In der medizinischen Literatur der Antike werden bereits Erkrankungen an den Geschlechtsorganen beschrieben. Heute wie damals scheint die Gonorrhoe (der Tripper) eine der häufigsten Geschlechtskrankheiten gewesen zu sein. Zwar wurde sie in der Regel nicht als solche erkannt, aber die Beschreibungen sind recht eindeutig. Bei der Frau entwickelt sich Ausfluss, ein Brennen beim Wasserlassen, beim Aufsteigen der Infektion kolikartige Bauchschmerzen, Fieber, evtl. Eierstock- und Bauchfellentzündungen. Bei über 60 % der Frauen verläuft die Gonorrhoe jedoch symptomenarm. Der Mann hat nach einer Infektion mit Tripper fast immer Symptome, die sich als eitriger Ausfluss und Schmerzen beim Wasserlassen manifestieren. Harnröhrenentzündungen mit Ausfluss werden in den medizinischen Schriften besonders im antiken Rom sehr häufig beschrieben, zumindest ein Teil dieser Erkrankungen wird eine Gonorrhoe gewesen sein, auch wenn sie als eigenständige Krankheit nicht erkannt wurde. Ansteckungsorte waren in den meisten Fällen die zahlreichen Bordelle, in denen die Männer für sehr kleines Geld ihre Triebe befriedigen konnten. Die Gonorrhoe wird durch Kontakt- und Schmierinfektion übertragen.
Häufig werden auch Geschwüre verschiedener Ausprägung an den Geschlechtsorganen beschrieben. Zum Teil wird ein ausschweifendes Geschlechtsleben als Grund für die Erkrankung mit Geschwüren angesehen. Die Gefahr einer Ansteckung hat man jedoch nicht erkannt.
Die Syphilis gab es in der Antike noch nicht. Sie wurde erst in den 90er Jahren des 15. Jhs. von Kolumbus’ Matrosen und Soldaten aus Amerika nach Europa eingeschleppt.
Therapie bei Ohrenschmerzen und Ausfluss krankhafter Körpersäfte durch die Gehörgänge
Zunächst soll eine Umstimmung der inneren Körperbeschaffenheit erfolgen.
Bei akuten Beschwerden:
zusammenziehende Arzneien in das Ohr träufeln
helle, reine Wolle mit Mandelöl und Weinessig tränken und in das Ohr verbringen
Ruhe des Körpers und Stille für das Ohr
Nahrungsenthaltung
Dauert die Krankheit an und verschlimmert sie sich:
warmes Olivenöl ins Ohr träufeln
der Kranke soll in einem warmen Raum liegen
eventuell einen Aderlass vornehmen
Nahrungsenthaltung bis zum 3. Tag, danach leichte, schlürfbare Speise
lindernde, warme Breiumschläge
beim Höhepunkt des Schmerzes Blutegel rund um die Ränder des äußeren Ohres setzen. Nicht direkt auf den Ohrknorpel!
Schröpfköpfe hinter dem Ohr aufbringen, zuvor Umschläge mittels warmer Meeresschwämme machen
mit der Ohrsonde in warmes Olivenöl eingetauchte Schafswolle ins Ohr einbringen
Bei Ausfluss aus dem Ohr:
mit Wein zubereiteter Wassermet, der zuvor mit der Schale des Granatapfels gekocht wurde
Bittermandeln, Weinessig, Safran, Myrrhe und Alaun (= zusammenziehende Arzneimittel)
Ohrbereich mit Breiumschlag aus Quitte umhüllen
zusammenziehende Speisen
Spülung des Ohres mit Klistierspritze mit über Asche gegossenem Wasser
Breiumschläge mit Feigen, bis starke Rötung eintritt
über den Kopf herabströmender Wasserguss
Und:
schmerzvertreibende Arzneimittel
(Soranos von Ephesos)
Oreibasios von Pergamon wurde um 325 n. Chr. geboren. Er stammte aus einem vornehmen Elternhaus und erhielt eine umfassende und sorgfältige Erziehung. Medizin studierte er bei dem berühmten Arzt Zenon von Kypros in Alexandria. Wie viele Ärzte hatte er eine starke philosophische Veranlagung und interessierte sich für Politik. Nach seiner Studienzeit ließ er sich in seiner Heimatstadt Pergamon als Arzt nieder. Hier lernte er den späteren Kaiser Julianus kennen. Es entwickelte sich eine tiefe Freundschaft, und Oreibasios wurde Leibarzt und Vertrauter des Prinzen.
Die Zeiten waren schwierig für den jungen Caesar und seinen ärztlichen Freund. Flavius Claudius Iulianus wurde 331 als Sohn eines Halbbruders Konstantins des Großen geboren. Als er sechs Jahre alt war, musste er miterleben, dass Soldaten seinen Vater und seinen ältesten Bruder ermordeten. Sein jüngerer Halbbruder Gallus und er selbst entkamen der Säuberungsaktion der neuen Kaiser nur aufgrund ihres jugendlichen Alters. Er erhielt eine umfassende Erziehung und wurde im arianisch-christlichen Glauben unterrichtet. Sein lebhafter Geist beschäftigte sich aber auch mit der antiken Philosophie. Als sein Bruder Gallus zum Caesar, also zum designierten Thronanwärter, erhoben wurde, fühlte er sich frei, ganz in der Philosophie zu leben.
In Pergamon, wo der Prinz seine Studien vorantrieb, traf er mit Oreibasios zusammen, der seine Interessen teilte und dessen Intelligenz und Bildung mit seiner mithalten konnte. Die jungen Männer verlebten eine schöne Zeit, die jäh beendet wurde, als Julians Halbbruder Gallus des Hochverrates angeklagt und enthauptet wurde. Julian brachte es fertig, Kaiser Konstantius II. davon zu überzeugen, dass er keinerlei politische Ambitionen habe. Konstantius wies Julian Athen als Aufenthaltsort zu. Oreibasios begleitete ihn. Spätestens hier wandte sich Julian dem Heidentum zu und trug das christliche Bekenntnis nur noch nach außen. Ob Oreibasios in seiner Kindheit Christ war, wissen wir nicht, aber nun teilte er den Glauben seines Freundes. Der liebenswürdige Prinz kam in Athen bei den Bürgern gut an, zu gut, wie der Kaiser befand, und befahl Julian nach Mediolanum (Mailand), wo er acht Monate inhaftiert wurde. Wo sich Oreibasios in dieser Zeit aufhielt, wissen wir nicht.
Durch Vermittlung der Kaiserin Eusebia wurde der Prinz 355 n. Chr. aus der Haft entlassen und zum Caesar ernannt. Konstantius machte ihn zum Oberbefehlshaber von Gallien und schickte ihn mit einer lächerlich kleinen Streitmacht in den Norden. Oreibasios begleitete ihn. Es gibt einen Brief Julians, in dem er schreibt: „Meine Dokumente und Papiere vertraute ich dem einzigen meiner vielen Kameraden und Freunde an, der mich auf Reisen begleiten durfte, da niemand um die Vertraulichkeit unserer Beziehung wusste: Es war der Arzt Oreibasios.“
Julian war erstaunlich erfolgreich. Er blieb fünf Jahre in Gallien, sicherte die Grenzen und erließ eine Fülle von Reformen. Sein Erfolg und seine Beliebtheit endeten damit, dass die Legionen ihn zum Kaiser ausriefen. Ehe es zu einem offenen Krieg gegen Konstantius kam, starb der Kaiser überraschend, und Julian übernahm 361 n. Chr. die Regierung. Unter den begeisterten Männern, die Julian zum Kaiser ausriefen, war auch Oreibasios. Als vertrauter Berater war er mit Sicherheit in die Umsturzpläne des Prinzen eingeweiht.
Julian brach nun endgültig mit dem christlichen Glauben und wechselte zum Heidentum. Dafür gab ihm die christliche Geschichtsschreibung den Namen Apostata, der Abtrünnige. Oreibasios wurde zum Quästor von Konstantinopel ernannt. Inwieweit der Arzt an den Regierungsgeschäften des Kaiser wirklich beteiligt war, ist nicht bekannt. Oreibasios’ Einfluss ist es zu verdanken, dass sein Lehrer Zenon nach Alexandria zurückberufen wurde. Bischof Georgios hatte den Arzt einige Jahre zuvor verbannt. 362 n. Chr. erließ Julian ein Gesetz, das die Archiatri, also die öffentlichen Ärzte, von den Steuern befreite. Oreibasios war sicher ein leidenschaftlicher Politiker, aber noch mehr war er Arzt und ein außergewöhnlicher Lehrer der Heilkunst.
In Auftrag des Kaisers verfasste Oreibasios ein Sammelwerk, das 70 Bücher über die gesamte Medizin der berühmtesten Ärzte umfasste, die Collectiones medicae. Die Enzyklopädie behandelte Diätetik, Heilmittel, Anatomie, Hygiene, Krankenpflege, Diagnose, Prognose und Therapie. 25 Bücher sind heute noch erhalten. Eine eigens als Studienhilfe für seinen Sohn Eustathios verfasste Schrift fasste diese Bücher in kürzerer Form zusammen (9 Bücher). Als Reiseliteratur schrieb Oreibasios das Werk Leicht zu beschaffende Heilmittel, das mehr praxisorientiert ist (4 Bücher). Um sich in dem Wust der galenischen Schriften besser zurechtzufinden, verfasste er auf Julians Geheiß ein Kompendium.
362 n. Chr. begleitete Oreibasios den Kaiser auf einen Persienfeldzug. Im Verlauf des wechselhaft verlaufenden Krieges traf den Kaiser ein Speer in den Bauch. Alle ärztliche Kunst konnte ihm nicht mehr helfen. Oreibasios’ Freund und Kaiser starb, ein herber persönlicher Verlust für den Arzt und ein ebensolcher Verlust für das Römische Reich. Julians Nachfolger, die nicht der konstantinischen Linie entstammten, verbannten Oreibasios ans Schwarze Meer. Hier wurde der berühmte Arzt von den Goten hochverehrt. Schließlich riefen die Kaiser Valentinian I. und Valens den Arzt zurück nach Konstantinopel und rehabilitierten ihn. Er heiratete eine Frau aus vornehmer Familie, mit der er vier Kinder hatte. Aus dieser Ehe stammt auch der Sohn Eustathios, der in seine Fußstapfen trat und ebenfalls Arzt wurde. Oreibasios blieb Zeit seines Lebens seiner heidnisch-hellenischen Gesinnung treu. Er starb nach 400 n. Chr.
Abb. 30: Deckel eines Arzneikästchens. Bronze mit Einlagen in Niello (s. Abb. 25) und Silber. Es zeigt eine Asklepios-Statue vor einer Tempelfassade. Rheinland, 1. Jh. n. Chr. Die Ärzte transportierten bei Hausbesuchen oder auf Reisen ihre Arzneien in rechteckigen Kästchen aus Metall oder Holz. Meist gibt es innerhalb der Behälter Unterteilungen, um die verschiedenen Pillen und Kräuter voneinander zu trennen. Staatliche Museen, Antikensammlung, Berlin.