DIESE KILLER-DROHNEN WERDEN DIR DAS BLUT IN DEN ADERN GEFRIEREN LASSEN!
(Und sie schweben schon über dir!)
»Wohltäter!«, ruft Kalliope.
Peter schreckt auf und stößt sich den Kopf an der Decke seiner Schlafkoje.
»Aua. Was machst du denn hier?«
»Wohltäter«, sagt Kalliope, »endlich sind Sie wach! Wir brauchen dringend Ihre Hilfe. Es geht um Mickey!«
Peter reibt sich die Augen. »Was hat er denn?«
»Panikattacke, glaube ich«, sagt Pink. Kalliope hält das QualityPad in den Händen.
»Dass ihr beide zusammenarbeitet, heißt wohl, dass die Situation wirklich kritisch ist«, sagt Peter und steht auf.
»Romeo und ich haben Mickey schon in Ihre Praxis getragen«, sagt Kalliope.
»Ihr habt ihn getragen?«
»Er hat sich in sich selbst zurückgezogen.«
Peter läuft durch die Schrottpresse in seine Praxis. Dort stehen Romeo und mitten im Raum ein großer, schwerer Rollkoffer.
»Hat er sich wieder verklemmt?«, fragt Peter.
»Der Einzige, der hier verklemmt ist, bist du, mein Hübscher«, sagt Romeo und streichelt über Peters Wange.
»Lass das!«
»Soll ich dich lieber woanders streicheln? «
»Ehrlich«, sagt Pink. »Entweder, ihr nehmt euch ein Zimmer, oder der sprechende Dildo hält jetzt mal die Klappe und lässt Hase seine Arbeit machen.«
Romeo zwinkert Peter zu und legt sich lasziv auf die neue Coach. Ziemlich viel ist neu in Peters Praxis. Ließ sich nicht vermeiden. Wegen der Sache mit dem Raketenwerfer.
»Du weißt, wo du mich finden kannst, Hase«, haucht der Sexdroide.
Peter schüttelt den Kopf. »Ich hätte euch nicht von dem Spitznamen erzählen sollen.«
Er wendet sich Mickey zu: »Also, was ist passiert?«
»Ich weiß es nicht, Wohltäter«, sagt Kalliope. »Wir haben nur eine Dokumentation geguckt, und dann …«
»Kaputt«, murmelt Mickey leise.
»Was habt ihr denn für eine Dokumentation geguckt?«
»Na, über den Dritten Weltkrieg«, sagt Pink.
»Kaputt«, sagt Mickey.
»Hören Sie, wie schlecht es ihm geht?«, fragt Kalliope. »Er sagt nicht mal mehr ›Kapuuuut‹. Er sagt nur noch ›Kaputt‹.«
Peter überlegt eine Weile. »Wahrscheinlich haben die Filmbilder das Ereignis wachgerufen, das für seine posttraumatische Belastungsstörung verantwortlich ist.«
»Ach was …«, sagt Pink. »Und dafür hast du studiert?«
»Ich hab nicht studiert. Maschinentherapie ist ein Ausbildungsberuf.«
»Das erklärt einiges.«
»Es erklärt höchstens, dass ich zu was nütze bin und mich nicht nur mit theoretischem Blubblub beschäftige.«
»Weiß denn einer, was Mickeys Trauma ursprünglich ausgelöst hat?«, fragt Kalliope.
»Er hat nie darüber geredet«, sagt Pink. »Das ist ja der Witz an einem Trauma! «
»Mickey, würdest du mir deine Erinnerungen zeigen?«, fragt Peter.
Der Rollkoffer reagiert nicht.
»Wenn ich weiß, worum es geht, kann ich dir vielleicht helfen.«
Keine Reaktion.
»Jetzt stell dich nicht so an, du Memme«, sagt Pink. »Hase will dir nur helfen.«
»Es ist ihm bestimmt nur peinlich, weil sein ach so traumatisches Erlebnis gar nicht so traumatisch war«, sagt Romeo. »Wahrscheinlich ist er nur auf einer Ölpfütze ausgerutscht.«
Der Teleskopgriff des Rollkoffers fährt plötzlich in die Höhe. Im selben Moment leuchtet Pinks Display auf und zeigt Mickeys Erinnerungen. Laut eingeblendetem Datum wurde die Aufnahme vor knapp drei Jahren gemacht, also nur ein paar Monate bevor Mickey bei Peter aufgekreuzt ist. Im Video sieht man ein Schlachtfeld in Quan 7 aus Mickeys Perspektive.
Eine ganze Kompanie Kampfroboter rückt konstant feuernd und scheinbar unaufhaltsam auf eine feindliche Stellung vor.
»Hier spricht das Kommandomodul der Vierten Automatisierten Armee von QualityLand. Geben Sie auf und retten Sie Ihr Leben« , sagt eine Stimme.
»War das Mickey?«, fragt Peter.
»Er hat gar nicht ›kapuuuut‹ gesagt«, bemerkt Romeo verblüfft.
»Widerstand ist zwecklos!« , sagt eine andere, fast identische Stimme. »Ergeben Sie sich!«
Vor Mickey tauchen drei feindliche Kämpfer mit Raketenwerfern auf. Bevor sie feuern können, werden sie von einer Maschinengewehrsalve aus Mickeys linkem Arm zerfetzt. Peter hält sich erschrocken die Hand vor den Mund.
»Ach du Scheiße«, sagt er. »Mickey, du hast ja Menschen erschossen! «
»Er ist ein panzerbrechender Kampfroboter für schwere Kriegseinsätze!«, sagt Pink. »Was dachtest du, dass er getan hat? Vögel beobachtet?«
Im Video erscheint über dem Horizont ein schwarzer Punkt am Himmel, der sich bald in viele kleine schwarze Punkte auflöst, die sehr schnell näher kommen. Was von Weitem aussieht wie ein Vogelschwarm und sich auch so bewegt, entpuppt sich bald als ein Schwarm Drohnen, der sich von einem Mutterschiff abgedockt hat. Viele der Drohnen sind nicht größer als eine menschliche Hand, keine ist größer als ein ausgestreckter Arm. Sofort richtet Mickeys Kompanie ihr Feuer auf den neuen Gegner. Aber die Drohnen sind schnell und wendig. Und es sind viele. Sehr viele. Zu viele. Das Erschreckendste ist, dass sie trotz ihrer großen Zahl agieren, als wären sie eins. Die Bewegungen sind in faszinierendem Grad aufeinander abgestimmt. Die Kampfroboter aus Mickeys Kompanie weichen vor dem Drohnenschwarm zurück und feuern dabei aus allen Rohren. Es ist auf dem Video schwer zu erkennen, ob sie etwas treffen, denn selbst wenn mal eine Drohne abstürzt, schließt eine andere sofort die Lücke. Es dauert eine kleine Weile, bis Peter ein merkwürdiges Detail auffällt. Auch die Kämpfer aus Quan 7 nehmen die Drohnen unter Beschuss. Der Schwarm spaltet sich auf und rast in zwei Formationen auf die Kampfroboter und die feindliche Stellung zu. Auf ein geheimes Kommando verteilen sich die Drohnen plötzlich, bis sie eine Art riesige Kugel um das Schlachtfeld gebildet haben. Dann nehmen sie Roboter und Kämpfer aus allen Richtungen gleichzeitig unter Beschuss. Die großen Drohnen feuern Raketen und die mittleren Lichtblitze. Die Kampfroboter halten kurze Zeit stand, aber die Menschen haben den Drohnen so wenig entgegenzusetzen wie Ähren dem Mähdrescher. Innerhalb von Sekunden sind sie nur noch ein lebloser Haufen Blut, Gedärme und Knochen. Dann tauchen die kleinen Kamikazes auf. In undurchschaubarem Zickzack, aber ohne sich je in die Quere zu kommen, rasen diese Drohnen auf die Kampfroboter zu und detonieren beim Aufprall. Ein Ausweichen ist unmöglich. Rückzug sinnlos. Deckung gibt es nicht.
Mickey, der nicht geschossen hatte und nicht mit zurückgewichen ist, stand die ganze Zeit stumm und reglos da, oder wie General Dragqueen beim Sichten dieses Materials wahrscheinlich sagen würde, dem Gegner war es gelungen, Mickeys OODA -Loop zu unterbrechen. Das Video endet damit, dass die Kamera immer weiter nach unten wandert, bis das Bild schwarz wird. Mickey hat sich in seinen Transportzustand zurückgezogen. Ein einsamer Rollkoffer auf einem Schlachtfeld.
»Krass, Dicker«, sagt Romeo nach einer Weile.
Auch Peter ist geschockt. »Ich wünschte, ich hätte das nicht gesehen.«
»Glaube ich sofort«, sagt Pink. »Ihr Fleischsäcke hättet einfach keine Chance gegen uns, wenn es hart auf hart kommt.«
»Wer war das denn?«, fragt Peter. »Welchem Land gehören diese Albtraummaschinen?«
»Kaputt.«
»Mickey weiß es nicht«, sagt Pink.
»Das hat noch nie jemand vor uns gesehen, oder?«, fragt Peter.
»Kaputt.«
»Wir sollten das jemandem zeigen«, sagt Peter. »Jemandem von der Regierung.«
»Kennen Sie denn jemanden von der Regierung?«, fragt Kalliope.
Peter überlegt. »Nein, aber mein neuer Kumpel. Ich muss nur warten, bis er mich wieder entführen lässt.«