic ihr am Vortag versichert. »Sie hilft dir gern. Wenn du etwas über Literatur oder griechische Mythologie wissen willst, musst du nur Annabel fragen. Sie ist eine echte Fachfrau.«
Hurra!
»Ich möchte eine Freundin anrufen«, sagte Tara zu Chris Tarrant. »Annabel Cross-Calvert.«
Während sie darauf warteten, dass Annabel an den Apparat ging, stellte sich Tara vor, wie es sein würde, die Million zu gewinnen. Es wäre fabelhaft … wenn sie so viel Geld hätte, dann würde Dominic vielleicht sogar Annabel verlassen und mit ihr zusammenziehen. Nicht im Cottage, nein. Sie würde ein viel größeres Haus kaufen …
»Annabel? Hallo, hier ist Chris Tarrant. Ihre Freundin Tara sitzt mir gegenüber und sie braucht Ihre Hilfe.« Dann fügte er vielsagend hinzu: »Für die Eine-Million-Pfund-Frage!«
Das Publikum murmelte aufgeregt durcheinander.
»Ach, wie phantastisch!« Auch Annabel klang begeistert. »Ich hoffe, ich weiß die Antwort! Also schön, feuern Sie los!«
Während Tara die Frage vorlas, pochte ihr Herz erwartungsvoll. Annabel war eine Expertin, sie wusste alles über die griechische Mythologie. Sie war nur Sekunden von einem überwältigenden Triumph entfernt.
Als sie die vier möglichen Antworten vorgelesen hatte, herrschte einen Moment lang Stille. Dann sagte Annabel: »Ich bin ja so froh, dass du angerufen hast, Tara, denn ich weiß die Antwort!«
Tara wartete.
Chris Tarrant wartete auch.
Das Studiopublikum hielt kollektiv den Atem an.
Der Mann, der die Aufgabe hatte, den Konfettiwerfer einzuschalten, bereitete sich darauf vor, den entsprechenden Schalter umzulegen.
»Aber jetzt rate mal?«, fuhr Annabel fröhlich fort. »Ich werde es dir nicht sagen.«
Alle schnappten nach Luft.
»Das kannst du nicht tun! Das ist nicht fair!«, jammerte Tara. »Schnell, sag mir die Antwort!«
»Nein, ich will nicht. Bye, Tara.« Dann legte Annabel den Hörer auf, obwohl noch zehn Sekunden übrig waren.
Absolut gedemütigt ließ Tara den Kopf hängen und sagte: »Ich nehme das Geld, Chris.«
Na gut, eine halbe Million, das war immer noch ganz ansehnlich, oder nicht? Vielleicht verließ Dominic Annabel ja auch für diese Summe …
Aber jetzt wurde Chris Tarrant unfreundlich. Sein herrlich verschmitztes Lächeln war verschwunden. »Tut mir Leid, Tara, aber das war ein klarer Regelverstoß. Sie haben Annabel als Freundin angegeben, aber sie ist eindeutig keine Freundin. Sie werden disqualifiziert. Ich bedauere, Sie müssen mit leeren Händen nach Hause.«
Tara wachte abrupt auf, als das Studiopublikum sie ausbuhte und im Chor skandierte: »Weg, weg, weg.«
Was für ein absolut furchtbarer Traum. Und wie fies von Annabel. Kein Wunder, dass Dominic sie nicht liebte, wenn sie zu so einer Gemeinheit fähig war. Wer würde schon mit so einer Zicke verheiratet sein wollen?
Tara schlug die Decke zurück und stieg aus dem Bett. Es war zehn vor acht. Dominic hatte gesagt, er würde um acht Uhr anrufen, und sie wollte sich erst die Zähne putzen, bevor sie mit ihm sprach.