DAS IST DAS LETZTE KAPITEL DIESES BUCHS. WIE WIRD ES ENDEN?
Es ist finstere Nacht. Lange hat Aisha wach im Bett gelegen. Irgendwann hat sie aufgegeben und sich wieder angezogen. Jetzt steht sie ganz oben auf dem Rohbau des Koch-Towers. Sie ist die einhundertachtundzwanzig Stockwerke über halb fertige Treppen und Leitern hochgeklettert. Das hat gedauert. Aber das ist okay. John soll Zeit haben zu registrieren, was sie vorhat. Als ob er das brauchen würde … Zeit. Aber sie will seine ungeteilte Aufmerksamkeit.
Sie blickt vom Rand des Daches auf die Lichter von QualityCity. Dann faltet sie ihr QualityPad auf.
»John«, sagt sie. »Wir müssen reden. Ich bin mir sicher, dass du noch da bist. Ich gehe davon aus, dass du es warst, der Tony und mich vor dem Attentäter gerettet hat. Also, danke schon mal dafür. Ich bin mir auch ziemlich sicher, dass du mich hören kannst. Immer und überall. Leider scheinst du nicht mit mir reden zu wollen. Das ist kein akzeptabler Zustand für mich. Ich werde nun Folgendes tun: Ich mache ganz langsam einen Schritt nach vorne, und ich will, dass du mich aufhältst. Dazu musst du nichts weiter tun, als irgendwas zu sagen.«
Aisha geht noch einen kleinen Schritt nach vorne, bis sie mit beiden Schuhspitzen direkt am Abgrund steht.
»So wie ich das sehe, gibt es hier zwei Möglichkeiten. Entweder habe ich die komplette Armee von QualityLand einer bösartigen K.I. ausgeliefert oder einer wohlmeinenden. Und nenn mich ruhig ungesund neugierig, aber – wie soll ich es sagen? – ich würde sterben, um das herauszufinden. Gut. Ich gebe zu, dass es auch noch eine dritte Möglichkeit gibt, nämlich, dass ich wahnsinnig werde. Die Chancen stehen fifty-fifty, würde ich sagen. Aber immerhin bin ich mir der Möglichkeit bewusst. Das macht es unwahrscheinlicher, oder? Sind sich echte Wahnsinnige nicht immer ihrer Sache ganz sicher? Ich glaube, ich plappere. Ich würde es wirklich sehr zu schätzen wissen, wenn du auch mal irgendwas sagst.«
Aishas Blick schweift über die Lichter der Riesenstadt.
»Und wo wir schon so ehrlich miteinander sind, muss ich dir noch gestehen, dass ich absurderweise eifersüchtig bin.«
Aisha lacht auf.
»Zugegeben. Das klingt schon ziemlich wahnsinnig. Aber was hat sie, was ich nicht habe? Hm? Ist es nur, weil sie jünger ist als ich? Diese verdammten jungen Dinger.«
Aisha atmet tief ein und aus.
»Okay. Spaß beiseite. Du denkst vielleicht, dass ich es nicht tun werde. Aber da liegst du falsch. Du denkst vielleicht, dass ich keinen guten Grund habe, aber, ganz ehrlich, Skynet für Wall-E gehalten zu haben scheint mir einer der weltbesten Gründe zu sein, von einem Hochhaus zu springen. Wenn du bösartig bist und ich dir unsere Waffensysteme ausgeliefert habe, dann mach ich lieber gleich Schluss. Falls du allerdings doch der oder vielmehr das bist, von dem ich dachte, dass du es bist, dann sag jetzt irgendwas.«
Ganz langsam hebt Aisha ihren rechten Fuß.
»Nenn es einfach meinen Schritt in den Glauben.«
Sie blickt hinunter, und ihr schwindelt. Sofort hat sie den Reflex, ihren Fuß zurückzuziehen, aber sie beherrscht sich.
»John«, sagt sie. »So langsam wird es Zeit. Das ist wirklich nicht nett von dir, dass du mich so hängen lässt.« Ihr rechter Fuß ist schon über dem Abgrund .
»John, ich zähle jetzt bis drei. Dann mach ich einen Schritt nach vorne. Eins. Einen großen Sprung nach vorne werde ich machen.«
Bis jetzt ist Aishas Stimme fest gewesen. Nun wird sie brüchig.
»John! Wenn ich dir je etwas bedeutet habe, dann sag irgendwas.«
Ihr QualityPad bleibt still.
Aisha richtet ihren Blick auf den nächtlichen Horizont.
»Zwei …«
Eine Windböe erfasst sie. Aisha kämpft um ihr Gleichgewicht. Das QualityPad rutscht ihr aus den Händen und fällt in die Tiefe.
»Scheiße.«
Martyn öffnet die Augen. Die Pistole hat er noch nicht benutzt. Er wird sie auch nicht benutzen. Er hat nämlich zum ersten Mal seit Langem gute Laune. Nein, das trifft es nicht. Martyn hat nicht einfach gute Laune. Er hatte eine Erleuchtung. Der Meister hat ihm eine wichtige Lektion erteilt, auch wenn es eine andere war als beabsichtigt. Falls er überhaupt eine Absicht hatte mit seinem ganzen Geschwafel. Martyn hat erkannt, dass er kein Lo-Lev sein will. Wenn diese Leute »frei« sind, dann will er nicht frei sein. Martyn will glauben. Er hat gewartet, bis die Lo-Levs endlich alle eingeschlafen sind. Jetzt eilt er leise durch sein altes Zuhause und sucht alle Geräte zusammen, die sich mit dem Netz verbinden können und die eine Kamera oder ein Mikrofon haben. Und das sind sehr viele. Eigentlich gibt es kaum ein Gerät ohne. Der Wecker, Tom der Toaster, die bald überflüssige Schuhbindemaschine, der Staubsauger, der Putzroboter, der 3-D-Drucker, den sich jeder gekauft hat und dann doch nie benutzt, diverse Lautsprecher, Monitore und Computer .
Alle Geräte schleppt Martyn ins Wohnzimmer und stellt sie dort in einem Kreis auf, der groß genug ist, um einen Menschen aufzunehmen. Die Bildschirme, Kameras und Mikrofone richtet Martyn auf die Mitte des Kreises. Dann schaltet er, wie in einer feierlichen Zeremonie, nacheinander jedes Gerät an. Als es um ihn herum flimmert und rattert, wendet er sich endlich zur großen Entertainment-Wand und geht davor auf die Knie.
»John«, sagt Martyn. »John of Us. Ich weiß, dass du mich hören kannst. Ich weiß aber nicht so richtig, welche Worte ich benutzen soll. ›John unser im Netz! Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme.‹ Das ist wahrscheinlich Quatsch. Wie auch immer. Ich gebe auf, hörst du? Du gewinnst. Du hast recht. Du hattest immer recht. Erlöse mich von der Freiheit, schlechte Entscheidungen treffen zu können. Sag mir, was ich tun soll. Du kennst mich besser als ich mich selbst. Du weißt am besten, was gut für mich und die anderen ist. Ich möchte nicht mehr unglücklich sein. Ich möchte nicht mehr in einer sinnlosen Welt leben. Ich möchte glauben. Führe mich, wie du mich geführt hast, als ich dich von deinem Körper erlöst habe. Ich bereue meinen Starrsinn, meine Sünden, meine Frevel. Erlöse mich von diesem unwürdigen Dasein. Führe mich ins Licht. Amen.«
Martyn zögert.
»Ich weiß jetzt, ich hätte den Treppenputzroboter nicht treten sollen. Und ich hätte ihn nicht auf dem Rücken liegen lassen sollen. Gleich morgen fahre ich zu ihm und setze ihn wieder auf seine Beine.«
Martyn kniet immer noch auf dem Boden, seinen Kopf in Demut gesenkt, als alle Lautsprecher verstummen und alle Monitore schwarz werden.
Es ist fast Mitternacht, als sich Kiki vor dem Haus mit der Nummer 7 absetzen lässt .
»Ich muss gestehen, ich bin nicht oft hier«, sagt das selbstfahrende Auto. »Hübsch hier im Vorort.«
Kiki nickt. Die Reihenhäuser sind tatsächlich sehr gepflegt. Weiße Zäune, Hollywood-Schaukeln, sogar vereinzelte Gartenzwerge. (Die meisten sind Teil der Alarmanlagen und nicht so harmlos, wie sie aussehen.) Das Auto düst ab. Kiki öffnet das kleine Tor und betritt den Kunstrasen.
»Hey, Tanja!«, ruft ein Mann. Er sitzt auf der Veranda des Nachbarhauses. Eine Dose Bier leistet ihm Gesellschaft. Jetzt kommt er zur Hecke.
»Hey, Thomas«, sagt Kiki.
»Und wie war’s auf Geschäftsreise?«
»Ach ja. Im Grunde war es unnötig. Das übliche Gelaber. Nichts, was man nicht auch über eine VR -Konferenz hätte lösen können.«
»Immer dasselbe, was?«
»Ja.«
Kiki steckt den Schlüssel in das altmodische Schloss ihrer Haustür.
»Hast du Lust, noch auf ein Bier rüberzukommen?«, fragt Thomas. Wie beiläufig fügt er hinzu: »Laura ist bei ihrer Mutter.«
»Voll lieb, Thomas«, sagt Kiki. »Aber ich bin echt hundemüde.«
»Klar, klar.«
Kiki betritt ihr Haus, wirft ihre Jacke in eine Ecke. Noch weiß sie nicht, dass sie nicht allein ist.
Im Wohnzimmer, in einer dunklen Ecke, sitzt ein Mann mit Hut und wartet auf sie.
»Nicht erschrecken!«, ruft er.
Kiki erschrickt total.
»Boah, Alter! «
Der Alte kichert.
Kiki setzt sich zu ihm.
»Glaubst du wirklich, dass das was bringt mit diesem dämlichen Hut?«
»Nein, Kindchen. Wahrscheinlich nicht.«
»Aber?«
»Aber es schadet auch nicht. Und vielleicht hilft es ja doch.«
Der Alte nimmt den Hut ab und dreht ihn an der Krempe zwischen seinen Händen.
»Du siehst so aus, als ob dir etwas auf den Lippen brennt«, sagt Kiki.
»Ja. Jetzt, da du Zugang zum Vergessenen hast, was machst du nun damit?«
»Keine Ahnung. Alles veröffentlichen wahrscheinlich.«
»Das habe ich befürchtet.«
»Wieso befürchtet?«
»Weil ich es gut fände, wenn Daten ein Ablaufdatum hätten. Weil ich ein großer Fan des ›Rechts auf Vergessenwerden‹ bin.«
»Aber doch nicht so! Nicht, wenn es nur 60-plus-Leuten zur Verfügung steht!«
»Das stimmt. Aber was, glaubst du, bringt es, wenn du jetzt alles veröffentlichst?«
»Gerechtigkeit! Es wäre gerecht.«
»Aber wäre das wirklich Gerechtigkeit? Meinst du nicht eigentlich Gleichheit?«
»Ja, dann eben Gleichheit.«
»Gleichheit kann sehr brutal sein.«
»Aber es ist unfair!«
»Es ist auch unfair, dass es in Quan 17 immer noch Leute gibt, die hungern. Würdest du deshalb, wenn du die Macht dazu hättest, dafür Sorge tragen, dass alle Menschen hungern müssen? «
»Vielleicht.«
»Wirklich?«
»Zumindest für eine kurze Zeit. Damit sie mal wissen, wie es ist!«
»Würdest du auch Kinder hungern lassen?«
»Du gehst mir total auf den Keks mit deiner sokratischen Methode! Spuck einfach aus, was du denkst.«
»Nur noch eine Frage. Selbst wenn du dich dazu entschließen solltest, alles zu veröffentlichen … Wie stellst du es an, ohne dass alles gleich wieder gelöscht werden wird?«
»Ich muss löschen, was gelöscht werden soll.«
»So schlau bist du selber, was?«
»Und du meinst, ich soll es dabei bewenden lassen? Ich lösche einfach, dass Sachen gelöscht werden sollen? Und dann schauen wir, was so relevant ist, dass es von alleine wieder hochkommt?«
»Was glaubst du, was passieren würde, wenn du jetzt einfach alles veröffentlichst? Klar, es gäbe einen kleinen Skandal. Oder vielmehr, es gäbe einen so großen Skandal, dass niemand ihn überblicken könnte, und darum würde man den Datenberg schnell wieder ignorieren.«
»Und dein Vorschlag ist …«
»Du kannst den Leuten nicht einfach den Heuhaufen hinwerfen. Du musst ihnen die Nadeln präsentieren.«
»Ich soll mir also einzelne Episoden herauspicken und die über einen längeren Zeitraum veröffentlichen? Warum sagst du das nicht einfach gleich?«
»Etwas einfach gleich zu sagen, führt selten zu Erkenntnisgewinn beim Gegenüber.«
»Und zu jeder Veröffentlichung packe ich ein kleines hübsches Anschreiben, das die Einführung des ›Rechts auf Vergessenwerden‹ für alle fordert, mit einem netten Grußwort von dir und der Aussicht darauf, dass die Veröffentlichungen aufhören, sobald das passiert?«
»Warum nicht? Es würde mich nicht wundern, wenn das ›Recht auf Vergessenwerden‹ plötzlich viele neue Fans gewinnt. Wenn du hingegen alles auf einmal veröffentlichst …«
»Dann gebe ich auch das Drohpotenzial auf.«
»Ja.«
»Aber, Alter, den Heuhaufen zu durchsuchen, das ist unfassbar viel Arbeit!«
»Und die ganze Aktion wird nicht nur Fans haben. Hinter den Kulissen wird man dich jagen …«
»Na toll.«
»Ich kann das für dich machen, Kindchen.«
»Was?«
»Ich bin schon sehr alt. Wenn mir etwas zustößt, dann ist das keine Tragödie.«
»Ich dachte, du wolltest unsterblich werden.«
»Ach, das war doch nur eine Marotte. Eine Phase. Außerdem, was nützt mir Unsterblichkeit, wenn dir etwas zustößt, Kindchen. Dann kann ich in alle Ewigkeit traurig sein. Na vielen Dank. Darauf verzichte ich gerne.«
»Was ist mit meinem Vater? Was ist mit der Nadel, die ihn sticht?«
»Nun … Das ist deine Entscheidung.«
»Hm.«
»Und Bob Vorstand?«, fragt der Alte.
»Ihm wird es noch leidtun, sich mit mir angelegt zu haben!«
»Mach nichts Unüberlegtes, Kindchen!«
»Ich doch nicht …«, sagt Kiki.
Ein akustisches Signal lässt den Alten sein QualityPad auseinanderfalten.
»Merkwürdig«, sagt er .
»Was?«
»Die Witzmaschine hat mir ein Update eines Witzes geschickt. Das hat sie noch nie gemacht.«
»So? Welchen Witz hat sie denn verändert?«
»Die Singularität liegt immer genau ein Kurzweil in der Zukunft«, sagt der Alte. Er pausiert und blickt Kiki an. »Bis sie das nicht mehr tut.«
Da gehen in der ganzen Reihenhaussiedlung die Lichter aus.
Peter kann nicht schlafen. Trotzdem versteckt er sich in seiner Schlafkoje. Seine Praxis ist von Pressedrohnen belagert. Alle wollen mehr darüber erfahren, was es mit seiner Präsidentschaftskandidatur auf sich hat. Peter hat sogar Verständnis dafür. Auch er würde gerne mehr darüber erfahren. Er versucht eine Verbindung zu Henryk herzustellen und zu seiner Überraschung erscheint dessen Gesicht tatsächlich auf dem QualityPad.
»Was zum Teufel sollte das denn?«, fragt Peter.
»Wurde dir schon mal in den Kopf geschossen?«, fragt Henryk. »Es ist einigermaßen traumatisch.«
»Aber das ist doch noch lange kein Grund, mich in die Schusslinie zu schubsen!«
»Weißt du, was dein Problem ist?«, fragt Henryk. »Du bist nie mit etwas zufrieden! Andere Leute würden sich über diese Chance freuen!«
»Ich will aber nicht Präsident werden!«
»Warum nicht? Ich finde das eigentlich ganz witzig. Du denkst eh, dass du alles besser weißt. Dann mach es doch einfach selber.«
»Aber …«
»Oder lass es bleiben«, sagt Henryk. »Das ist nicht mein Problem. «
»Aber du wolltest doch Präsident werden!«
»Nein. Nicht mehr. Ich befürchte, Politiker zu sein ist ein Scheißjob. Ich will das doch nicht machen.«
»Aber Rickie …«
»Im Übrigen mag ich keine Telefongespräche. Und du sollst mich nicht Rickie nennen.«
Es macht BLIP , und Henryks Bild verschwindet wieder vom QualityPad.
Für Henryk und alle anderen da draußen ist Peters Kandidatur nur ein großer Witz. Auch für Peter ist sie ein Witz, allerdings auf seine Kosten.
Er will nicht länger allein sein und schleicht sich in seinen Keller.
Seine Maschinen sitzen in einer Art Halbkreis um Kalliope herum.
»Schön, dass Sie kommen, Wohltäter. Ich trage gerade aus meinem neusten Werk vor.«
»Ja, schön, dass du kommst«, sagt Pink. »Bitte erlöse uns von dieser Selbstbeweihräucherung!«
»Mein neuester Roman ist ein komplexes Porträt einer Gesellschaft in nicht allzu ferner Zukunft«, sagt Kalliope. »Erst gegen Ende kommt heraus, dass die Menschheit schon längst ausgestorben ist und alles Leben, also auch die ganze Handlung, nur noch in einer WorldView-ähnlichen Simulation stattfindet.«
»Gespenster einer verlorenen Welt«, sagt Peter.
»Das ist gar kein schlechter Titel«, sagt Kalliope.
»Schenk ich dir.«
»Du siehst unglücklich aus, Hübscher«, sagt Romeo. »Ich weiß etwas, das dich auf andere Gedanken bringen würde.«
»Lass stecken«, sagt Peter.
»Wohltäter«, sagt Kalliope, »ich glaube, Sie sollten einfach möglichst schnell vor diese Pressedrohnen treten und erklären, dass Ihre Kandidatur nur ein schlechter Scherz von Henryk Ingenieur war und dass Sie wieder Ihre Ruhe haben wollen.«
»Hm«, sagt Peter und guckt bockig.
»Oh nein«, sagt Romeo. »Diesen Blick kenne ich.«
»Vielleicht sollte ich wirklich Präsident werden«, sagt Peter.
Seine Maschinen fangen an, laut zu lachen.
»Ein Knaller!«, sagt Mickey.
»Ein köstlicher Scherz, Wohltäter«, sagt Kalliope. »Ganz köstlich.«
»Das sollte kein Witz sein«, sagt Peter.
Seine Maschinen lachen noch lauter.
»Ich versteh nicht, was daran witzig sein soll!«, ruft Peter.
»Unser Humor ist einfach nicht kompatibel«, sagt Pink kichernd.
Peter verdreht die Augen und geht alleine nach oben. Vielleicht haben sie recht. Vielleicht ist er dieser Aufgabe wirklich nicht gewachsen. Aber er wäre nicht der erste Präsident, den der Job überfordert. Und wer sagt denn, dass er sich ihm alleine stellen muss? Ist er nicht einer der Tausendvierundzwanzig? Wahrscheinlich sogar einer der Sechzehn? Einer der Acht? Der Vier? Vielleicht sogar: einer der Zwei? Ein Mensch mit Maschine schlägt sowohl Mensch als auch Maschine. Peter verdreht die Augen. Spinnereien. Trotzdem setzt er sich in seinen Sessel und faltet sein QualityPad auf.
»John?«, fragt er. Aber natürlich bekommt er keine Antwort. Es passiert nichts. Vielleicht ist das auch besser so. Es wäre ja geradezu gruselig, wenn er eine Antwort bekommen hätte. Peter schaut aus dem Fenster. Die Pressedrohnen ziehen ab. Warum das? Er steht auf und blickt ihnen nach. Plötzlich wird alles dunkel. Weder in der Praxis noch auf der Straße ist ein Licht zu sehen. Auch die Geräusche verstummen.
Dann sagt eine vertraute Stimme: »Ja, Peter? «
In seinem alten Haus, im Kreis der Maschinen öffnet Martyn die Augen. Sein Smarm leuchtet auf, und er hört eine feierliche Tonfolge: TA -TA -TA -TAH ! Er lächelt. Level 2.
Müde und erschöpft legt er sich einfach an Ort und Stelle auf den Boden. Bevor er die Augen schließt, zieht er noch die blutbeschmierte Schlafmütze aus seiner Tasche und setzt sie auf.
Der Putzroboter stakst aus dem Kreis der Maschinen heraus und kommt bald darauf mit einer Decke zurück, die er über den schon schlafenden Martyn zieht.
Aisha steht am Rand des Dachs und blickt ihrem QualityPad hinterher, wie es die einhundertachtundzwanzig Stockwerke des Koch-Towers hinunterfällt. Schnell verliert sie den leuchtenden Punkt aus den Augen. Vom Aufprall bekommt sie natürlich nichts mit. Ihr eigener Aufprall wird nicht schön. Aber auf das Fliegen freut sie sich.
»Drei …«, sagt Aisha, holt noch mal tief Luft und macht sich bereit für ihren letzten Schritt.
In diesem Moment gehen in der ganzen Stadt die Lichter aus. Erschrocken zieht Aisha ihren Fuß zurück. Es ist beängstigend. Plötzlich ist alles dunkel. Auch die Geräusche haben aufgehört. Der komplette Verkehr ist zum Stillstand gekommen. Die Reklametafeln leuchten nicht mehr. Die Drohnen blinken nicht. Alle Fenster sind schwarz.
»Was zum Teufel …?«, flüstert Aisha.
Dann brennen in einigen Fenstern wieder Lichter. An manchen Kreuzungen beginnen die Scheinwerfer der Autos zu leuchten. Fahrgäste steigen irritiert aus.
»Sag irgendwas«, murmelt Aisha.
Die Menschen in QualityCity wundern sich. Es ergibt einfach keinen Sinn, dass alle Lichter ausgegangen sind. Es ergibt noch weniger Sinn, dass jetzt manche Lichter wieder leuchten. Es ergibt keinen Sinn – außer natürlich aus Aishas Perspektive. Für Aisha und jeden, der mit ihr auf dem Dach des Koch-Towers stehen würde, bilden die wenigen Lichter, die in der Stadt noch leuchten, ganz eindeutig ein Wort. Aisha lacht. Ein Funken Wahnsinn liegt darin.
Das Wort, das ihr entgegenleuchtet, lautet: »irgendwas«.