Kapitel Dreizehn
N olan parkte seinen Pickup gleich neben Beths Fahrzeug. Der Anblick erfüllte ihn mit Erleichterung. Ihr Auto und ihr Anhänger waren noch hier. Seit ihrer Nachricht war es jetzt das erste Mal, dass er es schaffte, einen Atemzug zu nehmen. Er war nicht zu spät.
Als er aus seinem Pickup stieg, fielen ihm die zwei Koffer auf, die zwischen dem Rasenmäher und dem Gestrüppschneider eingeklemmt waren. Sie hatte es also ernst gemeint; sie wollte rennen. Verdammt. Er marschierte zu ihrer Wohnungstür, entschied jedoch, sich etwas zurückzunehmen. Kleine Häschen waren schreckhaft. Er musste besonnen an die Sache herangehen und durfte sie nicht mit seiner dominanten Persönlichk –
Ihre Tür stand einen Spaltbreit offen.
Mit dem Fuß trat er sie auf. „Beth?“ Er hatte ein ungutes Gefühl; die Haare in seinem Nacken stellten sich auf. Das Jahr im Irak hatte seine Instinkte geschärft, als hätte er jahrelang für die CIA gearbeitet. Mit erhobenem Kopf, der Körper angespannt, auf jede Situation vorbereitet, beugte er sich vor und zog das Messer aus der integrierten Scheide in seinem Stiefel.
Er verharrte auf der Türschwelle, ließ den Blick durch das Zimmer schweifen. Alles ruhig. Kartons auf dem bereits abgezogenen Bett. Vorhänge zugezogen und Lichter an. Töpfe und Pfannen auf dem Tisch gestapelt. Daneben eine kleine Reisetasche, zusammen mit einem Handy.
Dunkle Punkte auf dem beigen Teppich in der Nähe der Tür. Er hockte sich hin, berührte einen davon. Noch nass. Rot. Er roch daran. Blut.
„Aufwachen, mein Schatz. Es ist Zeit, dass wir ein bisschen Spaß haben.“
Beth nahm die Stimme wahr, doch ihr Verstand bewegte sich so langsam wie eine Schnecke, noch immer bevölkert von Albträumen. Sie mochte diese Stimme nicht, konnte sich jedoch nicht an den Grund erinnern. Der Klang trat eine Lawine des Grauens in ihr los.
Wenn diese Stimme sie aufwecken wollte, dann hatte sie kein Interesse.
Sie versuchte, ruhig und gleichmäßig zu atmen, ihr Körper blieb schlaff, ihre Augen geschlossen. Sie kämpfte um ihr Bewusstsein und verlor. Trotz allem wusste sie, dass etwas Furchtbares vor sich ging …
„Was ist passiert?“ Stirnrunzelnd trat Z in Beths Apartment. „Ich brauche mehr, als Beth wurde entführt .“
Am Küchentisch sitzend hob Nolan den Kopf. Er konnte nicht glücklicher sein, Z an seiner Seite zu wissen. Verstärkung. „Ich hatte eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter, in der sie sich von mir verabschiedet hat, in der sie meinte, dass sie wegen ihres Ehemannes aus der Stadt verschwinden muss – vor dem Bastard flüchten muss, dem sie ihre Verletzungen zu verdanken hat. Anscheinend hat er ihren Aufenthaltsort herausgefunden.“ Er unterdrückte ein Knurren. „Als ich hier ankam, stand die Tür auf. Ihr Auto und der Anhänger stehen noch vor dem Haus. Handtasche und ihr Handy sind hier auf dem Tisch. Dort drüben habe ich Blut gefunden.“ Er wies auf die Stelle neben der Tür.
Z untersuchte die Tropfen. „Noch nass.“ Er sah sich um. „Das sieht nicht gut aus.“
„Ich weiß. Wie zur Hölle sollen wir sie finden?“ Nolan rieb sich mitgenommen über sein Gesicht. „Ich weiß noch nicht mal, wo sie eigentlich herkommt oder wo ihr Ehemann lebt.“
„Kalifornien“, sagte Z. „Ist ihr vor einer Weile mal rausgerutscht.“
„Das hilft. Um dorthin zu kommen, muss er fahren oder fliegen. Für was er sich auch entschieden hat, seine Kreditkarte ist bestimmt zum Einsatz gekommen.“
„Kennst du den Namen ihres Mannes?“ Z lief durch den Bungalow, öffnete Schubladen.
„In der Nachricht hat sie ihn Kyler genannt. Aber sie ist klug. Mit Sicherheit hat sie ihren Nachnamen geändert.“ Nolan tippte mit dem Finger auf den Tisch und schnappte sich dann ihr Handy. „Bestimmt gibt es jemanden in ihrem Umkreis, der den Namen von dem Arschloch weiß.“ Er durchsuchte die Kontaktliste. „Mom . Das klingt vielversprechend.“
Im Bruchteil einer Sekunde hatte er eine hysterische Frau am Telefon, die ihm ins Ohr brüllte. „Ma’am, bitte. Wir suchen nach ihr. Sie müssen mir den Namen ihres Ehemanns sagen.“ Er drückte auf Lautsprecher.
„Kyler Stanton. Er heißt Kyler Stanton. Bitte, er ist ein furchtbarer Mann. Er wird sie umbringen!“ Die Frau weinte so heftig, dass sie würgte.
„Hören Sie mir zu“, befahl Nolan, obwohl er genau wusste, wie sie sich fühlte. Verdammt , am liebsten würde er die nächste Wand mit seiner Faust bearbeiten. „Ihre Tochter bedeutet mir sehr viel. Ich werde sie finden. Können Sie mir in dem Punkt vertrauen?“
Ihre Schluchzer ließen nach. „Wie heißen Sie?“
„Nolan. Ich melde mich wieder, wenn ich Beth gefunden habe.“ Er legte auf.
Z war bereits am Telefon. „Hier spricht Zach. Ich brauche die Kreditkartenaktivitäten von einem gewissen Kyler Stanton. Konzentriere dich vor allem auf die letzten zwei oder drei Tage in Florida. Ich erkläre dir später den Rest, aber beeile dich.“ Er hörte zu und sagte dann: „Ich warte.“
Nolan zog die Augenbrauen hoch.
Z schenkte ihm ein zaghaftes Lächeln. „Ruf Dan an. Ich denke allerdings, dass meine Verbindungen zu meinen Militärkumpels effizienter sein werden als die Hilfe der Polizei.“
Nolan lief im Apartment auf und ab. Stoppte und betrachtete die Blutstropfen. Sein Magen drehte sich. „Ich rate deinen … Kumpels, schnell zu arbeiten.“
Eine Hand verpasste Beth eine brutale Ohrfeige und ihre Augen schnappten auf.
„Ha! Ich wusste doch, dass du nur so getan hast, als würdest du schlafen.“ Kylers blaue Augen glühten teuflisch auf. „Dafür wirst du bezahlen, Elizabeth.“
Kyler. Nicht nur ein Traum. Ihre Atmung beschleunigte sich so schlagartig, dass die Welt sich drehte. Atme, kleines Häschen. Die Erinnerung an seine tiefe Stimme verankerte sie in der Realität. Nolan würde niemals in Panik geraten. Sie zwang sich, langsam ein- und auszuatmen, und dann sah sie sich um.
Sie lag auf einer dreckigen Matratze. Grinsend stand Kyler über ihr und durch den Hass, den sie bei seinem Anblick empfand, bekam sie wieder einen klaren Kopf. Seine Nase war angeschwollen und sie fühlte Befriedigung. Sie hatte ihn verletzt. Sie gab alles, sich nicht daran zu ergötzen. Vergebens.
„Ja, du Schlampe, du hast mich erwischt. Einmal.“ Er spannte den Kiefer an und schlug sie erneut ins Gesicht. Sie hob die Hände, um sich zu wehren, und musste erkennen, dass er ihr Handschellen angelegt hatte. Die Fesseln hatte er an einer Kette befestigt, die von einem Deckenbalken hing. Auch ihre Fußknöchel hatte er gefesselt. Todesangst machte sich in ihr breit und sie schrie. Sie schrie und schrie – wie sie feststellen musste, zu Kylers Vergnügen. Sofort stoppte sie, ihre Brust unkontrolliert hebend und senkend, und sie ballte die Hände zu Fäusten, um zu verstecken, wie sehr sie zitterten.
„Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich deine Laute vermisst habe, mein Schatz.“ Er rieb sich über seinen Schritt. „Sieh dir das nur an: steinhart.“ Er lief durch den begrenzten Bereich.
Sie befanden sich in einer Hütte. Einer winzigen Hütte. Regen prasselte auf ein Metalldach. „Wo sind wir?“, schaffte sie es, ihn zu fragen. Ihre Zunge fühlte sich wie gelähmt, geschwollen an.
„Auf dem Land, wo uns nur Alligatoren und Reiher hören.“
„Jemand wird uns hören.“ Nicht mal für ihre Ohren klang sie überzeugend. „Überall gibt es Jäger. Sie werden dich erwischen.“
Er drehte sich, um auf seine Pistole hinzuweisen, die in seinem Bund steckte. „Es gibt keinen Grund, dein hübsches Köpfchen anzustrengen, mein Schatz. Ich habe Vorkehrungen getroffen. Es ist unglaublich, was eine Person mit ein bisschen Geld anstellen kann. Eine Waffe zu kaufen, ist in Florida sogar noch einfacher als in Kalifornien.“
Ihr rutschte das Herz in die Hose.
„Niemals hätte ich erwartet, dass du auf die andere Seite des Landes flüchtest.“ Lächelnd berührte er die Beule an seiner Hose. „Beinahe hätte ich meine Suche aufgegeben. Ich habe versucht, mit Huren meine Befriedigung zu finden, aber bei ihnen werde ich einfach nicht so hart wie bei dir. Egal, was ich auch mit ihnen gemacht habe, es blieb hoffnungslos! Eine von ihnen habe ich richtig hart benutzt; ich bezweifle, dass sie es überlebt hat. Sie hat geschrien, ein sehr netter Schrei, aber sie war einfach nicht du.“ In seinen Augen erschien ein Funke, ein Aufblitzen, das seine unmenschliche Perversion bestätigte.
Beths Magen drehte sich. Er war vollkommen wahnsinnig.
„Ich brauche dich, Elizabeth. Nur dich.“
Ihr stockte der Atem, als sich die panische Angst in ihr weiter ausbreitete. Sie hatte Nolan gesagt, dass sie aus der Stadt verschwinden musste. Ihre Mutter würde nicht erwarten, sofort von ihr zu hören. Nicht in den nächsten Tagen. Und die Hütte stand mitten im Nirgendwo. Oh Gott, oh Gott, oh Gott. Sie durfte nicht die Fassung verlieren. Sie musste nachdenken. „Hör mir zu, Kyler“, begann sie. „Du willst mir jetzt noch nicht wehtun. Wie hast du vor, mich blutüberströmt und verbeult nach Kalifornien zu schaffen?“
Sein Lachen eskalierte, wurde schriller, bis sie bei dem Laut das Gesicht verzog. „Ich habe einen Privatjet gemietet. Ich meinte zu ihnen, dass du einen schweren Autounfall hattest, du aber unbedingt zu deiner Mama willst. Ich betäube dich, platziere dich in einem Rollstuhl und bringe dich so an Bord. Sie werden mich für den besten Ehemann aller Zeiten halten.“
Sein Plan würde funktionieren. Oh Gott … Sie schloss die Augen, atmete durch ihre Nase ein.
„Da du jetzt wach bist, lass uns beginnen.“
Sie erstarrte. Zeit, sich zu wehren. Anstatt näher zu kommen, durchquerte Kyler die Hütte und nahm eine Kette in die Hand. Entsetzt beobachtete sie ihn. Die Kette, die an ihren Handschellen befestigt war, verlief durch einen riesigen Ringbolzen. Kyler hatte sich das andere Ende geschnappt. Als er daran zog, wurde sie angehoben, bis sie auf ihren Zehenspitzen balancierte. Die Handschellen bohrten sich in ihre Handgelenke. Ihre Haut brannte, öffnete alte Wunden.
Kyler fixierte die Kette an einem Haken in der Wand und musterte sie dann. „Ah, schau dir das an. Genau so habe ich mir dich in den letzten Monaten vorgestellt.“ Er kam zu ihr und drehte ihren Körper, bis ihr Blick auf der hinteren Wand lag.
Sie hörte, wie er durch eine Tasche kramte. Wie er einen Testschlag ausführte. Der zischende Laut allein war so grauenhaft, dass sie wimmerte und in Vorbereitung auf den Schmerz jeden Muskel in ihrem Körper anspannte.
„Eigentlich wollte ich behutsam anfangen und mich allmählich zu dem befriedigenden Höhepunkt hinarbeiten, aber … ich kann nicht mehr warten.“ Die Peitsche knallte gegen ihre Schultern, der Aufprall gedämpft von ihrem Oberteil. Zunächst. Es dauerte nicht lange, bis das Folterinstrument das Material in Fetzen gerissen hatte.
Dann folgte der wahre Schmerz.
In der Hoffnung, dass der starke Regen die Motorgeräusche ausblenden würde, raste Nolan über die Schotterstraße, bremste nicht mal bei Kurven ab und hüpfte im Sitz auf und ab, wenn er in ein Schlagloch geriet. Schweigend stützte sich Z mit einer Hand auf dem Handschuhfach ab. Schließlich überwand der Pickup den Wald und landete auf einer Lichtung, auf der eine kleine, baufällige Hütte stand. Davor parkte ein weißer Ford Taurus mit einem Nummernschild, der das Fahrzeug als Mietwagen auszeichnete. „Hab ich dich, Arschloch“, murmelte Nolan.
Er wagte es nicht, sich mit dem Auto zu nähern, weshalb er ausstieg und es an der Waldgrenze zurückließ. „Geh du nach hinten. Vielleicht gibt es eine Hintertür“, flüsterte Nolan zu Z und machte sich dann selbst auf den Weg zur Vordertür.
Gerade als er bei der Tür ankam, schnitt ein schmerzerfüllter Schrei durch die Nacht, der trotz des anhaltenden Regens zu hören war. Wie ein Waldbrand breitete sich Wut in ihm aus. Es brauchte nur einen gezielten Tritt und die Tür flog aus ihren Angeln.
Beth hing an ihren gefesselten Händen, ein blutiger Schnitt horizontal auf ihrem Bauch, ihre Augen glasig vom zugefügten Schmerz. Obwohl in diesem Moment sein Zorn unermessliche Abgründe erreichte, verspürte er auch Erleichterung. Am Leben. Sie lebte. Sie erblickte ihn, blinzelte. Runzelte die Stirn. Ihre Lippen formten seinen Namen, dann seinen Titel. Master.
Nolan wandte seine Aufmerksamkeit dem Bastard mit den hellen Haaren zu, der mitten im Raum stand, ein Messer in der Hand.
„Das ist eine private Party. Bitte gehen Sie.“ Der Mann klang, als wäre Nolan in eine Abendveranstaltung geplatzt.
Nolan zog Kreise um ihn und sagte: „Lass sie gehen.“ Wie gut war das Sackgesicht mit dem Messer?
„Sie ist meine Ehefrau und sie wird nirgendwo hingehen.“ Die Augen des Mannes verengten sich. „Du bist der Kerl, der sie vor diesem Club zu ihrem Auto eskortiert hat. Du hast sie geküsst!“
Nolan sah dem Mann in die Augen. Er war wirklich wahnsinnig. Er war ein Wahnsinniger mit einem Messer. Jedoch machten wütende Kämpfer Fehler. Ihn noch weiter zu erzürnen, würde Nolans Chancen erhöhen. „Ja, ich habe sie geküsst.“ Nolan zeigte ein arrogantes Grinsen. „Ich habe noch mehr mit ihr gemacht. Sie ist ein heißes Gerät.“
„Du hast meine Elizabeth gefickt? Du hast in ihr gesteckt?“ Ein Brüllen brach aus ihm heraus, doch anstatt einen Angriff zu wagen, trat er mehrere Schritte zurück. Nolan beobachtete, wie das Arschloch hinter sich griff und eine Pistole zog.
Fuck. Mit dem Wissen, dass er dies wahrscheinlich nicht überleben würde, raste Nolan durch den Raum.
„Nein!“, schrie Beth. Ihr ganzes Gewicht lastete auf ihren Handgelenken, als sie sich von der Matratze abstieß und ihren gewalttätigen Ehemann in den Rücken trat.
Die Pistole feuerte einen Schuss ab, ein pfeifender Laut, gefolgt von einem Knacken, als sich die Kugel in den Holzboden bohrte. Nolan schlug dem Mann die Waffe aus der Hand, holte mit der Faust aus und rammte sie ihm in die Rippen. Zufrieden lauschte er dem Knacken einer brechenden Rippe.
Das Sackgesicht landete auf seinem Rücken, keuchte schwer und hielt sich seine Seite. Dann fing er an, zu lachen.
Nolan zögerte, zog seinen Fuß zurück, mit dem er einen Tritt landen wollte. Was war so lustig?
„Du kannst nicht gewinnen.“ Tränen formten sich in den Augen des Mannes, ohne den Versuch zu unternehmen, sich zu erheben. „Ich höre Sirenen.“
Das konnte Nolan bestätigen. Er warf einen Blick zur Tür. Noch waren sie nicht zu sehen.
Ohne Aufsehen quetschte sich Z an der zerbrochenen Tür vorbei und ging zu Beth. Es gab keine Hintertür, erkannte Nolan. Er senkte den Blick zu dem Arschloch zu seinen Füßen. „Die Bullen werden dich für eine lange Zeit wegsperren“, lockte er, um zu sehen, was der Kerl mit seinen Worten hatte andeuten wollen.
„Und ich werde schnell wieder raus sein. Ich bin Anwalt. Reich. Ich werde dich ruinieren und am Ende wird Elizabeth mir gehören. Dann werde ich sie dafür bezahlen lassen, dass sie dir erlaubt hat, sie zu berühren.“ Blinder Zorn war in seinen blauen Augen zu erkennen. Er setzte sich auf, noch immer die Hand auf seinen Rippen. „Du hast dich umsonst bemüht.“
Nolan musterte ihn für einen Moment. Er spannte den Kiefer an. Der Bastard sprach die Wahrheit. Kyler ist verrückt. Er ist reich. Er würde niemals aufgeben. Was bedeutete, dass auch Beth niemals in Sicherheit wäre.
Nolan fand Zs Blick und sah dort die gleiche Schlussfolgerung. Z nickte. Eiseskälte kroch über seinen Rücken, als Nolan die Tür zu seiner Vergangenheit öffnete.
So sei es.
Beth schüttelte den Kopf, erwachte erneut, als sie in der Ferne Sirenen wahrnahm. Sie fühlte, wie Blut ihre Arme, ihren Rücken herunterlief, aus der Wunde an ihrem Bauch tropfte. Dennoch spürte sie keinen Schmerz. Kyler hatte aufgehört. Unter größter Anstrengung gelang es ihr, ihre Augen zu fokussieren. Sie erblickte einen Mann, der versuchte, die Kette am Haken zu lösen. Master Z?
Neben dem am Boden liegenden Kyler entdeckte sie einen weiteren Mann. Nolan. Er war wirklich hier. Sie hatte ihn sich nicht eingebildet. Sie beobachtete, wie sich der Ausdruck auf Sirs Gesicht veränderte, Kälte löste seinen Zorn ab. Als er sich Kyler näherte, schüttelte Beth panisch den Kopf. Nein, nein, nein. Sir, du darfst ihm nicht vertrauen! Es spielte keine Rolle, wie groß Nolan war, er konnte dennoch verletzt werden.
„Ganz sicher habe ich mich nicht umsonst … bemüht“, zischte Nolan. „Ihre Pussy ist es wert. Oh ja. So köstlich. So süß wie Honig.“
Mit einem ominösen Wimmern erhob sich ihr Ehemann. Auch Beth wimmerte. Bitte tue Nolan nicht weh. Sie drehte sich zu Z, der noch immer mit der Kette beschäftigt war. „Du musst ihm helfen“, flüsterte sie. „Bitte.“
Zs silberne Augen fingen ihren Blick ein und er schüttelte den Kopf.
Er würde ihm nicht zur Hilfe kommen? Was lief falsch mit ihm? Sie riss an ihren Einschränkungen und die Handschellen bohrten sich tiefer in ihr Fleisch.
„Du hast sie berührt.“ Kyler verzog das Gesicht. „Sie gehört mir! Sie ist meine Frau!“
„Zur Hölle, sie will nicht mit einem Weichei wie dir verheiratet sein! Sie will einen wahren Mann!“
Beth schrie, als sich Kyler in Bewegung setzte. In der letzten Sekunde trat Sir beiseite und Kyler stoppte kurz vor der Wand.
„Ist dir klar, wie gut sie blasen kann?“ Nolan gluckste und Beth starrte ihn mit offenem Mund an. Hatte er den Verstand verloren?
Kyler attackierte ihn abermals und traf Nolan mit der Faust ins Gesicht.
Sir grinste. „Nochmal. Das kannst du besser.“ Der nächste Schlag landete auf seiner anderen Wange. Er schüttelte den Kopf wie ein Bulle, der sich Fliegen vom Hals halten wollte. Dann teilte er einen Fausthieb gegen Kyler aus, was den schmächtigeren Mann sofort aus dem Gleichgewicht brachte. Kyler stöhnte, versuchte erneut sein Glück. Erfolgreich blockierte ihn Nolan und setzte mit einem weiteren Hieb in Kylers Rippen zum Gegenschlag an.
Mit einem qualvollen Schrei beugte sich Kyler vor. Beth sah, dass Nolan tief einatmete und seine Muskeln anspannte. Dann versetzte er ihrem Ehemann einen so brutalen Schlag, dass er nach hinten flog. Sein Hinterkopf krachte gegen den Holzofen; ein ekelerregendes Knacken war zu vernehmen und ihr Peiniger sackte schließlich leblos auf der Feuerstelle in sich zusammen.
Beth hörte nur noch Rauschen in ihren Ohren und schaffte es einfach nicht, den Blick von Kyler zu nehmen.
Als sich Nolan über ihn beugte, sich jedoch schnell von dem Körper abwandte, wollte sie ihn warnen, dass Kyler gleich aufspringen und ihn verletzten würde. Er musste vorsichtig sein! Doch sie war nicht in der Lage, ihre Warnung in Worte zu fassen.
Die Kette, die sie an Ort und Stelle hielt, rasselte. Sie stöhnte und versuchte, diesen Laut zu dämpfen. Darf ihn nicht aufwecken; er schläft nur. Nolan kam auf sie zu. Das Einzige, was sie im Moment tun konnte, war es, hektisch ihren Kopf zu schütteln. Nein! Du musst Kyler im Auge behalten! Doch Sir hörte nicht.
Als Z sie absenkte, stützte Nolan sie und nahm sie dann in eine Umarmung. Der Arm an ihrem Rücken verursachte ihr Schmerzen, was sie ignorierte. Ihre Pein spielte keine Rolle, solange … Sie drehte den Kopf zu Kyler. Er würde Sir wehtun. Sie musste ihn um alles in der Welt davon abhalten.
„Beth.“ Die tiefe Stimme ihres Masters. „Sieh mich an.“ Er positionierte sich auf eine Weise, sodass er mit seinem Körper ihren Blick auf Kyler unterbrach.
Sie streckte sich und traf auf Augen so schwarz und entschlossen, dass sie zusammenzuckte.
„Ganz ruhig, meine Kleine. Alles wird gut. Der Krankenwagen ist fast hier.“
Sie musste erkennen, dass sie laut wimmerte. Sir hielt sie enger an sich gedrückt, seine Nähe tröstend. Dies war kein Traum; er war wirklich hier. Sie versuchte, ihm zu sagen, was sie fühlte. Das hatte er doch stets wissen wollen, richtig? Ihre Gefühle. Doch als sie den Mund öffnete, bekam sie nur einen Satz über ihre Lippen. Nur einen Satz, den sie immer und immer wieder flüsterte: „Du bist gekommen … Du bist gekommen … Du bist gekommen …“
Zittrig atmete er aus. „Ganz ruhig.“ Er legte ihre Wange an seine Brust und mit Zs Hilfe fand er eine Position, sodass er nicht länger die offenen Wunden an ihrem Rücken streifte. Danach begab sich Z auf die Suche nach dem Schlüssel zu ihren Handschellen.
War Kyler schon aufgestanden? Sie unternahm den Versuch, über Nolans Schulter zu sehen. In dem Moment erschien vor der eingetretenen Tür ein Krankenwagen. Vielleicht hatte jemand ihren Ehemann weggebracht. Dann wäre Nolan sicher.
Z tauchte vor ihr auf. „Halte durch, Beth. Lass mich dir die Handschellen abnehmen.“ Er öffnete sie und löste vorsichtig das Metall von ihrem aufgerissenen Fleisch. Sie hörte ihn fluchen. In einem Ton, den sie von ihm noch nie gehört hatte.
Als es bei einer Stelle so schmerzhaft wurde, dass sie ein Wimmern nicht unterdrücken konnte, entließ Nolan ein tiefes Knurren und sagte zu Z: „Ich will ihn nochmal umbringen.“
„Stell dich hinten an“, antwortete Z.
Die Welt war ein vernebelter Ort, angefüllt mit Schmerzen, Sirenen, Männerstimmen und dem beißenden Geruch von Desinfektionsmitteln. Alles wackelte und schaukelte, wodurch sie jede einzelne Wunde an ihrem Körper spürte. Schwüle Luft. Mehr Schmerz.
Als Beth es schließlich schaffte, die Augen zu öffnen, war sie von weißen Vorhängen umgeben. Ein vertrauter Anblick. Sie befand sich im Krankenhaus. Mit Fremden. Sie erlaubte es sich, wieder in die Dunkelheit abzutauchen.
Nach einer Weile erwachte sie durch eine tiefe, kommandierende Stimme. Eine Stimme, die ihre Einsamkeit vertrieb.
Eine Frau drückte ihre Frustration aus: „Es tut mir leid, aber nur die Familie ist hier hinten gestattet.“
„Ich gehöre zur Familie.“ Sirs Stimme kam näher. „Beth, wo bist du?“
„Ähm.“ Waren diese abgetrennten Bereiche nummeriert? „Hier. Wo auch immer hier ist.“
„A-aber –“, stotterte die Frau. „Oh na gut. Anscheinend möchte sie Sie sehen.“
Eine vernarbte Männerhand schob einen der Vorhänge zurück und Nolan trat an ihr Bett, bemächtigte sich des gesamten Bereiches mit seiner Anwesenheit. Sein Blick landete auf dem Überwachungsmonitor und dem Infusionsbeutel, deren Kabel und Schläuche zu ihrem Körper führten. „Wie ich sehe, bist du gut ausgestattet.“
Sie hatte sich so allein und hilflos gefühlt, als sie von den Sanitätern mitleidig betrachtet worden war. Eine misshandelte Frau mit Wunden am ganzen Leib. Niemand sah sie .
Bis jetzt. Sir lehnte sich über sie und sah ihr tief in die Augen. „Hast du Interesse an meiner Gesellschaft, Baby?“
Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Sie bekam kein Wort heraus, schaffte es nur zu nicken.
„Gute Antwort. Damit hast du dir eine Diskussion erspart.“ Er stützte sich auf der Seitenschiene des Bettgestells ab und umfasste ihre Hand mit seinen langen Fingern. „Haben sie dir ein Mittel gegen die Schmerzen gegeben?“
„Ich habe abgelehnt.“
Er zog die Augenbrauen zusammen. „Warum hast du das getan? Du leidest.“
„Ich … Kyler hat mir etwas verabreicht, um mich zu betäuben. Schmerzmittel geben mir ein komisches Gefühl. Ich will nicht … Ich könnte das einfach nicht ertragen.“
Er nickte. „Verstehe.“
Ein Arzt erschien, ein schlanker, grauhaariger Mann mit klugen, blauen Augen, einem Stethoskop um den Hals und einem Klemmbrett in der Hand. „Mrs. Stanton?“
Bei dem furchtbaren Namen verzog sie das Gesicht und Nolan drückte ihre Hand. Tief atmete sie ein, bevor sie antworten konnte. „Ja?“
Er ging die üblichen Fragen mit ihr durch. Fragen, die ihr durch ihre vielen, vielen Krankenhausaufenthalte nur zu gut vertraut waren. Wenn Kyler sie zu schwer verletzt hatte, dass er sie nicht selbst zusammenflicken konnte, brachte er sie in die Notaufnahme. Jedes Mal in ein anderes Krankenhaus, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. Als ihre Narben zu offensichtlich wurden, ging ein Arzt von Misshandlungen aus und unternahm den Versuch, sie in eine Unterkunft für Frauen zu bekommen. Kyler jedoch hatte seine Verbindungen spielen lassen. Sie war damals nicht nur wieder in seine grausame Obhut gekommen, sondern wurde auch sogleich dafür bestraft, die Bedenken in dem Arzt heraufbeschworen zu haben.
„Okay, dann wollen wir uns mal den Schaden ansehen“, sagte der Arzt. Er half ihr in eine sitzende Position, öffnete ihr Leibchen und entfernte den Verbandmull von den Sanitätern. Ohne zu blinzeln, starrte sie auf Nolans Hand, welche die ihre umfasste. Direkt auf einem Fingerknöchel hatte er eine Narbe und dann entdeckte sie noch eine und –
Der Arzt entließ einen Laut. Beth hob den Blick. Er presste die Lippen so fest zusammen, dass sie weiß anliefen. „Wer hat Ihnen das angetan?“
„Mein Ehemann“, antwortete sie.
Der Arzt drehte sich zu Nolan. „Sie?“
„Nein. Ihr Ehemann ist tot.“
Der Arzt sah auf den blutigen Verband in seiner Hand. „Natürlich ist er das“, reagierte er gedehnt. „Wann ist er gestorben?“
Der Vorhang wurde aufgerissen. „Vor ungefähr einer Stunde.“ Ein breiter Mann in einem dunklen Anzug stellte sich an das Bettende und zeigte seine Polizeimarke. „Richtig, Mrs. Stanton?“
„I-Ich …“ Wie lange war sie ohnmächtig gewesen? „Ich bin mir nicht sicher“, sagte sie hilflos.
„Wollen Sie mir von Ihrem Tag erzählen?“ Er zog einen Notizblock und einen Stift heraus.
„Können Sie damit warten, bis ich ihre Wunden verarztet habe?“, entgegnete der Arzt in einem genervten Ton.
„Eigentlich würde ich gerne zuerst einen Blick darauf werfen“, sagte der Polizist. „Der Mann in der Hütte …“ Er sah auf seine Notizen. „Zachary Grayson meinte, dass besagter Ehemann Sie ausgepeitscht hat. Das scheint mir ein wenig –“
Der Arzt packte den Polizisten und zog ihn vor sich, damit er sich ihren Rücken ansehen konnte. „Ah.“ Der Polizist räusperte sich. „Verdammte Scheiße, er hat Sie schlimm zugerichtet.“
„Atme, Süße“, knurrte Nolan, seine Augen immer auf ihrem Gesicht.
Sie sog scharf den Atem ein.
„Wenn Sie schon hier sind“, sagte Sir zu dem Polizisten. „Dann sehen Sie sich doch bitte gleich ihre alten Wunden an. Vor einem Jahr ist sie vor ihm geflohen. Heute Morgen hat er sie sich geschnappt.“
„Ma’am, es tut mir leid“, murmelte der Polizist verlegen. „Ich habe die Ketten und die Handschellen gesehen und dachte an kinky Spiele, nicht an … Scheiße, so was ist mir noch nie zu Augen gekommen.“ Er trat einen Schritt zurück, sein rundes Gesicht blass. „Muss ich – abgesehen von den Wunden, die durch die Peitsche verursacht wurden – noch etwas wissen?“
Sie schluckte schwer. Warum schämte sie sich so sehr, obwohl sie daran doch keine Schuld trug? „I-Ich …“
„Narben an ihren Handgelenken.“ Nolan hob eine ihrer Hände, um die blutiges Verbandszeug gewickelt war. „Durch die neuen Abschürfungen nicht mehr erkennbar. Brandflecken von Zigaretten auf ihrer linken Brust, Messerwunden auf ihrem Hintern, ihr rechtes Bein hatte eine Fraktur, Stichwunden an ihren Handflächen und gebrochene Finger.“ Er rieb über ihre Finger, wo helle Linien ihre Haut kennzeichneten. „Sicher kann der Arzt alles für Sie dokumentieren, wenn er Beth untersucht.“
Der Ausdruck des Polizisten war nach der Aufzählung nicht wiederzuerkennen. In einem ernsten Ton fragte er: „Wie oft haben Sie versucht, ihm zu entkommen?“
„Vor meiner erfolgreichen Flucht im letzten Jahr habe ich es nur einmal versucht.“ Sie senkte den Blick auf ihre Hände. „Er hat mich eingefangen und mir als Strafe die Finger zerschmettert.“
Sie hörte, dass der Arzt schockiert nach Luft schnappte, jedoch erhob er nicht das Wort.
Auf der Wange des Polizisten zuckte ein Muskel, seine Augen auf seinen Notizblock gerichtet. Nach einer Sekunde fragte er: „Und von heute haben Sie die Verletzungen auf ihrem Rücken. Noch etwas?“
Wieder sprach Nolan für sie: „Dazu kommt ein langer Messerschnitt auf ihrem Bauch. In dem Augenblick sind Z – Zachary – und ich dort aufgetaucht und konnten ihn aufhalten. Ich habe die Tür eingetreten. Er hatte eine Waffe und hat versucht, mich zu erschießen. Obwohl Beth angekettet war, ist es ihr gelungen, ihn von hinten in den Rücken zu treten.“ Nolans stolzer Blick in ihre Richtung löste ein warmes Gefühl in ihr aus. „Die Kugel schlug im Boden ein. Wir haben gekämpft.“ Er hob die Hand zu seiner Wange und seinem Kinn, wo Kyler einen Schlag landen konnte. „Ich habe mich gewehrt und er ist gegen den Holzofen gekracht.“
„Woher kennen Sie Mrs. Stanton?“
„Sie hat Zacharys Garten neu gestaltet. Auch ich wollte sie anheuern, stattdessen aber gehen wir jetzt miteinander aus.“ Er küsste sie auf die Handfläche und sah sie entschlossen an. „Du wirst nicht drumrumkommen, mein Grundstück zu verschönern, Süße.“
Sie konnte es nicht glauben, dass sie in einem Moment wie diesem sogar ein Lächeln schaffte. Mit zitternden Fingern berührte sie seine warme Wange. „Ich denke, das schulde ich dir.“
„Scheint mir ein klarer Fall von Notwehr zu sein“, erklärte der Polizist. „Ich brauche aber noch Ihren Namen und Ihre Adresse.“
Nolan zog seine Geldbörse heraus und reichte ihm eine Visitenkarte.
Der Polizist sah drauf. „King Construction? Sie haben das Bürogebäude gegenüber von der Polizeistation errichtet.“
Nolan nickte.
Für einen Moment musterte der Polizist Nolan. „Sie waren auch im Militär. Sind ein Veteran. Genau wie ihr Kumpel Zachary, richtig?“
Wieder nickte Nolan.
„Dann wundert mich nichts mehr. Gute Arbeit“, sagte der Polizist. „Niemand hat mich das sagen hören, klar? Falls ich weitere Fragen habe, melde ich mich.“ Kopfschüttelnd lief er davon.
„Fragen. Immer haben sie mehr Fragen, immer benötigen sie mehr Beweise.“ Der Arzt zog genervt die Augenbrauen zusammen und rief dann: „Marilee, ich brauche die Kamera!“
Die Krankenschwester ließ nicht lange auf sich warten.
„Bleib bitte als Zeugin hier, Marilee“, sagte er. „Wir müssen alle Verletzungen, alte Narben und auch die neuen Wunden, klar erkennbar dokumentieren, um im Zweifelsfall etwas vorzeigen zu können.“ Der Ausdruck des Arztes war düster. Er machte Fotos von Beths Rücken, versorgte dann die von der Peitsche herbeigeführten Wunden, desinfizierte und nähte, wenn sie zu tief für Klammerpflaster oder Gewebekleber waren. Mehr Fotos auf ihrer Vorderseite, dann verband er den Schnitt auf ihrem Bauch. Sorgfältig arbeitete er, nahm weitere Fotos auf, von ihren Händen bis hin zu ihren Füßen.
Indessen blieb Nolan an ihrer Seite, hielt ihre Hand und sprach ihr Mut zu.
Nachdem der Arzt ihre Handgelenke frisch verbunden hatte, stürzte Master Z in den abgetrennten Bereich.
„Wir befinden uns nicht in einem Bahnhof, verdammt nochmal“, zischte der Arzt. „Wer zum Teufel sind Sie?“
Beth kicherte. Ja, sie kicherte. „Das ist schon okay. Er ist der andere Mann, dem ich mein Leben verdanke.“
„Na gut. Wenn das so ist“, grummelte der Arzt. Er schüttelte Hände mit Z und sah grinsend von einem Mann zum anderen. „Gut gemacht, Jungs. Und mir ist es egal, wer es hört.“
Nolan lachte laut los.
Der Arzt wandte sich Beth zu: „Sie können nach Hause. Falls es Anzeichen für eine Infektion gibt, kommen Sie zurück ins Krankenhaus oder gehen zu einem Arzt Ihres Vertrauens. Ich werde Ihnen Schmerztabletten verschrei –“
„Brauche ich nicht“, unterbrach sie ihn. „Ich werde keine Tabletten nehmen.“
„Ah.“ Er rieb sich übers Kinn. „Ibuprofen geht klar, Aspirin sollten Sie für die nächsten Tage meiden. Die Krankenschwester wird sie gleich von der Überwachung befreien und Ihnen erklären, was Sie bei den Nähten zu beachten haben.“
Von der Krankenschwester verjagt warteten die Männer auf dem Parkplatz. Schließlich wurde sie von einem Helfer in einem Rollstuhl herausgerollt und in den Pickup von Nolan gehoben.
„Geht es dir gut, Kleine?“, fragte Z, als er sich daran machte, sie anzuschnallen.
In ihrem früheren Leben hatte sie nicht viele Freunde zu verzeichnen, doch mittlerweile … Sie lächelte ihn an. „Ja, geht es. Es fühlt sich an, als hätte mich jemand aus einem Brombeerbusch befreit, in dem ich tagelang festgesessen habe.“ Ihre Augen füllten sich mit Tränen und sie flüsterte: „Vielen, vielen Dank.“
Er schenkte ihr ein breites Grinsen. „War mir ein Vergnügen. Nur etwas Schade, dass allein Nolan den ganzen Spaß mit ihm hatte. Und jetzt geh heim und konzentriere dich darauf, wieder gesund zu werden.“ Er rieb seine Fingerknöchel über ihre Wange. „Erwarte, bald Besuch von Jessica zu bekommen.“
Als der Motor startete, hob Z den Blick zu Nolan. „Bringst du sie zu ihrem Apartment oder –“
„Zu meinem Haus“, sagte Nolan entschlossen.
„Ausgezeichnet.“ Z nickte und schloss die Autotür.
„Nolan …“, begann Beth. Er sollte sich nicht um sie kümmern müssen. „Ich kann in mein –“
„Fang ja nicht erst an. Wir werden beide Albträume haben. Du wirst in meinem Bett liegen, in meinen Armen, wenn es dazu kommt.“
Albträume. Er würde unter Albträumen leiden? Oh Gott! Er hatte für sie einen Mann getötet! Sie umfasste seine rechte Hand. „Du hast ihn getötet. Es tut mir so, so leid, dass du das tun musstest.“
Er fand ihre Augen, sah sie verdutzt an, bevor er ein Schnaufen entließ. „Das Töten von Kakerlaken bringt mir sicher keine Albträume, Süße. Zu wissen, dass er dich in seiner Gewalt hatte … dich schreien zu hören … dich blutüberströmt zu sehen? Ja, diese Erinnerungen werden mich noch lange beschäftigen. Du musst bei mir bleiben, bis sie das nicht mehr tun.“
„Okay.“ Ihr fiel kein Ort ein, an dem sie jetzt lieber wäre. Es fühlte sich falsch an, zu hoffen, dass er für mindestens vier Tage Albträume haben würde, aber –
Dann fuhr er aus der Parklücke. „Ich denke, in eins, zwei Jahren sollte ich das Schlimmste überwunden haben.“