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»Wir gehen zuerst zu den Wohnwagen«, sagte Derek. Sie folgten ihm zurück zum Parkplatz, wo sich mehrere Trailer gegenüberstanden. Derek deutete auf zwei Wagen am Ende der Reihe. »Das da sind eure. Ihr könnt das Gepäck hierlassen. Dann zeig ich euch den Rest.«

Direktor Faber, der sich mit Nick zusammen einen Wohnwagen teilte, steuerte auf den äußersten Trailer zu. »Ich verzichte auf die Führung. Ich habe morgen ein wichtiges Meeting und muss noch eine Menge vorbereiten.«

»Wie Sie meinen«, erwiderte Derek schulterzuckend. »Sie wissen hoffentlich, dass das WLAN hier nicht funktioniert? Und Handyempfang gibt’s auch keinen.«

»Das brauche ich nicht, aber danke.«

»Erstaunlich«, sagte Petra. »Hier stehen Hochleistungsantennen, mit denen man Signale ins Weltall schicken kann …«

»… aber Handy und Internet funktionieren nicht«, ergänzte ihre Schwester den Satz.

»Was erwartet ihr?«, sagte Derek. »Immerhin sind wir mitten in der Wüste.«

»Ist die Crew schon länger hier?«, fragte Nick.

»Klar. Glaubst du, wir hätten das ganze Set erst heute Morgen aufgebaut?« Derek lachte. »Wir sind seit zwei Tagen da, verkabeln alles, leuchten aus, machen Stellproben und so Zeug. Habt ihr Lust, ein bisschen was vom Stützpunkt zu sehen? Ich kenne mich inzwischen ziemlich gut aus.«

»Dürfen wir hier einfach so rumlaufen?«, vergewisserte sich Carol.

»Warum denn nicht? Die Drehgenehmigung gilt für den gesamten Stützpunkt. Mit Ausnahme der verbotenen Gebäude natürlich. Kommt, ich führ euch rum.«

»Verbotene Gebäude?«, hakte Carol nach. »Was bedeutet das?«

»Was denkst du wohl?«, entgegnete Derek kopfschüttelnd und wandte sich ab.

Nachdem Nick und die Mädchen ihre Rucksäcke in den Trailern deponiert hatten, folgten sie Derek zu den Wohnbaracken, die sich allesamt in einem erbärmlichen Zustand befanden.

»Warst du mal in einer der Baracken drin?«, fragte Carol.

»Ja, klar«, erwiderte Derek. »Wollt ihr mal sehen?«

Ohne eine Antwort abzuwarten, stapfte er auf die Eingangstür der nächstgelegenen Baracke zu. Die Agenten sahen sich fragend an, zuckten mit den Schultern und folgten ihm.

Das Innere des Gebäudes bestand aus einem einzigen großen Raum. An den Wänden standen Stockbetten mit fleckigen Matratzen; Schränke, Tische und Stühle waren kreuz und quer im Zimmer verteilt. Nick erinnerte das Ganze an eine in die Jahre gekommene Jugendherberge, inklusive in die Tischplatten eingeritzter Sprüche oder vollgekritzelter Bettpfosten.

Durch ein Loch in der Wand schienen Tiere eingedrungen zu sein, denn überall auf dem Boden lagen Unrat und Kot herum. Als Paula in einer Ecke eine abgestreifte Schlangenhaut entdeckte, die Derek fachmännisch als die einer Mojave-Klapperschlange identifizierte, beschlossen sie, die Besichtigung in diesem Teil des Stützpunkts abzubrechen.

»Was ist eigentlich deine Aufgabe hier am Set?«, erkundigte sich Nick, während sie zu den Flugzeughangars hinübergingen.

»Kamera-Assistent«, erwiderte Derek stolz. »Ist mein erster großer Dreh. Und dann gleich den Jackpot gewonnen. Ich mach bei der Stuntszene heute Vormittag die Aufnahmen aus der Totalen. Ich bin komplett allein für die Kamera verantwortlich. Echt mega. Dafür lasse ich mich gern mal als Laufbursche einspannen.«

Sie benötigten fast zehn Minuten, bis sie den Bereich für die Flugzeuge erreicht hatten. Mehrere Hangars, Lagerhallen und Schuppen reihten sich aneinander. Der rissige Asphalt war voller Gummiabrieb und Ölflecken von den Kampfjets und Aufklärern. In einer Ecke stapelten sich Öltanks und verrostete Fässer. Trockenes hohes Gras wuchs im Schatten zwischen den Gebäuden, und hier und da arbeiteten sich Kletterpflanzen an den Wänden hinauf. Obwohl das Filmset nur wenige Hundert Meter entfernt war, herrschte eine geradezu gespenstische Stille.

»Wo sind eigentlich die verbotenen Gebäude, von denen du vorhin gesprochen hast?«, fragte Carol.

Derek deutete auf die Hangars. »Hier. Deswegen hängen hier auch überall Schilder mit Totenkopf rum. Total übertrieben, wenn ihr mich fragt.«

»Warum übertrieben?«, fragte Petra.

»Und warum verboten?«, wollte Paula wissen.

»Weil die Herren Soldaten beim Betanken ihrer Maschinchen nicht sonderlich zimperlich mit dem Treibstoff umgegangen sind und ständig Kerosin im Boden versickert ist. Deswegen besteht hier angeblich« – er betonte das letzte Wort überdeutlich – »akute Brandgefahr.«

»Ob die Flugzeuge noch in den Hangars stehen?«, überlegte Petra.

»Das wäre cool«, bestätigte Paula.

»Nein, die Hangars sind leer«, entgegnete Derek.

»Woher weißt du das?«, fragte Carol.

»Weil ich drin war.«

Carol sah ihn verwundert an. »Obwohl das Betreten ausdrücklich verboten ist?«

»Who cares?«, erwiderte Derek grinsend. »Man darf sich nur nicht erwischen lassen.« Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. »Gehen wir zurück zu den anderen. Dann zeig ich euch noch schnell das Wichtigste, bevor wir anfangen zu drehen.«

Die erste Szene wurde auf dem Dach eines derjenigen Hangars gedreht, deren Betreten streng verboten war. Derek erzählte ihnen, dass der Regisseur darauf bestanden hatte, auf genau diesem Gebäude zu drehen, weil die Wölbung des Dachs im Film besonders gut zur Geltung kommen würde. Es hatte ihn offenbar einige Überredungskunst gekostet, doch am Ende hatten die Verantwortlichen bei der Air Force ihm die Drehgenehmigung für das Dach erteilt – immer unter der Voraussetzung, dass niemand das Innere des Hangars betrat.

Am Set liefen die letzten Vorbereitungen. Scheinwerfer wurden ausgerichtet, Mikrofone angebracht, Kabel verstaut. Nicks Blick fiel auf ein Mädchen mit dunklen Locken, das zusammen mit einem hochgewachsenen, sportlichen Jungen aus dem Make-up-Trailer trat.

»Wer ist das?«, fragte er.

»Das sind Miley und Jasper, die beiden Hauptdarsteller«, erwiderte Derek. »Und der Typ, der sie gerade zu sich winkt, ist Steven, der Regisseur. Wahrscheinlich will er die verschiedenen Kameraeinstellungen besprechen. Jasper brauchen wir gleich für ein paar Großaufnahmen. Den Sprung vom Dach übernimmt das Stuntdouble.«

Derek erklärte rasch, wie der Dreh ablaufen würde, und zeigte ihnen die wichtigsten Mitglieder des Filmteams. »Rudy habt ihr ja schon kennengelernt. Steven und er haben hier das Sagen. Sie können manchmal ganz schön ungemütlich werden, also versucht ihnen am besten aus dem Weg zu gehen. Bei den Monitoren steht Tom, der technische Leiter. Und das da drüben ist mein Chef, Costa. Er ist für die gesamte Kameraführung verantwortlich.«

Derek deutete auf einen Mann mit Vollbart und Zigarette im Mundwinkel. Als hätte Costa gehört, dass sie über ihn sprachen, sah er auf und hob eine Hand. »Hey, Derek, dein Typ wird verlangt.«

»Auf ins Gefecht«, sagte Derek. »Viel Spaß beim Zugucken.« Nach ein paar Schritten wandte er sich noch einmal um. »Und was immer ihr tut – lasst euch nicht erwischen.« Er grinste, tippte sich zum Abschied an die Stirn und war kurz darauf mit Costa hinter dem Hangar verschwunden.

»Komischer Vogel«, kommentierte Paula Dereks Abgang.

»Sehr komisch«, bestätigte Petra.

Die vier schlenderten am Set entlang und blieben bei einem riesigen Kissen stehen, das vor der Wand des Hangars lag und von einem Kompressor mit Luft gefüllt wurde.

»Wahrscheinlich das Landekissen für den Stuntman«, vermutete Carol.

Nick sah zur Kante des Dachs hoch, die sich gute zwanzig Meter über ihnen befand. »Dann hoffen wir mal, dass es kein Loch hat.«

»Das hoffe ich allerdings auch«, erklang eine Stimme. »Mit ’ner Querschnittslähmung kann ich meinen neuen Job nämlich gleich wieder an den Nagel hängen.«

Sie wandten sich um. Hinter ihnen – braun gebrannt, durchtrainiert und mit strahlendem Lächeln – stand Jack.

Nick traute seinen Augen nicht. »Jack? Ich werd verrückt. Was machst du denn hier?« Er lief auf den jungen Mann zu und klatschte ihn ab. Seit ihrem gemeinsamen Auftrag in Tibet, bei dem Jack gezwungen worden war, als Doppelagent für eine kriminelle tibetische Organisation zu arbeiten, hatten sie keinen Kontakt mehr gehabt. Über einige Ecken hatten sie jedoch herausgefunden, dass Jack zwar unehrenhaft aus dem Dienst der CIA entlassen worden war, man sämtliche Anschuldigungen gegen ihn jedoch fallen gelassen hatte.

Carol war ebenso erfreut wie Nick und umarmte Jack herzlich. »Mensch, Jack. Das ist ja eine Überraschung. Sag bloß, du spielst bei dem Film mit?«

Jack grinste. »Indirekt. Ich bin der Stuntman von Jasper, dem Hauptdarsteller.«

Nick nickte anerkennend. »Ich könnte mir keinen besseren Job vorstellen.« Jack hatte genau wie die Agenten des BND besondere Fähigkeiten – er besaß einen außerordentlich guten Gleichgewichtssinn und ein ungeheures Sprungvermögen.

»Eigentlich braucht man dafür eine mehrjährige Ausbildung, aber als ich den Produzenten ein paar Stunts vorgeführt habe, haben sie abgewunken und mich vom Fleck weg für diesen Film engagiert«, sagte Jack nicht ohne Stolz. »Ein ehemaliger CIA-Agent als Stuntman bei einem Agentenfilm. Witzig, oder? Und könnt ihr euch meine Überraschung vorstellen, als ich gehört habe, dass Junior-Agenten des BND als Berater ans Set kommen?«

»Die Welt ist wirklich klein«, stimmte Nick ihm zu. »Schön, dich wiederzusehen.«

Jacks Blick fiel auf Petra und Paula. »Und mit wem habe ich hier die Ehre?«

»Petra«, sagte Petra.

»Paula«, sagte Paula.

»Freut mich«, erwiderte Jack und sah dann stirnrunzelnd zwischen den Zwillingen hin und her. In ihren schwarzen Jeans und fliederfarbenen T-Shirts glichen sie sich wie ein Ei dem anderen. »Nehmt es mir nicht übel, aber gibt es irgendeine Chance, euch auseinanderzuhalten?«

»Der Leberfleck«, sagte Paula.

»An ihrem Hals«, sagte Petra.

Jack sah genauer hin. »Stimmt. Sieht süß aus.« Er lächelte Paula so breit an, dass zwei tiefe Grübchen auf seinen Wangen zum Vorschein kamen. Petra runzelte argwöhnisch die Stirn, doch Paula wandte verlegen den Blick ab und wurde rot.

»Ich muss los, Leute. Wir unterhalten uns später. Wünscht mir Glück.« Jack klatschte noch einmal bei Nick ab, zwinkerte Paula und Petra zu und ging in die gleiche Richtung, in die bereits Derek und der Kameramann verschwunden waren.

Eine Frau mit Headset trat auf sie zu. »Wir fangen gleich an zu drehen. Rudy hat mich gebeten, euch nach hinten ins Zelt zu schicken.« Die Frau deutete auf ein paar Pavillons, die in einiger Entfernung am Rand des Sets standen.

»So weit weg?«, fragte Carol.

»Muss leider sein«, erwiderte die Frau. »Es ist zu gefährlich, wenn ihr hier herumsteht. Da drüben seid ihr niemandem im Weg.«

Als sie kurz darauf bei den Pavillons ankamen, war Nick enttäuscht. »Von hier bekommt man ja gar nichts mit. Ich würde viel lieber sehen, was sich auf dem Dach abspielt.«

»Und wie willst du das machen?«, fragte Petra.

Nick zuckte mit den Schultern. »Mir fällt schon was ein.«

»Ich bleibe hier«, sagte Paula.

»Ich auch«, stimmte Petra ihrer Schwester zu. »Ich will nicht dafür verantwortlich sein, wenn irgendeine Szene schiefgeht.«

»Komm schon, Nick«, bat Carol. »Du hast doch gehört, was Derek gesagt hat. Wir sollten uns an die Anweisungen halten. Sonst bekommen wir gleich am ersten Tag Ärger.«

Nick grinste. »Wisst ihr, was Derek noch gesagt hat? ›Was immer ihr tut – lasst euch nicht erwischen.‹«