3. Kapitel

Ein Jahr später.

 

»Daisy, kannst du heute Nachmittag vorbeischauen? Die Cross-Dresser kommen gegen vier vorbei, um den Menüplan für den Hochzeitsempfang durchzugehen.«

Tara Donovan, die als Zimmermädchen im Hotel arbeitete, unterdrückte ein Lächeln, aber Daisy bedachte ihren Vater mit einem »Benimm dich«-Blick. Seine laute Stimme und sein enormer Mangel an Taktgefühl brachten ihn eines Tages bestimmt noch mal in Schwierigkeiten. »Ist gut, aber hör auf, sie so zu nennen.«

»Liebes, sie verdienen es nicht anders. Diese Leute gehen mir allmählich auf die Nerven«, erklärte Hector. »Warum können sie sich nicht einfach für ein Menü entscheiden und dann verdammt nocheins auch dabei bleiben? Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, warum irgendjemand überhaupt einen Veganer zu einer Hochzeit einladen will.«

Diesmal tauschten Tara und Daisy Blicke aus, und Daisy seufzte schwer. Diskretion war nicht gerade Hektors starke Seite. Glücklicherweise befanden sich keine Gäste in Hörweite. Daisy griff über die Empfangstheke zu dem Stapel an ungeöffneter Post und sagte: »Dad, ich kümmere mich um diese Leute. Für Veganer berechnen wir doppelt. Und es sind keine Cross-Dresser und auch nicht die Cross-und-Lecker-Brötchen, verstanden? Sie heißen Cross-Calvert und du wirst dir einen Ruck geben und nett zu ihnen sein, ist das klar?«

Tara, die gerade die Treppe staubsaugte, ließ prompt den Saugrüssel fallen.

»Wer?« Ihr Herz pochte. Sie stützte den Staubsauger mit dem Fuß ab, damit er nicht die Treppe hinunterpolterte und jemanden erschlug. Möglicherweise hatte sie sich verhört. »Was hast du gesagt? Hast du Cross-Calvert gesagt?«

»Haargenau.« Daisy nickte geistesabwesend. Ihre Aufmerksamkeit galt ganz dem Brief, den sie soeben geöffnet hatte.

»Dominic Cross-Calvert?« Diesmal hörte sich Taras Stimme an, als ob sie nicht aus ihrem Mund drang.

»Dominic, genau, so heißt der Typ.« Fasziniert richtete Hector sich auf. »Kennst du ihn?«

»Ja.« Idiotischerweise klang das so feierlich, als ob sie ein Ehegelübde ablegen würde. Man sagte doch ›ja‹, wenn man versprach, seinen Mann in guten wie in schlechten Tagen, in Krankheit und Gesundheit zu ehren, bis dass der Tod einen schied? Oder sagte man ›ich will‹? Tara hatte dieses spezielle Gelübde nie abgelegt und war sich diesbezüglich nicht sicher. Männer hielten sie für hübsch und lustig und insbesondere mochten sie ihre üppigen Brüste, aber keiner von ihnen hatte je angeboten, sie zu heiraten.

»Ha! Sieh dir nur dein Gesicht an!«, rief Hector. »Er ist einer deiner Exe, stimmt’s? Eine verlorene Seele aus deiner schmutzigen Vergangenheit. Komm schon, uns kannst du es doch erzählen! Wer hat wen sitzengelassen?«

So hochmütig, wie es ihr nur möglich war, verkündete Tara: »Ich habe keine schmutzige Vergangenheit.« Was offensichtlich eine fette Lüge war. Schlimmer noch, Hector wusste um die Lüge.

»Also hat er dir den Laufpass gegeben«, triumphierte er. »Schätzchen, ich bin ganz Ohr. Stell diesen dämlichen Staubsauger beiseite und erzähle uns alles.«

Hector winkte abfällig in Richtung Treppe. »Vergiss das Saubermachen. Lass uns was trinken! Daisy, willst du dir das auch anhören?«

Aber Daisy ging ganz im Inhalt ihres Briefes auf. Sie hörte gar nicht zu. Also ehrlich – und so was schimpfte sich Freundin.

»Wann genau heiratet er denn?«, erkundigte sich Tara.

»In zwei Wochen. Am 10.Januar. Sechsundneunzig Gäste, drei Weizenallergien, zwei Laktoseunverträglichkeiten, siebzehn Vegetarier und … « – Hectors Lippen schürzten sich verächtlich – » … ein Veganer.«

»Und diese Frau, die er … äh … heiratet?« Tara mühte sich, möglichst beiläufig zu klingen.

Hector lachte laut. »Sie heißt Annabel. Ziemlich füllig. Du und Daisy könntet euch ihr Hochzeitskleid bequem teilen.«

Tara war mit Hectors Neigung zu Übertreibungen vertraut genug, um zu wissen, dass Annabel wahrscheinlich nicht mehr als eine kurvenreiche Kleidergröße 42 war.

»Na gut, aber ist sie hübsch?« Nicht, dass sie sich auch nur ansatzweise vorstellen könnte, Dominic würde jemand Nicht-Hübsches heiraten. Das wäre meilenweit unter seiner Würde.

Hector legte seinen Arm um Taras Schulter und führte sie zur Bar. »Schätzchen, mit dir ist sie überhaupt nicht zu vergleichen.«

 

›Walking in a Winter Wonderland‹ trällerte in Daisys Kopf, als sie die Auffahrt des Hotels hinunterging. Der Song war im Radio gelaufen, als sie an diesem Morgen aufgewacht war. Er war so weihnachtlich und unbekümmert und musste einfach für gute Laune sorgen. Jetzt fehlte nur noch echter Schnee. Aber Raureif war auch schön, befand Daisy.

Das Hotel sah großartig aus. Am Ende der Auffahrt sprang Daisy über die honigfarbene Cotswold-Steinmauer zu ihrer Rechten und nahm die Abkürzung zum Friedhof. Niemand begegnete ihr auf dem Weg zu Stevens Grab.

Mervyn Tucker, dessen Frau neben Steven in der Erde lag, hatte den Aluminiumeimer zurückgelassen, mit dem er die Pflanzen auf ihrem Grab goss. Daisy lieh ihn sich aus, drehte ihn um und setzte sich. Dann zog sie den Umschlag aus den Tiefen ihres dunkelblauen Cordsamtmantels.

»Hallo, ich bin’s. Ich habe Neuigkeiten für dich.« Während sie sprach, musste Daisy daran denken, dass sie jeder, der sie in diesem Moment beobachtete, zweifelsohne für verrückt halten würde. Auf einem umgedrehten Alueimer kauernd las sie einem Haufen Erde einen Brief vor. Na und? Sie war allein auf dem Friedhof. Weit und breit niemand, der sie sah oder hörte. Und von diesem Brief sollte Steven erfahren.

Daisy hauchte ihre Finger warm. Ihr Atem bildete in der eisigen Luft kleine Wölkchen.

»Also gut. Dieser Brief kam heute an, von jemand namens Barney. Du hast ihm eine deiner Nieren gespendet und die Operation war ein voller Erfolg. Stell dir nur vor! Er ist 25 Jahre alt und du hast sein Leben gerettet. Warte, ich lese es dir vor. Es fängt mit ›Liebe Freundin‹ an, weil er meinen Namen nicht kennt. Er musste diesen Brief seiner Transplantationskoordinatorin geben und sie hat ihn an mich weitergeleitet – offenbar muss es aus Datenschutzgründen so laufen. Jedenfalls schreibt er: ›Liebe Freundin, ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, dass ich an Sie schreibe. Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie schwierig es für Sie gewesen sein muss, in einer so tragischen Zeit eine solche Entscheidung zu treffen. Aber ich wollte Ihnen unbedingt dafür danken, dass Sie mir ein neues Leben ermöglicht haben. Was immer ich auch sage, es wird unzulänglich sein – ›Dankeschön‹ wäre die Untertreibung des Jahres. Was kann ich sonst sagen? Sie sind ein wunderbarer Mensch – und ich bin sicher, Ihr Ehemann war es auch. Ich kann nur hoffen, dass Ihnen dieser Brief ein klein wenig helfen wird, mit Ihrer Trauer fertig zu werden. Sie verdienen es wirklich, wieder glücklich zu sein. Ich werde Ihnen immer dankbar sein. Wenn Sie mir über meine Koordinatorin antworten wollen, dann würde ich mich sehr darüber freuen. Wenn nicht, verstehe ich das natürlich. Nochmals danke und die allerbesten Wünsche, Barney.‹«

Stille.

Nachdem Daisy den Brief laut vorgelesen hatte, strich sie sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und legte ihre Hand auf Stevens weißen Marmorgrabstein.

»Ist das nicht ein phantastischer Brief? Heute vor einem Jahr bist du gestorben und hast Barney dadurch das Leben neu geschenkt. Zum ersten Mal hast du etwas Anständiges getan. Und er klingt wirklich süß, nicht? Ich muss ihm antworten und ihm danken. Ich frage mich, wie lange er brauchte, um den Brief zu formulieren – und eine nette Handschrift hat er auch. Schwarze Tinte auf gutem, cremefarbenem Schreibpapier. Und … «

Daisy brach abrupt ab, als sie aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahrnahm. Jemand in einer leuchtend roten

Der Metallrand des Eimers bohrte sich allmählich immer schmerzhafter in ihren Hintern. Die Person unter dem Friedhofstor bewegte sich nicht, darum drehte Daisy schließlich den Kopf und starrte sie direkt an. Als ihr klar wurde, um wen es sich da handelte, wäre sie um ein Haar vom Eimer gekippt.

Natürlich war es der Jahrestag von Stevens Tod. Vielleicht hätte es sie gar nicht so sehr überraschen sollen.

Daisy erholte sich zügig und rief: »Ist schon okay, Sie können ruhig herkommen.«

Der Parka – nur dass sie dieses Mal keinen Parka trug – zögerte, dann fädelte sie sich langsam durch die Grabsteine. Das gefrorene Gras knirschte unter ihren flachen Lederstiefeln. Sie trug eine scharlachrote Webpelzjacke, weiße Jeans, einen leuchtend grünen Wollschal und blaue Strickhandschuhe. In den Armen hielt sie einen kleinen Strauß weißer Rosen in Zellophan.

Argwöhnisch näherte sie sich Daisy und meinte: »Hören Sie, es tut mir Leid. Ich sollte wieder gehen und später zurückkommen, wenn Sie … «

»Keine Sorge, ich bin hier ohnehin fertig. Sie können meinen Platz haben, wenn Sie wollen.« Daisy hob den Hintern vom Eimer – aua! –, stand auf und winkte die junge Frau heran. Zutiefst neugierig lächelte sie sie an. »Ich erkenne Sie aus dem Krankenhaus wieder. Ich bin Daisy.«

»Ich weiß.« Nase und Wangen der jungen Frau waren rosa vor Kälte, und sie sah aus, als fühle sie sich unwohl. Ha, dachte Daisy, warte, bis du dich auf diesen Eimer setzt.

»Ich heiße Mel«, sagte sie schließlich.

Daisy fragte sich, ob sie einander die Hand schütteln sollten, aber ihre Hände wärmten sich gerade in den Manteltaschen auf. Außerdem sah die junge Frau nicht so aus, als wäre sie scharf darauf.

»Na gut, ich glaube, das hier zählt mit Fug und Recht

»Das weiß ich.« Mel wickelte die Rosen aus dem steifen, knisternden Zellophan. »Er wollte sich scheiden lassen und Sie haben sich geweigert.«

Verwirrt sah Daisy auf den gesenkten Scheitel der jungen Frau.

»Was?«

»Er wollte Sie verlassen«, wiederholte Mel. »Aber Sie wollten ihn ja nicht gehen lassen.«

»O nein, es tut mir Leid, aber das stimmt nicht. Ganz und gar nicht!« Abrupt wurde Daisy klar, dass Steven immer noch die Fähigkeit besaß, sie in Erstaunen zu versetzen. »Ich wünschte mir nichts sehnlicher als die Scheidung! In der Woche vor Weihnachten erklärte ich ihm, dass zwischen uns alles aus sei. Und dann sagte er mir, er habe Krebs.«

»Krebs?« Jetzt wirkte Mel verblüfft. »O Gott, ich wusste nicht, dass er Krebs hatte!«

»Tja, hatte er auch nicht. Er hat gelogen. So wollte er mich erpressen, ihn nicht zu verlassen.« Daisy zwang sich, ruhig zu bleiben. »Und wissen Sie, was? Ich bin darauf hereingefallen. Ich dachte, ich könnte ihn in einem solchen Moment nicht allein lassen.« Sie hielt inne, erinnerte sich an den Augenblick im Büro für schlechte Nachrichten. »Dummerweise war es gar nicht wahr.«

»Ich glaube Ihnen nicht.« Mel war schneeweiß, ihre Hände zitterten. »So etwas hätte er nie getan. Das erfinden Sie nur.«

»Glauben Sie mir, wenn ich eine solche Geschichte erfinden wollte, würde ich mir etwas Originelleres einfallen lassen!«, schoss Daisy zurück. »Was für eine mickrige Story, wie aus einer schlechten Vorabendserie! Steven war ein

War es grausam, Mel das zu erzählen? Und glaubte ihr Mel nun?

Die cremeweißen Rosen lagen auf dem Grab, ausgewickelt und unangerührt.

Mel meinte zögernd: »Ich weiß nicht mehr, was ich glauben soll.« Tränen standen in ihren grauen Augen.

»O bitte, es tut mir Leid, ich wollte Sie nicht aufregen«, platzte es aus Daisy heraus. »Aber Sie müssen erfahren, wie Steven wirklich war. Ich hatte keine Ahnung, dass er eine Affäre hatte, aber unsere Ehe war sowieso am Ende.«

»Ich verstehe nur nicht, warum er mich anlügen sollte«, erwiderte Mel. »Wir haben uns geliebt. Mehr als alles andere wollten wir zusammen sein. Wenn Sie nichts gegen eine Scheidung einzuwenden hatten, warum sollte er dann bei Ihnen bleiben wollen?«

Daisy, die sich diese Frage schon vor langer Zeit beantwortet hatte, wies mit der Hand hinter die Friedhofsmauer. In dem Tal, durch das sich der Fluss entlang des sorgfältig angelegten Parks schlängelte, prangte verführerisch das Hotel im Wintersonnenlicht. Es sah aus, als sei es mit Puderzucker bestäubt. Die sechs Meter hohe Fichte neben dem Eingang war mit einer Lichterkette geschmückt. Das Manor House selbst, das in Teilen bis ins 15. Jahrhundert zurückreichte, hätte einer Ralph-Lauren-Anzeige entsprungen sein können. Erst vor einer Woche hatte ein Kritiker es in einer der Sonntagszeitungen als eines der herrlichsten Hotels in Großbritannien gerühmt. Er hatte auch erwähnt, dass es von einem der extravagantesten Charaktere

»Sehen Sie sich das an«, sagte Daisy einfach, »aus diesem Grund wollte Steven bei mir bleiben. Unser Lebensstil hat ihm zu sehr gefallen.« Sie fügte nicht hinzu, dass Steven einfache Verhältnisse noch nie zu schätzen gewusst hatte. Und dass er auch nichts von harter Arbeit gehalten hatte.

Mel runzelte die Stirn. »Sie können jetzt alles Mögliche von ihm behaupten. Er kann sich ja nicht mehr wehren.«

»Ach, kommen Sie schon, denken Sie nach! Wenn Steven mich wirklich verlassen wollte, warum hat er es nicht einfach getan?« Ungeduldig warf Daisy ihre langen, dunklen Haare zurück. »Ich hätte ihn doch nicht aufhalten können. Er war erwachsen. Es war ja nicht so, als ob ich ihn gefesselt und in den Keller gesperrt hätte!«

Unerwarteterweise fragte Mel: »Und hätten Sie ihm die 20 000 Pfund gegeben?«

Daisy zuckte mit den Schultern. »Vermutlich ja. Er war schließlich mein Ehemann. Ich hätte ja wohl kaum sagen können: ›Herrje, Krebs, wie entsetzlich, aber sorry, ich habe gerade kein Kleingeld übrig, ich will mir nämlich unbedingt einen schnuckeligen, neuen Wagen kaufen.‹«

Mel erkundigte sich mit festem Blick: »Haben Sie ihn geliebt?«

Wenn man bedachte, dass sie sich eigentlich völlig fremd waren, führten sie gerade eine erstaunlich offene Unterhaltung, dachte Daisy. Sie schüttelte den Kopf. »Am Schluss nicht mehr.«

»Warum sind Sie dann hier und besuchen sein Grab?« Mel klang herausfordernd. »Ich habe doch gesehen, wie Sie mit ihm geredet haben.«

»Das sage ich Ihnen gleich. Doch zuvor, haben Sie Steven geliebt?«

Mel sah sie mitleidig an. »Natürlich! Wäre ich sonst

»Jemals? Dann waren Sie also schon früher hier?« Beinahe wäre Daisy herausgerutscht: »Kommen Sie öfter her?«

»Ich komme jede Woche. Das ist mein gutes Recht«, erwiderte Mel trotzig. »Sie können mich nicht davon abhalten.«

»Ich sage ja gar nicht, dass ich Sie davon abhalten will!« Meine Güte, war die vielleicht sensibel. »Auf merkwürdige Weise ist es nett zu wissen, dass Sie ihn besuchen. Wie alt sind Sie?« Rasch wechselte Daisy das Thema. Bitte schön, ich kann auch persönliche Fragen stellen.

»Ich bin 26«, erklärte Mel steif.

Hm, also älter als sie aussah. Angesichts der Schulmädchenfrisur und des kleinen Mundes hätte Daisy sie auf 21 oder 22 geschätzt.

»Dann waren sie also 25, als Sie sich mit dem Ehemann einer anderen einließen? Gar keine Gewissensbisse?«

Mels Hände, mit denen sie mittlerweile ungeschickt die Rosen in der Steinvase arrangierte, waren so rot wie ihre Nase. Das gefrorene Gras hinterließ Flecken auf den Knien ihrer weißen Jeans.

»Er tat mir Leid. Er sagte, er sei in einer lieblosen Ehe gefangen – was ja stimmte – und dass Sie … na ja … «

»Lassen Sie mich raten. Die Furie aus der Hölle?« Das passte, dachte Daisy. Niemand konnte sich geschickter oder überzeugender durchs Leben lügen als Steven. »Eigentlich bin ich das nicht. Ich bin richtig nett. Nicht, dass Sie mir das glauben werden, aber es stimmt.«

Mel sah auf. »Sie haben etwas wirklich Nettes getan. Sie haben der Schwester im Krankenhaus erlaubt, mich auf die Intensivstation zu lassen. Das hat mir sehr viel bedeutet. Ich konnte nicht glauben, dass Sie das getan haben.«

Daisy lächelte kurz. »Na bitte, wie ich schon sagte, im Grunde bin ich eine absolut liebenswerte Person.«

Mel, die zu angespannt war, um das Lächeln zu

»Schüchterne Typen können kein Hotel führen. Und wo wir gerade davon sprechen, ich sollte wieder zurück.« Daisy sah auf ihre Uhr und bemerkte gleichzeitig, wie Mel darauf starrte – ja, es war eine Uhr von Cartier, und nein, es war keine Fälschung. »Bevor ich gehe, möchte ich Ihnen noch etwas zeigen.«

Mel faltete die beiden Briefbögen auf und sie las erst das Erklärungsschreiben der Koordinatorin, dann den Brief von Barney.

Mel machte sich nicht die Mühe, den zweiten Brief zu Ende zu lesen, sondern stopfte ihn in den Umschlag zurück und warf ihn Daisy förmlich entgegen.

»Hilft Ihnen das nicht?« Daisy runzelte bestürzt die Stirn.

»Warum sollte es?«

»Ich halte den Brief für reizend! Darum bin ich auch hergekommen und habe Steven davon erzählt. Er hat etwas Gutes getan. Dank ihm hat dieser Junge sein Leben wiedergewonnen.«

»Aber er ist doch ein Fremder.« Tränen der Wut quollen in Mels Augen auf. »Der ist mir egal. Mir wäre es lieber, Steven wäre noch am Leben. Ich will, dass er sein Leben wiedergewinnt, nicht irgendein Typ, den ich nicht einmal kenne.«