Dom betrachtete Logan ohne Hemd,
die Haare immer noch feucht von der Dusche, und sein Schwanz wurde in seiner Jogginghose hart, als er sich an den glatten Schwung von Logans Rücken erinnerte, während Dom ihn über die Duschbank gebeugt hatte. Declans Fluch riss Dom aus seinen Gedanken und Wut durchfuhr ihn, als er Logan zusammenzucken sah.
„Declan“, warnte Dom, aber der Mann war eindeutig zu verärgert, um ihn zu beachten.
„Tut mir leid, Dom, ich wusste es nicht…“, setzte Logan verlegen an.
„Ist schon okay, Logan“, erwiderte er. „Komm und frühstücke etwas.“ Logan warf ihm einen Blick zu, dann Declan, und Dom sah einen Schatten über sein Gesicht ziehen.
„Logan?“, flüsterte Declan. „Logan Bradshaw?“, sagte er entsetzt. Er drehte sich zu Dom um. Der Aktenordner in seiner Hand war vergessen.
„Logan, das ist Declan Hale. Sylvies Bruder“, sagte er seufzend, denn er wusste, was als Nächstes kommen würde.
Das Keuchen, das Logan ausstieß, zerriss Dom innerlich und er sah, wie Logan sich auf der Stelle zurückzog.
„Fickst du ihn?“, brüllte Declan. „Im Haus meiner Schwester? In ihrem Bett?“
„Das reicht jetzt“, sagte Dom kalt. „Logan“, rief er, aber der Mann ging bereits zurück ins Schlafzimmer.
„Antworte mir, verdammt!“, brüllte Declan und versetzte Dom einen harten Stoß.
„Halt dich zurück!“, erwiderte Dom und ging um die Kücheninsel herum. Logan kehrte zurück, bevor Dom das Schlafzimmer erreicht hatte. Er hatte es geschafft, sein Hemd anzuziehen, trug aber seine Schuhe und Socken in der Hand. Er versuchte, sich an Dom vorbei zu schieben. „Logan, tu das nicht“, flehte Dom.
„Lass mich gehen“, sagte Logan und löste sich aus Doms Griff. „Das war ein Fehler“, flüsterte er. „Ein schrecklicher Fehler.“ Schmerz durchschoss Dom bei diesem endgültigen Tonfall und er sah zu, wie Logan die Wohnung verließ.
Er ignorierte Declan und ging zur Insel, wo er nach seinem Handy griff. Er wählte eine Nummer und wartete, bis Cade antwortete. „Er ist auf dem Weg nach unten.“ Falls Cade noch etwas zu sagen hatte, hörte Dom es nicht, denn er legte auf und richtete seine Aufmerksamkeit auf Declan.
„Verschwinde auf der Stelle!“, sagte er kalt.
Declan ignorierte ihn und kam um die Insel herum und trat direkt vor ihn. „Hast du meine Schwester auch schon betrogen, als sie noch am Leben war? Mit einem verdammten Stricher?“, schrie er.
Dom versetzte ihm einen harten Schlag und Declan ging zu Boden. Baby, der versucht hatte, Logan zu folgen, als dieser gegangen war, fiepte und kam zu den beiden Männern, wo er sich zwischen sie schob.
„Verschwinde aus meinem Haus!“
Declan rieb sich den Kiefer, während er aufstand. Er schleuderte den Aktenordner, den er in der Hand gehabt hatte, zu Boden und der Inhalt verteilte sich überall.
„Wir sind fertig miteinander, Dom. Wir sind fertig, verdammt noch mal!“ Declan stürmte hinaus.
Logans Haut kribbelte,
während er zusah, wie die letzten Tische und Stühle hinausgetragen wurden. Die meisten waren dem Feuer zum Opfer gefallen, aber einige würde man retten können, wenn sie von der richtigen Person wieder aufgearbeitet wurden.
„Danke, Mann“, sagte der glückliche neue Besitzer, als er den letzten Stuhl durch die Hintertür schleppte.
„Kein Problem“, murmelte Logan und lehnte sich gegen die Wand, um die nun leere Bar zu betrachten. Ruß klebte immer noch an den Wänden und Fenstern, aber zumindest war der Boden etwas frei von Schutt. Er würde mit großen finanziellen Einbußen rechnen müssen, wenn er den Laden verkaufte. Aber je früher er aus seinem Leben verschwunden war, desto besser. Vielleicht würden dann auch die Albträume aufhören.
„Wann willst du wieder öffnen?“, vernahm er eine Stimme vom Hintereingang aus. Er musste sich nicht umdrehen, um zu sehen, wer es war. Diese Stimme verfolgte ihn auf vielfältige Weise.
„Das werde ich nicht. Ich bringe sie morgen auf den Markt“, sagte er. Er zwang sich, Dom anzusehen, der sich gegen den Türrahmen lehnte. Sein weißes Hemd war glatt und die obersten Knöpfe waren geöffnet. Die Ärmel waren hochgekrempelt, um muskulöse Unterarme freizulegen. Selbst nach der demütigenden Begegnung heute Morgen wollte Logan ihn.
Doms Schritte hallten nach, als er näherkam.
„Es wird nicht funktionieren, Dom“, sagte Logan. Dom blieb vor ihm stehen. Die Hände hatte er in die Taschen.
„Warum nicht?“
„Du weißt, warum“, erwiderte Logan und fühlte sich plötzlich sehr müde.
„Ich weiß, dass wir vor ein paar Stunden glücklich waren ‒
dass das, was zwischen uns war, sich gut angefühlt hat, richtig? Was hat sich geändert?“
„Das Leben“, murmelte Logan. „Die Realität. Die Scheiße, die außerhalb unserer kleinen Fickblase existiert.“
Dom schlug eine seiner Handflächen neben Logans Kopf, als er den Abstand zwischen ihnen schloss. „Das ist also alles, was zwischen uns ist? Mein Schwanz und mein Arsch, das ist alles, was du willst?“
Logan zwang sich, still zu halten, als Dom seine Nase gegen seinen Hals drückte und einatmete. Es ließ ihn an einen Hengst denken, der sich darauf vorbereitete, eine Stute zu besteigen. Und es machte ihn verdammt noch mal an. „Was davon willst du jetzt gerade mehr?“, flüsterte Dom, während er sein Becken näherbrachte und sein Schwanz den von Logan streifte. „Oder ist es mein Mund, den du willst?“ Gott vergebe ihm, aber das war es, was er wollte. Aber dann schoss ihm das Wort Hure
durch den Kopf und es war Declan Hales Stimme, die es aussprach.
„Woher kannte er meinen Namen?“, fragte Logan plötzlich.
Dom versteifte sich und zog sich leicht zurück. Er schien jedes Verlangen, das sich aufgebaut hatte, zu unterdrücken und trat zurück.
„Er bearbeitet den Reynolds-Fall.“
„Er ist ein Cop?“
„Ein Detective. Er wurde hinzugezogen, als sie die Verbindung zu den vermissten Frauen entdeckten.“
„Weiß er über mich Bescheid?“, wollte Logan wissen.
Dom schwieg einen Moment und nickte dann. Logans Herz machte einen Satz. Declan hatte nicht nur seinen Schwager mit einem anderen Mann erwischt, er wusste auch, dass Logan ein Escort war.
Logan lachte. „Das wird ja immer besser.“ Hysterie begann, sich in ihm auszubreiten. „Ich schätze, jeder weiß jetzt alles über mich, verdammt.“
„Logan ‒“, warf Dom ein.
„Deine Frau wusste irgendwie auf den ersten Blick, dass ich dich wollte. Shane hat herausgefunden, dass etwas im Busch ist. Gabe scheint es jetzt auch zu wissen. Cade wusste es innerhalb von Minuten, nachdem er mich getroffen hatte!“, schrie er. Er schlug mit der Faust gegen die Wand. „Meine eigene Schwester wusste, dass ich Fremde gegen Geld gefickt habe, und hat es mir nie erzählt! Ihr habt mich alle vom ersten Tag an belogen!“
„Ich habe dich nie belogen!“, konterte Dom.
„Mag sein, aber du warst auch nicht ganz ehrlich mit mir, nicht wahr?“
Dom erstarrte.
„Wie lange hast du mich beobachtet? Wie viele Stunden hast du damit verbracht, über mich zu ‚recherchieren‘? Wie viele andere hast du in Betracht gezogen, bevor du mich für das kleine Spielchen von deiner Frau und dir ausgewählt hast?“ Logan richtete sich auf. „Du hast sofort mitgemacht, als sich alle entschieden haben, das Spiel ‚Lasst uns Logan im Dunkeln halten‘ zu spielen. Und du hast es zu deinem Vorteil genutzt!“
Doms Gesichtszüge verhärteten sich und er wurde für eine lange Zeit still. Logan wusste, dass er zu weit gegangen war, aber er weigerte sich, die Worte zurückzunehmen. Anstatt zu antworten, griff Dom in seine Tasche, zog ein Bild heraus und reichte es Logan. „Er heißt Elias. Er ist der jüngere Bruder der verschwundenen Prostituierten ‒ derjenigen, deren DNS in Reynolds' Truck war. Declan scheint zu glauben, dass er sich eher jemandem öffnet, der kein Polizist ist.“
Logan war von dem abrupten Ende ihrer Auseinandersetzung und dem Themenwechsel überrascht.
„Ich dachte, du möchtest vielleicht mit mir kommen, denn ich weiß, wie beschissen es ist, sich hilflos zu fühlen“, sagte Dom kalt.
„Ja, okay“, antwortete Logan müde. Es wäre für Dom so
einfach gewesen, sich allein auf die Suche nach dem Jungen zu machen. Er war nicht im Geringsten verpflichtet, Logan einzubeziehen ‒ er hatte es getan, weil er eben so war. Und Logan hatte ihm all das vor die Füße geworfen.
„Er wurde in der Vergangenheit schon verhaftet, weil er am International Boulevard in der Nähe des Flughafens angeschafft hat. Dort werden wir heute Abend anfangen. Ich hole dich um zehn bei dir zu Hause ab.“ Dom nahm das Foto zurück und drehte sich zum Gehen um. Seine Stimme war leer, als er sagte: „Und mach dir keine Sorgen um unsere ‚kleine Fickblase‘. Sie ist gerade geplatzt.“
„Hör auf damit“,
hörte Logan Cade hinter sich murmeln.
Logan drehte sich um. „Womit?“
„Mit diesem Herumgezappel“, sagte Cade und zündete sich eine Zigarette an.
„Rauch diese Scheiße nicht in meiner Wohnung“, sagte Logan und nahm Cade die Zigarette aus der Hand, bevor dieser einen Zug nehmen konnte. Er ignorierte den Blick des überraschten Mannes und ging in die Küche, wo er die Zigarette unter fließendes Wasser hielt und sie dann in den Müll warf. „Und ich zappele nicht herum“, verkündete er, als er zurückging und sich vor das Fenster stellte. Es war keine vollständige Lüge ‒ er zappelte nicht, wusste aber auch, dass er nicht weit davon entfernt war. Es fiel ihm schwer, still zu stehen, während sein Magen sich vor Angst umdrehte. Etwas in Doms Stimme war heute Morgen so endgültig gewesen und obwohl Logan genau das gewollt hatte, brannte es jetzt ein Loch in seinen Bauch. Zum ersten Mal, seit er Dom kennengelernt hatte, konzentrierte er sich weniger auf das körperliche Verlangen, das ihn verfolgt hatte, sondern darauf, dass er die Person weggestoßen hatte, die ihn am besten
verstand.
„Er wird kommen“, versicherte Cade ihm.
„Ich weiß.“ Und das tat er auch ‒ er hatte keinen Zweifel daran, dass Dom auftauchen würde. „Wie viel hast du heute Morgen in der Bar mitgehört?“
„Alles.“
Logan behielt seinen Blick auf die Straße unter ihm gerichtet. „Glaubst du, er würde mir vergeben, was ich gesagt habe?“
Cade schwieg eine Weile und sagte dann: „Ich weiß nicht. Wirst du ihn darum bitten?“
Logan schüttelte den Kopf und war überrascht, als er Tränen spürte. „Es ist besser so.“
„Für dich oder für ihn?“
„Er versucht nur damit zurechtzukommen, dass er Sylvie verloren hat“, sagte Logan.
„Und womit versuchst du umzugehen?“, wollte Cade ruhiger, mit geradezu beiläufiger Stimme wissen, als würden sie über das Wetter sprechen. Er bemerkte einen winzigen Südstaatenakzent und fragte sich, ob das bedeutete, dass Cade aufgeregter war, als er nach außen zeigte.
„Woher kommst du?“, fragte Logan.
„Aus Alabama.“
„Woher kennst du ihn?“
„Wir haben uns bei der Army kennengelernt. Haben zusammen rumgehangen, nachdem er ausgestiegen ist und bevor ich wieder in den Einsatz musste.“
„Wart ihr…?“
„Zusammen?“, beendete Cade für ihn, da er das Wort nicht über die Lippen bekam.
Logan nickte.
„Nein.“
Er sollte nicht erleichtert sein, aber er war es. „Warum nicht?“
„Ich mag Männer ein bisschen weicher, unterwürfiger“, erklärte Cade. „Genau wie er. Zwei Tops ergeben keinen Bottom.“
Logan erinnerte sich an das Gefühl von Doms Arsch, der seinen Schwanz umgab. Dom hatte definitiv gern die Kontrolle, aber er hatte bewiesen, dass er sie auch abgeben konnte. Für ihn. Logan spürte, wie sich ein weiteres Loch in ihm öffnete.
„Du hast ein paar ziemlich beschissene Dinge zu ihm gesagt.“
Er nickte. Was konnte er sonst tun? Es traf hundertprozentig zu. Er hatte Dom einen Tiefschlag versetzt und die Vertrauensprobleme, die er mit seinen Freunden und seiner Familie hatte, auf den einen Mann übertragen, der ihn nie wirklich angelogen hatte.
„Deshalb sollte er mir nicht vergeben. Und deshalb werde ich ihn auch nicht darum bitten.“
Logan rang
die Hände in seinem Schoß, um das Zucken zu stoppen, das nun tatsächlich da war. Es hatte begonnen, als er auf den Beifahrersitz von Doms Mercedes gestiegen war. Es hatte keine Begrüßung gegeben, kein höfliches Kopfnicken, rein gar nichts. Doch Dom hatte Cade zugenickt, bevor er losgefahren, und irgendwie hatte das wehgetan. Er war nach ihrem Zusammenstoß noch nicht einmal zum ‚Freund‘ degradiert worden. Sogar ‚Bekannter‘ wäre eine Art Anerkennung gewesen, aber die tödliche Stille war eine grausame Erinnerung daran, dass er genau das bekommen hatte, was er sich gewünscht hatte ‒ er existierte nicht mehr in Doms Welt. Vor weniger als vierundzwanzig Stunden hatte Dom ihn angebetet und jetzt das hier.
Die Stille wurde durch das Klingeln von Doms Telefon unterbrochen, das auf der Konsole zwischen den beiden Sitzen
lag, und Logan warf einen Blick darauf. Dom nahm es und warf einen kurzen Blick auf die Benachrichtigung auf dem Display, dann legte er es wieder ab. Der einzige Hinweis darauf, dass etwas nicht stimmte, war der Griff von Doms Händen am Lenkrad, der sich beinahe unmerklich verstärkte.
„Alles okay?“, fragte Logan, wohl wissend, dass das völlig unangebracht war. Aber da er eigentlich nach einer der geballten Hände greifen und sie festhalten wollte, hielt er es für besser, stattdessen die Frage zu stellen.
Dom antwortete nicht und lange, sich dahinziehende Sekunden vergingen. Sein Kiefer war verschlossen, die Spannung offensichtlich. „Vin ist auf dem Weg nach Hause“, sagte er schließlich.
Logan wäre schon erleichtert gewesen, wenn er überhaupt eine Antwort bekommen hätte, aber das, was Dom nicht gesagt hatte, ließ sein Herz einen Schlag aussetzen.
„Ren?“
Dom schüttelte den Kopf und fuhr sich mit dem Arm über die Augen. „Er hat ihn nicht gefunden.“
Diesmal griff Logan wirklich nach Doms Hand. „Es tut mir leid, Dom“, flüsterte er, als er die zitternde Hand zwischen seine nahm. Aber Dom löste sich schnell von ihm und legte seine Hand wieder an das Lenkrad.
„Wenn wir den Jungen finden, dann lass mich reden“, sagte Dom mit wieder gleichmäßiger Stimme.
Logan wollte sich zusammenrollen, so stark war der Schmerz. Es hatte einen kleinen Hoffnungsschimmer gegeben, dass zwischen Dom und ihm vielleicht wieder etwas sein könnte ‒ irgendeine Art von Kontakt, durch den es ihm möglich war, einige der guten Gefühle zu behalten, die Dom in ihm erzeugt hatte. Aber der Dom, der ihm vertraute und ihn brauchte, war nicht mehr da. Der Mann neben ihm hasste ihn nicht einmal ‒ er war ihm einfach egal. „Ja“, antwortete er matt, als er vorsichtig seine Hände zurück in seinen Schoß
legte. Das Zucken war verschwunden und Kälte breitete sich in ihm aus. „Kein Problem.“
Dom stählte
sich gegen den Drang, Logans Hand zu ergreifen. Er war nur eine Sekunde lang schwach gewesen und die Berührung des anderen Mannes hatte alle Emotionen wieder an die Oberfläche gebracht. Zu wissen, dass Ren immer noch da draußen war, brachte ihn dazu, in Logans Armen Trost suchen zu wollen, aber das war keine Option mehr ‒ das würde es nie wieder sein. Er war wieder allein. Sylvie hatte ihn verlassen. Logan hatte ihn verlassen. Sogar seine Brüder hatten ihn verlassen. Ein düsteres Bild von sich allein in dem Bett, in dem er bisher nur zwei Menschen geliebt hatte, schoss ihm durch den Kopf.
Es wäre so einfach, sich auf die teure Bettdecke zu legen, die seine Frau sorgfältig ausgesucht hatte, und sich Sylvie an seiner einen Seite vorzustellen und Logan an der anderen. Er könnte einschlafen und für immer bei ihnen sein. Er würde sich nicht entscheiden müssen, wen von beiden er mehr liebte oder sich rechtfertigen, dass er so schnell nach Sylvies Tod eine neue Liebe gefunden hatte. Und er würde nicht die Grausamkeit von Logans Verrat spüren müssen, die ihn immer und immer wieder zerriss. Es war erst zwölf verdammte Stunden her, seit Logan ihn zerstört hatte, indem er alles zwischen beendet hatte, bevor sie überhaupt die Chance gehabt hatten, es wirklich zu beginnen ‒ wie sollte er das für den Rest seines Lebens ertragen?
„Kann ich das Bild noch einmal sehen?“, hörte er Logan fragen.
Er zog das Bild aus seiner Jackentasche und reichte es Logan. Er schaltete das Licht ein und wandte seine Aufmerksamkeit wieder der Straße zu.
„Er sieht jung aus“, sagte Logan leise.
„Fünfzehn.“ Er sah, wie Logan ihn kurz ansah.
„Wie heißt er noch mal?“
„Elias Galvez. Er nennt sich Angel, wenn er anschafft.“
Sie erreichten den belebten Abschnitt des International Boulevard und Dom machte das Licht wieder aus. Logan gab ihm das Bild zurück und er begann, die Gesichter der Männer und Frauen zu studieren, die in der stark frequentierten Gegend auf und ab gingen.
Dom hielt an und öffnete Logans Fenster. Eine stark geschminkte Frau mit großen Brüsten in einem winzigen Oberteil steckte ihren Kopf ins Auto und lächelte. Sie hatte ein wenig roten Lippenstift auf den Zähnen. „Seid ihr Jungs auf der Suche nach ein bisschen Spaß?“, sagte sie gespielt schüchtern, während sie ihren beträchtlichen Vorbau auf dem Fensterrahmen präsentierte.
„Wir suchen nach Angel“, sagte Dom und hielt ihr einen Geldschein hin.
Und so ging es mehr als eine Stunde lang. Sie bekamen ein paar Tipps, aber erst als sich ein unglaublich großer Mann in einem lila Minikleid und silbernen 12 Zentimeter hohen Stilettos ins Auto lehnte, hatten sie Glück. Sie mussten nur ein paar Blocks weiterfahren, um ihre Zielperson zu finden.
Als Dom an den Bordstein fuhr, kam der Junge aus einer dunklen Gasse. Er wischte sich den Mund am Ärmel seiner Jacke ab, aber als er Doms Auto sah, wurde er langsamer, zog seine Jacke aus und schlenderte auf sie zu. Hinter ihm eilte ein dicker Mann aus der Gasse und verschwand die Straße hinunter. Er hörte, wie Logan scharf Luft die Luft einsog, als ihm klar wurde, was dort gerade passiert war.
Elias trug ein sehr enges T-Shirt, das seinen flachen Bauch zeigte. Lederhosen präsentierten seine pubertierende Figur und er trug eine Art Eyeliner um seine dunklen Augen, um sein von Natur aus feminines Aussehen zu unterstreichen.
„Hey, Süßer“, sagte er zu Logan und sah ihn von oben bis unten an. Dann wanderten seine Augen zu Dom. Seine Stimme hatte genau die richtige Mischung aus Unschuld und Weiblichkeit, von der Dom vermutete, dass sie dem Jungen half, die Fantasie zu verkaufen, für die so viele Männer bereit waren, viel Geld auszugeben. Aber seine Augen sahen misstrauisch und gehetzt aus. Dom unterdrückte die Übelkeit, die in ihm aufstieg, denn er wusste, was dieser Junge durchgemacht hatte ‒ was er jede Nacht durchmachte, weil es niemanden gab, der sich um ihn kümmerte.
„Wie viel?“, fragte Dom.
„Um es mit euch beiden zu machen?“, fragte er und legte Vorfreude in seine Stimme, die er offensichtlich nicht verspürte. Dom nickte und er fühlte, wie Logan sich neben ihm anspannte. Aber er schwieg und sah den Jungen an. „Hundert Dollar, um jedem von euch einen zu blasen. Zweihundert und ich blase ihn, während du mich fickst. Dreihundert und ihr könnt mich beide ficken.“
Logan gab dieses Mal wirklich einen Laut von sich und Dom griff nach seiner Hand in der Hoffnung, dass er mitspielen würde. Er wollte Logan nicht berühren, aber er brauchte ihn, damit er glaubhaft wirkte. Er spürte, wie Logans Finger sich an seine klammerten. Der Junge sah den Kontakt und etwas blitzte in seinen Augen so schnell auf, dass Dom nicht erkennen konnte, was es war. „Abgemacht. Steig ein“, sagte er und deutete auf den Rücksitz. Ein Teil von ihm war froh, dass der Junge gesunden Menschenverstand zeigte und zögerte, zu zwei fremden Männern in ein Auto zu steigen, aber seine Verzweiflung, weil er das Geld brauchte, siegte und er stieg ein.
Dom versuchte, sich aus Logans Griff zu befreien, aber er konnte erkennen, dass Logan kurz davorstand, die Nerven zu verlieren, deshalb ließ er zu, dass dieser sich weiter an ihn klammerte, während Dom sich wieder in den Verkehr
einfädelte. Er brauchte nur wenige Minuten, um zu dem Hotel zu gelangen, an das er gedacht hatte.
„Scheiße, mich hat noch nie einer in einem Hyatt gefickt“, sagte der Junge von hinten. Sein Tonfall klang übermütig, aber Dom konnte im Rückspiegel sehen, dass der Junge angespannt war. Er bog in die Garage ein, fand einen Platz und verzichtete auf den verfügbaren Parkservice.
„Baby“, sagte er zu Logan. Logan schien wie benommen zu sein, also packte Dom seine Hand fest, bis Logan ihn schließlich ansah. „Geh und besorg uns ein Zimmer, während ich hier mit unserem neuen Freund warte“, sagte er ruhig und reichte ihm eine Kreditkarte. Er drückte Logans Hand noch einmal, diesmal sanfter, und Logan nickte.
„Er ist heiß“, sagte der Junge, nachdem Logan ausgestiegen war. „Ich kann es kaum erwarten, seinen Schwanz zu lutschen“, verkündete er. Der Junge konnte einfach nicht still sitzen, und Dom vermutete, dass seine eigene Stille ihn dazu anspornte, sich selbstbewusst zu geben, weil er glaubte zu wissen, was bald passieren würde.
Logan kehrte innerhalb weniger Minuten zurück und sie machten sich auf den Weg zu ihrem Zimmer. Er wusste, dass der Junge herausstach, aber seine einzige Sorge war, sie in die Privatsphäre des Zimmers zu bringen. Sobald sie in der simplen Suite mit dem Kingsize-Bett waren, warf der Junge seine Jacke auf einen der Seitenstühle und sagte: „Erst die Kohle.“
Dom ignorierte ihn. Er ging zum Telefon und wählte den Zimmerservice. Als ein Hotelangestellte abnahm, sagte er: „Ja, bringen Sie etwas von jeder Vorspeise, die Sie haben, und ein paar Flaschen Cola.“ Er legte auf und drehte sich zu dem Jungen um.
„Setz dich, Elias.“
Logan wollte nichts lieber,
als ins Badezimmer gehen und alles erbrechen, was er an diesem Tag gegessen hatte. Von dem Moment an, als er realisiert hatte, was er sah, als der Teenager aus dieser Gasse gekommen war, hatte sich ihm der Magen umgedreht. Und jetzt, als er den Ausdruck demütiger Angst im Gesicht des Jungen sah, fühlte er, wie sich in seiner Brust ein Loch auftat. Er hätte dieser Junge sein können. Wenn seine Eltern nur ein paar Sprossen weiter unten auf der sozialen Leiter gewesen, hätte er das hier sein können.
„Was zum Teufel?“, schrie Elias und versuchte, zur Tür zu gelangen.
„Hinsetzen“, sagte Dom fest, während er den einzigen Ausweg versperrte.
Der Junge ignorierte Dom und sah sich verzweifelt um.
„Elias“, sagte Logan sanft.
„Woher weißt du meinen Namen?“ Seine Stimme war schrill, als die Panik drohte, ihn zu überwältigen. Plötzlich zückte er ein kleines Messer und wedelte es in ihre Richtung. „Bleibt zurück oder schlitze euch auf. Ich schwöre es.“
Dom war mit zwei Schritten bei ihm und entwaffnete ihn mit einer schnellen Bewegung. Elias merkte nicht einmal, was passiert war, bis Dom die Klinge zusammenklappte und sie in seine Tasche steckte.
„Setz dich“, sagte Dom noch einmal und schließlich gehorchte der Junge. „Elias“, begann Dom.
„Eli“, kam die leise Antwort. Der Junge hatte Todesangst, brachte aber hervor: „Nur meine Mutter und meine Schwester nennen mich Elias.“
„Eli“, begann Dom erneut. „Wir haben einige Fragen über deine Schwester an dich.“
Das erregte Elis Aufmerksamkeit und er setzte sich auf. „Elena? Habt ihr sie gefunden?“, fragte er hoffnungsvoll. Logan spürte, wie sein Herz für den Jungen brach. Er sah, wie Dom ihn kurz ansah, bevor er einen Stuhl herauszog und sich Eli
gegenübersetzte, der auf dem Bett sitzen blieb. Seine frühere Angst trat in den Hintergrund, während er auf gute Nachrichten wartete.
„Nein, haben wir nicht“, sagte Dom. „Wir wissen nicht, wo sie ist, aber wir versuchen, jemanden zu finden, der weiß, was mit ihr passiert ist.“
„Es war ihr Freund, nicht wahr?“
„Sie hatte einen Freund?“, fragte Logan.
„Ja. So hat sie ihn jedenfalls genannt. Ich denke, er war nur einer ihrer Stammkunden.“
„Hast du ihn gesehen? Weißt du seinen Namen?“, fragte Dom.
„Er hatte einen seltsamen Namen. Sy oder so ähnlich. Ich erinnere mich, weil das mein Lieblingskanal ist. SyFy.“
„Wie sah er aus, Eli?“, fragte Logan, während er sich einen anderen Stuhl heranzog.
„Irgendwie fett. Alt. Älter als du“, sagte er und sah Dom an. „Mit einer Glatze wie bei dir, aber mit ein paar Haaren an der Seite“, erzählte er und legte seine Hand auf seinen eigenen Kopf, um ihnen zu zeigen, was er meinte.
Logan holte tief Luft. Die Beschreibung stimmte mit der von Sam überein.
„Hat er sie entführt?“, fragte Eli.
„Vielleicht“, sagte Dom. „Weißt du, wo er herkommt?“
Eli schüttelte den Kopf. „Sie hat ihn immer nach Hause mitgebracht und ich musste im Schrank bleiben, während sie gefickt haben. Manchmal, nachdem sie fertig waren, hat er zu ihr gesagt, dass er sie zu sich nach Hause mitnehmen würde ‒ dass er einen besonderen Platz für sie auf dem Hügel hinter seinem Haus ausgesucht hatte. Sie war aufgeregt, weil er sagte, es hätte einen schönen Blick auf den See.“
Großer Gott.
Logan ging diesmal ins Badezimmer und steckte seine Hand unter das kalte Wasser und wischte sich damit über das Gesicht.
„Bist du okay?“, fragte Dom von der Tür aus. Sein Blick wanderte zurück in den anderen Raum, um sicherzugehen, dass Eli nicht versuchte abzuhauen.
„Ein besonderer Ort für sie? Es klang, als würde er …“ Er konnte den Gedanken nicht einmal beenden.
„Ein Grab beschreiben“, beendete Dom den Satz.
„Mein Gott“, sagte Logan und klammerte sich an den Rand des Waschbeckens.
„Es könnte nichts zu bedeuten haben.“
„Sie ist seit einem Jahr verschwunden. Wir wissen beide, wozu er fähig ist. Er hat sie getötet“, flüsterte Logan, damit Eli ihn nicht hörte.
„Ich weiß.“ Es klopfte an der Tür des Hotelzimmers. „Das ist Zimmerservice. Wir müssen sehen, ob wir ihn dazu bringen können, sich an etwas anderes zu erinnern.“
Logan nickte. „Ich bin gleich da.“ Er rieb sich über das Gesicht und trocknete es dann mit einem der zahlreichen strahlend weißen Handtücher ab. Als er das Badezimmer verließ, sah er Eli im Schneidersitz auf dem Bett sitzen, einen Teller mit Essen auf seinem Schoß. Der Junge inhalierte den Burger praktisch und hielt nur lange genug inne, um ein paar Pommes herunter zu schlingen und einen Schluck von einer der beiden Flaschen Cola auf dem Nachttisch zu trinken. Auf dem Speisewagen vor dem Teenager standen mindestens sechs weitere Teller mit verschiedenen Gerichten.
Dom beobachtete ihn schweigend und Logan konnte sehen, dass er versuchte, etwas in seinem Kopf durchzuarbeiten. Er sah zu Logan auf und deutete auf das Essen. „Es ist genug da“, sagte er leise.
Das Letzte, wonach Logan der Sinn stand, war Essen, also ließ er sich wieder auf den Stuhl neben Dom sinken und versuchte, die Hitze des anderen Mannes zu ignorieren. Er wünschte, Dom würde seine Hand wieder nehmen, wie er es im Auto getan hatte. Er wusste, dass Dom durch diese Geste
versucht hatte zu verhindern, dass Logan sie verriet, als Eli sich an sie herangemacht hatte, aber Logan war nicht in der Lage gewesen, Dom loszulassen, als sie weitergefahren waren. Er hatte gewusst, dass der Plan lautete, Eli zu befragen, aber er hatte nicht darüber nachgedacht, was sie würden tun müssen, um den Jungen an einen Ort zu bringen, an dem sie dies tun konnten. Und was für sie ein Schauspiel war, war etwas, dass Eli jeden Tag durchmachte. Er war fünfzehn verdammte Jahre alt.
„Bist du okay?“, fragte Dom ihn noch einmal und Logan hob den Kopf. Er nickte und schluckte schwer. Dom beobachtete ihn noch einen langen Moment und Logan glaubte, Sehnsucht in den Augen des anderen Mannes zu erkennen. Reines Wunschdenken, vermutete er, als Doms Blick wieder hart wurde und er seine Aufmerksamkeit wieder auf Eli richtete.
„Wo ist deine Mutter, Eli?“
Eli hörte auf zu kauen und Traurigkeit zog über sein Gesicht. „Sie wurde letztes Jahr abgeschoben.“
„Wohin?“, fragte Logan.
„Nach Mexiko. Es gab nur Elena und mich … und dann nur noch mich“, sagte er, bevor er sich eine weitere Pommes in den Mund schob.
„Hast du die Nummer deiner Mutter?“
Eli schüttelte den Kopf. „Die Agenten haben sie so schnell weggebracht, dass wir uns nicht verabschieden konnten.“
„Was ist mit deinem Vater?“ Dies kam von Dom.
Eli schüttelte erneut den Kopf. Logan verstand das so, dass es keinen Vater in seinem Leben gab … vielleicht nie gegeben hatte.
„Elena sagte, sie könnte genug Geld verdienen, damit wir Mama finden können. Sie sagte, Sy liebt sie und würde sich eines Tages um uns kümmern, und dann könnten wir Mama zurückbringen.“
„Wusste Sy von dir?“, wollte Dom wissen.
„Nein. Elena sagte, sie würde ihm von mir erzählen, als er sie bat, bei ihm einzuziehen.“ Der Rest des Burgers verschwand, und Eli ließ den Teller neben sich auf das Bett fallen und griff nach einem Teller mit einem riesigen T-Bone-Steak.
Sie ließen Eli eine Weile in Ruhe weiteressen, dann beugte sich Dom vor, nahm ihm den Teller ab und stellte ihn beiseite.
„Eli“, sagte er mit leiser Stimme. „Gibt es jemanden, der sich um dich kümmern kann?“
Der Junge sah verwirrt aus. „Ich passe auf mich selbst auf.“
„Also keine Familie? Keine Tanten? Onkel? Cousins?“
Eli schüttelte erneut den Kopf und beäugte hungrig das Steak.
„Schau mich an“, befahl Dom sanft. Eli tat, was ihm gesagt wurde. „Du musst jetzt eine Entscheidung treffen. Wir können dich dort absetzen, wo wir dich aufgegabelt haben, und du kannst so weitermachen wie bisher“, begann er. „Oder du kannst mit mir nach Hause kommen und ich werde dafür sorgen, dass du nie wieder das tun musst, was du getan hast, um auf dich selbst aufzupassen.“
„Also wärst du der Einzige, der mich fickt?“ Bei der Hoffnung in der Stimme des Kindes wollte Logan sich übergeben und er sah, wie Dom sich anspannte.
„Großer Gott“, sagte Logan laut, bevor er sich fangen konnte.
„Niemand wird dich jemals wieder berühren. Nicht ich, nicht er“, sagte er und deutete auf Logan. „Niemand. Und ich werde alles tun, um dir zu helfen, deine Mutter zu finden.“
Jetzt wurde der Junge misstrauisch. „Was willst du dafür?“
„Nichts.“
Eli bewegte sich unbehaglich und sah dann Logan an. Er versuchte, den Jungen mit einem Nicken zu beruhigen.
„Du wirst meine Mutter finden? Und mich nicht ins Gefängnis stecken?“
„Kein Gefängnis.“
„Sie haben mich immer ins Gefängnis gesteckt. Dann schicken sie mich zu Leuten, die mich nicht wollen“, sagte Eli aufmüpfig.
„Auch keine Pflegefamilie. Du bleibst so lange bei mir, bis du deine Mutter gefunden hast“, sagte Dom.
„Was ist mit Elena?“
„Sie kommt vielleicht nicht zurück, Eli“, antwortete Dom. „Ich werde versuchen, sie zu finden, aber ich kann sie möglicherweise nicht zu dir zurückbringen."
„Weil sie tot ist“, sagte Eli. Es war eine Aussage, keine Frage. Dom antwortete nicht und Logan vermutete, dass Eli auch nicht mit einer Antwort rechnete.
„Okay“, sagte er schließlich. „Aber ich kann gehen, wann immer ich will“, beharrte Eli. „Keine Bullen.“
Logan konnte nicht umhin, sich zu fragen, was für eine Scheiße er mit dem Justizsystem erlebt hatte, um bereits eine so tief sitzende Angst vor der Polizei und dem Jugendamt zu haben.
„Einverstanden. Jetzt iss zu Ende, dann gehen wir.“
Dom lehnte sich in seinem Stuhl zurück, als Eli seine Gabel und sein Messer schnappte und anfing, das Fleisch klein zu schneiden. Logan spürte, wie Schmerz in seiner Brust brannte und er streckte die Hand aus, um sich die Narbe zu reiben. Aber der Schmerz hatte nichts mit der Verletzung zu tun, die er erlitten hatte. Nein, in diesem Moment wurde ihm klar, dass er in Dominic Barretti verliebt war und es zu spät war, deswegen etwas zu unternehmen.