DAS SIND DIE DREI ERFOLGSGEHEIMNISSE DER SUPERREICHEN!
(QualityLands Millionäre wollen nicht, dass du sie kennst!
)
Nachdem sie eine lange Zeit geflogen sind, während der die schwarzen Typen in den weißen Anzügen keine einzige von Peters zahlreichen Fragen (Wer? Wie? Was? Wieso? Weshalb? Warum immer ich?) beantworteten und stattdessen Candy Crush Reloaded auf ihren Smarms spielten, beginnt die Passagierdrohne ihren Sinkflug.
Obwohl er schon einmal hier gewesen ist, erkennt Peter das riesige Anwesen nicht sofort. Das liegt natürlich an der ungewohnten Perspektive. Erst als sich die Drohne schon dem Boden nähert und er die seltsamen Gartenmöbel sieht, wird Peter klar, wer ihn entführt hat.
Es ist ein Mann mit einer großen Narbe auf der frisch rasierten Glatze. Ein Mann, dessen Augen verschiedene Farben haben: Henryk Ingenieur, Chef von TheShop, steht schon bereit, als die Drohne landet. Die Tür öffnet sich, und einer der Entführer zerrt Peter aus der Kabine.
»Herzlich willkommen«, sagt Henryk. »Ich freue mich, dass du meiner Einladung gefolgt bist.«
»Was heißt denn hier Einladung?«, fragt Peter. »Ich würde das eher Entführung nennen.«
»Entführung? Also wirklich …« Henry winkt amüsiert ab. »Meine Männer haben doch sicherlich ›Bitte einsteigen‹ gesagt.
«
»Der große Typ hier hat mich einfach hochgehoben und in die Drohne gesetzt!«
»Tom wollte dir wahrscheinlich nur behilflich sein«, sagt Henryk.
»Und der kleinere hat mich geschubst!«
»Nun ja, Jerry ist manchmal ein bisschen überengagiert.«
»Ich werde das der Polizei melden«, ruft Peter.
Henryk lacht laut auf. »Ach, weißt du, das letzte Mal, als du hierhergekommen bist, hatte ich dich nicht eingeladen, und jetzt habe ich dich eingeladen, ohne dass du kommen wolltest. Ich denke, wir sind quitt.«
»Nur weil Sie der reichste Mensch der Welt sind, können Sie nicht einfach …«
»Doch, doch«, sagt Henryk. »Genau deshalb kann ich einfach.«
Er deutet auf Peters Kopfbedeckung.
»Was soll das mit dem Hut?«
»Hilft gegen die Überwachung.«
»Wirklich?«
»In QuantityLand 5 wurde das Tragen von Hüten an öffentlichen Plätzen sogar schon verboten. Man könnte sagen, jeder, der etwas auf seine Privatsphäre gibt, trägt heutzutage einen Hut.«
»Das sind dann aber nicht viele …«
»Was wollen Sie überhaupt von mir?«
»Ich denke, wir sollten Freunde werden«, sagt Henryk und hebt seinen rechten Fuß leicht zum Gruß. Peter schlägt seinen Fuß dagegen, ohne darüber nachzudenken. Augenblicklich feuert sein Ohrwurm Fanfaren ab: TA
-TA
-TA
-TAH
! TA
-TA
-TA
-TAH
! TA
-TA
-TA
-TAH
! Peter ist gerade um drei Level aufgestiegen. Aufgrund eines Fußgrußes, den er verweigert hätte, wäre sein Fuß nicht schneller gewesen als sein Gehirn. Peters
QualityPad vibriert. Er darf sich neue Levelfähigkeiten aussuchen. Aber das interessiert ihn jetzt nicht.
»Sie wollen was, bitte?«, fragt er. »Freunde werden?«
»Schau mal«, sagt Henryk, »mein Problem ist folgendes: Ich bin von Leuten umgeben, die mir immer wieder sagen, wie begeisternd, großzügig, sympathisch, schlau und reich ich bin. Wie geschmackvoll, couragiert, reich, genial, humorvoll, kompetent, leidenschaftlich, reich, kreativ, spontan, attraktiv, verantwortungsvoll …«
»… bescheiden …«, wirft Peter ein.
»… ja natürlich, bescheiden auch …«
»… und reich …«, sagt Peter.
»Selbstredend. Machen wir’s kurz. Die Leute sagen mir immer wieder, wie geradezu göttlich ich bin.«
»Die Leute sind Speichellecker.«
»Ganz genau! Du hingegen bist der erste Mensch seit Langem, der mir ins Gesicht gesagt hat, dass er mich für einen Saftarsch hält.«
»Das habe ich so nie gesagt. Was soll das überhaupt sein? Ein Saftarsch?«
»Das spielt doch keine Rolle! Wichtig ist nur: Du bist ehrlich zu mir. Und das ist eine hervorragende Basis für eine Freundschaft.«
»Aber ich finde tatsächlich, dass Sie ein Saftarsch sind.«
»Nebensächlich«, sagt Henryk.
»Sie wollten mich erschießen!«
»Ach, Schwamm drüber.«
»Sie können dazu nicht ›Schwamm drüber‹ sagen!«
»Aber ich habe es doch gerade getan!«
»Ich bin hier der Einzige, der dazu ›Schwamm drüber‹ sagen dürfte!«, echauffiert sich Peter. »Es steht Ihnen nicht zu …«
»Ich bin der reichste Mann der Welt …
«
»Boah.«
»Versteh doch, ich, also TheShop hatte ja großes Interesse an QualityPartner gehabt. Aber just an dem Tag deines Besuchs hat Everybody den Übernahmedeal bekannt gegeben. Ich denke, das erklärt meine schlechte Laune hinreichend.«
»Sollte das eine Entschuldigung sein?«, fragt Peter. »Wo kommen wir denn hin, wenn jeder, der schlechte Laune hat, deswegen einfach Leute erschießt?«
»Sind wir da nicht schon längst?«, fragt Henryk. »Nach allem, was ich mitbekomme, passiert das doch ständig. Wobei ich gerne zugebe, dass das Wissen aus zweiter Hand ist. Oder wahrscheinlich sogar aus dritter Hand. Wie geht es wirklich zu in den Straßen? Wie unsicher ist die Welt da draußen?«
»Wesentlich sicherer, als uns Nachrichten und Krimiserien glauben machen.«
»Ich jedenfalls wollte dir nur Angst einjagen«, sagt Henryk. »Ich hätte dich doch niemals erschossen. Gewalt ist nicht mein Ding.«
»Ich nehme an, dass Sie Leute für so was haben.«
»Ja, apropos«, sagt Henryk. »Was hältst du eigentlich von meinen Sicherheitsleuten? Schwarze Typen in weißen Anzügen! Originell, nicht wahr?«
»Pff«, sagt Peter. »Ich dachte, ich sei von Showzauberern entführt worden.«
»Hm. Ich werde das Konzept überdenken. Aber siehst du, genau deshalb brauche ich dich. Du bist jemand, der meine Ideen nicht super nennt, wenn sie eigentlich scheiße sind.«
»Und was kriege ich dafür?«
»Nichts. Wenn ich dir etwas bezahlen würde, dann würdest du dich einfach in den nächsten Jasager auf meiner Gehaltsliste verwandeln.«
»Was steckt wirklich hinter der ganzen Geschichte?
«
»Weißt du, Peter, als ich noch nicht der reichste Mann der Welt war, hatte ich ein klares Ziel vor Augen. Aber jetzt? Jetzt habe ich diese wirklich unfassbare Menge Geld. Und ich meine wirklich, wirklich unfassbar. Selbst für mich nicht mehr zu überschauen. Es ist eine geradezu absurde Zahl. Die meisten Menschen könnten sie nicht mal korrekt benennen, wenn sie aufgeschrieben vor ihnen stünde. Es ist so viel Geld, dass ich …«
»Ja, ja. Ich hab’s kapiert. Sie sind sehr
reich.«
»Mehr als das. Weit mehr. Viel mehr! Ich habe mehr Geld als die niederen fünfundneunzig Prozent der Gesellschaft zusammen. Und da stellt sich doch die Frage, was ich damit tun soll. Klar. Ich könnte zum Mars fliegen. Aber tatsächlich war ich schon auf dem Mars. Warst du schon mal auf dem Mars? Da gibt es nichts. Er ist leer. Und ich meine wirklich unfassbar leer. Leerer als das Konto eines Nutzlosen. Das Ganze war eher enttäuschend. Ja, natürlich. Es gibt das Musk Mausoleum … aber ich war nie ein großer Fan. Du?«
»Ich habe ehrlich gesagt keine Meinung zu Elon Musk.«
»Da bist du aber der Einzige«, sagt Henryk lachend. Dann fährt er mit seinen Gedanken fort. »Natürlich könnte ich auch eine Affäre mit einer TV
-Moderatorin anfangen, ihr Bilder meiner halb aufgerichteten Männlichkeit schicken, was dann Schlagzeilen macht, weil mein Profil gehackt wird, aber das wäre doch irgendwie würdelos, findest du nicht? Ich glaube, das ist es nicht wert.«
»Kommt auf die TV
-Moderatorin an.«
»Das ist wahr«, sagt Henryk versonnen. »Letztens habe ich bei einem Benefiz-Fundraiser für Videospielsüchtige Julia Nonne getroffen. Eine ganz wunderbare Frau.«
»Ein Benefiz-Fundraiser für Videospielsüchtige?«
»Ja, kurz dachte ich, vielleicht sollte ich Philanthrop werden.
Aber Philanthropie ist doch nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Es muss sich etwas Grundsätzliches ändern. Darum habe ich mir überlegt – Trommelwirbel, Tusch, Fanfare! –, dass ich Präsident werden möchte.«
»Woran liegt es, dass sich jeder zweite Milliardär auserwählt wähnt, Präsident zu werden?«, fragt Peter. »Langeweile?«
»Möglich.«
»Und was soll Ihr Slogan sein? Milliardäre an die Macht? Da sind Sie doch schon längst.«
»Ich bin kein Milliardär, Peter. Ich bin Billionär.«
»Das ändert natürlich alles.«
»Hast du gewusst, dass das Wort Billionär erst auf mein Betreiben hin von den Rechtschreibalgorithmen in den allgemeinen Wortschatz aufgenommen wurde? Ich musste extra ein paar Firmen kaufen, um das durchzusetzen.«
»Sehr sympathische Geschichte …«
»Du merkst schon, dass ich dich nur ein bisschen aufziehe. In Wahrheit bilde ich mir nichts auf meinen Reichtum ein. Jeder könnte erreichen, was ich erreicht habe, wenn er meinen Background und meine Verbindungen hätte. Und natürlich mein Genie.«
Peter seufzt. »Was hat das alles mit mir zu tun?«
»Ich habe mir deinen Auftritt in Julias Sendung und auch deine Audienz bei John of Us angesehen. Ich fand das sehr interessant.«
»Inwiefern?«
»Nun, um Präsident zu werden, muss ich wissen, was der einfache Durchschnittstyp von der Straße denkt.«
»Weder bin ich Durchschnitt, noch lebe ich auf der Straße!«, protestiert Peter.
Henryk winkt ab.
»Ansichtssache. Jedenfalls muss ich wissen, wie ein Normalo
tickt, eine Arbeiterameise, ein fast Nutzloser, ein Joe Average, ein Peter Arbeitsloser.«
»Ich möchte jetzt nach Hause«, sagt Peter. »Aber einen Tipp gebe ich Ihnen kostenlos. Sie sollten nicht von den ›niederen‹ fünfundneunzig Prozent der Gesellschaft sprechen. Das könnte bei fünfundneunzig Prozent Ihrer Wähler schlecht ankommen.«
»Ich werde es mir merken.«
»Die Leute werden Sie sowieso niemals wählen. Sie sehen aus wie der Bösewicht in einem James-Bond-Film.«
»Das lässt sich ändern«, sagt Henryk. »Glaubst du eigentlich, die Leute würden mich wählen, wenn ich ihnen für ihre Stimme einen Zehn-Qualities-Gutschein bei TheShop verspräche?«
»Ich hoffe nicht, aber ich befürchte schon. Wobei zehn Qualities vielleicht ein bisschen zu wenig sind.«
»Ich habe es mal durchgerechnet. Bei Gutschriften in Höhe von zehn Qualities würden wir durch den daraus resultierenden Warenumsatz sogar noch Geld verdienen. Aber viel höher kann ich nicht gehen, ohne Verlust zu machen.«
Peter guckt nur verdutzt.
»Das war wieder ein Scherz«, sagt Henryk. »Meine Güte. Du musst mal an deinem Humorlevel arbeiten, mein Freund.«
»Ich bin nicht Ihr Freund.«
»Ach, Peter. Warum so störrisch? Komm mit. Ich lade dich zum Essen ein. Du wirst es nicht bereuen. Glaub mir. Es hat seine Vorteile, der Freund eines Billionärs zu sein.«
Henryk geht los, und Peter ist neugierig genug, ihm zu folgen. Die Parkanlage ist wirklich wunderschön. Als sie an einem Wasserfall ankommen, macht Henryk eine seltsame Geste mit seiner rechten Hand. Augenblicklich verschwindet der Wasserfall und offenbart einen versteckten Eingang zum Haus. Wobei das schnöde Wort »Haus« Henryks Wohnstätte wirklich nur sehr unzureichend beschreibt
.
»Versuchen Sie, mich zu beeindrucken?«, fragt Peter und versucht, nicht beeindruckt zu sein.
»Gegenfrage«, sagt Henryk, »hast du schon mal in Mammut-Milch gedünstete
Archaeopteryx-Schenkel probiert?«