Gray folgte dem gepflasterten Weg zur dichten Dschungelwand. Riesige Mahagonibäume und Zedern drängten sich aneinander. Ihre Äste waren miteinander verwoben, das Laub hing tief herab, ein undurchdringlicher grüner Schirm. Die weit aus dem Erdboden ragenden Wurzeln bildeten eine hohe Barriere.
Die Straße führte mitten hindurch. An der anderen Seite war es heller. Als sie sich dem Tunnel näherten, schaltete Gray die Taschenlampe aus und verstaute sie im Rucksack. Sie wurde nicht mehr gebraucht.
Als er unter der von Schlingpflanzen überwachsenen Laube hindurchging, zog er den Kopf ein. Tyende ging neben ihm und pflanzte seinen Stab bei jedem Schritt fest auf den Boden. Molimbo und dessen Jäger waren zurückgeblieben.
Benjie folgte ihnen, während Kowalski und Faraji den Abschluss bildeten.
Nach einer Weile regte es sich in der Tunnelwandung. Breite, feuchte Blätter wichen vor ihnen zurück und zogen sich zusammen, als ballten sie die Fäuste, verärgert über ihre Anwesenheit. Dornige Schlinggewächse schlängelten und krümmten sich, fuhren wie Klauen durchs Laub. Die Dornen sonderten blutroten Saft ab.
Ein Tropfen fiel auf Grays Wange. Es brannte wie ein Bienenstich. Er wischte ihn mit dem Hemd weg, aus Angst, er könnte giftig sein.
Tyende bemerkte seine Vorsicht. »Senken Sie den Kopf. Solange Sie nichts in den Mund bekommen, haben Sie nichts zu befürchten.«
»Ehrlich gesagt hatte ich nicht vor, an den Dornen zu lecken«, brummte Kowalski und duckte sich noch mehr.
Benjie zuckte zusammen und rieb sich das Handgelenk. »Das fühlt sich an wie Brennnesseln«, sagte er, klang aber eher erstaunt als besorgt. »Deren Gift ist ein Hexengebräu aus Histaminen und verschiedenen Säuren. Ameisen-, Wein- und Oxalsäure.«
Gray fragte sich erneut, ob das Virus die Flora im Tal im Lauf des Jahrtausende währenden Kontakts genetisch verändert hatte.
Benjie zupfte an seinem Hemd. »Sehen Sie …«
Gray blickte sich um. Der Tunnel schloss sich hinter ihnen. Die Äste neigten sich tiefer, die Blätter fächerten sich auf. Die Dornenranken verwoben sich zu einem dichten Netz und versperrten ihnen den Rückweg.
Gray dachte an Tyendes Warnung. Werden Sie für unzulänglich befunden, gibt es kein Zurück. Offenbar war das wörtlich gemeint gewesen.
Da er keine andere Wahl hatte, ging Gray weiter. Vor ihm wurde es immer heller, kein Gleißen, sondern eher ein sanftes Leuchten wie zur Morgendämmerung. Vielleicht ermöglichte das Licht dem Dickicht ja die Fotosynthese, vergleichbar einer kleinen Sonne inmitten der Dunkelheit des Dschungels.
Schließlich hatte er das Ende des Tunnels erreicht. Als die Sicht sich weitete, entfuhr ihm ein Überraschungslaut. Vor ihm breitete sich ein mit kleinen Tümpeln gesprenkeltes Wunderland aus, umgeben von dichtem Wald und überschattet vom Laub der Bäume.
Benjie schloss stolpernd zu Gray und Tyende auf und ließ den Blick staunend umherschweifen. »Das ist ja ein Wald im Wald.«
Gray pflichtete ihm wortlos bei. In dieser undurchdringlichen tiefgrünen Blase gab es einen zweiten Wald. Zahllose schneeweiße Baumstämme ragten vierzig Meter hoch empor. Man hätte sie für Riesenbirken halten können, doch die Rinde schälte sich nicht ab, sondern wirkte eher fleischig wie die Haut von Pilzstängeln. Ihr Geäst bildete Kuppeln aus goldgrünen Wedeln, die sich nicht berührten, so als wären sie beschnitten oder auf Abstand gepflanzt worden.
Das Licht kam hier vom Waldboden. Die wogende Landschaft war bewachsen mit phosphoreszierenden Pilzen und leuchtenden Schwämmen. In den kleinen Tümpeln gediehen biolumineszierende Algen.
Modergeruch lag in der Luft, aber auch eine schwere Süße wie von verrottenden Früchten. Der Geruch wirkte alt, so als wäre er im Lauf der Jahrtausende in alle Poren dieses Orts eingesickert.
»Was nun?«, flüsterte Benjie ehrfurchtsvoll.
»Wir gehen weiter«, antwortete Gray.
Tyende nickte zustimmend, fügte aber auch eine Warnung hinzu: »Weichen Sie nicht vom Weg ab.«
Der Weg führte durch welliges Gelände und schlängelte sich durch den Wald. Gray übernahm wieder die Führung. Der Pfad war so schmal, dass sie nur zu zweit nebeneinander hergehen konnten.
Je weiter sie kamen, desto stärker wurde der Geruch. Der seltsame Wald registrierte ihre Anwesenheit. Die Pilzhüte schwankten, als sich die Wurzeln verlagerten und stellenweise als bleiche Stränge an die Oberfläche traten. Unmittelbar neben dem Weg brach ein schenkeldickes Rhizom aus dem Boden. Es bildete spitze Stacheln aus, dann flachte es wieder ab und verschwand.
Kowalski starrte ihm hinterher. »Also, ich setze jedenfalls keinen Fuß da hin.«
Benjie hatte von dem bedrohlichen Vorfall anscheinend nichts mitbekommen. Er beobachtete den Wald. »Ich glaube, das sind keine einzelnen Bäume. Dafür sind sie zu gleichförmig. Das erinnert mich an Pando.«
»Wer ist Pando?«, fragte Kowalski.
»Nicht wer , sondern was «, erwiderte Benjie zerstreut, den Blick auf die Bäume gerichtet. »Das ist ein Wald. In Utah. Auch als Zitternder Riese bezeichnet. Das ist eine Ansammlung von Populus tremuloides oder Zitterpappeln. Auf den ersten Blick meint man, einen Wald aus vierzigtausend Bäumen vor sich zu haben, doch in Wirklichkeit handelt es sich um einen einzigen Organismus, einen einzigen Baum, dessen Wurzeltriebe Klone ausgebildet haben. Er ist mindestens achtzigtausend Jahre alt, möglicherweise sogar eine Million Jahre.«
»Glauben Sie, hier könnte es ähnlich sein?«, fragte Gray.
»Möglicherweise. Zumal ich die Bäume kenne.«
»Tatsächlich?«
»Ja. Aber nur als Fossilien. Der breite Fuß, die sich verjüngenden Stämme. Ich bin mir so gut wie sicher, dass sie mit den prähistorischen Cladoxylosida verwandt sind, einer Klasse von farnähnlichen Riesenbäumen. Sie gelten als die ersten Bäume überhaupt und sind vor vierhundert Millionen Jahren entstanden. Achten Sie auf die Risse in der Rinde. Gerade eben sind wir an einem Riss vorbeigekommen, der so breit war, dass man ins hohle Innere blicken konnte. Und beachten Sie auch, dass die Risse sich von selbst reparieren und mit neu gebildetem Xylem füllen. So wuchsen die ersten Bäume.«
Benjie blickte Gray an. »Wissen Sie noch, was ich über die ältesten Pilze im Kongo gesagt habe, von denen man annimmt, dass sie den Boden für die späteren Bäume bereitet haben?« Er deutete auf einen der Bäume. »Das waren die ersten. Es handelt sich eindeutig um einen Baum, doch er besitzt auch Eigenschaften der Pilze und Schwämme. Deshalb glaube ich, dass es sich bei diesem Wald wie bei vielen Pilzarten um eine Ansammlung von Klonen handelt. Der Wald ist sozusagen halb Baum, halb Pilz.«
Gray schluckte und betrachtete den Wald mit neuen Augen. Die Baumkronen erinnerten an Pilzhüte, bloß dass sie statt aus Lamellen aus farnartigen Wedeln gebildet waren.
Benji, mit seiner Beweisführung noch nicht am Ende, zeigte auf einen nahe gelegenen Baumstamm. »Beachten Sie auch die rundlichen Ausbuchtungen. Das sind primitive Sporensäcke, vergleichbar den Bovisten, die wir gesehen haben.« Er deutete auf einen anderen Baum, der aus zahlreichen kleinen Öffnungen zu rauchen schien. »Da werden bereits Sporen aus den Ostiolen ausgestoßen.«
Gray schnitt eine Grimasse. »Also halb Baum, halb Pilz …«
Kowalski schaute belämmert drein. »Ich glaube, bei diesen Scheißdingern steckt noch mehr dahinter.« Er wich vor einer stachligen Wurzel zurück, die plötzlich aus dem Boden brach. »Ich finde, da ist auch irgendein Tier drin.«
»Das ist durchaus möglich«, meinte Benjie achselzuckend. »Hier wird eindeutig mit Versatzstücken der Evolution gespielt.«
Gray ließ sich das durch den Kopf gehen. Hatte das Virus etwa auch diese primitive Lebensform genetisch verändert?
Er schaute umher, auf der Suche nach Antworten. Der gepflasterte Weg schlängelte sich immer tiefer in dieses seltsame Gehölz hinein. Offenbar führte er ins Herz des Waldes.
Was uns dort wohl erwarten mag?
Benjie blieb hinter den anderen zurück, fasziniert von den Mysterien des Waldes. An der Spitze der Gruppe bestürmte Gray Tyende mit Fragen, doch der alte Mann zeigte lediglich nach vorn und weigerte sich zu antworten. Kowalski folgte den beiden mit grimmiger Miene.
Benjie blendete seine Begleiter aus, denn die Umgebung interessierte ihn mehr. Die leuchtenden Tümpel am Waldrand waren stetig größer geworden. Einige wurden von geschwungenen Brücken überspannt.
Als Benjie über eine der Brücken schritt, schaute er ins Wasser hinunter, fasziniert von dessen rötlich gelbem Schimmer. Die Tümpel waren umsäumt von einer ockerfarbenen Schleimschicht, Ursprung des Leuchtens. Das phosphoreszierende Gewächs verlieh dem Wasser die Farbe von schwachem Tee.
Darauf achtend, dass er dem Rand der geländerlosen Brücke nicht zu nahe kam, schaute Benjie in die Tiefe. Dabei machte er eine weitere Entdeckung. Der Boden des Tümpels war anscheinend von einem weißlichen Netz bedeckt. Benjie betrachtete das Muster eingehend. Die einzelnen Fäden des Netzes waren durch Knoten miteinander verknüpft. Auf einmal wurde ihm klar, was er da vor sich sah.
»Hyphen«, murmelte er.
Wenn er recht hatte, stützte das seine Theorie.
Hyphen waren sich verzweigende vegetative Stränge, die das Mycel – die Aderstruktur – eines Pilzes bildeten. Sie verbanden alles zu einem Ganzen. Er wusste nicht, ob das Hyphennetzwerk Teil des Riesenorganismus war oder ob es mit ihm in symbiotischer Beziehung stand. Viele Bäume unterhielten mit Bodenpilzen eine Beziehung zum wechselseitigen Nutzen. Manche Wissenschaftler glaubten, die Pilznetzwerke ahmten ein neuronales Netzwerk nach und seien das Gehirn des Waldes. Das Mycel enthielt sogar Neurotransmitter, darunter auch Glutamat, einen der wichtigsten Transmitter des menschlichen Gehirns.
Benjie blickte zum Ufer des Tümpels und stellte sich vor, wie das Netz sich im Erdreich ausbreitete und einen Komplex von mehreren Quadratkilometern Ausdehnung bildete. Er schauderte bei der Vorstellung, eine kalte, riesenhafte Intelligenz erwidere seinen Blick.
Er eilte den anderen hinterher, um ihnen seine Theorie mitzuteilen.
Einer aus der Gruppe aber war auf der Brücke stehen geblieben und schaute ins Wasser.
Benjie trat neben Faraji. »Komm mit! Wir dürfen nicht zurückbleiben.«
Als Benjie weitergehen wollte, blieb Faraji wie festgewurzelt stehen, die Hand an den Hals gelegt.
»Was hast du?«, fragte Benjie.
Faraji zeigte auf den Tümpel hinunter. »Utetezi …«
Benjie runzelte die Stirn. Er besaß ein nahezu eidetisches Gedächtnis und hatte deshalb die meisten Fakten parat, die er sich im Lauf seiner Studien eingeprägt hatte. Trotzdem dauerte es eine Weile, bis er das Bantu-Wort eingeordnet hatte. Er hatte es einige Male im Labor der Universität von Kisangani gehört. Utetezi bedeutete »Schutz«. Faraji hatte es in Zusammenhang mit dem Pulver gebraucht, das der Schamane im UN -Lager angewendet hatte.
Benjie dachte an ihre hektische Flucht und den Angriff der Paviane. Im Geiste sah er vor sich, wie Woko Bosh sich um die eigene Achse drehte und die Tiere mit dem feinen Pulver in die Flucht schlug.
Der Zeitablauf verlangsamte sich.
Das Pulver in der Luft …
Benjie blickte zum Tümpel hinab. Er hatte die gleiche rot-gelbe Farbe wie das Pulver. Er packte Faraji bei der Schulter und rief die anderen zu sich. Widerwillig kamen sie seiner Aufforderung nach. Benjie, der es nicht erwarten konnte, ihnen die Neuigkeit mitzuteilen, eilte ihnen bis zum Ende der Brücke entgegen.
Er zeigte auf den Tümpel und teilte ihnen seine und Farajis Vermutung mit. »Es ist der Pilz«, sagte er. »Oder ein anderer Inhaltsstoff des Wassers. Ich glaube, Woko Boshs Schutzpulver stammt von hier. Es wurde aus dem Wasser eines solchen Tümpels gewonnen.«
Gray blickte Tyende an. »Stimmt das? Hatte Sheppard das Pulver von hier?«
»Molimbos Volk hat es ihm geschenkt, damit er sich auf dem Rückweg schützen konnte.« Tyende setzte sich wieder in Bewegung und bedeutete den anderen, ihm zu folgen. »Und ja, es kam aus einem dieser Tümpel.«
»Aber es ist kein Heilmittel, hab ich recht?«, sagte Gray. »Es wehrt lediglich die bereits Infizierten ab.«
Tyende neigte das Haupt und schwieg.
Benjie ging neben Gray her und schilderte ihm kurz, was er am Grund des Tümpels entdeckt hatte. »Das ist alles miteinander verbunden. Das Hyphennetzwerk der Pilze und der gewaltige Klonkomplex der Bäume. Jetzt wissen wir, dass der Wald ein Gegenmittel gegen das Virus produziert. Und wenn das stimmt …«
Bei dem Gedanken verzagte er. Er spürte, dass Gray bereits zu demselben Schluss gelangt war.
»Fahren Sie fort«, sagte Gray.
Benjie passierte einen weiteren Baum. Die großen Verdickungen am Stamm stießen Sporen aus.
»Der Wald ist nicht mit dem Virus infiziert «, sagte Benjie. »Er ist dessen Ursprung .«
Gray nickte mit grimmiger Miene. Er schritt schneller aus, denn er spürte, dass ihnen die Zeit davonlief.
Vermutlich sind wir alle bereits infiziert.
Der Weg führte zu einem hoch aufragenden Felsen mit abgeschrägter Oberseite. Er war höher als ein zweistöckiges Haus und bewachsen mit Moos, Pilzen und Flechten. Ein einzelner Baum stand auf der schiefen Oberseite. Es war ein Schössling, nicht dicker als Benjies Unterarm. Die meisten Wurzeln hatten sich in die dünne Mulchschicht gegraben, doch ein paar lagen frei. Einige der Rhizome am oberen Rand bewegten sich, als hätte der Baum Mühe, sich festzuklammern. Am Fuß des Felsens verschwanden weitere Wurzelstränge im Boden, wo sie sich wohl mit dem Netzwerk vereinigten.
Benjie dachte daran, dass Pilze vermutlich einst die Voraussetzungen dafür geschaffen hatten, dass die Pflanzen aufs Festland gewandert waren. Die Szenerie auf dem Felsen wirkte wie ein Mikrokosmos dieses Prozesses.
Sie gingen weiter und erblickten hinter dem Felsen einen großen Hügel. Nur die Kronen der Bäume ganz oben waren zu sehen, was darauf hindeutete, dass die Besiedlung der Höhenlage besonders erfolgreich verlaufen war.
Hinter dem Felsen hielt Gray an. Benjie wäre fast gegen ihn geprallt und wich ihm eilig aus – dann taumelte er bestürzt zurück.
Er hatte sich getäuscht.
Das war kein Hügel – sondern ein einziger gewaltiger Baum .
Kowalski fluchte.
Faraji schnappte nach Luft.
Was er für Baumkronen gehalten hatte, war die Krone eines einzelnen Baums, der um die hundert Meter hoch aufragte. Der Stamm hatte einen Durchmesser von zwanzig Metern und war zernarbt und knotig. Der obere Teil war blass wie der Rest des Waldes, doch nach unten zu wurde er immer dunkler und war am Fuß vollständig schwarz, möglicherweise im Lauf der Zeit versteinert. Trotzdem lebte er noch immer.
Er ruhte auf einem Geflecht aus knorrigen, stachligen Wurzeln, einige waren mannsdick. Das Geflecht aus Knoten und Knollen ragte bis in eine Höhe von sechs Metern auf.
Benjie fand die Sprache als Erster wieder. »Das … das ist der Mutterbaum.«
Da hat er wohl recht …
Die gewaltige Größe des Baums forderte Grays Vorstellungsvermögen heraus. Das hier war das Herz des ganzen Waldes, das Jahrtausende, wenn nicht gar die Zeitalter überdauert hatte.
Er spürte, dass nicht nur der Mutterbaum hier seine Wurzeln hatte.
Sondern die Natur selbst.
Tyende hatte dafür eine andere Bezeichnung. »Hier steht Ihre Richterin. Sie wird entscheiden, ob Sie würdig sind.«
Tyende geleitete sie weiter. Sie folgten ihm über das letzte Wegstück. Nach und nach füllte der Baum das ganze Blickfeld aus. Der stachlige Wurzelring sah aus, als wäre er aus Ebenholz geschnitzt, eher Stein als Holz. Als sie näher kamen, machten sie auf der schwarzen Oberfläche silbrige Adern aus.
Tyende hielt vor der Barriere an. Der Weg führte noch weiter und verschwand unter dem Wurzelgewirr. Von hier aus müssten sie kriechen. Niemand schien angesichts der Stacheln dazu bereit. Obwohl sie versteinert wirkten, knarrte und ächzte die Wurzelmasse.
Sie sind noch lebendig. Der Baum weiß, dass wir da sind.
Gray dachte an den anderen Tunnel, der sich nach dem Betreten des Waldgebiets hinter ihnen geschlossen hatte.
Wenn das passiert, solange wir da drinnen sind …
Kowalski musterte Tyende finster. »Sie wollen, dass wir da reinkrabbeln. Sehe ich etwa aus wie ein verdammter Pygmäe?«
»Man wird Sie auf die Probe stellen«, sagte Tyende.
Benjie trat näher und betrachtete die Wurzeln mit schief gelegtem Kopf. »Hm …«
»Was ist?«, fragte Gray.
Der Biologe trat zurück. Unter allerlei Verrenkungen zog er etwas aus der Seitentasche seiner Cargohose und hielt es hoch. Es war die Ndop-Figur, die William Sheppard darstellte. Zuvor hatte er sie Molimbo gezeigt.
Benjie reckte sie dem Wurzelverhau entgegen. Mit hochgezogener Braue blickte er sich um. Jetzt sah es auch Gray. Die Schnitzfigur war silbrig gemasert, genau wie die Wurzel.
Gray wandte sich an Tyende. »Die Figur besteht aus dem Holz des Baums.«
Der alte Mann nickte. »Ein weiteres Geschenk Molimbos. Es ist eine seltene Ehre, wenn sie einen kleinen Teil von Ihr mit jemandem teilen. Ausdruck Ihrer Verehrung für Reverend Sheppard. Er hat vielen von ihnen das Leben gerettet.«
Gray hoffte, dass auch sein Team für würdig befunden wurde. Er blickte an dem abweisenden Wurzelring vorbei zur gewaltigen Krone auf. Es gab nur eine Möglichkeit, das herauszufinden.
Tyende zeigte mit dem Stab auf den Tunnel. »Es wird Zeit.«
Gray trat vor und ließ sich auf alle viere nieder. »Ich gehe voran.«
Niemand erhob Einwände.
Gray schob die umgehängte Waffe auf seinen Rücken und kroch in den Tunnel hinein, wobei er darauf achtete, den Stacheln auszuweichen. Es war, als zwänge man sich durch eine zerbrochene Glasflasche. Stacheln streiften an seiner Schulter, am Kopf und an der Wange. Jedes Mal zuckte er zusammen, jedoch nicht vor Schmerz, sondern aus Angst vor dem, was sich in den Stacheln befinden mochte.
Den anderen erging es nicht besser. Hinter ihm vernahm er leise Schreie, lautes Keuchen und eine Litanei von Flüchen. Gray fürchtete, die Fangzähne könnten sich jeden Moment um sie schließen. Er krabbelte schneller, was ihm weitere Schnitte und Stiche einbrachte. Der Tunnel schien kein Ende zu nehmen, auch wenn er in Wahrheit nur fünfzig oder sechzig Meter lang war.
Als er das Ende erreichte, hielt er auf der letzten Wegstrecke die Luft an. Dann richtete er sich auf und trat zur Seite. Die Größe des Mutterbaums verschlug ihm den Atem.
In dreißig Metern Entfernung ragte der Baumstamm auf wie eine dunkle Wand. Die Krone konnte er selbst dann nicht sehen, wenn er den Kopf in den Nacken legte. Unterhalb der untersten Äste aber gab es Hunderte, wenn nicht gar Tausende Sporen bildende Zysten. Sie wuchsen dicht gedrängt und überlagerten sich, ein makabrer Traubencluster. Die kleinsten hatten die Größe eines Basketballs, manche waren zehn Mal so groß.
Viele davon stießen Sporen aus.
Inzwischen waren alle aus dem Tunnel hervorgekrabbelt und bestaunten den majestätischen Baum. Zwischen ihnen und dem Stamm war Felsboden, doch er war nicht nackt. Darauf wogte ein niedrigeres Geflecht von Wurzeln. Diese aber waren weißlich und vermutlich jünger. Offenbar hatte ihr Erscheinen sie in Aufregung versetzt.
Hinter den Wurzeln zeichnete sich im schwarzen Baumstamm ein hoher Riss ab, hinter dem sich ein Hohlraum befand.
Leer aber war er nicht.
Innerhalb des Baums schimmerte ein großer Tümpel. Ein sanftes Leuchten ging davon aus, doch im Unterschied zu den anderen Tümpeln war es silbrig , so als leuchtete in der Tiefe ein heller Mond.
Schimmernde Adern durchzogen die dunkle Innenseite des Baums. Es war, als ergieße sich seine Essenz in den kleinen See.
»Mzazi Maziwa« , sagte Tyende, auf seinen Stab gestützt.
Gray war dermaßen fasziniert vom Baum, dass er nicht mitbekommen hatte, dass der Mann ihnen gefolgt war.
»Das bedeutet ›Muttermilch‹«, erklärte Tyende.
Gray musterte ihn scharf. Er wusste seine Hilfe zu schätzen, doch Tyendes Mangel an Offenheit ärgerte ihn. Gray brauchte Antworten – auch wenn er glaubte, er habe die wichtigsten Fragen bereits gelöst.
»Muttermilch«, sagte Gray. »Wenn das so ist, muss ich davon ausgehen, dass das Heilmittel sich im Tümpel befindet.« Er zeigte zu den rauchenden Zysten hoch. »Ein Heilmittel gegen das da.«
Tyende ließ resigniert die Schultern hängen. »Lange Zeit war Sie ruhig und hat geschlummert. Bis vor dreizehn Monaten. Sie reagierte auf eine Veränderung. Auf etwas, das Sie als Bedrohung wahrnahm. Wochenlang hat Sie – wie der ganze Wald – Ihr Gift ausgestoßen, bis Sie sich schließlich wieder beruhigte.«
Gray stellte sich die Sporenwolke vor, die vom Tal aufgestiegen war und das tödliche Virus verbreitet hatte.
»Ich hatte gehofft, der Schaden bliebe auf die Region begrenzt und die Seuche würde irgendwann abflauen«, fuhr Tyende fort. »So wie in der Vergangenheit.«
Gray blickte Benjie an. Der Biologe hatte gemeint, der erste Ausbruch des Virus sei möglicherweise auf eine kleinere Region beschränkt gewesen. Dann aber hatte sich die Lage grundlegend geändert.
»Der Monsun und die monatelangen Überschwemmungen«, sagte Gray. »Deshalb hat die Infektion sich weiter ausgebreitet als gewöhnlich und sich festgesetzt. Ein laues Lüftchen hat sich zu einem Feuersturm ausgeweitet.«
Tyende nickte.
Gray runzelte die Stirn. »Eins ist mir noch unklar. Was hat den Baum dazu veranlasst?« Er schwenkte weit ausholend den Arm. »Niemand ist hier eingedrungen oder hat den Wald bedroht.«
»Nicht unmittelbar. Aber mit der Zeit entwickelt man Verständnis für Ihre Stimmungen. In den letzten Jahrzehnten ist Sie launischer geworden, möglicherweise Folge der zunehmenden Luftverschmutzung. Die schlechte Luft, der saure Regen, das verseuchte Grundwasser, die heißeren und länger währenden Sommerperioden. Dazu kamen die zunehmenden Übergriffe des Menschen auf das umliegende Gebiet. All das hat Sie reizbar gemacht.«
Gray blickte Benjie an und dachte an dessen Ausführungen zur Sensitivität der Pflanzen, die kleinste Veränderungen der Umwelt wahrnahmen – vor allem, wenn es sich um Bedrohungen handelte.
Gray konzentrierte sich wieder auf Tyende. »Aber was war vor dreizehn Monaten der Auslöser? Was hat den Baum ausrasten lassen?«
Tyende seufzte. »Ich habe lange gebraucht, um die Wahrheit zu erkennen. Die Bedrohung, die Sie registrierte, ging vom Nordosten aus, von der Gegend, in der die Kilo-Moto-Mine liegt.«
Gray erinnerte sich, dass er sie auf der Karte gesehen hatte. »Ist sie zu nahe an das Territorium des Baums herangerückt?«
»Nein, es war etwas viel Dramatischeres«, erwiderte Tyende. »In der Region ist ein See explodiert. Viele Menschen, die in Ufernähe lebten, wurden getötet und sind erstickt.«
»Was hat die Explosion verursacht?«, fragte Gray. »War es ein Minenunfall?«
»Die Betreiber behaupten, es sei ein Erdbeben gewesen.« Tyendes Miene verdüsterte sich. »Aber ich war selbst dort und habe mir die Berichte der Anwohner angehört. Das war kein Erdbeben, jedenfalls kein natürliches. Jemand hat schweres Gerät dorthin gebracht. Es waren Explosionen zu hören, und der Boden hat heftig gebebt.«
»Klingt nach Fracking«, meinte Kowalski.
Tyende zuckte mit den Schultern. »Die Dorfbewohner haben versucht, die Verantwortlichen zu warnen. Die örtlichen Legenden warnen davor, den See zu stören, da sonst gefährliche Geister wachgerufen würden. Ihr Flehen stieß auf taube Ohren. Hinterher wurden mit dem schweren Gerät die Spuren beseitigt, und man hat ein Erdbeben verantwortlich gemacht.«
»Eins verstehe ich noch immer nicht«, sagte Gray. »Wie konnte ein Beben – ob natürlicher Ursache oder von Menschen hervorgerufen – einen See explodieren lassen und die Anwohner ersticken?«
Die Antwort erfolgte aus überraschender Richtung. Benjie machte große Augen. »Ich glaube, ich habe von dem Ereignis gelesen. Bevor ich in den Kongo reiste. Das war eine Methanexplosion.«
»Methan?«, wiederholte Gray. »Woher kam das?«
»Es stammte aus einer ungewöhnlichen Quelle«, erklärte Benjie. »Was in dieser tektonisch aktiven Region allerdings nicht ganz so selten ist. Zwischen der DR Kongo und Ruanda liegt eine Kette von Seen. Einige davon werden von heißen vulkanischen Quellen gespeist. Sie sind so tief, dass das von den Quellen freigesetzte Methan aufgrund des Wasserdrucks am Seeboden gelöst bleibt. Das ist eine prekäre Situation, eine instabile Stratifizierung. Ein Erdbeben – oder eine andere Erschütterung – kann die Stratifizierung beenden und das Methan auf einen Schlag freisetzen. 1986 ist das am Nyos-See in Kamerun passiert, wo zweitausend Menschen ums Leben kamen.«
Gray stellte sich vor, wie die Dorfbewohner vom Erdbeben geweckt wurden. Das brodelnde Wasser hatte so viel giftiges Methan freigesetzt, dass sie keine Luft mehr bekamen.
»Für den Kivu-See«, fuhr Benjie fort, »einen der größten Seen in der Kette, befürchtet man etwas Ähnliches. Er ist ebenso instabil und das Ufer viel dichter besiedelt. Sollte er jemals explodieren, würden Millionen sterben.«
Allmählich begriff Gray, was hier geschehen war. »Die Methanwolke wurde von der Mine hierhergeweht. Und der Mutterbaum hat das Gift wahrgenommen.«
Tyende nickte. »Sie betrachtete das als unmittelbare Bedrohung – und hat entsprechend heftig reagiert.«
Gray rieb sich die Stirn, als er sich die Verkettung der tragischen Ereignisse vergegenwärtigte. Eine bittere Wahrheit aber ließ sich nicht leugnen. Wäre die Methanexplosion nicht gewesen, hätte irgendwann ein anderer Umweltauslöser den gestressten Baum zu einer Reaktion veranlasst.
Er blickte am Mutterbaum hoch, der noch immer bedrohliche Sporenwolken ausstieß.
Die Natur war die nachlässige Behandlung durch die Menschen leid. Das Anthropozän – die Ära der Dominanz des Menschen – war im geologischen Maßstab so kurz wie ein Blinzeln. Die Natur existierte schon weit länger und hatte im Lauf von Jahrmillionen Überlebensstrategien entwickelt.
Wie sollen wir dagegen ankommen?
Diese Frage aber musste warten. Im Moment hatte er andere Sorgen. Er zeigte auf den silbrig leuchtenden Tümpel im Innern des Baums. Er wusste nicht, welche Heilkräfte das Wasser besaß, doch im Moment ruhten alle Hoffnungen darauf.
»Wird Sie diese Gabe mit uns teilen?«, fragte Gray.
»Wie ich schon sagte: wenn Sie sich als würdig erweisen.« Tyende deutete auf den Dornentunnel. »Die Prüfung hat bereits stattgefunden.«
»Was soll ich jetzt tun?«, fragte Gray.
Tyende wies mit dem Kinn nach vorn. »Nähern Sie sich Ihr. Sie wird Ihnen die Antwort deutlich machen.«
Gray musterte die sich auf dem Felsgestein windenden Wurzeln. Spitze Stacheln richteten sich auf, während sie sich umeinanderwanden. Damit konnten sie ihm vermutlich die Muskeln von den Knochen schneiden, bevor er auch nur ein paar Schritte weit gekommen war.
Trotzdem muss ich es versuchen.
Er holte tief Luft und sandte ein Stoßgebet gen Himmel – nicht nur um seinetwillen, sondern aus Sorge um die ganze Welt. Dann näherte er sich der wogenden Gefahr. Bei jedem Schritt rechnete er damit, zurückgetrieben oder von zahllosen Stacheln durchbohrt zu werden. Das Gewoge wurde heftiger; der Baum reagierte auf ihn.
Am Rand der Barriere blieb er stehen.
Offenbar war er ihr zu nahe gekommen.
Eine Wurzel schoss so schnell vor, dass er die Bewegung kaum wahrnahm. Sie traf ihn an der Brust. Es fühlte sich an, als wäre er gegen ein fahrendes Auto geprallt. Er wurde zurückgeschleudert und landete auf dem Hintern. Japsend setzte er sich auf und rieb sich die Rippen.
Zumindest hat Sie mich nicht durchbohrt.
Trotzdem war das Ergebnis niederschmetternd. Er blickte sich zu Tyende um, dessen Miene leicht zu deuten war.
Sie hat mich zurückgewiesen.
Gray richtete sich hustend auf. »Vielleicht lag es ja an mir. Sie müssen es alle probieren. Wir haben keine Wahl.«
Benjie versuchte es als Nächster, doch auch er wurde zurückgeschleudert. Faraji erging es nicht besser.
»Ach, was soll’s.« Kowalski nahm die Shuriken von der Schulter. Er setzte sich in Bewegung, die Mündung auf die Wurzeln gerichtet. »Ich habe meine eigene Art anzuklopfen.«
Gray setzte ihm nach. »Nicht …«
Kowalski war kaum zwei Schritte weit gekommen, da schnellte eine Wurzel vor und schlug ihm die Waffe aus der Hand. Die verbogene Shuriken landete hinter ihnen im Dornenverhau.
»Hey!«, rief Kowalski.
Doch nicht der Verlust der Waffe war der Grund für seinen Ausruf. Eine zweite Wurzel schlang sich ihm um die Brust. Ehe er reagieren konnte, schoss eine dritte Wurzel zwischen seinen Beinen hindurch und legte sich ihm um die Hüfte.
Kowalski wurde in die wogende Wurzelmasse hineingezogen und schlug die Hand vors Gesicht, um sich vor den Stacheln zu schützen. Er stemmte sich gegen den Zug, doch diesen Kampf konnte er nicht gewinnen.
Gray eilte ihm zu Hilfe.
»Nein!«, rief Tyende. »Nicht eingreifen!«
Gray respektierte den alten Mann, wollte seinen Partner aber nicht im Stich lassen. Trotzdem zögerte er einen Moment zu lange. Kowalski wurde hochgehoben und nach vorn gerissen. Schreiend prallte er auf die ineinander verschlungenen Wurzeln – die sich vor ihm teilten. Er verschwand in der wogenden Masse.
Gray kam rutschend zum Stehen.
Zu spät …
Er erwartete Wehgeschrei, doch Kowalski stieß lediglich einen Schwall von Flüchen aus. Gray wich zurück und stellte sich auf die Zehenspitzen. Kowalski war an der anderen Seite aufgetaucht, von Wurzeln umschlungen, aber immerhin am Leben.
Kowalski versuchte, die Wurzeln abzustreifen.
Tyende trat neben Gray. »Er wurde ausgewählt. Für würdig befunden.«
Gray musterte Tyende ungläubig. »Kowalski?«
Tyende runzelte die Stirn. »Hat er denn kein gutes Herz?«
Gray wusste nicht, was er darauf antworten sollte.
»Ist er vielleicht krank?«, fragte Tyende.
Die Frage überraschte Gray. Bei Kowalskis Grobheit und Starrköpfigkeit vergaß man leicht, dass er ein bösartiges Myelom hatte, ein weiterer Kampf, den er nicht gewinnen konnte.
»J…ja«, sagte Gray. »Er hat Krebs.«
»Ah.« Tyende blickte sich zu der schwarzen Wurzelbarriere und dem Stacheltunnel um, durch den sie gekrochen waren. »Das hat Sie anscheinend gespürt.«
Gray stutzte. Er dachte an die Dornen und Stacheln, die sie geschnitten und gepikst hatten. In dem Moment hatte er befürchtet, vergiftet zu werden – dabei hatte der Baum lediglich ihr Blut untersucht. Die Prüfung hat bereits stattgefunden , hatte Tyende gesagt.
Und zwar buchstäblich.
»Sie versucht zu heilen«, erklärte Tyende. »Sie ist zwar eine strenge Mutter und unerbittlich in Ihrem Zorn, aber Sie ist auch freundlich in vielerlei Hinsicht.«
Gray trat vor. Egal was die Motive des Baums sein mochten, sie mussten die Gelegenheit nutzen. Er legte die Hände trichterförmig an den Mund. »Kowalski! Wehren Sie sich nicht. Lassen Sie den Baum nur machen. Aber füllen Sie auf jeden Fall Ihre Trinkflasche auf!«
Kowalski wehrte sich weiter und rief: »Wieso bin ich immer das Versuchskaninchen?«
Er wurde zum Baum gezerrt und von Wurzel zu Wurzel weitergereicht. Er rammte die Absätze in den Boden und stemmte sich dagegen, allerdings ohne Erfolg. Weitere Wurzeln schlängelten sich aus dem Hohlraum hervor und umschlangen ihn, legten sich auf sein Gesicht und schlängelten sich unter seine Kleidung.
Er wand sich brüllend. »Wenn du noch mal da rumstocherst, brenne ich dich nieder!«
Trotz seines Protests wurde er über die Schwelle ins Innere des Baums gezerrt. Die Wurzeln beförderten ihn zum Rand des Tümpels – dann zogen sie ihn behutsam ins leuchtende Wasser.
Gray ging Tyendes Frage durch den Sinn.
Hat er denn kein gutes Herz?
Gray erinnerte sich, wie Kowalski durch einen radioaktiven Tümpel geschwommen war und alles riskiert hatte, um andere zu retten. Das war der Grund für seinen Knochenkrebs. Hatte der Mutterbaum das gespürt? Ging es um mehr als bloß um die Krebserkrankung? Hatte der Baum ihn deshalb auserwählt?
Die Wurzeln zogen Kowalski unter Wasser. Gray hoffte, dass die rituelle Taufe ihm helfen würde – doch eine Sorge blieb bestehen.
Selbst wenn es ihnen gelang, sich das Heilmittel zu sichern, mussten sie es noch von hier wegschaffen – und zwar schnell. Sich der Dringlichkeit bewusst, wollte Gray nicht müßig bleiben. Er holte das Satellitentelefon aus dem Rucksack, um die Funkstille ein letztes Mal zu brechen.
Ich muss Painter erreichen.
Hoffentlich bekam niemand etwas davon mit.