Die Kenntnisse über die etruskische Medizin verdanken wir beinahe ausschließlich der Archäologie, und sie gibt uns nur einen kleinen Ausschnitt der Heilkunde im ersten Jt. v. Chr. auf italischem Boden wieder. Die Kultur der Etrusker war hoch entwickelt, vermutlich war es ihre Medizin auch. Darauf deuten Zahn- und Kieferfunde aus der Zeit seit dem 6. Jh. v. Chr. Ausgeklügelte Goldschmiedearbeiten befestigten lose Zähne im Kiefer. Ganze Prothesen aus Menschen- und auch Tierzähnen wurden bei Zahnverlust eingefügt (Abb. 9). Die prothetische Zahnheilkunde wurde von den Römern später übernommen.
Auch in der Herstellung von Prothesen nahmen die Etrusker eine Vorreiterrolle ein. Einige kunstvolle Beinprothesen werden den Etruskern zugeschrieben.
Abb. 9: Etruskische Goldstreifenbrücke zur Befestigung eines Schneidezahnersatzes aus Kalbszahn (Nachbildung). Die Arbeit besteht aus sieben breiten Goldstreifenringen, die miteinander verlötet wurden. Die äußeren Ringe waren an den benachbarten Zähnen befestigt, von denen die zwei rechten noch erhalten sind. Der breite Ring trägt den Ersatz für die fehlenden oberen Mittelschneidezähne. Sie wurden hier aus dem Schneidezahn eines Kalbes geschnitzt, der geschickt eingekerbt wurde, um ihn den zwei mittleren Schneidezähnen ähnlich zu machen. Ein weiterer stiftdurchzogener Ring deutet auf den Ersatz eines kleinen vorderen Backenzahnes hin. Dieser ist nicht mehr erhalten. Original aus Tarquinia, etwa 8. Jh. v. Chr. Medizinhistorische Sammlung des Karl-Sudhoff-Instituts Leipzig (Inv.-Nr. 0004).
Abb. 10: Etruskische Votivgaben. Votive sind Weihegaben, die meistens aufgrund einer erfolgreichen Heilung von dankbaren Menschen gestiftet wurden. Manchmal sind sie auch Ausdruck einer Bitte an die Götter. Diese Votivgaben stammen aus Veji, 2.–1. Jh. v. Chr. und zeigen zwei Arme, ein Bein, eine Hand, eine Gebärmutter, einen Phallus und zweimal eine weibliche Brust. Römisch-Germanisches Zentralmuseum, Mainz.
Interessante Einblicke geben auch die zahlreichen anatomischen Votivfunde. Mit den Abbildungen verschiedener Körperteile in Ton (Abb. 10) oder, seltener, in Silber, baten die Menschen die Götter um Heilung oder Fruchtbarkeit, oder sie waren Geschenke als Dank, wenn ihre Gebete erhört worden waren. Besonders häufig sind männliche und weibliche Geschlechtsteile, weibliche Brüste und Uteri abgebildet. Aber auch alle anderen Körperteile kommen vor – Augen, Lippen, Ohren, Zungen, Hände, Füße, Beine, innere Organe wie Leber und Milz, Torsi mit geöffnetem Leib, so dass die Eingeweide sichtbar wurden. Neben der häufig schablonenhaften Darstellung sind andere Körperteile wiederum sehr realitätstreu nachgebildet. Inwieweit es den etruskischen Ärzten erlaubt war, Einblicke in menschliche Leichen zu nehmen, ist unklar, da auch das Wissen um die Religion, die Philosophie und die Ethik der Etrusker verloren gegangen ist.
Nur wenige Instrumentenfunde sind bekannt. In ihrer Form unterscheiden sie sich kaum von den späteren römischen Instrumenten. Es wird berichtet, dass die Etrusker reich an Heilpflanzen gewesen seien. Leider wissen wir nicht mehr darüber.
Hygiene war für die Etrusker wichtig. Vielleicht, wie bei vielen frühen Völkern, zunächst aus magisch-religiösen Gründen durchgeführt, gewann die persönliche Hygiene in Form von privaten und öffentlichen Bädern und Latrinen immer mehr an Bedeutung. Die Etrusker waren es auch, die in Rom die Cloaca maxima bauten. Abwasserkanäle und Aquaedukte gehörten zu den Bauleistungen der Etrusker, die später die Römer gern übernahmen.
Die etruskische Heilkunde hat wie die griechische Medizin die römische Heilkunst beeinflusst und inspiriert. Es ist schade, dass so viel Erkenntnisse und Wissen aus der Kultur der Etrusker verloren gegangen sind.