D
en ganzen Tag
hatte es Beth irgendwie geschafft, die Ereignisse vom gestrigen Abend aus ihren Gedanken herauszuhalten, dann jedoch erreichte sie das Shadowlands – die letzte Station vor ihrem Feierabend. Nachdem sie mit dem Unkrautjäten unter dem Farnkraut fertig war, legte sie ihr Kniepolster unter eine Lebens-Eiche und fuhr bei den Glücksfedern fort. Der berauschende Geruch von Vegetation und Erde erfüllte ihre Sinne mit Freude. Sie liebte ihre Arbeit.
Und diesen Ort. Sie hob den Blick zu dem dreistöckigen Anwesen hinter ihr. Von allen Aufträgen, die sie hatte, kam sie am liebsten zum Shadowlands. Gott
, sie konnte sich so glücklich schätzen, den Vertrag für die Landschaftsgestaltung bekommen zu haben. Sie war zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen. Wie oft passierte das schon?
In ihrer ersten Nacht im Shadowlands hatte sie Master Z sagen hören, dass er seinen Gärten gerne eine Veränderung zukommen lassen würde. In ihren High Heels war sie wie ein junges Reh zu ihm geschunkelt, die Panik allgegenwärtig, denn es schickte sich nicht, die Unterhaltung zwischen Doms zu unterbrechen. Doch sie hatte es gewagt. Anstatt sie fortzuschicken, hatte er sie angeheuert und sogar eine Mitgliedschaft zum Club oben drauf gelegt. Da sie sich keinen weiteren Monat hätte leisten können, hätte sie nicht glücklicher
sein können.
Sie rutschte in den Schatten, da die Sonnenstrahlen ihre Waden verbrannten. Sommer in Florida war so anders als in Kalifornien. In beiden Fällen heiße Klimata, doch Kalifornien erinnerte eher an eine Wüste, trocken. In Florida hingegen war die Luft feuchter. Sie blickte zu den dunklen Wolken, die sich am Himmel bildeten und hörte es leise donnern – eine Vorwarnung auf den täglichen Nachmittagsschauer.
Ein Vogel schoss über ihren Kopf hinweg, wahrscheinlich auf dem Weg zu einem der Brunnen, die sporadisch in den Gärten verteilt waren. Sie lehnte sich vor, arbeitete geduldig an dem Beet und formte mit dem Unkraut neben sich einen Haufen.
Unkrautjäten war eine gute Beschäftigung, bei der sie genug Zeit zur Verfügung hatte, um über gestern nachzudenken. Darüber, wie viel Angst sie gehabt hatte. Sie konnte Master Nolans Finger noch immer auf ihrer Haut fühlen, so intim. Sie erinnerte sich an ihre Reaktion und … erschauerte.
Sie hatte das Gefühl, endlich erwacht zu sein: Seit einem Jahr hatte sie sich nicht mehr so lebendig gefühlt. Ihre Emotionen waren nicht mehr eingefroren. Gestern war sie sich wieder wie eine Frau vorgekommen und sie hatte etwas erhalten, nachdem sie sich schon so lange gesehnt hatte. Dass sie dieses Etwas ausgerechnet von einem Dom wie Master Nolan bekommen hatte, erweckte in ihr ein bisschen Unmut. Er war zu erfahren, sah zu viel. Er würde es ihr nicht erlauben, sich erneut hinter ihren Schutzmauern zu verkriechen.
Zwar mochte sie es nicht, Menschen nach ihrem Äußeren zu beurteilen, aber seine raue Erscheinung verängstigte sie. Sein gemeiner Ausdruck, der wie gemeißelt schien, ließ sogar Kyler wie ein sanftes Lamm aussehen. Sie betrachtete die Stichwunden in ihren Handflächen. Kyler war kein Lamm; er war ein Wolf im Schafspelz.
Sie seufzte und drängte die hässlichen Erinnerungen zurück. Bleib in der Gegenwart.
Sie zog das nächste Büschel aus der Erde und warf es auf den immer größer werdenden Haufen. Warum fühlte es sich so befriedigend an, Pflanzen aus der Erde zu reißen? Weil sie zumindest in dem Bereich die Kontrolle hatte?
Ganz im Gegensatz zu letzter Nacht, als Master Nolan Patrick nach ihrer Session weggeschickt hatte. Oh ja, Master Nolan hatte augenblicklich die Kontrolle an sich gerissen. Er hatte sie nicht nach ihrer Meinung gefragt. Nicht gefragt, was sie von ihm brauchte. Nichts. So ähnlich wie Kyler und doch … anders.
Kyler hatte immer nur ein Ziel verfolgt: Sie zum Schreien zu bringen. Vor Schmerz. Master Nolans Ziele kannte sie nicht, doch es hatte keinen einzigen Moment gegeben, in dem er ihre Reaktionen nicht im Blick gehabt hatte. Er sah, wenn ein Anflug von Panik drohte, sie zu übermannen. Jedoch hatte er sie dann nicht wie andere Doms getröstet oder sein Vorgehen geändert. Nein, er hatte abgewartet.
Dafür hasste sie ihn ein bisschen.
Auf jeden Fall hasste sie ihn dafür, dass er sie so erregt und gierig zurückgelassen hatte. Wie war es möglich, dass sie einerseits aufgeregt war, Lust empfunden zu haben, und sich andererseits deswegen schämte? Sie lehnte sich zurück, zog ihre Knie an ihre Brust und stützte das Kinn ab. Ich gehöre wirklich in die Klapse.
„Hey, Beth.“
Ruckartig hob Beth den Kopf und sah sich um, bis ihr Blick auf Jessica fiel, die gerade in den Garten spazierte. Die hübsche Blondine in Khakishorts und einem goldenen Oberteil wirkte immer wie frisch aus dem Ei gepellt. Das totale Gegenteil zu Beths im Dreck wühlender Erscheinung.
„Ich habe deinen Pickup gesehen. Nimmst du dir jemals einen Tag frei?“
„Gelegentlich. Das Shadowlands hat so viele Gärten, dass ich fast jeden Nachmittag herkomme. Na ja, abgesehen von
Samstag, wenn ich mich für den Abend im Club fertigmache und Freitag, wenn …“ Sie grinste. „Ich habe auf eine unschöne und peinliche Weise entdecken müssen, dass die Swinger am Freitag recht beizeiten im Club eintreffen.“
Jessica lachte und setzte sich in der Nähe auf eine Steinbank, mit Bedacht auf die Metallringe, die an den Seiten eingebettet waren und zum Fesseln von Subs Verwendung fanden. „Ja, die Gruppe ist enthusiastisch. Z droht mir immer damit, mich zu einem Treffen zu bringen. Ein Scherz.“ Sie runzelte die Stirn. „Jedenfalls hoffe ich, dass er scherzt.“
Beth entließ ein zaghaftes Lachen. Noch nie hatte sie jemanden kennengelernt, der schwerer zu durchschauen war als Master Z. Jessica war eine mutige Frau, ihn als Dom an ihrer Seite zu akzeptieren. Allerdings hatte auch Master Nolan nicht unbedingt die aussagekräftigste Mimik. „Wie gut kennst du Master Nolan?“, fragte sie, bevor sie sich stoppen konnte.
„Nolan? Nicht besonders gut.“ Jessica lehnte sich zurück und hob das Gesicht zur Sonne. „Er und Z sind Freunde. Jedoch ist er erst vor ein paar Monaten aus dem Irak zurückgekommen, wodurch er zunächst viel Zeit in seinem Unternehmen verbringen musste, um zu sehen, ob alles läuft.“
Mit abgewandtem Gesicht konzentrierte sie sich wieder aufs Beet und zog Springkraut heraus. „Ist er nicht ein bisschen zu alt, um noch Soldat zu spielen?“
„Z meinte … Hmm, lass mich überlegen.“ Genau das tat Jessica. „Er hatte wohl einen Militärvertrag als Berater bei Bauvorhaben. Er war nur ein Jahr weg.“ Jessica lehnte sich vor und betrachtete Beth. „Du denkst doch nicht darüber nach, Nolan zu bitten, dich zu toppen, oder? Schließlich scheinst du eher die weniger erfahrenen Doms zu bevorzugen. Nolan ist … also, er ist nicht … Ach, ich sollte aufhören, bevor ich mir ein Loch buddle, aus dem ich nicht mehr rauskomme.“
„Du bist gestern erst spät in den Club gekommen, stimmt’s?“ Beth schenkte ihr ein betrübtes Lächeln.
„Stimmt. Cullen hat mir aber gesagt, dass du recht beizeiten verschwunden bist. Hast du Nolan kennengelernt?“ Neugierde sprühte aus Jessicas grünen Augen. „Erzähl es mir, erzähl es mir.“
Beth zögerte. Es war lange her, dass sie jemanden zum Reden gehabt hatte. Nicht mehr, seit sie Kyler geheiratet hatte. Systematisch hatte er sie von ihren Freunden und ihrer Familie entfremdet. Wusste sie noch, wie man eine gute Freundin war?
„Du musst es mir nicht erzählen“, sagte Jessica in einem sanften Ton. „Manchmal vermisse ich es allerdings, mich mit Frauen auszutauschen. In der Vanilla-Welt versteht niemand, was beim BDSM so vor sich geht.“ Deutlicher konnte Jessica ihr Interesse an einer Freundschaft nicht bekunden.
„Ich nehme an, dass Master Z meinen Namen vor dir nicht erwähnt hat.“ Beth entfernte einen Löwenzahn aus der Erde, vorsichtig, um auch die Wurzel zu erwischen. Master Z erlaubte keine Unkrautvernichter. „Er hat mir Master Nolan als Dom zugeteilt und gemeint, dass ich meine Mitgliedschaft verliere, wenn wir nicht miteinander kompatibel sind.“
Schock zeigte sich auf Jessicas Gesicht. „Das kann er nicht tun!“
„Kann er.“ Beth zuckte mit den Achseln, während ihr die Empörung ihrer neuen Freundin das Herz erwärmte. „Sei nicht böse auf ihn. Er hat es nicht getan, um mir zu schaden. Ich weiß, dass er mir nur helfen will. Es ist nur, na ja, Master Nolan ist mir ein wenig unheimlich.“ Und war das nicht die Untertreibung des Jahres?
„Oh, ich bitte dich. Dann könntest du auch sagen, dass Hannibal Lecter nur an Low-Carb-Gerichten Interesse hat.“
Beth fühlte, wie sich ein Kichern löste. Es folgte ein zweites, als Jessica die Augen rollte, und dann konnte sie sich nicht länger zurückhalten und brach in Lachen aus.
Tränen füllten ihre Augen. Nicht wegen ihres herzhaften Lachens, sondern wegen jener bittersüßen Freude, die sich in
ihr ausbreitete. Es verbargen sich also doch mehr Emotionen als Angst in ihr; demnach war es Kyler nicht gelungen, alles Schöne in ihr zu zerstören.
Samstagabend übertrat Beth
mit erhobenem Kopf die Türschwelle des Shadowlands. Obwohl ihr Magen rebellierte, konnte sie sich wenigstens ihrer Aufmachung sicher sein. Da Kyler nicht in der Stadt war, als sie die Flucht ergriffen hatte, war ihr Zeit geblieben, ihr Auto mit ihren Klamotten zu befüllen, sowie ein paar Habseligkeiten, die ihr lieb waren und die er nicht zerbrochen hatte. Ein Großteil ihrer Sachen war zwar nicht für die Gartenarbeit geeignet, aber an Fetischkleidung mangelte es ihr dafür nicht.
Heute hatte sie jedes Kleidungsstück in ihrem Besitz anprobiert, bevor ihre Wahl auf ein goldenes PVC-Korsett mit farblich passenden Shorts und Armbändern gefallen war. Würde Master Nolan ihr Outfit mögen? Oft wurde ihr gesagt, dass die Farbe die Highlights in ihren roten Haaren unterstrich, als wunderschön empfand sie sich aber selten. Nicht mehr. Sie wusste, dass Kyler sie nicht attraktiv gefunden hatte. Flach wie ein Brett, ein Stock auf Beinen, blass wie ein Geist.
Er wollte ihr damit wehtun, sicher, und dennoch hatten die herabwertenden Kommentare ihr Selbstbewusstsein völlig zerstört.
Manchmal fühlte sie sich wie ein Haufen Scherben. Jedoch weigerte sie sich, ihn gewinnen zu lassen. Auf keinen Fall würde er den Sieg davontragen. Heute Abend hatte sie in den Spiegel gesehen und im Anblick ihres Erscheinungsbildes zugeben können, dass sie akzeptabel aussah. Sie hatte noch Schwierigkeit, sich selbst zu glauben, aber mit der Zeit, das hoffte sie, würde es besser werden.
„Guten Abend, Miss Beth“, sagte der Türsteher, der wie
immer hinter seinem Schreibtisch stand.
„Hi, Ben“, begrüßte sie ihn. Ben war so riesig, so einschüchternd und doch so lieb. Er erinnerte sie an André the Giant.
Er grinste. „Nettes Outfit.“
Das Kompliment diente als Stütze für ihr sinkendes Selbstvertrauen. Sie strahlte ihn an. „Danke.“
Auf der Mitgliedsliste machte er einen Haken hinter ihrem Namen und wies sie an, durch die Tür in den Hauptraum zu treten. Sofort fegte die Atmosphäre des Shadowlands über sie hinweg und zog sie in seinen Bann. In der rechten Ecke war die Tanzfläche gut gefüllt, bestehend aus den jüngeren Mitgliedern, die zu Musik von London After Midnight
tanzten. Später am Abend würde Z langsamere Klänge anstimmen, um das Flair im Club in eine etwas dunklere Richtung zu lenken.
Die runde Bar in der Mitte des Raumes erinnerte an ein riesiges Piratenschiff, mit dem Barkeeper Cullen am Steuer. Um die Bar verteilten sich Sitzgruppen, einige versteckt hinter Pflanzen und anderen Raumtrennern. Beth ging in den Bereich, wo sich zumeist die Single-Subs versammelten, direkt neben der Bar, damit Doms und Dominas einen Blick auf sie hatten und vice versa.
Eine kurvige, blonde Sub erblickte Beth und winkte sie zu sich, ihre langen Nägel funkelten unter dem Licht der Kronleuchter. Dann blickte sie auf ihre eigenen Hände und verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Trotz der Handcreme, die sie benutzte, hatte sie nun mal die Hände einer Gärtnerin. Rau von körperlicher Arbeit. Sie rieb die Finger aneinander, fühlte die Schwielen und seufzte. Der Duft nach Erdbeeren und Zitrone erfüllte ihre Sinne und hob ihre Laune. Eine Sache, die sie bei ihrer Flucht nicht eingepackt hatte, war dieses eine schwere Parfum, das sie abgrundtief verabscheut hatte. Möglich, dass sie durch ihre Körperlotion jetzt nach einem Dessert roch, aber der Duft machte sie unglaublich glücklich.
Beth erreichte die Gruppe mit den Subs und zögerte. Was erwartete Master Nolan heute von ihr? Sollte sie sich hinsetzen und auf ihn warten? Oder sollte sie sich auf die Suche nach ihm begeben? Aus Erfahrung wusste sie, dass es egal war, was sie tat. Jede Entscheidung führte zu Bestrafungen. So war das eben. Welche Bestrafungen hatte dieser gemein aussehende Dom wohl in seinem Repertoire?
Schließlich kroch Schmerz ihre Arme hoch: Sie spannte ihre Hände so stark an, dass ihre gefolterten Knöchel rebellierten. Die furchtbare Erinnerung traf sie wie ein Schlag, füllte ihren Verstand wie ein Ölteppich im Meer, zog sie tiefer und tiefer in die Dunkelheit. Hilflos, sie fühlte sich so hilflos.
Sie wirbelte von der Gruppe weg, als die Galle ihre Kehle hochstieg. Sie konnte das nicht tun. Er würde ihr wehtun, und sie –
Sie krachte gegen ihn, gegen seinen imposanten Oberkörper – wie ein Vogel gegen eine Felswand. Master Nolans Hände legten sich um ihre Arme. Unfähig auch nur einen Atemzug zu nehmen, hämmerte ihr Herz in ihrer Brust und sie versuchte instinktiv, sich aus seinem Griff zu befreien. Mit Leichtigkeit hielt er sie fest, seine Finger wie unzerstörbare Fesseln, doch nicht eng, nicht schmerzhaft.
„Ganz ruhig, Baby.“ Seine grollende Stimme umgab sie und schaffte es überraschenderweise, sie zu beruhigen.
Tief einatmen, Beth.
Das tat sie, dann nochmal, bevor sie es wagte, den Blick zu heben. Sie konnte in seinem Gesicht keine Wut erkennen. Geduldig wie ein Kater vor einem Angriff wartete er, bis sie sich gefasst hatte. „Bitte verzeih mir, Sir“, sprach sie zu ihren Füßen. „I-ich …“ Ihre Stimme brach. Was konnte sie schon sagen?
Er ließ sie los und umfasste mit einer Hand ihr Kinn, richtete ihren Kopf aus, bis sie ihn ansehen musste. „Für einen Moment hast du die Nerven verloren.“ Er musterte sie aufmerksam. „Jetzt geht es dir wieder gut.“
Keine Frage, sondern eine Feststellung. Dennoch nickte sie.
„Gold steht dir“, sagte er.
Sie blinzelte. Ein Kompliment? Vielleicht war er doch nicht so schlimm, wie sie befürc –
Sie senkte den Blick. „Was machst du da?“
„Nach was sieht es denn aus?“, fragte er gelassen, als er mit seinen vernarbten Fingern die Bänder an ihrem Korsett löste. Sie hob die Hände, zwang sie jedoch wieder an ihre Seiten und ballte sie dort zu Fäusten. Schließlich öffnete er die zwei Hälften und entblößte ihre Brüste.
Seine Finger legten sich um ihren Oberarm, hielten sie an Ort und Stelle, damit er die andere Hand auf ihre nackte Haut legen konnte. Vor allen Leuten, mitten im Raum.
Sie hob das Kinn und untersagte ihrem Gesicht jegliche Emotionen. Er würde sich mit ihr vergnügen.
„Sehr hübsche Brüste“, murmelte er, seine schwarzen Tiefen auf ihr Gesicht gerichtet. „Du bist ein wenig untergewichtig. Das werden wir später besprechen. Für den Moment genieße ich es viel zu sehr, deine Nippel zu berühren. Der Farbton erinnert mich an deine Lippen. Sieh selbst.“
Durch seinen subtilen Befehl senkte sie den Blick auf seine Hand, mit der er ihre Brust hielt. Mit dem Daumen umkreiste er ihren rosafarbenen Nippel, seine dunkle Haut dabei im starken Kontrast zu ihrer Blässe. Es war erotisch. Plötzlich wurde sie sich seinen schwieligen Händen bewusst, seinem Daumen, der Wärme seiner Handfläche. Er rieb über ihre aufgerichtete Knospe und die Empfindung hatte direkten Einfluss auf ihr Geschlecht.
Sie hob den Kopf und versuchte zuvor, ihre Gesichtszüge zu kontrollieren.
In seinen Augen sah sie Befriedigung. „Komm, Sub.“ Er legte einen Arm um ihre Taille und lief zum vorderen Bereich.
Ihre Hände waren damit beschäftigt, die beiden Hälften ihres Korsetts zusammenzuhalten.
„Lass es offen. Ich werde den ganzen Abend mit deinen Brüsten spielen.“ Seine Worte entfachten ein Gefühl in ihr, dass sie nicht einzuordnen vermochte.
Er führte sie zu einem Buffet und gab ihr ein großes Truthahn-Schinken-Sandwich, ohne etwas für sich selbst zu nehmen. „Iss das Sandwich.“
An der überfüllten Bar zog er sie an seine Seite und beobachtete sie schweigend beim Essen. Sie war zu nervös gewesen, um zu Abend zu essen. Doch nun schien ihr Appetit zurück, solange sie nicht zu viel Zeit damit verbrachte, an die nächsten Stunden zu denken. Solange der Dom, der sich an sie presste, schwieg. Innerhalb weniger Minuten hatte sie das Sandwich verdrückt, woraufhin er zu ihr sagte: „Braves Mädchen.“
Obwohl heute viel los war, ließ sich der Barkeeper nicht stressen. Master Cullen arbeitete in seinem eigenen Tempo. Bis er zu ihnen kam, um eine Bestellung entgegenzunehmen, hatte sich Beth an Master Nolans Arm um ihre Taille gewöhnt. Sein solider Körper an ihrem, dazu seine Stimme tief und tröstend, als er mit anderen Doms sprach.
„Guten Abend, Nolan. Wie ich sehe, hast du dir eine kleine Rothaarige angelacht.“ Grinsend stützte Cullen sich auf der Bar ab.
„Sie ist hübsch, stimmt’s?“, antwortete Sir.
Hübsch? Ich?
Beth schloss die Augen und sog das Kompliment tief in sich auf. Dieser erbarmungslose Dom würde sich nicht die Mühe machen, ihr Butter aufs Brot zu schmieren, würde nicht lügen. Er war durch und durch aufrichtig.
„Ja, ich muss dir zustimmen.“ Als der Barkeeper einen genussvollen Blick über sie schweifen ließ, wurde sie sich ihrer Nacktheit erneut bewusst. Warum störte es sie so sehr, dass ihre Brüste für jedermann offenbart waren? Schließlich hatte sie schon Sessions gespielt, bei denen sie splitterfasernackt
gewesen war. Jedoch hatte sie sich noch nie so … entblößt gefühlt.
Nolan beobachtete, wie
der Sub Schamesröte in die Wangen stieg, ihre Lippen nicht länger angespannt; jetzt waren sie … weich und verletzlich. Diese Zerbrechlichkeit machte ihm Sorgen. Nicht nur ihr geistiger Zustand, sondern auch ihr körperlicher. Sie bestand nur aus Haut und Knochen. Er bevorzugte Frauen mit ein bisschen Polster, da er kein kleiner Mann war. Er wollte Hüften, die er fest packen konnte. Beth hatte all das nicht und daher musste er sich immer wieder in Erinnerung rufen, vorsichtig zu sein.
Tolle Titten, das musste er schon sagen. Er festigte den Arm um sie, fuhr mit den Fingerknöcheln über ihre Nippel und lächelte, als sich ihre Knospen aufrichteten. Heute trug sie ihre Haare offen und die dunkelroten Wellen ergossen sich über ihre sommersprossenbedeckten Schultern. Die Schönheitsflecke verliefen über ihr Schlüsselbein und verblassten dann allmählich, was ihre cremeweißen Brüste verführerisch in Szene setzte.
In der vergangenen Woche hatte er oft an sie gedacht, hatte versucht, einen Plan zu entwickeln, um sie aus ihrem Kokon zu befreien. Schnell hatte er entschieden, dass es zunächst wichtig war, ihr Informationen zu entlocken, bevor er zu intim mit ihr wurde.
Cullen stellte ein Corona vor ihm ab und richtete seine Aufmerksamkeit dann auf seine Sub. „Beth?“
Nolan sah sie überrascht an. Wenn Cullen ihre Bestellung nicht kannte, dann hatte sie noch nie etwas bestellt. Interessant. „Sag Master Cullen, was du gerne hättest.“
„Ich brauche keinen Drink“, sagte sie. Rasch fügte sie hinzu: „Sir.“
„Hast du ein Problem mit Alkohol?“
„Nein, Sir.“ Sie starrte wieder ihren geliebten Fußboden an. „Ich bevorzuge es einfach, bei vollem Bewusstsein zu sein.“
„Mir würde es gefallen, wenn du wenigstens ein bisschen loslassen würdest. Ein Drink, und du wirst das Glas leeren.“ Er grinste, als sie ihre winzigen Hände schon zum zweiten Mal an diesem Abend zu Fäusten ballte. Ihr Temperament war also nicht völlig erloschen. Dem Arschloch, das sie auf furchtbare Weise misshandelt haben musste, war es nicht gelungen, sie zu brechen. „Cullen, bereite ihr einen Screwdriver zu.“
Als der Cocktail kam, reichte Nolan das Glas an Beth weiter und führte sie zu einer Couch. Er nahm Platz und sie machte den Anschein, sich hinknien zu wollen. Er stoppte sie. „Setz dich neben mich. Das High Protocol heben wir uns für einen anderen Tag auf.“ Um nicht missverstanden zu werden, fügte er hinzu: „Ich werde dir sagen, wenn ich es ausgeführt sehen will. Auf keinen Fall werde ich es für dich zu einem Ratespiel machen.“
Ihre Gesichtszüge entspannten sich. Gerade genug, um seine Vermutung zu bestätigen, dass sie in ihrer Vergangenheit dafür bestraft wurde, falsch geraten zu haben. Wahrscheinlich jedes Mal. Manche Doms setzten Bedingungen, die unmöglich erfüllt werden konnten, nur um eine Entschuldigung zu haben, Bestrafungen auszuüben. Er könnte ihr mitteilen, dass er so nicht operierte, doch er sah ihr an, dass sie dem Wort eines Doms nicht vertraute. Ihr Vertrauen musste sich erarbeitet werden. Er ließ die Augen über die Narben an ihren Brüsten schweifen; ihr Misstrauen, ihre Angst waren begründet. Er klopfte auf das Kissen neben sich, und nachdem sie sich gesetzt hatte, zog er sie mit einem Arm um ihre Taille so nah zu sich, bis ihr Schenkel mit seinem in Kontakt kam. Ihr Duft wehte zu ihm, ein Hauch von Erdbeere und Zitrone. Leicht und frisch, vor allem im Vergleich zu den überwältigenden Gerüchen, die sonst hier im Club vorherrschten.
Er umfasste die Hand, in der sie ihr Getränk hielt, und hob
es zu ihrem Mund. Er beobachtete, wie sie einen Schluck nahm, bevor er sich selbst eine Freude bereitete und erneut eine ihrer Brüste liebkoste. Beeindruckend, wie viel Vergnügen ihm ihr kleiner Busen bescherte. So perfekt wie zwei ruhende Tauben. Und wie ein eingefangenes Täubchen erstarrte Beth unter seiner Berührung. Er spürte, dass sich ihr Herzschlag beschleunigte. Mit dem Daumen fuhr er über einen hellen Brandfleck. „Du warst mit dem Bast … der Person, die dir das angetan hat, zwei Jahre in einer Beziehung, oder?“
Sie zuckte zusammen und er konnte ihre Zähne knirschen hören. Also wartete er. Sie schien keine Erfahrung mit entgegengebrachter Geduld zu haben. Dieses verdammte Arschloch musste ein Choleriker der schlimmsten Sorte gewesen sein.
Sie leckte sich mit der Zunge über ihre trockenen Lippen. „Ja, Sir.“
„Eine lange Zeit.“ Mit Sicherheit hatte es sich wie ein ganzes Leben angefühlt. Von ihren angespannten Muskeln konnte er sagen, dass sie nicht freiwillig über diese Zeit reden würde. Doch an ihrer Redseligkeit würden sie an einem anderen Tag arbeiten. Zur Hölle.
Sie zu unterwerfen, fühlte sich an, als müsste er mit verbundenen Augen über ein Minenfeld laufen. „Trink“, knurrte er und sie gehorchte.
Sie nahm einen zaghaften Schluck.
„Wie oft masturbierst du?“, fragte er.
Sie verschluckte sich und lief rot an wie eine Tomate.
Er unterdrückte ein Lächeln. Seit Jahren im Lifestyle und trotzdem noch so sittsam? Faszinierend. „Antworte mir, Sub.“
Dieses Mal gönnte sie sich einen großzügigen Schluck. „Nie.“ Es dauerte eine Weile, bis sie es schaffte, ihm wieder ins Gesicht zu sehen. Ihre Augen waren bezaubernd. Türkisfarben – wie die Edelsteine des Schmucks, den seine Mutter so gerne trug.
„Warum nicht?“
Die Schamesröte vertiefte sich. Normalerweise genoss er es, wenn eine Sub errötete, aber in diesem Fall war es geradezu schmerzhaft.
„Ich … Es ist … Ich habe es einfach nicht geschafft, zu kommen, und ich weiß nicht, warum.“
Er kannte den Grund sehr wohl. In den vergangenen Tagen war er in Bezug auf ihr Verhalten zu ein paar Erkenntnissen gelangt: Er nahm an, dass ihre letzte Beziehung normal begonnen haben musste, wahrscheinlich sogar mit gutem Sex. Doch kurze Zeit später wurde es unschön und sie hatte darauf reagiert, indem sie nicht nur ihre Reaktionen gegenüber Schmerz eingefroren hatte, sondern auch gegenüber Lust.
War es denkbar, dass sie Erregung nur noch dann erfahren konnte, wenn sie dominiert wurde? „War es dir vor dieser Beziehung möglich, einen Orgasmus zu haben?“
„Ja, Sir.“
Gut, sehr gut.
„Nur durch Selbstbefriedigung oder auch mit einem Mann?“
Ihre dünn geschwungenen, rotbraunen Augenbrauen zogen sich zusammen.
„Was ist?“, fragte er.
„Das habe ich nicht erwartet. Die vielen Fragen. Dass wir … reden.“
„Dass wir eine Unterhaltung führen?“ Nolan strich mit den Fingerspitzen über ihren Kiefer, bemerkte ihr stures Kinn, obwohl sie zart und zerbrechlich wirkte. „Haben die Doms vor mir nie das Gespräch mit dir gesucht?“
„Ich …“ Sie starrte auf ihre Hände. „Sie haben es versucht. Ich wollte nicht … Ich wollte einfach beginnen.“ Aus hoffnungsvollen Augen sah sie ihn an.
Er erstickte diese Hoffnung im Keim: „Das wird nicht passieren, Süße. Du wirst lernen, mit mir zu kommunizieren. Beantworte meine Frage.“
„Ja, zuvor konnte ich auch mit Männern zum Orgasmus
finden“, zischte sie. Kurz darauf erblasste sie sichtlich und zuckte verängstigt zusammen.
Unbehelligt lehnte er sich zurück, stellte die Stiefel auf den Couchtisch und trank von seinem Bier. Richtig, da war ja noch was.
„Ich werde nicht ausrasten und dich schlagen, Beth. Während einer Session erwarte ich Respekt. Wenn wir uns unterhalten, bin ich toleranter, solange du nicht frech wirst.“ Er lächelte und spielte mit einer Locke, die auf ihre hinreißende Schulter fiel. Es machte den Anschein, dass das feurige Glühen ihrer Haare ihr inneres Temperament widerspiegelte. „Es gefällt mir sogar, wenn du durch deine Barriere brichst und deine Schüchternheit zumindest für einen kurzen Moment ablegst. Welche Art Mann hat es geschafft, dich zum Höhepunkt zu bringen?“