Leseprobe aus Cullens Buch, dem 4. Band in der Reihe Die Master der Shadowlands
Damit beschäftigt, die
Bar vorzubereiten, hob Cullen den Kopf, als sich die Tür in den Clubraum öffnete. Pünktlich. Dafür verdiente sie einen Pluspunkt, dachte er leicht verdrießlich.
Genervt erinnerte er sich an den Gefallen, den Antonio bei ihm eingefordert hatte. Sicher, der Journalist hatte Cullen die nötigen Informationen über einen Brandstifter gegeben, wodurch es ihm möglich gewesen war, den Bastard hinter Gitter zu bringen. Jedoch missfiel es ihm, dass sich nun sein Job als Brandermittler mit seinem Privatleben im Shadowlands vermischte.
Genauso missfiel es ihm, dass jemand mit seinem Ausbildungsprogramm herumfuschte. Normalerweise wählten Z und er die Auszubildenden, bei denen es sich um Subs von einer langen Warteliste handelte. Alles langjährige Mitglieder im Club, die tiefer in den Lifestyle eintauchen und somit ihre Chancen mit ungebundenen Doms erhöhen wollten. Anfänger waren nicht gern gesehen.
Z war nicht gerade begeistert von der Idee. Eine wahre Untertreibung. Er war stocksauer gewesen.
Cullen riskierte also seinen Arsch. Diese Freundin von Antonio sollte besser die beste Auszubildende aller Zeiten sein und sich gut ins Shadowlands einfinden. Oder schnellstmöglich die Fliege machen.
Ich weiß, was ich bevorzugen würde.
Vielleicht sollte er sie genau dazu treiben. Wenn er es richtig anstellte, würde sie bestimmt bald einsehen, dass das Shadowlands nicht der richtige Ort für sie war.
Besagte Frau trat in den Clubraum und hielt inne, damit sich ihre Augen an das gedämpfte Kerzenlicht von den schmiedeeisernen Wandleuchtern gewöhnen konnten. Nach einer Weile setzte sie sich wieder in Bewegung.
Sie war eine hochgewachsene, muskulöse Frau. Von der Statur erinnerte sie ihn an eine Schmerzschlampe, mit der er an einer Playparty teilgenommen hatte. Ein Tag, auf den er nicht gerne zurückblickte. Er lehnte den Arm auf den Tresen und beobachtete sie: Enge Latexhose, die sich erregend an ihre langen Beine schmiegte. Hellbraunes Haar in einem straffen Dutt auf ihrem Kopf, eine Frisur, die geradezu Fass mich nicht an
schrie. Schlichtes Makeup. Als Schmuck trug sie lediglich ein kleines Kreuz um ihren Hals. Die wadenhohen Stiefel mit den riesigen Absätzen deuteten auf eine Domina hin, genauso wie die Motorradjacke. Arrogante Körpersprache.
Was für eine Art Sub hatte Antonio ihm da geschickt? Vom ersten Eindruck würde er sie am liebsten rauswerfen.
„Hallo.“ Ihre tiefe, geschmeidige Stimme wies einen spanischen Akzent auf und sagte ihm zu. „Ich bin Andrea Eriksson.“
Um sie zu testen, schwieg er und betrachtete lediglich ihr Gesicht. Die meisten Subs würden jetzt ihre Augen auf den Boden senken. Aber nicht diese. Stattdessen presste sie die Lippen fest aufeinander und hob ihr Kinn.
„Du kannst mich Master Cullen oder Sir nennen. Ich bin im Shadowlands für die Auszubildenden verantwortlich.“ Er wies auf einen Barhocker. „Setz dich.“
Sie zögerte. Eine Sub, die es nicht mochte, Befehle zu befolgen? Schließlich nahm sie Platz, stützte sich mit den Ellbogen auf dem Tresen ab. Die nächste aggressive
Körperhaltung.
Domina oder Sub? Das herauszufinden, sollte nicht so schwer sein. Er ließ sich auf dem Weg zu ihr Zeit, lief um die Bar herum und ragte über ihrer sitzenden Form auf, sodass sie den Kopf in den Nacken legen musste. Der Funke in ihren Augen verriet ihm, dass sie das Bedürfnis verspürte, aufzustehen, um auf Augenhöhe mit ihm zu sprechen.
Er schob einen Finger unter ihr stolzes Kinn und richtete ihr Gesicht aus, bis sie ihm direkt in die Augen sah.
Ihre Muskeln spannten sich an und sie versuchte, sich von seiner Berührung loszueisen.
„Stillhalten.“
Bei seinem Befehl erstarrte sie. Dann sah er es: Ihre Pupillen weiteten sich und in ihre Wangen stieg Hitze.
Ah, sehr nett.
Nichts gefiel einem Dom mehr als die instinktive Unterwerfung eines Körpers unter seinen Händen.
„Es steckt also doch eine Sub in dir“, murmelte er. Er packte ihren Dutt und hielt sie gefangen, als er mit einem Finger über ihre hohen Wangenknochen strich, über ihre samtweichen Lippen, nach unten über ihren verletzlichen Hals … und spürte den verräterischen Schauer, der durch ihren Körper jagte.
Hinreißend.
Sein Finger folgte dem Reißverschluss ihrer Lederjacke. Und was versteckte sie darunter?
Sie bewegte sich nicht, rührte keinen Muskel. Ihre großen, goldbraunen Augen zeugten von nervöser Unruhe. Auch an ihren Händen konnte er den inneren Aufruhr sehen, denn sie spannte ihre Finger an und er hörte die Papiere in ihrer Hand knistern. Sie gab ihr Bestes. Man brauchte Eier, um in einen fremden Club zu treten und sich einem unbekannten Dom zu stellen.
Er spürte einen Anflug von Mitleid. Ein Teil von ihm wollte sie rausschmeißen, der andere hingegen wollte sie in die Arme nehmen und ihr gut zureden. Verdammt.
Nichts davon würde er heute bekommen. Mit einem Seufzen ließ er sie los und trat
einen Schritt zurück. „Gib mir deine Papiere.“
Sie gehorchte und ihre sonnengebräunten Wangen erröteten aufs Neue, als sie bemerkte, wie zerknittert die Dokumente in ihrer Hand waren.
Er glättete das Papier und las zuerst den medizinischen Befund: keine Krankheiten, gesund, nimmt Pille. Das sah schon mal gut aus. Er blätterte zur nächsten Seite. Sie hatte die Standardverfügung des Shadowlands über die Mitgliedschaft und das allgemeine Regelwerk gelesen und unterschrieben. Danach folgten die Regeln für die Auszubildenden. Letztes Jahr hatte eine Anfängerin diese wichtigen Dokumente ungelesen unterzeichnet. Dann hatte sie eine Regel gebrochen und die anschließende Bestrafung hatte ihr Weltbild für alle Zeiten verändert. „Hast du alles ausführlich gelesen?“
Sie nickte.
„In diesem Club antwortet eine Sub mit ‚Ja, Sir‘ oder ‚Ja. Ma’am‘.“
„Ja, Sir.“
Besser.
Er nickte ihr zufrieden zu. Obwohl sie nicht den normalen Eifer einer Sub aufwies, konnte er ihr ansehen, wie die Anspannung langsam aus ihrem Körper wich. Seine Meinung war ihr wichtig, auch wenn sie sich weigerte, dies zu zeigen. Warum wollte sie das nicht?
Er ließ den Blick über sie schweifen. Angespannte Körperhaltung, Kinn hoch, Hände verschränkt. Dennoch hatte er gefühlt, wie sie unter seiner Berührung dahingeschmolzen war. Sie stellte ein faszinierendes Rätsel dar. Sicher, er war genervt von der Planänderung, doch er musste zugeben, dass es die Art von Herausforderung war, die er genoss.
Als er die Liste mit den Grenzen erreichte, drückte sie die Schultern durch und ihre Wangen erröteten vor Verlegenheit. Belustigung machte sich in ihm breit, erhellte seine Stimmung. Er würde sehr viel Spaß daran haben, diese Verlegenheit zum Einsturz zu bringen. Vielleicht könnte er ihr bei jedem Punkt,
an dem sie Interesse zeigte, einen neuen Dom zuweisen: Oralsex, Spanking, Pranger, Dildo …
Dann trafen sich ihre Blicke und sie schluckte schwer. Die scharfsichtige kleine Sub konnte ihm seine ruchlosen Absichten ansehen.