1 Einleitung
Die Elemente der vierten Hauptgruppe (Kohlenstoffgruppe) weisen wie alle Elemente der dritten bis siebten Hauptgruppe sehr unterschiedliche Eigenschaften auf. Die Atome der dieser Elemente nehmen entweder vier Elektronen auf (wie Kohlenstoff) oder geben meist zwei oder vier ab (wie beispielsweise Silicium oder Zinn), um eine stabile Elektronenkonfiguration zu erreichen.
Kohle ist seit vorgeschichtlicher Zeit bekannt, und Diamant als zweite wichtige Modifikation des Kohlenstoffs ist bereits in chinesischen Quellen aus dem dritten Jahrtausend vor Christus erwähnt. Seit der Bronzezeit kennen die Menschen Blei, Zinn auch schon seit etwa 6000 Jahren. Dass Sand Silicium zugrunde liegt, wissen wir aber erst seit rund zwei Jahrhunderten, und Germanium wurde vor rund 130 Jahren das erste Mal beschrieben und charakterisiert. Selbst Atome des Fleroviums konnten erstmals schon 1999 dargestellt werden. Wir haben also eine schon lange bekannte Familie von Elementen vor uns, aber die neuesten Ergebnisse der Forschung, beispielsweise zu Graphenen oder Halbleitern, sind für technische Entwicklungen sehr wichtig.
Das Nichtmetall Kohlenstoff ist in seiner Modifikation Grafit ein hochschmelzender Feststoff, ebenso die Halbmetalle Silicium und Germanium. Zinn und Blei, die metallischen Vertreter dieser Gruppe, weisen dagegen tiefe Schmelzpunkte auf. Flerovium ist möglicherweise sogar ein leicht flüchtiges Halbedelmetall. Sie finden sie alle im unten stehenden Periodensystem in der Gruppe 14 (IV A).
Elemente werden eingeteilt in Metalle (z. B. Natrium, Calcium, Eisen, Zink), Halbmetalle wie Arsen, Selen, Tellur sowie Nichtmetalle wie beispielsweise Sauerstoff, Chlor, Iod oder Neon. Die meisten Elemente können sich untereinander verbinden und bilden chemische Verbindungen; so wird (z. B. aus Natrium und Chlor die chemische Verbindung Natriumchlorid, also Kochsalz).
Die Einzeldarstellungen der insgesamt sechs Vertreter der Gruppe der Elemente der vierten Hauptgruppe enthalten dabei alle wichtigen Informationen über das jeweilige Element, sodass ich hier nur eine kurze Einleitung vorangestellt habe.
2 Vorkommen
Silicium ist das zweithäufigste Element und zu einem Viertel am Aufbau der Erdhülle beteiligt. Kohlenstoff ist nicht so häufig, aber die Grundlage jeglichen Lebens auf der Erde. Germanium, Zinn und Blei sind mit Anteilen von einigen ppm in der Erdhülle enthalten und damit wesentlich seltener.
Silicium kommt in einer riesigen Vielfalt von Gesteinen (z. B. Lava) und Mineralien (Quarz) vor, Zinn bzw. Blei meist in Form oxidischer (Zinnstein) bzw. sulfidischer Erze (Bleiglanz).
3 Herstellung
Kohlenstoff wird in Form von Grafit oder Diamant abgebaut. Silicium gewinnt man, bildlich gesprochen, durch Reduktion von Sand mit Kohle. Zinn und Blei werden meist durch Rösten ihrer sulfidischen Erze hergestellt.
4 Eigenschaften
4.1 Physikalische Eigenschaften
Wie bereits erwähnt, ist Kohlenstoff ein reines Nichtmetall, tritt aber in einer Vielzahl von Modifikationen auf. Bei Silicium und Germanium sind die Diamantstrukturen jeweils die stabilsten, die jedoch hier halbleitend sind.
Die physikalischen Eigenschaften sind auch in dieser Gruppe nur teilweise nach steigender Atommasse abgestuft. So nimmt vom Grafit zum Blei die Dichte zu, die Schmelz- und Siedepunkte sind bei den nicht- bzw. halbmetallischen Vertretern Kohlenstoff bzw. Silicium und Germanium wesentlich höher als bei den schwereren Metallen Zinn und Blei. So sublimiert Kohlenstoff (Grafit) bei Temperaturen um 3600 °C, einer Temperatur, bei der alle anderen Elemente dieser Gruppe längst schon verdampft sind. Silicium schmilzt bei ca. 1400 °C, Germanium immerhin noch bei 938 °C, wogegen Zinn mit 232 °C und Blei mit 327 °C sehr tiefe Schmelzpunkte aufweisen.
Auch in dieser Hauptgruppe weicht das Kopfelement (hier: Kohlenstoff) in seinen Eigenschaften deutlich von allen anderen ab. Silicium als zweites Element dieser Gruppe steht den höheren Homologen, Germanium und sogar α-Zinn, näher als Kohlenstoff; auch seine Verbindungen (z. B. Wasserstoffverbindungen, Halogenide) ähneln mehr denen des Germaniums und Zinns, sodass man hier von einer homologen Reihe sprechen kann.
4.2 Chemische Eigenschaften
Die Elemente dieser Gruppe reagieren direkt nur noch mit Halogenen und reaktiven Chalkogenen wie Sauerstoff und meist auch Schwefel. Verbindungen, in denen sie mit Metallen auftreten und dabei den elektronegativeren Partner darstellen, sind relativ selten, und wenn, nur unter Einsatz drastischer Methoden zugänglich. Kohlenstoff, dessen Elektronegativität etwa in der Mitte der Skala liegt, reagiert vielmehr zu einer unglaublichen Vielfalt organischer Verbindungen, in denen seine Atome kovalent mit sich selbst oder anderen Nichtmetallatomen verbunden sind. Die Oxide der Elemente bilden nur noch schwache Säuren (z. B. Kohlensäure) oder sind amphoter (Zinn-IV-oxid); auch dies zeigt den Übergang zu einer mehrheitlich aus Metallen zusammengesetzten Gruppe von Elementen.
5 Einzeldarstellungen
Im folgenden Teil sind die Elemente der Kohlenstoffgruppe (vierte Hauptgruppe) jeweils einzeln mit ihren wichtigen Eigenschaften, Herstellungsverfahren und Anwendungen beschrieben.
5.1 Kohlenstoff
Kohlenstoff entdeckten die Menschen schon in vorgeschichtlicher Zeit und verwendeten ihn als Ruß und in Form kleiner Kohlestücke. Diamanten kannten die Chinesen schon um 2500 v. Chr., Holzkohle stellten schon die Römer durch Erhitzen von Holz in geschlossenen Tongefäßen her.
1772 zeigte Lavoisier, dass Diamant nur eine andere Modifikation des Kohlenstoffs ist, da weder Holzkohle noch Diamant Wasser als Verbrennungsprodukt liefern und beide dieselbe Menge an Kohlendioxid pro g freisetzen. 1779 wies Scheele nach, dass Grafit, den man bis dahin für eine Zustandsform des Bleis hielt, vielmehr identisch mit Holzkohle war und bei Oxidation mit Salpetersäure „Luftsäure“ gab (Alias für Kohlendioxid). Diese Resultate bestätigten 1786 Berthollet, Monge und Vandermonde. Erstmals führte Lavoisier Kohlenstoff als Element in seinem 1789 erschienenen Buch auf.
Fulleren ist eine weitere allotrope Modifikation des Kohlenstoffs, die 1985 von Curl, Kroto schiner und Smalley entdeckt wurde (Kroto et al. 1985). Weitere ungewöhnliche Modifikationen elementaren Kohlenstoffs wie Graphen und glasartiger Kohlenstoff kamen in den Folgejahren hinzu.
Der US-amerikanische Chemiker Robert Floyd Curl Jr. (* 23. August 1933 Alice, TX) ist mehrfacher emeritierter Professor. Zusammen mit Richard E. Smalley und Harold Krotoschiner erhielt er für die Entdeckung der Fullerene 1996 den Nobelpreis für Chemie und wurde 1997 in die National Academy of Sciences, 1998 in die American Academy of Arts and Sciences gewählt.
Curl promovierte 1957 an der Universität Berkeley, CA über spektroskopische und thermodynamische Eigenschaften von Molekülen (Shampo et al. 2010). Danach arbeitete er an der Harvard University über den Einsatz der Mikrowellenspektroskopie zum Studium der Rotationsbarriere von Molekülen und wechselte 1967 zur Houstoner Rice University, wo er zunächst mit ähnlichen Themen befasst war. 1985 wurde Curl, der unter Anderem mit Smalley zusammenarbeitete, von Krotoschiner (siehe unten) kontaktiert, der ursprünglich nur den von Smalley entwickelten Laserstrahler zur Entdeckung von Ketten aus Kohlenstoffatomen in Roten Riesen verwenden wollte. Bei den Untersuchungen fand man zwar auch die gewünschten Ketten von Kohlenstoffatomen, aber unerwarteterweise auch ein Molekül mit 60 C-Atomen, dessen Struktur innerhalb weniger Tage bestimmt wurde. Zunächst erhielt es den Namen Buckminsterfulleren nach dem amerikanischen Architekten Richard Buckminster Fuller (* 12. Juli 1895 Milton, MA; † 1. Juli 1983 Los Angeles, CA), der für seine geodäsischen Kuppeln bekannt war. Das Molekül lieferte im Massenspektrum nur einen Peak, war geometrisch geschlossen und zeigte keine verzerrten Bindungswinkel. Schon früher postulierten andere Forscher die Existenz eines derartigen Moleküls, und auch Curl et al. konnten die Bedeutung ihrer Entdeckung zunächst nicht einschätzen. Später kamen weitere, künstlich erzeugte endohedrale Fullerene hinzu (Curl 1997). Aktuell werden Fullerene als einer der Zugänge zur Chemie der Nanoteilchen gesehen.
Die Eltern des britischen Chemikers Sir Harold Walter Krotoschiner (abgek. Kroto) (* 7. Oktober 1939 Wisbech; † 30. April 2016 Lewes) flüchteten 1937 vor den Nationalsozialisten von Schlesien nach England. Er begann Ende der 1950er-Jahre sein Chemiestudium in Sheffield, erlangte 1961 den B. Sc. und promovierte 1964 über hochaufgelöste Elektronenspektren freier Radikale nach Fotolyse von Substanzen mittels Blitzlicht (Heath 2016). Später verfolgte er Themen wie Phosphaalkene und Kohlensuboxid, also ungewöhnliche Doppelbindungen enthaltende Moleküle. Bald nach seiner Promotion arbeitete er für den kanadischen National Research Council und bei den Bell Laboratories in den USA, kehrte aber 1967 an die Universität Sussex zurück, wurde dort 1985 Professor und trug von 1991–2001 den Titel des Royal Society Research Professor. Seine gemeinsam mit Curl und Smalley betriebene Arbeit zu Fullerenen wurde 1996 mit dem Nobelpreis für Chemie ausgezeichnet. Von 2004 an forschte Kroto auf dem Gebiet der Nanotechnologie an der Florida State University in Tallahassee. Er war seit 1990 Mitglied der Royal Society und von 2002 bis 2005 deren Präsident, wurde 1996 von der Queen geadelt und war Inhaber zahlreicher Ehrendoktorwürden in- und ausländischer Universitäten.
Der Werdegang des US-amerikanischen Chemikers Richard Errett Smalley (* 6. Juni 1943 Akron, OH; † 28. Oktober 2005 Houston, TX) verlief über viele Stationen. Zunächst studierte er Chemie an der University of Michigan, wo er 1965 mit dem B. Sc. abschloss. Von 1965–1969 arbeitete er in der Forschung des Unternehmens Shell und ging dann zur Princeton University, wo er 1971 seinen M. Sc. erwarb. Die Promotion dort erfolgte 1973. Danach wechselte er zum James Franck Institute der Universität von Chicago, wo er bis 1976 arbeitete. Danach kehrte Smalley schließlich nach Houston zurück und war ab 1976 Assistant Professor an der Rice University, dort von 1980 an Associate Professor und ab 1981 Professor für Chemie. Parallel hierzu lief von 1990 bis 2005 auch seine Professur für Physik. Zudem war er von 1996 bis 2001 auch Direktor des Rice Center for Nanoscale Science and Technology und von 2003 bis 2005 Leiter des Carbon Nanotechnology Laboratory der Rice University. Smalley erhielt zusammen mit Curl und Kroto den Nobelpreis für Chemie für die Entdeckung der Fullerene. Seit 1990 war Smalley Mitglied der National Academy of Sciences und seit 1986 Fellow der American Physical Society.
Der britisch-russische Physiker Sir Konstantin Novoselov (* 23. August 1974 Nischni Tagil) ist ein russisch-britischer Physiker. Er beendete 1997 sein Studium am Moskauer Institut für Physik und Technologie und forschte dann von 1997 bis 1999 am Institut für mikroelektronische Technologie in Tschernogolowka. 1999 wechselte er in die Niederlande, wo er von 1999 bis 2001 an der Universität von Nijmegen arbeitete, dort 2004 auch promovierte, jedoch von 2001 bis 2004 an der University of Manchester arbeitete. Zwischen 2007 und 2014 war er Royal Society Research Fellow. 2010 ernannte man ihn dort zum Professor; Novoselov führt dort seit 2013 den zusätzlichen Titel des Langworthy Professor of Physics und ist seit 2014 auch Royal Society Research Professor. Er forschte über die Messung der Magnetisierung von Supraleitern im Nanomaßstab (Geim et al. 2000; Novoselov et al. 2003) und über zweidimensionale Kristalle, deren bekanntester Vertreter das Graphen ist (Geim und Novoselov 2007; Novoselov et al. 2004, 2005, 2006, 2007; Meyer et al. 2007; Ponomarenko et al. 2008). Zusammen mit Geim erhielt er 2010 für diese Arbeiten den Nobelpreis für Physik. Novoselov ist Inhaber einiger weiterer Auszeichnungen und wurde 2012 von der Queen geadelt.
Der russlanddeutsch-britisch-niederländische Physiker Sir Andre Konstantin Geim (* 21. Oktober 1958 Sotschi, Sowjetunion) erhielt 2010 zusammen mit Konstantin Novoselov den Nobelpreis für Physik für seine Forschungen zu Graphen. Zusätzlich erkannte man ihm im Jahr 2000 den alternativen (Ig-) Nobelpreis für Versuche am „schwebenden Frosch“ zur diamagnetischen Schwebetechnik zu, die in der Präsentation des schwebenden Froschs mündeten (Berry und Geim 1997). Damit ist er der bislang Einzige, der zugleich Nobel- und Ig-Nobelpreisträger ist.
Geim wuchs die ersten sechs Jahre in Sotschi auf und besuchte danach in Naltschik (Kabardino-Balkarien/Kaukasus) die Schule. Nach deren Abschluss bewarb sich Geim um die Aufnahme in die Nationale Forschungsuniversität für Physik und Ingenieurwissenschaften in Moskau, bestand aber diese Prüfung und auch die 1975 angesetzte Wiederholungsprüfung trotz intensiver Vorbereitung nicht, vermutlich weil den Organisatoren seine jüdische Herkunft bekannt war. Danach bewarb er sich am Moskauer Institut für Physik und Technologie und bestand die dort abgehaltene Aufnahmeprüfung.
Geim schloss sein Studium 1982 ab, wurde 1987 Kandidat der Wissenschaften am Institut für Festkörperphysik der Russischen Akademie der Wissenschaften in Tschernogolowka. Geim ging 1990 an die University of Nottingham und im Rahmen seines Postdoc-Projektes an mehrere weitere Universitäten, bevor er 1994 zur Universität Nijmegen wechselte. Geim nahm 2001 den Ruf der University of Manchester an und ist dort zur Zeit Leiter des Manchester Centre for Mesoscience and Nanotechnology and Chair of Condensed Matter Physics. 2004 stellte er erstmalig zweidimensionale Kristalle aus Kohlenstoffatomen her (Graphen) (Novoselov et al. 2004). In der Welt der Physik gehört Geim zu den meistgelesenen und -zitierten Autoren. Die Queen erhob ihn 2012 in den Adelsstand.
Kohlenstoff kommt in der Natur sowohl elementar (Diamant, Grafit) als auch chemisch gebunden (z. B. als Carbonat, Kohlendioxid, Erdöl, Erdgas und Kohle) vor und zeigt von allen Elementen das größte Spektrum an Verbindungen, die unter anderem auch die Grundlage allen Lebens darstellen. Dem Massenanteil nach ist Kohlenstoff das wichtigste Element.
Aus geologischer Sicht liegen die bedeutendsten Lagerstätten für Diamant in Afrika (Südafrika, Kongo) und Russland, wo er in Minen abgebaut wird. Seltener findet man ihn in Vulkangestein eingelagert.
Reiner Grafit findet sich oft zusammen mit Quarz oder Feldspat, gelegentlich auch eingebettet in Sand- oder Kalkstein. Größere Vorkommen befinden sich in Indien, Brasilien, China und Nordkorea, oft in Dicken von mehr als einem Meter. Grafit gewinnt man heute meist durch Mahlen des umgebenden Gesteins und Flotieren des leichteren Grafits mit Wasser. Grafit kommt amorph, in Schuppen sowie in Stücken oder Adern vor.
Amorpher Grafit tritt am häufigsten auf (China, Europa, Mexiko, USA) und erzielt nur niedrige Preise. Schuppenförmiger Grafit, den man z. B. in Österreich, Brasilien, Kanada, China, Deutschland und Madagaskar findet, ist seltener und bis zu vier Mal teurer, man setzt ihn auch in Flammschutzmitteln ein. Der wertvollste ist der in Form von Stücken oder Adern vorkommende, da er die höchste Reinheit und die besten Eigenschaften besitzt; er wird aktuell aber nur auf Sri Lanka abgebaut.
Im Jahr 2010 wurden 1,1 Mio. t Grafit weltweit gefördert, davon entfielen 800.000 t auf China, 130.000 t auf Indien, 76.000 t auf Brasilien, 30.000 t auf Nordkorea und 25.000 t auf Kanada. In den USA stellte man 2009 118.000 t synthetischen Grafit eines Verkaufswertes von ca. $ 1 Mrd. her.
In riesigen Mengen vorhanden sind die fossilen Rohstoffe Kohle, Erdöl und Erdgas, die aber nur Gemische diverser organischer Verbindungen sind. Sie entstanden durch Einwirken hoher Drücke auf pflanzliche und tierische Überreste. In Europa existieren ausgedehnte Lagerstätten im Ruhrgebiet, in Oberschlesien und in den Ardennen, weitere in den USA, China und Russland. Große Vorkommen an Erdöl befinden sich auf der Arabischen Halbinsel, in Nordafrika und unter dem Golf von Mexiko, für Erdgas in der Nordsee und in Sibirien.
Viele Gebirge sind auf Carbonaten aufgebaut, so z. B. die Alpen, die Pyrenäen, die Rocky Mountains und die Anden. Typische Vertreter sind Calciumcarbonat (CaCO3, als Kalkstein, Kreide und Marmor), Calcium-Magnesium-Carbonat (Dolomit, CaCO3 ⋅ MgCO3), Eisen-II-carbonat (FeCO3, Eisenspat) und Zinkcarbonat (ZnCO3, Zinkspat).
Diamant Nur wenige Branchen sind am Handel mit Diamanten beteiligt, für den auf der Welt auch nur vereinzelte Lagerstätten bestehen. Nur ein kleiner Teil des diamantführenden Erzes besteht wirklich aus Diamanten. Das Erz wird abgebaut und sorgfältig zerkleinert, damit größere Diamanten nicht zerstört werden. Danach sortiert man nach Dichte, unterstützt durch Röntgenfluoreszenzspektroskopie, die das Sortieren per Hand erlaubt. Früher lief das zerkleinerte Gestein auf mit Fett bestrichenen Förderbändern, da Diamanten stärker als andere Bestandteile des Erzes auf Fett haften (Harlow 1998).
In den USA fand man Diamanten in Montana, Colorado und Arkansas (Janse 2007; Lorenz 2007). Heutzutage befinden sich die erfolgversprechendsten Lagerstätten in Russland, Botswana, Australien und der Demokratischen Republik Kongo. Russland steuerte 2005 ca. 20 % zur weltweiten Jahresförderung bei, Australien erzeugte in den 1990er-Jahren rund 40 t/a.
Diamant Im Atomgitter des Diamants weist von jedem Kohlenstoffatom ausgehend ein sp3-Orbital jeweils in die Ecke eines virtuellen Tetraeders. Die Substanz ist ein elektrischer Isolator mit der großen indirekten Bandlücke von 5,45 eV, der sichtbares Licht nicht absorbiert. Zugaben von Fremdatomen verändern die elektrischen und optischen Eigenschaften. So beruht der in einigen Diamanten vorhandene gelbe Farbton auf der Anwesenheit von Stickstoffatomen. Bläulich erscheinen die mit Boratomen dotierten Diamanten, die die Eigenschaften eines Halbleiters aufweisen (Collins 1993).
Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Kohlenstoff
Symbol: |
C |
|
|
Ordnungszahl: |
6 | ||
CAS-Nr.: |
7440-44-0 | ||
Aussehen: |
Schwarz (Grafit) Farblos (Diamant) Gelbbraun (Lonsdaleit) |
Grafit, Pulver (Sicius 2015) |
Diamant, Koh-I-Noor (Diamant-Kontor 2015) |
Entdecker, Jahr |
Grafit/Kohle: prähistorisch Diamant: China, 2500 v. Chr. | ||
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] |
Halbwertszeit (a) |
Zerfallsart, -produkt | |
126C (98,9) |
Stabil |
---- | |
136C (1,1) |
Stabil |
---- | |
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): |
870 | ||
Atommasse (u): |
12,011 | ||
Elektronegativität (Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken) |
2,55 ♦ K. A. ♦ K. A. | ||
Atomradius (pm): |
70 | ||
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): |
170 | ||
Kovalenter Radius (pm): |
76 | ||
Elektronenkonfiguration: |
[He] 2s22p2 | ||
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte ♦ vierte: |
1087 ♦ 2353 ♦ 4621 ♦ 6223 | ||
Magnetische Volumensuszeptibilität: |
Grafit: −4,5 ⋅ 10−4 Diamant: −2,2 ⋅ 10−5 | ||
Magnetismus: |
Diamagnetisch | ||
Kristallsystem: |
Grafit: Hexagonal Diamant: Kubisch-flächenzentriert | ||
Elektrische Leitfähigkeit ([A/V ∙ m)], bei 300 K): |
1,276 ⋅ 105 (Grafit) | ||
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): |
Diamant: 1050 ♦ 442 ♦ 478 | ||
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): |
Keine Angabe | ||
Mohs-Härte |
Grafit: 1–2 Diamant: 10 | ||
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 300,15 K): |
Diamant: 18.350 | ||
Dichte (kg/m3, bei 273,15 K) |
Grafit: 2,26 Diamant: 3,51 | ||
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): |
Grafit: 5,31 ⋅ 10−6 Diamant: 3,42 ⋅ 10−6 | ||
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m ∙ K)]): |
Grafit: 119–165 Diamant: 900–2300 | ||
Spezifische Wärme ([J/(mol ∙ K)]): |
Grafit: 8,517 Diamant: 6,155 | ||
Sublimationspunkt (°C ♦ K): |
3642 ♦ 3915 | ||
Sublimationswärme (kJ/mol): |
715 |
Bis zu Temperaturen von 4000 K ist Grafit thermodynamisch stabiler als Diamant, der als metastabiler Stoff bei Raumtemperatur nur deshalb „überlebt“, weil die Aktivierungsenergie für die Umwandlung zu Grafit bis hinauf zu Temperaturen von ca. 400 °C sehr hoch ist. Umgekehrt sind für den Übergang von Grafit zu Diamant extrem hohe Drücke und Temperaturen erforderlich (z. B. 1500 °C und ca. 6 GPa, Zazula 1997).
Kohlenstoff hat die höchste Stabilität aller Materialien gegenüber extremen Temperaturen. Er sublimiert bei Normaldruck bei 3642 °C, ohne zuvor an Festigkeit zu verlieren (s. Tab. 1).
Lonsdaleit Diese „hexagonale“ Modifikation des Diamanten kann man nur durch Einwirkung eines Druck- und Temperaturschocks auf Grafit erzeugen. Die hexagonale Struktur des Grafitgitters bleibt so erhalten, jedes Kohlenstoffatom ist aber an vier weitere, ebenso wie im Diamantgitter, kovalent gebunden (Clifford und Marvin 1967). Auf ähnliche Weise erzeugter polykristalliner Diamant wird von Irifune et al. (2003) beschrieben.
Die bekanntesten und auch beständigsten Vertreter der Fullerene besitzen die Summenformeln C60, C70, C76, C80, C82, C84, C86, C90 und C94. Das mit Abstand am besten erforschte Fulleren ist C60, das zu Ehren des Architekten Richard Buckminster Fuller Buckminster-Fulleren (auf Englisch auch buckyball) genannt wurde, da es den von ihm konstruierten Kuppeln ähnelt. Es besteht aus 12 Fünf- und 20 Sechsecken, die zusammen ein Abgestumpftes Ikosaeder (Archimedischer Körper) bilden. Da ein klassischer Fußball dieselbe Struktur hat, wird es auch Fußballmolekül (Footballen) genannt.
Erstmals in Spuren erzeugt wurde C60 zwar 1984 von Rohlfing, Cox und Kaldor, nur deuteten die Autoren in ihrer Publikation das Ergebnis ihrer Versuche falsch und erkannten nicht die besondere Struktur dieses C60-Clusters. Ein Jahr später ergab die Auswertung eines ähnlichen Versuchs durch Kroto, Heath, O’Brien, Curl und Smalley aber das heute gültige Ergebnis. Die Forscher postulierten für diesen Cluster die Form eines Fußballs, ohne aber die Struktur damals schon beweisen zu können.
Curl et al. leiteten auf eine sich unter Vakuum drehende Grafitscheibe Helium in Form eines Stoßdrucks und regten gleichzeitig deren Oberfläche mit Laserlicht einer Wellenlänge von 532 nm während einer Zeit von 5 ns an. Diese pro Zeiteinheit sehr hohe Energiezufuhr riss spontan Kohlenstoffatome von der Oberfläche des Grafits, die sich im kühlenden Gasstrom zu Clustern zusammenschlossen und durch das strömende Gas aus der Reaktionskammer entfernt wurden. Unter den erzeugten Molekülen waren auch die der Fullerene, nur war die Ausbeute an C60 so gering, dass keine weiteren Untersuchungen zur Struktur gemacht werden konnten.
1988 untersuchten Krätschmer und Wagner Ruß UV- und IR-spektroskopisch. Die Spektren zeigten Absorptionslinien, die sich einem C60-Molekül zuordnen ließen (Krätschmer und Wagner 1989). Die für die Durchführung der Versuche benötigte Menge an C60-Ruß stellte Wagner durch Verdampfung von Grafit unter reduziertem Argondruck her.
Fostiropoulos et al. entwickelten 1989 dieses Verfahren weiter und ermöglichten so die Herstellung des C60-Fullerens im Labormaßstab. Der Nachweis der Struktur des Moleküls mittels NMR-Spektroskopie war aber erst nach Austausch aller 126C- durch 136C-Atome möglich. Weitere Verbesserungen dieses so genannten Heidelberger Verfahrens führten dazu, dass die Produktion dieses Fullerens heutzutage industriell möglich ist. Dazu verdampft man zwei Grafitelektroden unter reduziertem Argon- oder Heliumdruck mittels Widerstandsheizung oder im elektrischen Lichtbogen. Der Dampf kondensiert in der kühlenden Gasatmosphäre; der aufsteigende Ruß enthält bis zu 15 % Fullerene. Diese kann man durch Aufheizen verdampfen oder mit Hilfe von Lösungsmitteln wie Benzol oder Toluol etwa im Soxhlet-Extraktor herauslösen (Krätschmer et al. 1990; Fostiropoulos 1992). Das hier beschriebene Verfahren liefert eine Mischung aus 90 % C60 und 10 % C70 (Dettmann 2014; Hirsch und Brettreich 2005; Mateo-Alonso et al. 2007; Strey 2009).
Weitere Modifikationen Im amorphen Kohlenstoff sind die Atome ordnungslos in stark schwankendem Verhältnis der Hybridisierungsanteile verbunden. Hinsichtlich seiner Eigenschaften liegt zwischen Grafit und Diamant. Hergestellt wird er durch Mischen geeigneter Anteile der oben genannten Modifikationen im Nanobereich. Er ist Grundlage von Beschichtungen, die die Lebensdauer der beschichteten Teile stark erhöhen. Beispielsweise bewirkt eine auf rostfreien Stahl aufgebrachte, 2 μm dicke Schicht eine Erhöhung der Lebensdauer von einer Woche bis zu 85 a (!), dies unter ansonsten gleichen Rahmenbedingungen („Diamond like Coating/Carbon“).
Graphen ist eine Graphit-Basalebene mit sp2-hybridisierten Kohlenstoffatomen. Man erhält diese extrem dünnen Schichten durch chemisches Spalten von Grafit. Eingebettet in Kunststoffe ist Graphen als Ausgangsstoff für neue Verbundwerkstoffe oder für Untersuchungen zweidimensionaler Kristalle geeignet, außerdem wird an Anwendungen in der Elektronik geforscht.
Diese einlagigen Schichten von Kohlenstoffatomen, Graphene, sollten unendlich ausgedehnte und überall flache, ausschließlich zweidimensionale Strukturen haben. Dies widerspricht aber dem Mermin-Wagner-Hohenberg-Theorem, das allgemein besagt, dass in ein- und zweidimensionalen Systemen bei Temperaturen oberhalb des absoluten Nullpunkts für kontinuierlich symmetrische Systeme mit genügend kurzreichweitigen Wechselwirkungen keine spontane Symmetriebrechung möglich, also keine Ordnung gegeben ist. Also sollte dies das Nichtvorhandensein eines Ferromagnetismus, Antiferromagnetismus oder von Kristallstrukturen (Wagner 1966; Mermin und Wagner 1966; Hohenberg 1966; Mermin 1968; Coleman 1973) einschließen.
Daher überraschte es die Fachwelt, als Novoselov et al. 2004 die Darstellung freier, einschichtiger Graphenkristalle bekannt gaben (Novoselov et al. 2004). Deren unerwartete Stabilität ist möglicherweise durch das Vorlegen eines metastabilen Zustands oder durch Bildung einer leicht gewellten, also nicht exakt linearen Schicht des Graphens erklärbar (Novoselov et al. 2005a, b; Meyer et al. 2007).
Graphen ist strukturell eng mit Grafit verwandt, da das Stapeln dieser einlagigen Schichten zum Grafitgitter führt (Wallace 1947). Das Aufrollen dieser einlagigen Schichten ergibt gestreckte Kohlenstoff-Nanoröhren (Iijima 1991). Ersetzte man einige der Sechser- durch Fünferringe, wölbte sich die zuvor ebene Fläche zu einer Kugeloberfläche; so könnte eine definierte Zahl von Kohlenstoffatomen theoretisch ein Fullerenmolekül ausbilden (Dresselhaus et al. 1992). Das homologe Silicen etwa liegt in Form leicht gewellter, einlagiger, aus Siliciumatomen bestehenden Schichten vor (Vogt et al. 2012).
Graphen ist ein Halbleiter mit verschwindender Bandlücke und sehr beweglichen Ladungsträgern. Das Material besitzt hervorragende mechanische Eigenschaften wie eine sehr hohe Reißfestigkeit (Lee et al. 2008). Graphen kann man mit Stickstoff-, Kohlenstoff oder Thionylchlorid/Amin funktionalisieren, um nur einige wenige Beispiele zu nennen (Eigler und Hirsch 2014). Einsatzgebiete sind nanostrukturierte elektronische Bauteile, chemische Sensoren, Trägermaterialien für Katalysatoren, in Lithiumionen-Batterien, in Elektroden für Brennstoffzellen und auch in mechanisch verstärkten Verbundmaterialien (Popular Mechanics 2015).
Versuche zur Herstellung von „Grafitsäure“ begannen Mitte des 19. Jahrhunderts (Brodie 1855; Staudenmaier 1898; Charpy 1909; Hofmann und Frenzel 1930). Erst später erkannte man die mögliche Exfoliation von Grafitoxid zu Graphenoxid. Die immer noch am meisten verbreitete Methode zur Herstellung des Grafitoxids entwickelten Hummers und Offeman (1958), da diese einfach durchzuführen ist und relativ ungefährliche Chemikalien verwendet werden (Boehm und Scholz 1965). In Abhängigkeit von der zur Darstellung verwendeten Methode schwankt die Ausbeute, die Funktionalisierung und die Zahl der eingeführten Lochdefekte (Feicht et al. 2017). Zunächst dispergiert man fein gemahlenen Grafit in einer hoch konzentrierten und oxidierend wirkenden Säure wie Schwefel-, Salpeter-, Phosphorsäure oder deren Mischungen. Danach fügt man unter ständigem Rühren in der Kälte ein weiteres Oxidationsmittel zu (z. B. KMnO4, KClO3, Peroxodisulfat) (Hofmann und König 1937).
Das Oxidationsmittel kann die einzelnen Graphenschichten maximal bis zum einem Ladungsgrad von C30+ oxidieren, dabei interkalieren die Säureanionen zwischen die Lagen des Graphens im Grafitgitter (Rüdorff und Hofmann 1938; Seiler et al. 2018). Damit vergrößert sich der Abstand der Schichten deutlich von 0,33 nm auf 0,9 nm (Dreyer et al. 2009; Eigler 2015; Dimiev und Tour 2014). Nachdem durch folgende Aufarbeitung in wässriger Phase Grafitoxid resultiert, kann man dieses in neutraler oder alkalischer, wässriger Phase zu Graphenoxid delaminieren. Unterstützen kann man diesen langsam ablaufenden Prozess durch mechanische Behandlung wie Ultraschall oder in Kugelmühlen. Das Endprodukt ist nach Endreinigung eine goldgelbe Dispersion von Graphenoxid in Wasser; das getrocknete Produkt ist goldbraun (Eigler et al. 2013). Graphenoxid besitzt nur eine geringe Stabilität gegenüber erhöhten Temperaturen und zersetzt sich schon bei ca. 100 °C zu Graphen und CO/CO2 mit einer hohen Anzahl von Lochdefekten.
Carbon nanobuds stehen hinsichtlich ihrer Struktur und ihrer Eigenschaften zwischen Kohlenstoffnanoröhren und Fullerenen (Nasibulin et al. 2007).
Kohlenstoff-Nanoschaum ist ein Aerogel, eine ungeordnete, netzartige Anordnung von Grafitebenen. Strukturell ähnelt er Glaskohlenstoff, nur sind die Hohlräume mit 6–9 nm wesentlich größer. Dieses Allotrop des Kohlenstoffs wurde 1997 von Rode et al. durch Ablation von Grafit mittels eines Hochfrequenz-Laserstrahls unter Inertgas erhalten (Rode et al. 1999, 2000). Das die Probe umgebende, atomisierten Kohlenstoff enthaltende Gas wird stark erhitzt. Im heißen Gas laufen die Syntheseschritte weiter, sodass von vornherein auch sp2-Bindungen und unter diesen Bedingungen Kohlenstoff-Cluster entstehen, die ein loses dreidimensionales Netz bilden. Diese Cluster sind über sp3-hybridisierte Kohlenstoffatome verbunden; jene machen 15 bis 45 % aller Kohlenstoffatome aus. Das Material ist sehr hell und mit einer Dichte von ca. 0,2 g/cm3 bis herunter zu 0,002 g/cm3 extrem leicht (Zani et al. 2013). In der Molekülstruktur findet man neben Sechsringen aus Kohlenstoffatomen auch Siebenringe; im Unterschied hierzu liegen im Buckminsterfulleren eingelagerte Fünfringe vor.
Kohlenstoff-Nanoschaum leitet den elektrischen Strom trotz des Vorliegens vieler ungepaarter Elektronen nur schlecht, ist aber ferromagnetisch (!) und kann unterhalb einer Temperatur von −183 °C selbst magnetisiert werden (Rode et al. 2004). Nach seiner Synthese behält Kohlenstoff-Nanoschaum den Ferromagnetismus größtenteils bei. Gleichzeitig hat er mit 300–400 m2/g eine sehr hohe spezifische Oberfläche, die an die von Zeolithen heranreicht. Eine potenzielle Anwendung ist die Speicherung von Wasserstoffgas (Blinc et al. 2007). Kohlenstoff-Aerogel dagegen besteht aus agglomerierten Nanopartikeln (Rode et al. 1999).
Aktivkohle stellt man aus pflanzlichen, petrochemischen, mineralischen oder tierischen Stoffen wie Holz, Torf, Nussschalen, Kohle oder aber Kunststoffen her. Tierkohle ist aus tierischem Blut oder Knochen erzeugte Kohle. Herstellung und Aktivierung erfolgen nach zwei möglichen Verfahren, der Gasaktivierung und der chemischen Aktivierung.
Bei erstgenannter setzt man schon verkohltes Material bei ca. 900 °C mit einem aus Luft, Wasserdampf und Kohlendioxid bestehenden Gasgemisch um; es entsteht poröse Hochaktivkohle. Bei letzterer behandelt man unverkohltes Material mit entwässernden Chemikalien (Zinkchlorid, Phosphorsäure) bei 500–900 °C. Die dabei resultierende rohe Aktivkohle aktiviert man dann bei 700–1000 °C im gleichen Gasgemisch wie oben beschrieben. Aktivkohle besitzt eine extrem große innere Oberfläche und filtert gelöste Stoffe geringer Konzentration aus Flüssigkeiten oder absorbiert Gase.
Ruß ist Kohlenstoff auf Grundlage von Grafit. Je reiner er ist, desto stärker bilden sich die Eigenschaften des Grafits heraus.
Kohlenstoff geht nach Wasserstoff die größte Vielzahl chemischer Verbindungen ein. Kohlenstoffatome können Ketten und Ringe mit ihresgleichen sowie Einfach-, Doppel- und Dreifachbindungen bilden, dies mit Atomen sehr vieler Elemente. Die organische Chemie umfasst alle Kohlenstoffverbindungen mit Ausnahme der untengenannten und soll hier nicht weiter behandelt werden.
Verbindungen mit Wasserstoff/Organische Verbindungen Der Vollständigkeit halber sei die Verbindung mit dem am einfachsten aufgebauten Molekül der organischen Chemie genannt, das Methan (CH4). Es ist ein farb- und geruchloses, brennbares Gas vom Kondensationspunkt −162 °C. Es ist Hauptbestandteil des Erdgases und bewirkt einen starken Treibhauseffekt, darüber hinaus enthält die Atmosphäre der sonnenfernen Gasplaneten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun große Mengen gasförmigen, flüssigen oder sogar festen Methans (Schmelzpunkt: −182 °C). Jährlich werden auf der Erde ca. 600 Mio. t (!) des Gases freigesetzt, davon sind zwei Drittel anthropogen. Landwirtschaft, vor allem Reisanbau, und Rinderhaltung alleine sind für fast 60 % der Emissionen verantwortlich. Die Verweildauer des Methans in der Atmosphäre beträgt 10 a, was für einen merklichen Treibhauseffekt sorgen kann.
Chalkogenverbindungen Kohlendioxid (CO2) wird durch Verbrennen von Kohle, Öl und Erdgas sowie bei der Ausatmung der meisten Organismen in großen Mengen emittiert und hat einen starken und lang andauernden Treibhauseffekt. Es wird zwar von den Pflanzen wieder bei der Fotosynthese assimiliert, durch die großen weltweit erfolgenden Abholzungen sinkt aber die Aufnahmekapazität der Flora. Daher ist der Anteil des Kohlendioxids in der Atmosphäre seit den 1960er-Jahren mittlerweile von 0,03 % auf ca. 0,04 % angestiegen. Kohlendioxid erstarrt und sublimiert direkt bei einer Temperatur von −78 °C; man verwendet es dann als Kältemittel (Trockeneis).
Kohlendioxid ist das Anhydrid der Kohlensäure (H2CO3), deren Salze die Carbonate [z. B. Soda (Na2CO3) oder das die meisten Gebirge aufbauende Calciumcarbonat (CaCO3)] und Hydrogencarbonate (z. B. Natron, NaHCO3)] sind. Kohlensäure ist eine schwache Säure und zersetzt sich leicht zu Kohlendioxid und Wasser.
Kohlenmonoxid (CO) ist ein farbloses, giftiges Gas, das bei −205 °C bzw. −191 °C schmilzt bzw. siedet. Es blockiert die Aufnahme von Sauerstoff an den Farbstoff der roten Blutkörperchen. Es ist ein starkes Reduktionsmittel und wird hierfür in vielen industriellen Synthesen eingesetzt.
Carbonylsulfid ist das vorherrschende schwefelhaltige Gas in der Atmosphäre. Es wird in der Troposphäre nicht abgebaut und gelangt somit in die Stratosphäre. Dort tritt Umwandlung zu Sulfataerosolen ein, die das Sonnenlicht in den Weltraum reflektieren und so zur Kühlung der Erde beitragen. Man nutzt es zur Bekämpfung von Nagetieren in Containern und in der Synthese organischer Thioverbindungen.
Kohlenstoffdisulfid (Schwefelkohlenstoff, CS2) ist eine giftige, hochentzündliche und leichtflüchtige farblose Flüssigkeit (Siedepunkt: 46 °C, Schmelzpunkt: −112 °C, Dichte (20 °C): 1,26 g/cm3, Brechungsindex (n20D): 1,632). Im reinen Zustand duftet sie wie Ether, meist ist sie aber infolge geringer Anteile von Verunreinigungen übelriechend. Die Verbindung löst Iod, Schwefel, Selen, weißen Phosphor sowie Fette und leitet den Strom gut. Da das Molekül frei von Wasserstoff- oder Halogenatomen ist, dient es als Lösungsmittel in der IR-Spektroskopie. Heute erzeugt man Kohlenstoffdisulfid aus rohem Erdgas (oder Methan) und Schwefel bei Temperaturen um 600 °C in Gegenwart von Katalysatoren.
Man stellt mittels Kohlenstoffdisulfid Zellstoffasern aus Cellulose her. Jene setzt man zunächst mit Natronlauge zu Alkalicellulose um, die dann mit Kohlenstoffdisulfid zu Xanthogenat weiterverarbeitet wird. Diese alkalische Lösung (Viskose) verspinnt man in schwefelsauren Bädern zu Regeneratcellulose. Die gelben Kupferxanthogenate setzt man zur Bekämpfung von Schädlingen ein.
Halogenverbindungen Von der riesigen Zahl an Kohlenstoff-Halogen-Verbindungen seien hier nur Tetrachlorkohlenstoff (Tetrachlormethan, CCl4), Chloroform (CHCl3) und Iodoform (CHI3) erwähnt. Tetrachlormethan gewinnt man industriell als Nebenprodukt der Herstellung von Chloroform. Chlor erhitzt man mit Methan auf Temperaturen von ca. 450 °C, wobei stufenweise alle Wasserstoff- durch Chloratome ersetzt werden. Tetrachlormethan ist eine farblose, süßlich riechende, nicht brennbare, giftige Flüssigkeit, die bei −23 °C erstarrt und bei 76,7 °C siedet. Es löst Fette, Öle und Harze, ist aber mit Wasser nicht mischbar und hydrolysiert in diesem, im Gegensatz zu den Tetrachloriden des Siliciums, Germaniums und Zinns, nicht.
Chloroform ist eine farblose Flüssigkeit mit süßlichem Geruch, die ebenfalls aus Methan und Chlor hergestellt wird. Sie siedet bei 61 °C und war das erste Anästhetikum, das man ab etwa 1850 einsetzte. Da man später feststellte, dass es toxisch auf innere Organe wirkt, wurde es durch andere Betäubungsmittel verdrängt.
Iodoform wird aus alkalischer wässriger Ethanollösung und Iod oder aber durch Elektrolyse einer warmen ethanolisch-wässrigen Lösung von Kaliumiodid erzeugt. Es bildet gelbe Kristalle, die bei einer Temperatur von 123 °C schmelzen. Man setzt es noch oft als Desinfektionsmittel in der Zahnmedizin ein.
- (I)
2 AgCN → (CN)2 ↑ + 2 Ag
- (II)
4 KCN + 2 CuSO4 → (CN)2 ↑ + 2 K2SO4 + 2 CuCN↓
Das farblose, giftige, stechend-süßlich riechende Gas kondensiert bei −21 °C; die Flüssigkeit erstarrt bei −29 °C. Es verbrennt mit sehr heißer, rot-violetter Flamme. Dicyan verhält sich in chemischer Hinsicht ähnlich wie ein Halogen und zählt daher zur Gruppe der Pseudohalogene, wie beispielsweise auch Thiocyanogen (Dirhodan). Im linearen Molekül ist die C–C-Bindung die stärkste bisher bekannte Einfachbindung zwischen zwei Kohlenstoffatomen; die Dissoziationsenergie beträgt 603 kJ/mol (Dean 1999, S. 443). Die Verbindung ist nur wenig in Wasser löslich und erleidet dabei Disproportionierung zu Cyanwasserstoff und Cyansäure. Unter dem Einfluss von Sonnenlicht polymerisiert es zu Paracyan [(CN)2] (Krüger 2007, S. 27).
Lässt man Dicyan bei sehr hohen Temperaturen auf Grafit einwirken, so bilden sich Dicyanopolyine (NC – Cn – CN; n = 3–8), deren Moleküle stabförmig sind und am Ende der Kette Cyanogruppen tragen (Steudel 2013, S. 279; Grösser und Hirsch 1993).
Theoretische Vorhersagen bezüglich eines Kohlenstoffnitrids (C3N4) kursieren in der Literatur schon lange. 1984 bzw. 1989 sagten Sung et al. bzw. Cohen et al. voraus, dass ein hypothetisches, kristallines C3N4 eine extrem große Härte haben sollte, die noch diejenige des Diamants überträfe. Ebenso existieren diverse Modelle, wie die Struktur eines solchen Feststoffs beschaffen sollte (Schmidt 2009). Ein von diversen Universitäten gestelltes, internationales Forscherteam synthetisierte 2014 erstmals triazinbasiertes grafitisches Kohlenstoffnitrid (g-C3N4), das eine strukturelle Ähnlichkeit zum Molekül des Graphens hat, in Form leicht geweillter atomarer Ebenen vorliegt, im Gegensatz zu Graphen ein Halbleiter mit einer Bandlücke von 1,6–2 eV ist und im Molekülgitter Triazin-Sechsringe [C(R)3N3] enthält (Cooper et al. 2014; Zheng et al. 2015). Dieses Material könnte, wenn es wirtschaftlich herstellbar wäre, ein beständiger, preiswerter Photokatalysator, etwa für Solarzellen, sein und Silicium nachfolgen.
Charakterisiert sind aber die zu Si3N4 strukturanalogen Kohlenstoffnitride α−C3N4 und β− C3N4, in deren Gittern die Kohlenstoff- tetraedrisch von Stickstoffatomen umgeben sind, und diese Tetraeder kantenverknüpft vorliegen. Die pseudo-kubische α-Form hat eine defekte Zinkblende-Struktur, die dem α−CdIn2Se4-Typ entspricht. Erst kürzlich gelang die Herstellung des superharten β–C3N4, indem hochreiner Grafit in einer Kugelmühle unter Argon zu amorpher Nanoteilchengröße gemahlen wurde. Dann ersetzte man Argon durch Ammoniak, das dann bei fortgesetztem Mahlen zu nanogroßen Partikeln von β–C3N4 reagiert. Hoher Druck und intensive Bewegung der Reaktionsmischung fördert die Spaltung der NH3-Moleküle unter Anderem zu atomarem Stickstoff, der unter den herrschenden Bedingungen an der Oberfläche der Grafit-Nanoteilchen zu β–C3N4 reagiert. Dieses weist mit 496 GPa das höchste Kompressionsmodul aller Kohlenstoffnitride auf und übertrifft darin sogar Diamant etwas. Es hat dieselbe Kristallstruktur wie β−Si3N4, also eine hexagonale Struktur (Yin et al. 2003a, b; Horvath-Bordon 2004).
Werden in Fulleren-Molekülen die Kohlenstoff- durch Stickstoffatome ersetzt, so entstehen Azafullerene. In den Molekülen der Cyanofullerene [zum Beispiel das C60(CN)2n, n = 1–9] sind Cyanogruppen an das Fullerengerüst gebunden (Sheka 2011, S. 116).
Verbindungen mit Metallen und Halbmetallen Das Kohlenstoffatom ist bei Carbiden der elektronegativere Bindungspartner. Viele Metalle bilden Carbide; diese sind teils sehr hart; daher setzt man sie in Schneidwerkzeugen (z. B. Wolfram-, Tantal- oder Titancarbid) ein. Aus Calciumcarbid (CaC2) kann man durch Zugabe von Wasser Acetylen (Ethin, C2H2) herstellen.
Die Hauptanwendung des Kohlenstoffs und seiner Verbindungen, abgesehen von Lebensmitteln und Forstwirtschaft, ist die der Kohlenwasserstoffe, meist in Form von Erdgas und Rohöl. Aus letzterem erzeugt man in Raffinerien durch fraktionierte Destillation Benzin, Kerosin und Dieselöl, ferner aus dem Rückstand Paraffinöl und Wachse. Holz, Kohle und Öl nutzt man in riesigen Mengen als Energiequelle und zum Heizen.
Fast alle Kunststoffe haben ihren Ursprung in der Erdölchemie. Durch thermische Zersetzung synthetisch erzeugter Polyesterfasern erzeugt man Carbonfasern. Jene setzt man zur Verstärkung von Bauteilen aus Kunststoff oder aber in innovativen Leichtbaustoffen ein. Zersetzt man im besonderen Polyacrylnitril (PAN), so erhält man grafitähnliche Fasern, die durch Wärmebehandlung ihre Struktur so ändern, dass man das Material aufrollen kann. Resultat sind Fasern mit einer Reißfestigkeit, die höher als die von Stahl ist (Cantwell und Morton 1991).
Der Naturstoff Cellulose, ein polymerer Zucker, wird von Pflanzen in Form von Holz, Baumwolle und Leinen produziert. Kohlenstoffhaltige Polymere tierischer Herkunft sind Wolle, Kaschmir und Seide.
Elementarer Kohlenstoff besitzt außerordentlich viele Anwendungen. Er kann mit Metallen legiert werden, Grafit setzt man, gemischt mit Ton, in Bleistiftminen ein, außerdem als Schmiermittel, als Farbpigment, als Elektrodenmaterial, in Kohlebürsten für Elektromotoren und als Neutronenmoderator in Kernreaktoren.
Kohle verwendet man oft in großindustriellen Reduktionsprozessen, z. B. in Hochöfen zur Gewinnung flüssigen Stahls. Diesen kann man dadurch noch härten, indem man frisch gegossenen und gerade erstarrten Stahl in Kohlepulver erhitzt. Silicium-, Bor-, Wolfram- und Titancarbid gehören zu den härtesten Werkstoffen und werden als Schleif- und Schneidemittel verwendet.
Holzkohle dient zum Grillen, ebenfalls als Zeichenmaterial in der Malerei.
Aktivkohle ist das Schwarzpigment unter anderem in Druckertinte, in Künstler- und Wasserfarben, in Kohlepapier, Autolacken sowie Tonern für Laserdrucker. Man benutzt sie auch als Füller in Kautschukprodukten wie Autoreifen. Aktivierte Aktivkohle dient als hoch wirksames Adsorbens zur Reinigung von Wasser, in Gasmasken und in der Medizin.
Diamant in Edelsteinqualität verwendet man zur Herstellung von Schmuck, Industriediamanten zum Schleifen, Bohren und Polieren von Stein und Metallen. Beide Märkte unterscheiden sich voneinander fundamental. Schmuckdiamanten werden im Gegensatz zu Edelmetallen und Industriediamanten nicht als Massenware gehandelt. Bei industriell eingesetzten Diamanten ist nur die Härte und Wärmeleitfähigkeit wichtig, schmuckspezifische Eigenschaften nicht, und sie werden sowohl als Abfall im Diamantbergbau als auch synthetisch gewonnen. Die 2014 weltweit produzierte Menge an Diamanten betrug ca. 130 Mio. Karat (Olson 2015).
Industriediamanten sind meist klein und werden meist in große Sägeblätter, Bohrköpfe oder als Pulver in Poliermassen eingearbeitet (Coelho et al. 1995), Spezialanwendungen sind Versuche unter hohem Druck oder sehr stabile Beschichtungen (Harris 1999; Nusinovich 2004).
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5.2 Silicium
Erstmals postulierte de Lavoisier (Kurzbiografie siehe „Wasserstoff“), dass Silex das Oxid eines Metalles ist (de Lavoisier 1799). Rund 20 Jahre später, 1807, glaubte Davy (Kurzbiografie siehe „Natrium“) nach Durchführung eigener Versuche die Elemente Silicium, Aluminium, Zirconium und Glucinium (Beryllium) dargestellt zu haben (Davy 1808). Der Name „Silicium“ leitet sich vom lateinischen Wort silex (Kieselstein, Feuerstein) ab und soll darauf Bezug nehmen, dass Silicium häufiger Bestandteil vieler Minerale ist.
1811 konnten Gay-Lussac und Thénard (Kurzbiografien siehe „Bor“) als Erste noch unreines, amorphes Silicium darstellen; hierzu leiteten sie gasförmiges Silicium-IV-fluorid über metallisches Kalium (Gay-Lussac und Thénard 1811). Berzelius (Kurzbiografie siehe „Cer“) stellte elementares Silicium 1824 durch Reduktion eines Hexafluorosilicates mit metallischem Kalium dar, reinigte das Rohprodukt durch Waschen und nannte das neue Element Silicium (Weeks 1960).
Reines, kristallines Silcium stellte Sainte-Claire Deville (Kurzbiografie siehe „Aluminium“) erstmals 1854 her.
Silicium zeigt als Halbmetall und auch Halbleiter sowohl die Eigenschaften von Metallen als auch von Nichtmetallen. Elementares Silicium ist für den Menschen ungiftig, in Form von Silikat sogar wichtig. Im menschlichen Körper sind rund 20 mg/kg Körpermasse Silicium enthalten. Es ist mit einem Anteil von 25,8 Gew.-% das zweithäufigste in der Erdkruste vorkommende Element und kommt in Form silikatischer Minerale oder als reines Silicium-IV-oxid (Quarz) vor.
Sand besteht größtenteils aus feinen Quarzkristallen. Die meisten Halbedel- und Edelsteine bestehen aus Quarz oder Silikaten, wie beispielsweise Rosen-, Rauch-, Gelb- und Grünquarz, Amethyst, Jaspis, Opal und Achat. Mit Metallen bildet Silicium Silikate mit sehr unterschiedlichen Silikatanionen („Kieselsäure-Anionen“) aus wie Glimmer, Asbest, Ton, Schiefer, Feldspat und Sandstein. 2011 kannte man 1437 Minerale auf Basis von Silicium, das seinen höchsten Mengenanteil nicht in Quarz (46,7 %) hat, sondern in Moissanit (Karborund, Siliciumcarbid, SiC); letzterer ist nach Diamant mit einer Mohs-Härte von 9,5 der härteste Stoff.
Gediegenes Silicium findet man an nur wenigen Orten (z. B. Kuba, China, Russland, USA).
Das reinste und monokristalline Halbleitersilicium benötigt man für elektronische Bauelemente. Dazu muss man im Solarsilicium noch vorhandene Verunreinigungen mittels des Tiegelziehens oder Zonenschmelzens auf kleinstmögliche Gehalte bringen. Beim Tiegelziehen schmilzt man Solarsilicium in Quarztiegeln und taucht einen Impfkristall aus hochreinem monokristallinem Silicium in die Schmelze ein. Beim langsamen Herausdrehen des Kristalls aus der Schmelze kristallisiert hochreines Silicium monokristallin auf dem Kristall aus. Die Verunreinigungen bleiben in der Schmelze zurück (Czochralski-Verfahren).
Beim alternativ durchführbaren Zonenschmelzen wandert ein ringförmig um den Siliciumstab angeordneter, elektrisch beheizter Induktionsring langsam den Stab entlang und erzeugt an der Stelle, an der er sich gerade befindet, eine Schmelzzone. Diese durchwandert den Stab bis zum Ende und nimmt dabei alle im Silicium enthaltenen Verunreinigungen in sich auf.
Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Silicium
Symbol: |
Si |
|
|
Ordnungszahl: |
14 | ||
CAS-Nr.: |
7440-21-3 | ||
Aussehen: |
Grauschwarz, metallisch, bläulich glänzend |
Silicium, Pulver (Sicius 2015) |
Silicium, Kristall (Enricoros 2007) |
Entdecker, Jahr |
Lavoisier (Frankreich), 1787 Berzelius (Schweden), 1823 | ||
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] |
Halbwertszeit (a) |
Zerfallsart, -produkt | |
2814Si (92,23) |
Stabil |
---- | |
2914Si (4,67) |
Stabil |
---- | |
3014Si (3,10) |
Stabil |
---- | |
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): |
25.800 | ||
Atommasse (u): |
28,085 | ||
Elektronegativität (Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken) |
1,90 ♦ K. A. ♦ K. A. | ||
Normalpotenzial: SiH4 + 4 H2O → Si + 4 H3O+ + 4 e− (V) |
−0,143 | ||
Normalpotenzial: Si + 6 OH− → SiO32− + 3 H2O + 4 e− (V) |
+1,69 | ||
Atomradius (pm): |
110 | ||
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): |
210 | ||
Kovalenter Radius (pm): |
111 | ||
Elektronenkonfiguration: |
[Ne] 3s23p2 | ||
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte ♦ vierte: |
787 ♦ 1577 ♦ 3232 ♦ 4356 | ||
Magnetische Volumensuszeptibilität: |
−4,1 ⋅ 10−6 | ||
Magnetismus: |
Diamagnetisch | ||
Kristallsystem: |
Kubisch-flächenzentriert (Diamantstruktur) | ||
Elektrische Leitfähigkeit ([A/(V ∙ m)], bei 300 K): |
5 ⋅ 10−4 | ||
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): |
130–188 ♦ 98 ♦ 51–80 | ||
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): |
Keine Angabe | ||
Mohs-Härte |
7 | ||
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293 K): |
8433 | ||
Dichte (g/cm3, bei 273,15 K) |
2,336 | ||
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): |
12,06 · 10−6 | ||
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m ∙ K)]): |
150 | ||
Spezifische Wärme ([J/(mol ∙ K)]): |
19,789 | ||
Schmelzpunkt (°C ♦ K): |
1410 ♦ 1683 | ||
Schmelzwärme (kJ/mol) |
50,66 | ||
Siedepunkt (°C ♦ K): |
3260 ♦ 3533 | ||
Verdampfungswärme (kJ/mol): |
383 |
Auch Silicium zeigt eine Dichteanomalie. Flüssiges Silicium besitzt oberhalb seines Schmelzpunktes eine um rund 10 % höhere Dichte als in festem, kristallinem Zustand (Hedler 2006).
Chemische Eigenschaften: In fast allen seiner Verbindungen bildet Silicium, im Gegensatz zum Kohlenstoff, nur Einfachbindungen aus. Mittlerweile konnten aber eine ganze Reihe an Verbindungen hergestellt werden, deren Moleküle eine Si=Si-Doppelbindung aufweisen. Interessant ist das von Sekiguchi aus Dialkyldibromsilan, Alkyltribromsilan und Natrium in Toluol bei 20 °C dargestellte Cyclotrisylen, das aber nur bei Einsatz der sterisch anspruchsvollen Bis(tert.-butyl)-methylsilyl-Gruppen stabil ist (Elschenbroich 2003). Darüber hinaus beschreibt Elschenbroich weitere Moleküle, sowohl mit konjugierten Si=Si- als auch mit isolierten Si=C-Doppelbindungen.
Silicium löst sich in Säuren nicht, nur in salpetersäurehaltiger Flusssäure, in der es Hexafluorosilicat bildet (Holleman et al. 2007, S. 922). Es ist aber leicht lösbar in heißen Alkalilaugen, wobei sich Silikatanionen und Wasserstoff bilden; dies wird durch das stark positive Normalpotenzial für diese Reaktion erklärt (Riedel und Janiak 2011). An Luft überzieht es sich mit einer dünnen, passivierenden Oxidschicht und ist daher ziemlich reaktionsträge.
Silicium ist in seinen kovalenten Verbindungen fast stets vierbindig und tritt dort mit der Oxidationszahl +4 auf, nur in den mit Metallen gebildeten Siliciden ist es in der Regel der elektronegativere Partner. Es konnten jedoch auch einige, wenn auch instabile Verbindungen des zweiwertigen Siliciums (Silylene) synthetisiert werden. Wichtig ist nur das in der optischen Industrie eingesetzte Siliciummonoxid (SiO). Vor einigen Jahren konnte man die Existenz des Silicens nachweisen, dessen Struktur der des Graphens ähnelt (Vogt et al. 2012).
Wasserstoffverbindungen Im Gegensatz zu den homologen Kohlenwasserstoffen ist das Siliciumatom in den Siliciumwasserstoffen (Silanen) der elektropositivere Bindungspartner; Silane verhalten sich daher völlig anders als die gesättigten Kohlenwasserstoffanaloga (Alkane). Bei der Einwirkung von Säure auf Metallsilicide entsteht ein farbloses, selbstentzündliches Gemisch von Monosilan und höheren Silanen. Mono- und Disilan (Siedepunkte: −112 bzw. −15 °C) sind Gase, ab Trisilan aufwärts bei Raumtemperatur Flüssigkeiten. Analog zu den Kohlenwasserstoffen existieren auch einige verzweigte und cyclische Silanmoleküle.
Übersicht über die n-Silane (Holleman et al. 1995, S. 485)
Silan |
Summenformel |
Schmelzpunkt (°C) |
Siedepunkt (°C) |
Dichte (g/cm3) |
Molare Masse (g/mol) |
---|---|---|---|---|---|
Monosilan |
SiH4 |
−184,7 |
−112,1 |
0,00135 |
32,12 |
Disilan |
Si2H6 |
−129,4 |
−14,8 |
0,00266 |
62,22 |
Trisilan |
Si3H8 |
−116,9 |
52,9 |
0,739 |
92,32 |
Tetrasilan |
Si4H10 |
−91,6 |
108,4 |
0,795 |
122,42 |
Pentasilan |
Si5H12 |
−72,2 |
153,2 |
0,827 |
152,52 |
Hexasilan |
Si6H14 |
−44,7 |
193,6 |
0,847 |
182,62 |
Heptasilan |
Si7H16 |
−30,1 |
226,8 |
0,859 |
212,72 |
Monosilan (SiH4) ist der einfachste Vertreter der Silane (auch Siliciumwasserstoffe genannt) und somit das Siliciumanalogon des Methans (CH4). Es hat im Gegensatz zum nahezu geruchlosen Methan einen unangenehmen Geruch und kondensiert bei −112 °C (die Flüssigkeit erstarrt bei −185 °C). Man stellt Monosilan im Labor durch Einwirkung von Salzsäure auf Magnesiumsilicid her, in der Technik bevorzugt man die Umsetzung von Silicium-IV-chlorid mit Lithiumhydrid im Lithiumchlorid/Kaliumchlorid-Eutektikum oder durch Thermolyse etwa von Trichlorsilan (Holleman et al. 1995, S. 485).
Monosilan entzündet sich an der Luft selbst und verbrennt zu Silicium-IV-oxid und Wasserdampf. Unter Ausschluss von Luft und Feuchtigkeit kann man es bis hinauf zu Temperaturen von 300 °C erhitzen, ohne dass es sich zersetzt. In wässrigen Alkalien hydrolysiert Monosilan zu Wasserstoff und Kieselsäure. Bei vorsichtiger Einwirkung von Halogenen oder Halogenwasserstoffen können einzelne Protonen durch Halogenatome ersetzt werden. Man setzt Monosilan zur Abscheidung dünner Schichten aus Silicium-, Siliciumoxid- und Siliciumnitrid ein; daher ist die wichtigste Anwendung die Herstellung von Wafern für Solarzellen.
In der Natur kommt Silicium-IV-oxid sowohl in amorpher als auch kristalliner Form vor. Zu den ersten zählen vulkanische und Gesteinsgläser wie auch Diatomeenerde, zu den zweiten die diversen Varietäten des Quarz. Die Verbindung stellt in Gestalt von Silikaten wie Quarz, Feldspat, Ton und vielen anderen Halbedelsteinen einen der wichtigsten Bestandteile der Erdkruste. Zudem kommt Silicium-IV-oxid bzw. Kieselsäure auch in den Gerüsten von Pflanzen und niederen Tieren vor, wie etwa den Kieselalgen (Diatomeen), manchen Schwämmen und auch Schachtelhalm.
Die Löslichkeit kristallinen Silicium-IV-oxids in Wasser ist bei 25 °C mit 3–11 mg/L sehr gering (Rykart 1995). Amorphe Silikate besitzen dagegen meist eine erheblich bessere Löslichkeit. Kieselsäuren sind bei der gleichen Temperatur mit ca. 120 mg/l Wasser deutlich besser löslich (Hummel et al. 2002, S. 313). Die Löslichkeit. steigt generell mit zunehmender Temperatur an; in kochendem Wasser lösen sich ca. 60 mg/L Quarz (Ford und Williams 2007, S. 45). Auch ein höherer pH-Wert bewirkt eine stärkere Löslichkeit (Schlomach 2006; Amjad 1998). Gegenüber Säuren ist Silicium-IV-oxid praktisch inert; es wird nur von Flusssäure unter Bildung von Silicium-IV-fluorid angegriffen.
Die technische Produktion synthetischen Silicium-IV-oxids (oft als „silica“ bezeichnet) beginnt mit Natron- oder Kaliwasserglas, das man durch Aufschluss von Quarzsand mit Natrium- oder Kaliumcarbonat erhält. Je nach angewandtem Prozess resultieren so gefälltes Silicium-IV-oxid, Kieselsole oder Kieselgele. Dagegen stellt man pyrogene Kieselsäure durch Verbrennen von Silicium-IV-chlorid, manchmal auch Silanen, in einer Knallgasflamme her. Letztere ist ein amorphes Pulver, dessen Teilchen einen Durchmesser von 5–50 nm und eine spezifische Oberfläche von 50–600 m2/g haben. Der große Vorteil von Silicium-IV-oxid ist seine toxikologische Unbedenklichkeit.
Synthetisch hergestelltes Silicium-IV-oxid ist daher in vielen Produkten des täglichen Bedarfs vertreten, so als Füllstoff in Farben und Lacken, Kunst- und Klebstoffen, in Beschichtungen für Inkjetpapier, in Arzneimitteln und in Kosmetika. Kieselsol dient zur Klärung von Bier, von Säften, zur Herstellung von Formen für den Feinguss und als Abrasiv in Zahnpasten. Vom Volumen her sehr wichtig ist die Anwendung als Verstärker in Kautschukmassen für Autoreifen, am bedeutendsten jedoch ist die Herstellung von Gläsern, zu der man es mit verschiedenen Metalloxiden vermengen kann, um das jeweils gewünschte Glas mit definiertem Schmelzpunkt zu erhalten. Linsen und Prismen bestehen aus Quarzglas, im chemischen Labor viele Glasgeräte, obwohl dort wegen des niedrigeren Preises auch Borosilicatgläser im Einsatz sind.
Sand ist unverzichtbarer Bestandteil von Zementen, Microsilica setzt man zur Produktion besonders fester Betone und auch als Abbindebeschleuniger für Beton ein. Grundlage ist die Reaktion der feingemahlenen „Silica“ mit Calciumhydroxid (gelöschter Kalk) und die Bildung festigkeitsverleihender Calciumsilicat-Hydrate.
Silicium-IV-oxid ist unter der Nummer E 551 zugelassener Lebensmittelzusatzstoff, den man in Gewürzen und deren Mischungen sowie als Rieselhilfe für Speisesalz fndet. Allerdings stehen Nanopartikel des Materials im Verdacht, Abwehrreaktionen der Schleimhaut des Verdauungstraktes auszulösen, weshalb Anbauverbände E 551 nicht mehr und statt dessen Calciumcarbonat (E 170) empfehlen. Auch in Tabletten dient Silicium-IV-oxid als Füllstoff.
Bei der Produktion integrierter Mikroschaltkreise fungierte Silicium-IV-oxid bis etwa 2005 als Isolator und wurde dort in Dielektrika für Transistoren bzw. Isolator bei Verdrahtungen eingesetzt. Solche dünnen Schichten stellte man durch thermische Oxidation von Silicium oder durch chemische Gasphasenabscheidung her. Wegen nicht mehr den stets höheren Anforderungen genügender Eigenschaften wurde und wird Silicium-IV-oxid zunehmend durch andere Dielektrika (low-k, high-k) ersetzt.
Die thermische Oxidation und Bildung sehr dünner Schichten aus Silicium-IV-oxid funktioniert natürlich nur dann, wenn das Substrat selbst aus Silicium besteht. Bei anderen Substraten bedient man sich des Verfahrens der chemischen Abscheidung aus der Gasphase, bei dem Silane bei hoher Temperatur mit Sauerstoff bzw. Lachgas umgesetzt werden, oder bei dem Tetraethylorthosilicat thermolysiert wird.
Silicium-IV-selenid (SiSe2) liegt in Form mehrerer Modifikationen vor. Einerseits existiert die oben für Silicium-IV-sulfid beschriebene, faserartige Struktur mit über die Kanten verknüpften SiSe4-Tetraedern, andererseits wurden auch Polymorphe mit eckenverknüpften Tetraedern durch Erhitzen einer stöchiometrischen Mischung der Elemente auf Temperaturen von 400 °C bzw. 500–600 °C hergestellt (Pradel et al. 1993).
- (I)
- (II)
H2SiF6 → 2 HF + SiF4
Die Verbindung reagiert stürmisch mit Basen, Oxidationsmitteln und auch mit organischen Verbindungen. Infolge der Hydrolyse zu Chlorwasserstoff wirkt es stark korrodierend und ätzend auf Haut und Schleimhäute.
Trichlorsilan (HSiCl3) ist eine farblose, hochentzündliche, infolge Hydrolyse stechend riechende, leichtflüchtige (Siedepunkt: 32 °C) Flüssigkeit. Man stellt es durch Leiten von Chlorwasserstoff über erhitztes Silicium her und setzt es zur Herstellung von Halbleitern für Solarzellen ein, indem man gasförmiges Trichlorsilan über geeignete Substrate leitet und so sehr dünne Filme aus Silicium erzeugt.
Tetrabromsilan reagiert mit Wasser heftig unter sofortiger Hydrolyse zu Silicium-IV-oxid und Bromwasserstoff (Holleman et al. 2007, S. 852). Zum Dotieren anderer Halbleiter mit Silicium nutzt man die Verbindung (Golling 2004, S. 30).
Silicium-IV-iodid (SiI4, Tetraiodsilan) kann durch Reaktion von Silicium mit Iod oder Iodwasserstoff gewonnen werden (Brauer 1975, S. 676; Holleman et al. 1995, S. 909). Die farblosen, feuchtigkeits- und lichtempfindlichen Kristalle schmelzen bei 120,5 °C (Siedepunkt der zitronengelben Schmelze 287 °C) und haben eine Dichte von 4,2 g/cm3. Die Verbindung ist löslich in aromatischen Kohlenwasserstoffen wie Toluol; in Wasser und auch Alkanolen erfolgt schnelle Hydrolyse zu Kieselsäure und Iodwasserstoff. Silicium-IV-iodid kristallisiert kubisch in der Raumgruppe Pa3 (Nr. 205) und färbt sich beim Stehenlassen am Licht nach einiger Zeit rötlich infolge der Bildung elementaren Iods.
Technisch hergestelltes Siliciumnitrid sublimiert bei 1900 °C und hat eine Dichte von 3,44 g/cm3. Der keramische Festkörper liegt in der Regel in seiner β-Modifikation vor, die wiederum in eine glasartig amorphe Struktur eingebettet ist. Im Vergleich zum sehr harten Siliciumcarbid ist Siliciumnitrid etwas weicher, aber widerstandsfähiger gegenüber Bruch. Die Herstellung erfolgt durch Überleiten von Stickstoff über reines Silicium bei Temperaturen um 1200 °C. Danach erzeugt man die Keramikstücke durch Sintern unter sehr hohem Stickstoffdruck, um die Porosität des Materials zu beseitigen (Kollenberg 2004; Linsmeier 2010).
Sonstige Verbindungen Siliciumcarbid (SiC, Carborund) ist in reiner Form farblos, in technischem Zustand schwarz, manchmal infolge Beimischung von Aluminiumoxid auch grün. Es ist nach Diamant der härteste Stoff und verbrennt an der Luft bei Temperaturen oberhalb von 1000 °C zu SiO2 und CO2. Es hat die Dichte 3,21 g/cm3, ist halbleitend, die Energiespanne der Bandlücke liegt bei 3 eV und damit zwischen der des Siliciums und des Diamanten. Die Herstellung erfolgt nach Acheson durch Anlegen hoher Spannung an Kohlenstoff, der zentrisch in einem mit Quarz und Sägemehl gefüllten Becken liegt.
Organische Verbindungen/Silicone Tetramethylsilan [Si(CH3)4] ist eine farblose, chemisch inerte, leichtflüchtige Flüssigkeit (Siedepunkt: 26 °C), die als Standard in der 1H- und 13C-NMR-Spektroskopie genutzt wird. Dichlordimethylsilan [Cl2Si(CH3)2] wird aus Silicium und Methylchlorid am Kupferkontakt bei 350 °C hergestellt und ist eine farblose, an feuchter Luft rauchende, mit Wasser heftig reagierende Flüssigkeit, die wie das bei der gleichen Synthese anfallende Trimethylchlorsilan universell für Silylierungen eingesetzt wird. Dichlordimethylsilan ist Ausgangsstoff zur Herstellung von Silikonen, beide Verbindungen reagieren mit vielen nukleophilen Stoffen (Alkoholen, Aminen, Amiden, Ketonen etc.).
Silicium geht vorrangig und in großen Mengen in die Produktion von Halbleitern (Kilby 1976; Adachi 2005; Korvnik und Greine 2005). In möglicher Einsatz in Lasern wird geprüft; außerdem ist das Element Bestandteil einiger Explosivstoffe (Koch und Clément 2007; Kovalev et al. 2001).
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T. Tatsukawa und Y. Aimoto, Polycrystalline silicon rod manufacturing method, and reactor (Tokuyama Corp., WO 2019194045 A1, veröffentlicht 10. Oktober 2019)
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J. Ranaweera, Warping reduction in silicon wafers (Oracle International Corp., US 2019311995 A1, veröffentlicht 10. Oktober 2019)
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5.3 Germanium
In dem von ihm 1871 erstmals entworfenen Periodensystem der Elemente ließ Mendelejew eine Lücke in der heute als 4. Hauptgruppe bezeichneten Gruppe von Elementen zwischen Silicium und Zinn. Dieses damals noch unbekannte Element nannte er Eka-Silicium und sagte einige seiner Eigenschaften voraus.
Winkler untersuchte 1885 in Freiberg ein Silbermineral, Argyrodit (Ag8GeS6) auf seinen Gehalt an Silber und Schwefel. Es ergab sich bei der quantitativen Analyse auf die Elemente aber stets eine Gewichtsdifferenz von ca. 7 %, der, wie Winkler durch Isolierung des Germanium-IV-sulfids später fand, auf das Vorliegen eines neuen Elements zurückzuführen war. Dieses Sulfid konnte er im Wasserstoffstrom zu einem metallischen Pulver reduzieren und nannte dieses neue Element nach seiner Entdeckung auf deutschem Gebiet Germanium (Winkler 1886a, b). Zunächst ordneten es sowohl Winkler als auch Mendelejew nicht an der Stelle des Eka-Siliciums ein; dies taten sie erst nach Ermittlung weiterer Eigenschaften des Germaniums.
Der deutsche Chemiker Clemens Alexander Winkler (* 26. Dezember 1838 Freiberg; † 8. Oktober 1904 Dresden) studierte an der Freiberger Bergakademie von 1857 bis 1859 zunächst ohne Abschluss und arbeitete dann als Chemiker in den Blaufarbenfabriken Oberschlema und später in Niederpfannenstiel. 1864 promovierte er mit einer Arbeit über das Thema „Ueber Siliciumlegirungen und Siliciumarsenmetalle“ an der Universität Leipzig und ging im gleichen Jahr als Hüttenmeister zum Blaufarbenwerk Niederpfannenstiel. Dort untersuchte vor allem die Eigenschaften des Indiums.
Winkler wurde 1873 zum Professor an der Bergakademie Freiberg berufen und führte dort die Verfahren der chemischen Analyse vor allem auf Basis der Elektrolyse und der Gasanalyse weiter. Zur technischen Synthese von Schwefelsäure entwickelte er platinierten Asbest als Katalysator für die Oxidation von Schwefel-IV- zu -VI-oxid, die hohe Ausbeuten an Schwefelsäure lieferte. Er erkannte auch, dass Arsen ein Kontaktgift für das katalytisch wirksame Platin war. Seine wichtigste Leistung war die Entdeckung des Elementes Germanium am 6. Februar 1886. Diese Entdeckung bestätigte die Mendelejews Theorie, der die Existenz des von ihm Eka-Silicium genannten Elements vorhergesagt hatte. Von 1896 bis 1899 war Winkler Direktor der Bergakademie, 1904 starb er an Krebs (Haustein 2004; Brunck 1906; Bachmann 2000; Textor 2005).
Germanium ist in der Erdhülle weit verstreut, kommt aber nur in geringen Konzentrationen vor, oft als Begleiter in Kupfer- und Zinkerzen (Sphalerit). Nennenswerte Minerale sind Germanit, Argyrodit, Renierit und Canfieldit (Goldschmidt und Peters 1933). Es tritt auch, mit ebenfalls geringem Anteil, in der Steinkohle auf (Goldschmidt 1930). Einige Pflanzen sind in der Lage, Germanium ebenso wie Silicium bzw. Kohlenstoff anzureichern.
2011 wurden knapp 120 t des Elements produziert, davon zwei Drittel in China und nur 5 t in Russland bzw. 3 t in den USA (Guberman 2012), meist als Nebenprodukt bei der Aufarbeitung von Zink-, Blei-Kupfer- und Zink-Blei-Erzen (Bernstein 1985). Die weltweit verfügbaren Reserven schätzt man alleine in den USA auf 450 t (Guberman 2012), bereits jetzt wird aber bereits mehr als ein Drittel des Bedarfs aus wieder verwertetem Germanium gedeckt (Höll et al. 2007). Eine weitere, vor allem in China und Russland genutzte Quelle ist die in Kohlekraftwerken anfallende Flugasche (Naumov 2007). Russlands Vorkommen liegen meist in Ostsibirien, diejenigen Chinas bevorzugt in der Inneren Mongolei und im Südwesten.
- (I)
GeO2 + 2H2 → Ge + 2H2O
- (II)
GeO2 + C → Ge + CO2
Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Germanium
Symbol: |
Ge |
|
|
Ordnungszahl: |
32 | ||
CAS-Nr.: |
7440-56-4 | ||
Aussehen: |
Grauweiß, metallisch glänzend |
Germanium, Pulver (Sicius 2015) |
Germanium, Kristall (Gibe 2004) |
Entdecker, Jahr |
Winkler (Deutsches Reich), 1886 | ||
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] |
Halbwertszeit (a) |
Zerfallsart, -produkt | |
7032Ge (21,23) |
Stabil |
----- | |
7232Ge (27,66) |
Stabil |
----- | |
7332Ge (7,73) |
Stabil |
----- | |
7432Ge (35,94) |
Stabil |
----- | |
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): |
5,6 | ||
Atommasse (u): |
72,630 | ||
Elektronegativität (Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken) |
2,01 ♦ K. A. ♦ K. A. | ||
Normalpotenzial für: Ge2+ + 2 e− → Ge (V) |
0,247 | ||
Atomradius (pm): |
125 | ||
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): |
211 | ||
Kovalenter Radius (pm): |
122 | ||
Elektronenkonfiguration: |
[Ar] 3d104s24p2 | ||
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte ♦ vierte: |
762 ♦ 1538 ♦ 3302 ♦ 4411 | ||
Magnetische Volumensuszeptibilität: |
−7,1 ⋅ 10−5 | ||
Magnetismus: |
Diamagnetisch | ||
Kristallsystem: |
Kubisch-flächenzentriert (Diamantstruktur) | ||
Elektrische Leitfähigkeit ([A/(V ∙ m)], bei 300 K): |
2,1 | ||
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): |
103 ♦ 75 ♦ 41 | ||
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): |
Keine Angabe | ||
Mohs-Härte |
6,0 | ||
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293,15 K): |
5400 | ||
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) |
5,323 | ||
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): |
13,63 ⋅ 10−6 | ||
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m ∙ K)]): |
60 | ||
Spezifische Wärme ([J/(mol ∙ K)]): |
23,22 | ||
Schmelzpunkt (°C ♦ K): |
938,3 ♦ 1211,4 | ||
Schmelzwärme (kJ/mol): |
31,8 | ||
Siedepunkt (°C ♦ K): |
2830 ♦ 3103 | ||
Verdampfungswärme (kJ/mol): |
330 |
Nur alkalische Lösungen von Wasserstoffperoxid sowie konzentrierte Schwefel- bzw. Salpetersäure lösen es unter Bildung von Germaniumdioxidhydrat.
Germanium zeigt wie sein Homologes Silicium das Phänomen der Dichteanomalie.
Wasserstoffverbindungen Nur wenige Verbindungen des Germaniums sind technisch von Bedeutung. Germaniumwasserstoff (Monogerman, GeH4) ist ein giftiges, hochentzündliches Gas von unangenehmem Geruch, das bei −89 °C kondensiert. Es ist durch Reaktion von Magnesiumgermanid mit Salzsäure oder auch durch Reaktion von GeCl4 mit Methan bei Gegenwart eines Palladiumkatalysators zugänglich. Man setzt Monogerman in der Halbleitertechnik zur Epitaxie und zum Dotieren ein. Monogerman ist der Grundkörper der organischen Germaniumverbindungen (Satge 1984; Quane und Bottei 1963).
Digerman (Ge2H6) erhält man beim Leiten von Monogerman durch eine stille elektrische Entladung, wobei Di- und Trigerman als Hauptprodukte und in kleiner Menge höhere Germane bis zum Nonagerman, dem zur Zeit höchsten bekannten Vertreter der Reihe der Germane, entstehen. Auch bei anderen Verfahren zur Herstellung von Monogerman (Reaktion von Säure mit Magnesiumgermanid) mit Ammoniumbromid entstehen höhere Germane (Brauer 1975, S. 716).
Die farblose Verbindung ist im Unterschied zu Ethan und Disilan bei Raumtemperatur flüssig, siedet aber schon bei 31 °C (Emeléus und Gardner 1938; Stull 1947). Die Flüssigkeit erstarrt bei −109 °C und hat die Dichte 1,98 g/cm3. Digerman zerfällt beim Erhitzen bei Temperaturen oberhalb von 200 °C (Emeleus und Jellinek 1944; Moore et al. 1924). Man setzt Digerman zur Herstellung epitaktisch strukturierter Dünnfilme ein, ebenso zur Erzeugung dotierter dünner Schichten aus Silicium und Germanium sowie, in Kombination mit Diboran, zu der von dünnen Filmen aus bordotiertem Germanium.
Chalkogenverbindungen Germanium-IV-oxid (GeO2) kommt natürlich in Form des Minerals Argutit vor. Es entsteht beim Glühen von Germanium oder Germanium-IV-sulfid unter Sauerstoff. Einfach bildet es sich bei der Hydrolyse von Germanium-IV-chlorid (Schwarz 1929). Im Gegensatz zum Silicium-IV-chlorid, bei dessen Hydrolyse zunächst Kieselsäuren entstehen, ergibt die Hydrolyse des Germanium-IV-chlorids weder eine hypothetische „Germaniumsäure“ noch stabile Hydroxide, sondern das hydratfreie Germanium-IV-oxid (Schwarz et al. 1931).
Die hexagonal kristallisierende Struktur schmilzt bei 1115 °C, hat Dichte 4,7 g/cm3, ist isotyp zum α-Quarz und wird bei der Hydrolyse von Germanium-IV-chlorid gebildet.
Die tetragonale Modifikation kommt in der Natur in Form des Minerals Argutit vor, schmilzt bei 1086 °C und hat die Dichte 6,24 g/cm3. Diese Form hat eine Struktur ähnlich zu Rutil; sie entsteht durch mehrstündiges Erhitzen von Germanium-IV-oxid mit Wasserdampf oder beim Eindampfen einer Suspension von Germanium-IV-oxid mit etwas Ammoniumfluorid. Ein Erhitzen auf eine Temperatur von 1033 °C führt zum Übergang in die amorphe Form.
Die amorphe Struktur entspricht derjenigen des glasartigen Silicium-IV-oxids und entsteht immer beim Abkühlen einer Schmelze von Germanium-IV-oxid (Greenwood und Earnshaw 1997). Diese Modifikation ist im Gegensatz zu den anderen beiden ein wenig und dann mit saurer Reaktion in Wasser löslich. In Laugen löst sich die Verbindung relativ leicht, in Säuren schwer (Holleman et al. 2007, S. 1019). Man setzt Germanium-IV-oxid zur Herstellung infrarotdurchlässiger optischer Gläser ein. Es dient auch als Katalysator bei einzelnen Verfahren zur Herstellung oder Wiedergewinnung von Polyestern, wie zum Beispiel beim Recycling von PET-Flaschen.
Germanate leiten sich in Analogie zu den Silikaten vom Dioxid ab, hier GeO2. Sie werden durch Lösen von Germanium-IV-oxid in alkalischer Lösung gebildet und sind auch nur in diesen relativ stabil. Neutralisieren oder gar Ansäuern der wässrigen Lösung führt zur sofortigen Ausfällung von Germanium-IV-oxid.
Germanium-IV-sulfid (GeS2) erhält man beim Einleiten von Schwefelwasserstoff in eine salz- oder schwefelsaure wässrige Lösung von Germanium-IV-oxid (Brauer 1975, S. 736). Auch das Überleiten von Schwefeldampf über flüssiges Germanium bei Temperaturen um 1100 °C und erhöhtem Druck liefert die Verbindung (Holleman et al. 1995, S. 1922). Der farblose Feststoff der Dichte 2,94 g/cm3 geht bei 940 °C in eine dunkle Schmelze über, die beim Abkühlen zu einem bernsteinfarbenen Glas erstarrt. Die Kristallstruktur der Verbindung ist entweder orthorhombisch, monoklin (Rubenstein und Roland 1971) oder tetragonal (Prewitt und Young 1965), aber wir haben stets, wie auch beim Siliciumdisulfid, eine polymere Struktur vorliegen.
- (I)
GeCl2 + H2S → GeS + 2 HCl
- (II)
GeO2 + H2S + H2 → GeS + 2 H2O
- (III)
Ge + H2S → GeS + H2
Der Halbleiter kristallisiert orthorhombisch (Bissert und Hesse 1978).
Die Verbindung ist geeignet für die Thermoelektrik und optische bzw. elektronische Speicher (Lebedev et al. 1997).
Halogenverbindungen Germanium-IV-fluorid (GeF4) stellt man in der Regel aus Fluor oder Fluorwasserstoff und Germanium her (Brauer 1975, S. 230). Das giftige, nach Knoblauch riechende und an feuchtiger Luft infolge Hydrolyse stark rauchende Gas kondensiert bei −36,5 °C zu farblosen Kristallen. Mit Wasser reagiert es unter den meist angewandten Versuchsbedingungen unter Hydrolyse, jedoch sind im sauren Milieu auch Hexafluorogermanate isolierbar (Benoît und Place 1963); man nutzt es in Verbindung mit Disilan zur Produktion von aus Silicium und Germanium bestehenden Mischkristallen.
Germanium-II-fluorid (GeF2) ist ein weißer Feststoff der Dichte 3,61 g/cm3, der sich sogar in 48 %iger Flusssäure löst; er wird aus Germanium-IV-fluorid und Germanium bei 150 °C hergestellt (Brauer 1975, S. 230). Die stark reduzierend wirkende Verbindung zersetzt sich oberhalb einer Temperatur von 160 °C, schmilzt aber bereits bei 110 °C. In feuchter Luft erfolgt Hydrolyse zu Germanium-II-hydroxid (Perry 2011, S. 187). Die Verbindung kristallisiert orthorhombisch mit vier Formeleinheiten pro Elementarzelle; die Makrostruktur ist polymer mit aus GeF3-Einheiten bestehenden Pyramiden, von denen je ein Fluoridion zwei benachbarte Pyramiden miteinander verbindet (Bartlett et al. 1966).
Man nutzt Germanium-IV-chlorid als Zwischenprodukt bei der Produktion des Germaniums und in sehr reiner Form bei der Herstellung von aus Quarzglas bestehenden Lichtwellenleitern, um im Inneren der Quarzfasern eine Schicht reinen Germanium-IV-oxids erzeugen zu können (Holleman et al. 2007, S. 1015).
Das sehr reaktionsfähige Germanium-II-chlorid (GeCl2) stellt man durch Reaktion von Germanium-IV-chlorid mit Germanium bei Temperaturen oberhalb von 400 °C her (Dennis 1928). Alternativ kann man es durch Abpumpen von dem bei der langsamen Zersetzung von Trichlorgerman (GeHCl3) entstehenden Chlorwasserstoff erzeugen (Brauer 1975, S. 722). (Trichlorgerman ist eine farblose, sehr hydrolyseempfindliche Flüssigkeit der Dichte 1,93 g/cm3, die bei −71 °C erstarrt und bei 75 °C siedet.)
Das schwach gelbliche Germanium-II-chlorid reagiert mit Wasser unter Hydrolyse, mit Halogenen unter deren Addition und Bildung von -auch gemischten- Germanium-IV-halogeniden und mit Salzsäure unter Rückbildung von Trichlorgerman. Die Verbindung ist unzersetzt löslich in trockenem Benzol und Ether (Holleman et al. 1995, S. 403). Die Molekülstruktur des Germanium-II-chlorids ist polymer; schon schwaches Erhitzen führt bei der gegenüber erhöhten Temperaturen instabilen Verbindung zur Disproportionierung in Germanium-IV-chlorid und chlorärmeren Germaniumchloriden. Es ist aber durch Komplexbildung, etwa mit dem Lösungsmittel 1,4-Dioxan, möglich, Germanium-II-chlorid in monomerer Form zu stabilisieren (Noltemeyer et al. 1989).
Germanium-IV-bromid (GeBr4) ist durch Reaktion von Germanium mit Brom bei 200 °C oder durch Umsetzung von Germanium-IV-oxid mit Bromwasserstoffsäure bei Temperaturen um 180 °C herstellbar (Brauer 1975, S. 723).
Germanium-II-bromid (GeBr2) erhält man durch Reduktion von Germanium-IV-bromid mit Germanium oder Zink (Brauer 1975, S. 724; Holleman et al. 1995, S. 959). In Analogie zum Germanium-II-chlorid ist der thermische Abbau des Tribromgermans oder auch das Einengen einer Suspension von Germanium-II-oxid in konzentrierter Bromwasserstoffsäure möglich (Dennis 1928).
Der polymere, farblose bis blaßgelbe Feststoff ist in Ethanol und Aceton löslich und oxidiert oberhalb einer Temperatur von 180 °C an der Luft. Auch hier entstehen beim Erhitzen Germanium-IV-bromid und niedere Germaniumbromide. Die Kristallstruktur der Verbindung ist monoklin (Raumgruppe 14; Maxim et al. 1977), dabei ist jedes Germaniumatom von drei Bromatomen umgeben, von denen zwei wiederum an je ein benachbartes Germaniumatom gebunden sind, also eine Molekülkette vorliegt.
Das orangerote, kristalline Germanium-IV-iodid (GeI4) entsteht beim Kochen von Germanium-IV-oxid in konzentrierter Iodwasserstoffsäure oder beim Überleiten von Ioddampf über auf Temperaturen um 220 °C erhitztes Germanium (Brauer 1975, S. 726). Die Verbindung schmilzt bzw. siedet bei 146 °C bzw. 348 °C und hat eine Dichte von 4,32 g/cm3. Germanium-IV-iodid wird in Wasser hydrolysiert, obwohl es etwas stabiler gegenüber Hydrolyse als seine leichteren Halogenanaloga ist. Die Verbindung ist in Kohlenstoffdisulfid und Benzol gut löslich. Schon oberhalb ihres Schmelzpunktes tritt langsam Zersetzung zu Germanium-II-iodid und Iod ein (Jaeger et al. 1925). Die Kristallstruktur ist kubisch mit tetraedrisch koordinierten GeI4-Molekülen auf den Gitterplätzen.
Das gelbe, reduzierend wirkende Germanium-II-iodid (GeI2) fällt bei der Reaktion von Germanium-IV-iodid in Iodwasserstoffsäure in wässriger Phase und bei Gegenwart von Reduktionsmitteln wie Phosphinsäure an (Brauer 1975, S. 727). Des Weiteren kann man Germanium-II-sulfid oder -oxid in konzentrierter Iodwasserstoffsäure kochen. Schließlich ist auch wieder die Thermolyse des Trihalogengermans (hier: Triiodgerman, „Germanoiodoform“) möglich.
Germanium-II-iodid hydrolysiert an feuchter Luft langsam zu Germanium-II-hydroxid und ist nur schwer löslich in organischen Solventien. Die Verbindung kristallisiert, anders als die anderen Germanium-II-halogenide, im Gitter des Cadmium-II-iodid-Typs. Mit Carbenen sie bildet stabile ionische Addukte (Kirmse 2013, S. 540). In der Elektronikindustrie dient es zur Erzeugung sehr dünner Schichten aus Germanium.
Das in reinem Zustand farblose, sonst graue Germaniumnitrid schmilzt oberhalb einer Temperatur von 850 °C unter Zersetzung, hat die Dichte 5,35 g/cm3 und ist in chemischer Hinsicht außergewöhnlich inert. Germaniumnitrid wird weder durch heiße Mineralsäuren noch durch Laugen angegriffen. Chlor reagiert erst bei Temperaturen von 600 °C zu Germanium-IV-chlorid und Stickstoff, oberhalb von 700 °C erfolgt Reaktion mit Wasserstoff zu Germanium. Die trigonal kristallisierende β-Modifikation (Raumgruppe 159) ist die thermodynamisch stabilste (Ruddlesden und Popper 1958); darin sind die Germanium- tetraedrisch von Stickstoffatomen umgeben und letztere trigonal-planar von Germaniumatomen. Unter Hochdruck wird die in einer Spinellstruktur vorliegende γ-Modifikation gebildet (Dong et al. 2003).
Die Erzeugung einlagiger Schichten von Germaniumphosphid („GeP“) und die Diffusion von Lithiumionen in Doppelschichten des Materials untersuchten Kang und Shojaeia 2016. Das Material ist für opto-elektronische Anwendungen geeignet. In der einlagigen Schicht erwies sich Germaniumphosphid als indirekter Halbleiter, geht aber unter leichtem Druck entlang der elastischeren a-Achse in einen direkten der Bandlücke 2,27 eV über. Auch bewirkt einen schwache Spannung (4 %) entlang der b-Achse einen weitgehenden Übergang vom indirekten zum direkten Halbleiter. Die Kristallstruktur ist monoklin. Berechnungen der Autoren zeigen, dass die Verbindung als Anode in Lithiumionenbatterien eingesetzt werden kann, weil Lithiumionen etwa 50-mal schneller in Germaniumphosphid-Doppellagen diffundieren als in Graphen.
Sonstige Verbindungen Nanokristalline aus Germaniumcarbiden wurden bei Temperaturen um 350 °C auf Substraten aus Si (100) erzeugt. Die Ausbeute stieg unter den gewählten Reaktionsbedingungen auf bis zu 15,5 % (Shrestha et al. 2015).
Früher war Germanium das bevorzugt zur Herstellung von Halbleitern eingesetzte Material (Teal 1976), bevor es von Silicium wegen dessen günstigerer Eigenschaften und des deutlich niedrigeren Preises ersetzt wurde. Silicium-Germanium-Halbleiter sind aber heute noch in Röntgendetektoren anzutreffen. Das mit günstigeren Eigenschaften versehene Galliumarsenid (GaAs) weist im Vergleich zu Germanium fast dieselben Gitterkonstanten auf, da es zu diesem isoelektronisch ist. Daher kann man Galliumarsenid epitaktisch auf Oberflächen von Germaniumkristallen auftragen.
Linsen aus mono- oder polykristallem Germanium sind besonders durchlässig für Infrarotlicht und für Nachtsichtgeräte sowie Wärmebildkameras wichtig (Drugoveiko et al. 1975; Bayya et al. 2002; Rieke 2007). Außerdem nutzt man es zu Herstellung von Glasfaserleitungen für das Telefonnetz derart, dass man durch Kondensieren von Germanium-IV-chlorid eine Anreicherung von Germanium-IV-oxid im inneren Faserkern erzeugt, was dem Kern des Kabels einen höheren Brechungsindex verschafft, wodurch wiederum die Lichtwellen besser geführt werden. Germanium-IV-oxid ist Katalysator zur Produktion von wiederverwertbaren Flaschen aus Polyester (PET, Polyethylenterephthalat).
Das radioaktive Nuklid 6832Ge dient zur Erzeugung des ebenfalls radioaktiven, in der Medizintechnik verwendeten Isotops 6831Ga, zudem kann man mit ihm Detektoren von Positronen-Emissions-Tomographen kalibrieren (Lightstone et al. 1986).
Germanium soll gemäß der europäischen Richtlinie 2002/46/EG in Nahrungsergänzungsmitteln nicht eingesetzt werden. Daher existiert etwa in Deutschland und Österreich keine Zulassung, da Germanium und seine Verbindungen dort als bedenklich gelten. Grundlage dafür sind Resultate toxikologischer Untersuchungen und entsprechende Einstufungen von Germanium und seinen Verbindungen als Schadstoffe (Tao und Bolger 1997).
Spuren von Germanium, das nicht als essenzielles Spurenelement gilt, finden sich in Bohnen, Tomatensaft, Austern, Thunfisch und Knoblauch.
Frühe Symptome einer Vergiftung mit Germanium sind Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Erschöpfungszustände und Muskelschwäche. Als Folge sind Schäden an den Nieren sehr wahrscheinlich.
Akute Vergiftungen äußern sich in Zittern, einer Erweiterung der Blutgefäße, Ptosis und Zyanose. Im Tierversuch tritt bei Fortsetzung der Versuche oft der Tod durch Atemstillstand ein. Die Ursachen für die Toxizität von Germanium sind noch nicht vollständig erforscht.
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5.4 Zinn
Geschichte Die metallurgische Verarbeitung von Zinn begann vor rund 7000 Jahren während der jungsteinzeitlichen Vinča-Kultur auf dem Gebiet des heutigen Serbiens, Westrumäniens, Südungarns und des Kosovo. Die älteste je gefundene Zinnbronze datiert ungefähr auf 4650 v. Chr., die Fundstätte ist Pločnik in Serbien (Radivojević et al. 2013, 2014). Um das Jahr 5000 v. Chr. begann sowohl auf dem Balkan als auch in Vorderasien bereits die Verhüttung von Kupfer (Radivojević et al. 2010). In der Südtürkei (Taurusgebirge) befanden sich das Bergwerk Kestel und die Hütte Göltepe, allerdings liegt hier der Zeitraum später, um 3000 v. Chr. Meist verwandte man Zinnbronzen nur zur Herstellung von Schmuck.
Während der in Mitteleuropa von 2200 bis 800 v. Chr. datierten Bronzezeit stellte man die meisten metallischen Gegenstände, von Töpfen bis zu Waffen, aus der aus Kupfer und Zinn bestehenden Legierung Bronze her. Um 2000 v. Chr. wurde schon Zinnbergbau im Erzgebirge betrieben; das Erz wurde vor Ort verhüttet und zu den im Elbtal befindlichen Handelsplätzen gebracht.
Im Gebiet von Ägypten bis Indien setzte die Bronzezeit wesentlich früher ein, denn die in ägyptischen Gräbern gefundenen, kleinen Bronzestatuen lassen sich etwa bis zum Jahr 2500 v. Chr. zurückdatieren, wobei das Zinn offenbar ursprünglich aus Persien und Mesopotamien stammte und nach Ägypten gebracht wurde. In Indien beherrschte man die Produktion von Gegenständen aus Bronze schon ungefähr ab dem Jahr 3000 v. Chr. In China produzierte man ab 1800 v. Chr. Zinn.
Nicht auszuschließen ist, dass die in der Levante ansässigen Phönizier während des ersten Jahrtausends v. Chr. das Zinn über lange Seereisen von Malaysia und Indonesien importierten und weiter nach Europa, bis zu den Anrainergebieten der Nordsee, brachten. Ab dem Hochmittelalter verdrängte Essgeschirr aus Zinn die bisher aus Holz und Ton hergestellten Waren (Mory 1977, S. 11–12).
Vorkommen Das wirtschaftlich wichtigste Zinnmineral ist Kassiterit (Zinnstein, Zinn-IV-oxid, SnO2), es findet sich in primären, hydrothermalen Gang- und Skarn-Lagerstätten als auch sekundären Seifenlagerstätten vor. Oft ist es mit Kupfer, Arsen, Eisen, Zink und anderen Elementen vergesellschaftet.
Im Jahr 2011 lag die gesamte, weltweit hergestellte Menge bei 263.000 t, bei gleichzeitig vorliegenden Reserven von 5,6 Mio. t. Der größte Produzent ist auch heute China, danach folgen Malaysia, Indonesien und Peru. Die im malaysischen Kinta Valley seit 140 Jahren insgesamt geförderte Menge beträgt ca. 2 Mio. t, dies bei einer Konzentration des Zinnsteins von 5 % (!). In Europa ist Portugal die wichtigste Fördernation.
In Deutschland existieren Vorkommen im Erzgebirge, wo man Zinn seit 700 Jahren abbaut.
Im August 2012 entdeckte man in Muldenhammer (Vogtland) eine Lagerstätte, die hinsichtlich ihrer Menge auf 160.000 t geschätzt wurde; jüngere Berechnungen gehen sogar von 500.000 t neben 10.000 t Wolframerz aus. Damit wären diese die größten weltweit noch unerschlossenen Vorkommen. Allerdings ist der Erzgehalt mit durchschnittlich 0,3 % relativ gering, und das Erz ist schwer aus dem Gestein zu lösen. Daher wurde die Wirtschaftlichkeit dieses Abbaus, der als Nebenprodukte u. a. Zink, Kupfer und Indium liefern würde, mehrere Jahre lang geprüft (Seidler 2012). Im Februar 2019 wurde die Lizenz für die Grube „Gottesberg II“ an das britische Unternehmen Anglo Saxonian Mining Ltd. verkauft.
Pro Jahr werden rund 300.000 t Zinn verbraucht, davon je ein Drittel für Lote, für Weißblech und für andere Chemikalien. Infolge des Totalersatzes von Blei durch Zinn in Loten erwartet man eine jährliche Steigerung der Bedarfsmenge um 10 %, weshalb der Preis für Zinn laufend steigt und sich in den letzten zehn Jahren verdreifacht hat (London Metal Exchange 2015).
Gewinnung Das Zinnerz wird zunächst zerkleinert und dann mittels Aufschlämmen oder spezieller Scheideverfahren angereichert. Hiernach reduziert man es mit Kohle und hält die Temperatur knapp oberhalb des Schmelzpunktes von Zinn (232 °C), sodass das im Laufe der Reaktion entstehende flüssige Metall abfließen kann, ohne bei höheren Temperaturen schmelzende Verunreinigungen aufzunehmen. Heutzutage gewinnt man einen großen Teil des Zinns durch Recycling, an dessen Ende eine Elektrolyse steht.
Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Zinn
Symbol: |
Sn |
|
|
Ordnungszahl: |
50 | ||
CAS-Nr.: |
7440-36-0 | ||
Aussehen: |
Silbergrau, metallisch glänzend |
Laterne aus Zinn (OttawaAC. 2011) |
Zinn, Pulver und Stab (Sicius 2015) |
Entdecker, Jahr |
Kaukasus (4. Jahrtausend v. Chr.) | ||
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] |
Halbwertszeit (a) |
Zerfallsart, -produkt | |
11650Sn (14,54) |
Stabil |
---- | |
11750Sn (7,68) |
Stabil |
---- | |
11850Sn (24,23) |
Stabil |
---- | |
11950Sn (8,59) |
Stabil |
---- | |
12050Sn (32,59) |
Stabil |
---- | |
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): |
35 | ||
Atommasse (u): |
118,71 | ||
Elektronegativität (Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken) |
1,96 ♦ K. A. ♦ K. A. | ||
Normalpotenzial für: Sn2+ + 2 e− > Sn (V) |
−0,137 | ||
Atomradius (pm): |
145 | ||
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): |
217 | ||
Kovalenter Radius (pm): |
139 | ||
Elektronenkonfiguration: |
[Kr] 4d105s25p2 | ||
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte ♦ vierte: |
709 ♦ 1412 ♦ 2943 ♦ 3930 | ||
Magnetische Volumensuszeptibilität: |
α-Zinn: −2,3 ⋅ 10−5 β-Zinn: 2,4 ⋅ 10−6 | ||
Magnetismus: |
α-Zinn: diamagnetisch β-Zinn: paramagnetisch | ||
Kristallsystem: |
α-Zinn: kubisch-flächenzentriert (Diamantstruktur) β-Zinn: oktaedrisch | ||
Elektrische Leitfähigkeit ([A/(V ∙ m)], bei 300 K): |
β-Zinn: 9,09 ⋅ 106 | ||
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): |
β-Zinn: 50 ♦ 58 ♦ 18 | ||
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): |
-- ♦ 50-440 | ||
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293,15 K): |
2500 | ||
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) |
α-Zinn: 5,769 β-Zinn: 7,265 | ||
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): |
α-Zinn: 20,58 · 10−6 β-Zinn: 16,29 · 10−6 | ||
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m ∙ K)]): |
67 | ||
Spezifische Wärme ([J/(mol ∙ K)]): |
β-Zinn: 27,12 | ||
Schmelzpunkt (°C ♦ K): |
232 ♦ 505 | ||
Schmelzwärme (kJ/mol): |
7,03 | ||
Siedepunkt (°C ♦ K): |
2620 ♦ 2893 | ||
Verdampfungswärme (kJ/mol): |
290 |
Ihre Kernladungszahl 50 macht die Atomkerne des Zinns „magisch“, und Zinn tritt in der Natur in Form zehn verschiedener, allesamt stabiler Isotope auf. Dies ist die höchste Zahl stabiler Isotope aller Elemente. Zusätzlich gibt es noch 28 verschiedene radioaktive Isotope.
Lagert man aus Zinn gefertigte Gegenstände in kalten Räumen, zerfallen sie wegen der Umwandlung von β-Zinn zu schwarzgrauem, pulvrigen α-Zinn („Zinnpest“). Werden Stäbe reinen β-Zinns bei Raumtemperatur verbogen, so wird ein knisterndes Geräusch erzeugt, da die einzelnen Kristalle aneinander reiben. Geringe Anteile an Verunreinigungen oder zulegierten Metallen verhindern das Auftreten dieses „Zinngeschreis“.
Zinn ist chemisch relativ stabil, da es sich an Luft mit einer schützenden Oxidhaut überzieht. Konzentrierte Säuren und auch Basen lösen es aber unter Bildung von Wasserstoffgas und Zinn-II-salzen (in Säuren) bzw. Stannaten (in Basen). Zinn-II wird von unedleren Metallen (z. B. Zink) reduziert; das elementare Zinn scheidet sich dann am Donormetall in Form eines Metallschwamms ab.
Verbindungen Zinn kann in den Oxidationsstufen +2 und +4 auftreten, wobei Zinn-IV etwas stabiler ist. Die Auswirkung des bei den höchsten Homologen dieser und benachbarter Hauptgruppen in der äußeren Schale vorliegenden „inerten Elektronenpaares“ ist hier noch nicht so stark ausgeprägt ist wie beim schwereren Element dieser Gruppe, dem Blei. Zinn-II wird daher noch relativ leicht zu Zinn-IV oxidiert.
Wasserstoffverbindungen Zinnwasserstoff (Monostannan, SnH4) kann man nicht aus den Elementen, sondern nur durch Auflösung salzartiger Metall-Zinn-Verbindungen („Stannide“) in Säuren herstellen (Mortimer 2010, S. 112). Ebenso ist beispielsweise die Reduktion von Zinn-II-chlorid mit Natrium- oder Kaliumborhydrid in wässriger, salzsaurer Lösung möglich. Führt man die Trennung des bei dieser Reaktion gebildeten Gasgemisches unter völligem Ausschluss von Luft und Feuchtigkeit durch, so kann man auch sehr geringe Mengen von Distannan (Sn2H6) isolieren (Weidenbruch und Schlaefke 1991).
Schließlich liefert auch die Reduktion von in absolutem Ether gelösten Zinn-IV-chlorid mit Lithiumaluminiumhydrid bei tiefer Temperatur Zinnwasserstoff (Brauer 1975, S. 751).
Monostannan ist ein giftiges Gas, das bei −52 °C kondensiert (Erstarrungspunkt der Flüssigkeit −146 °C) und eine Dichte von 5,4 g/L besitzt. Oberhalb einer Temperatur von 150 °C zerfällt es schnell in die Elemente; dabei bildet sich auf den Wänden des Gefäßes ein Zinnspiegel. Da Zinn auf der Pauling-Skala mit 2,0 eine geringere Elektronegativität als Wasserstoff (2,2) besitzt, wäre der korrekte Name für die Verbindung eigentlich Monozinntetrahydrid. Der qualitative Nachweis von Zinn beinhaltet die Reduktion wasserlöslicher Zinnverbindungen mit naszierendem Wasserstoff, wobei sich Monostannan bildet, das der Flamme des Bunsenbrenners eine blaue Fluoreszenz verleiht.
Zinn-IV-oxid ist amphoter, in Wasser unlöslich und ist in Halogenwasserstoffsäuren unter Bildung von Hexahalogenostannaten (Donaldson und Grimes 1989; Caley 1932) löslich.
Mit starken Laugen löst sich Zinn-IV-oxid unter Bildung von Stannaten-IV, den Salzen der in freiem Zustand nicht stabilen „Zinnsäuren“ [H2[Sn(OH)6 bzw. H2SnO3]. Die jeweiligen Natriumsalze sind aber beständig; man setzt sie als Hilfsmittel zum Färben ein. In seiner Eigenschaft als Halbleiter findet Zinn-IV-oxid etwa in Kombination mit Antimon-III-oxid in Modulen der Fotovoltaik Verwendung. Daher sind auch aus Zinn-IV-oxid bestehende Sputtertargets im Handel (s. Abb. 27c) Ebenso geht es deshalb in Lichtleiter oder Gassensoren ein; bei letzteren nutzt man die Reaktivität der Verbindung mit vielen Gasen aus, wo eine chemische Reaktion eine Änderung des elektrischen Widerstands bewirkt. Man setzt es ferner als Poliermehl für Natursteine, Glas oder Stahl ein, ebenso in Emaille- und Keramikmassen oder als Katalysator. Das Schmelzen anorganischer Gläser benötigt gelegentlich Elektroden aus Zinn-IV-oxid anstelle von solchen aus Molybdän.
- (I)
SnCl4 + 2 H2S → SnS2 ↓ + 4 HCl
- (II)
„Sn4+ “ + 2 (NH4)2S → SnS2 ↓ + 4 NH4+
- (I)
Sn + S → SnS
- (II)
SnCl2 + H2S → SnS ↓ + 2 HCl
Das graue Zinn-II-selenid (SnSe) wird durch Zusammenschmelzen der Elemente in stöchiometrischem Verhältnis dargestellt, wobei die Schmelze hierzu auf etwa 350 °C erhitzt werden muss (Colin und Drowart 1964). Die Verbindung schmilzt bei 861 °C, hat eine Dichte von 6,18 g/cm3 und ist unlöslich in Wasser. Zinn-II-selenid kristallisiert bei Raumtemperatur orthorhombisch (Feutelais et al. 1996; Kumar et al. 2012). Die relativ geringe Bandlücke des IV-VI-Halbleiters mit 0,9 eV (indirekt) bzw. 1,3 eV (direkt) bedingt Einsatzgebiete in der Fotovoltaik und Speicherschaltern.
Zinn-II-chlorid-Dihydrat stellt man technisch durch Lösen überschüssig eingesetzter Zinnspäne in Salzsäure her; es fällt nach Auflösen der stöchiometrisch erfoderlichen Menge an Zinn aus der heißen Lösung aus.
Da es reduzierend wirkt, überführt Zinn-II-chlorid Silber- und Quecksilbersalze in das jeweilige Metall. Zudem reduziert es Eisen-III zu Eisen-II und Chromate zu Chrom-III. Umgekehrt oxidiert Luftsauerstoff Zinn-II in wässriger oder salzsaurer Lösung zu Zinn-IV. Man setzt Zinn-II-chlorid in der Galvanik zur elektrolytischen Verzinnung ein, wesentlich wichtiger ist aber seine Verwendung als Reduktionsmittel.
In konzentrierter Salzsäure gelöst, dient Zinn-II-chlorid in der Bettendorfschen Probe als Nachweismittel für Arsen. Es reduziert chemisch gebundenes zu elementarem Arsen, das aus der Lösung ausfällt; nur Quecksilber und Edelmetalle stören. Ferner dient es in der Färberei zur Reduktion des Indigos und ist beispielsweise Beizmittel beim Färben mit Cochenille oder bei der Herstellung von Goldpurpur und Lackfarben. Es besitzt unter der Nummer E 512 innerhalb der Europäischen Union sogar eine Zulassung als antioxidativer, säuernder und stabilisierender Lebensmittelzusatzstoff.
Pnictogenverbindungen Die erstmalige Darstellung phasenreinen Zinn-IV-nitrids (Sn3N4), die Ergebnisse von Versuchen zur Aufklärung dessen Struktur und dessen physikalische Eigenschaften beschreibt Scotti. Als Ausgangsmaterial dienten 100 g Zinn-II-bromid, das im Zuge von insgesamt 50 (!) Versuchen jeweils zunächst mit Kaliumamid im Mengenverhältnis SnBr2 : KNH2 = 1 : 2 in flüssigem Ammoniak bei einer Temperatur von −34 °C und während einer Reaktionszeit von 2 d umgesetzt wurde. Nach erfolgter Umsetzung verdampfte man das flüssige Ammoniak, füllte den zurück gebliebenden Feststoff in eine aus Duranglas bestehende Ampulle und erhitzte diese während 1–5 d auf 300 °C. Das auf diese Weise erhaltene, dunkelgraue Zinn-IV-nitrid kristallisiert im Gittertyp des Spinells (Scotti 1999).
Der Versuch, in Analogie hierzu ein hypothetisches „Zinn-II-nitrid“ („Sn2N3“) zu erhalten, indem man einen Strom von Ammoniak über erhitztes Zinn-II-oxid leitete, scheiterte allerdings. Beobachtete der Autor bei Temperaturen von 20–200 °C keine Reaktion, so erfolgt bei und oberhalb von 250 °C innerhalb weniger Stunden nur die Zersetzung des Zwischenproduktes zu metallischem Zinn.
Sonstige Verbindungen Bisher gelang die Darstellung eines Zinncarbids nicht; Yu et al. stellten aber ein Titan-Zinncarbid (Ti2SnC) her, das für einen elektrischen Leiter ungewöhnliche Eigenschaften aufweist (Yu et al. 2000).
Das farblose, durch Umsetzung von amalgamiertem Zinn mit einer wässrigen Lösung von Kupfer-II-sulfat erhältliche Zinn-II-sulfat (SnSO4) (Greenwood und Earnshaw 1984, S. 451) hat in wasserfreiem Zustand eine Dichte von 4,15 g/cm3, einen Schmelzpunkt von 378 °C, ist leicht löslich in Wasser und hygroskopisch. Eine alternative Methode zu seiner Herstellung beinhaltet die Umsetzung von Zinn-II-oxid mit Schwefelsäure (Guhl und Honselmann 2009).
Beim Stehenlassen an feuchter Luft zerfließt es schnell. Wird Zinn-II-sulfat auf Temperaturen oberhalb von 360 °C erhitzt, zersetzt es sich zu Zinn-IV-oxid und Schwefel-IV-oxid. Im Feststoff kristallisiert es orthorhombisch in einer stark verzerrten Bariumsulfat-Struktur (Donaldson und Puxley 1972). Die Verbindung ist Ausgangsmaterial zur Synthese weiterer Verbindungen des Zinn-II.
Zinn-IV-nitrat [Sn(NO3)4] reagiert mit Wasser unter sehr heftiger Hydrolyse und wirkt stark oxidierend. Man stellt die Verbindung durch Umsetzung von Zinn-IV-chlorid mit Distickstoffpentoxid her. Zinn-IV-nitrat schmilzt unter Zersetzung bereits bei 50 °C und bildet mit dem Anhydrid der Trifluoroessigsäure ein Nitroniumsalz der Formel (NO2+)2[Sn(O(O)CCF3)6]2− (Harrison et al. 1978).
Tributylzinnchlorid [(C4H9)3SnCl] ist eine gelbliche, nahezu wasserunlösliche, giftige und aus chemischer Sicht relativ beständige Flüssigkeit, die man im Vakuum unzersetzt destillieren kann (Siedepunkt: 140 °C bei 13 mbar Druck). Man nutzt die Verbindung zur Bekämpfung von Schimmel und Milben auf Holz, Papier, Leder und Textilien, außerdem in Antifouling-Anstrichen für Schiffe. Allerdings ist ihr Gebrauch in der Europäischen Union, wie auch der aller anderen Organozinnverbindungen, seit bereits 20 Jahren verboten (Klingmüller und Watermann 2003). Diese Stoffe nehmen Säugetriere vor allem über die Haut und Schleimhäute auf; Folgen können Krämpfe, ein Verlust des Gewichtes, der Sinneswahrnehmungen und der Kraft sowie auch Geschwüre sein. Tributylzinnchlorid wirkt sehr giftig auf Wasserorganismen.
Qualitativ weist man Zinn mittels der Leuchtprobe bzw. im Trennungsgang durch Fällung mit Ammoniumpolysulfidlösung nach. Bei der Leuchtprobe gibt man zur zinnhaltigen Lösung 20 %ige Salzsäure und Zinkpulver. Der bei der Auflösung des Zinks frei werdende, naszierende Wasserstoff reduziert Sn2+/4+ bis zum Monostannan (SnH4). In diese Lösung taucht man ein mit kaltem Wasser gefülltes Reagenzglas ein, das danach im Dunkeln in die nicht leuchtende Flamme des Bunsenbrenners gehalten wird. Tritt sofort eine blaue Fluoreszenz ein, weist dies die Anwesenheit von Zinn nach (Jander und Blasius 2006, S. 499).
Quantitativ erfolgt die Bestimmung polarografisch (Heyrovský und Kůta 1965) oder mittels AAS, Hydridtechnik und Morin, um wichtige zu nennen (Cammann 2001).
Zinn wird legiert mit Blei zum Bau von Orgelpfeifen verwendet eine Legierung, die ihre Farbe lange behält und schwingungsdämpfend wirkt. Jedoch sind dauerhaft tiefe Temperaturen wegen der Umwandlung metallischen in pulvriges, halbmetallisches α-Zinn schädlich für ausschließlich aus Zinn gefertigte, ältere Orgelpfeifen (Zinnpest). Inzwischen ersetzte man das relativ teure Zinn daher durch billigere und gleichzeitig stabilere Werkstoffe. Deko- und Schmuckartikel stellt man aber weiter oft aus Zinn oder seinen Legierungen (Bronze, Britanniametall) her.
Es ist zudem unverzichtbare Komponente tiefschmelzender Metalllegierungen. Zum Löten auf Leiterplatten setzt man heute eine bei rund 220 °C schmelzende Legierung von Zinn, Kupfer und Silber ein; bleihaltiges Lötzinn ist seit Längerem nicht mehr erlaubt. Wegen der bei tieferen Temperaturen stets drohenden Zinnpest müssen elektronische Bauteile für die Medizin- und Sicherheitstechnik sowie für die Luft- und Raumfahrt beispielsweise immer noch Blei enthalten.
Weißblech ist verzinntes Eisenblech, das zur Herstellung von Konservendosen benutzt wird. Zinnmetall findet auch in der Homöopathie Anwendung. Zur Herstellung von Tuben für Farbpasten wie auch -früher- zur Produktion von Lametta wird bzw. wurde Zinn verwendet, ebenso ist es nach wie vor Bestandteil von als Zahnfüllung eingesetzten Amalgamen.
Durchsichtige, elektrisch leitende und infrarotreflektierende Beschichtungen aus Zinn- und Indiumoxid auf Glasscheiben sind die Grundlage von LC-Displays (Nanning 1984).
Hochreine Einkristalle aus Zinn finden Einsatz in elektronischen Bauteilen. Zur Herstellung integrierter Schaltkreise mit immer höheren Anforderungen hinsichtlich deren Verkleinerung, Preis und Schnelligkeit findet die EUV-Lithografie Einsatz; das hierfür benötigte sehr kurzwellige UV-Licht (Wellenlänge 13,5 nm) wird zunehmend von zinnhaltigen Plasmen erzeugt (Wagner und Harned 2010).
Einfache anorganische Zinnverbindungen sind relativ ungiftig, wogegen organische oft stark toxisch sind, da sie das Zinn schnell im Körper verteilen. Dadurch kann gelöstes Zinn, wie auch andere Schwermetallionen (z. B. Blei, Quecksilber), die Schwefelatome schwefelhaltiger Aminosäuren (z. B. Cystin, Cystein) blockieren. Durch die jahrelange Verwendung von Tributylzinnderivaten in Anstrichfarben für Schiffe reicherten sich diese in den Meerwasserzonen rund um große Hafenstädte an und beeinflussen darin bis heute Flora und Fauna.
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W. Zeng und Y. Cao, Methods of making and using tin oxide film with smooth surface morphologies (Applied Materials, Inc., WO 2019213337, veröffentlicht 7. November 2019)
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K. Bronder und B. Weyhmueller, Improved copper-tin electrolyte and process for the deposition of tin-bronze layers (Umicore Galvanotechnik GmbH, PL 2310558 T3, veröffentlicht 28. September 2012)
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5.5 Blei
Geschichte Auf die Zeit um 6500 v. Chr. datiert man den ältesten bisher gemachten Fund von aus metallischem Blei gefertigten Gegenständen (hier: Perlen) im Süden Anatoliens (Rumpf 2013). Schon in Mesopotamien beherrschte man die Herstellung von Krügen und Vasen aus Blei, wobei der Verbrauch so hoch war, dass die Assyrer Blei importieren mussten (Faist 2001).
Die Römer nutzten Blei zur Befestigung von Bauwerken (Kritzinger 2017), außerdem zur Verkleidung von Schiffsrümpfen, zur Fertigung städtischer Wasserleitungen, von Gefäßen, Schreibtafeln, Särgen und Schleudergeschossen (Baatz 1990). Blei diente im Mittelalter zum Einfassen von Kirchenfenstern oder Bedecken von Dächern. Ab dem 19. Jahrhundert stellte man Behälter aus Blei her, die in der damaligen Industrie bei chemischen Synthesen zum Einsatz kamen (Bleikammerverfahren).
Vorkommen Blei tritt in der Natur meist in Form sulfidischer Erze und nur selten gediegen auf. Man wies es weltweit bislang an etwa 130 Fundorten nach, wobei die Zusammensetzung der Isotope immer unterschiedlich ist.
In Deutschland baute man es früher in der Eifel, im Schwarzwald, im Harz und in Sachsen ab; heutzutage sind nur noch zwei Bleihütten in Betrieb (Binsfeldhammer in Stolberg/Aachen und Metaleurop bei Bremerhaven). Die Wiedergewinnung des Metalls, vor allem aus gebrauchten Autobatterien, herrscht eindeutig vor.
Das wichtigste Bleierz ist Galenit (Bleisulfid PbS, Bleiglanz), der oft mit Sulfiden anderer Metalle (Kupfer, Zink, Arsen, Antimon) vergesellschaftet ist. Daneben kommen Cerussit (Blei-II-carbonat, PbCO3), Krokoit (Blei-II-chromat, PbCrO4) und Anglesit (Blei-II-sulfat, PbSO4) vor. Insgesamt kennt man mehr als 500 bleihaltige Minerale.
Die weltweiten Reserven betragen 70 Mio. t bei einer gleichzeitigen Jahresförderung von ca. 4 Mio. t. Die größten Vorkommen liegen in China (Fördermenge 1 Mio. t/a), in den USA (ca. 0,5 Mio. t/a), Kanada, Australien (ca. 0,7 Mio. t/a) und im sibirischen Teil Russlands. In Europa sind Schweden, Polen und Irland die Länder mit den größten Vorkommen und auch Fördermengen.
Raffiniertes Blei (Hüttenweichblei mit 99,9 % Gehalt) wird zur Zeit in jährlichen Mengen von etwa 7 Mio. t produziert. China kommt für ein Viertel, die USA für ein Sechstel und Deutschland für 5 % dieser Menge auf. Großbritannien, Italien, Frankreich und Spanien sind weitere wichtige Herstellländer für Hüttenweichblei.
Gewinnung Das Bleisulfid (Galenit, PbS) wird zerkleinert, sortiert und flotiert, wodurch eine Anreicherung auf bis zu 60 % Mineralanteil erreicht wird. Das Erz wird dann mittels Röstreaktion und -reduktion, heute eher durch das umweltverträglichere Direktschmelzverfahren in metallisches Blei überführt.
Das so gebildete Werkblei enthält noch 2–5 % metallische Verunreinigungen (Zinn, Edelmetalle, Arsen, Antimon, Bismut). Das folgende Schmelzen mit Natriumcarbonat und -nitrat oxidiert Zinn, Arsen und Antimon, die in Form von Bleistannat, -arsenat und -antimonat von der Oberfläche der Metallschmelze abgeschöpft werden (Antimonabstrich).
Die Metalle Cobalt, Nickel, Kupfer und Zink entfernt man durch Seigern, Silber durch Zugabe von Zink (Parkes-Verfahren) und Bismut nach Kroll und Betterton durch Legieren mit Calcium und Magnesium; der dabei entstehende „Bismutschaum“ schwimmt auf der Oberfläche des flüssigen Bleis auf und kann von dieser abgezogen werden.
Eine zusätzliche, aber teure Möglichkeit der Reinigung ist die in wässriger Lösung durchführbare elektrolytische Raffination. Blei wird gemäß der elektrochemischen Spannungsreihe leichter oxidiert als Wasserstoff (Pb2+ + 2 e− → Pb; Normalpotenzial E0: −0,125 V), jedoch besitzt Wasserstoff an Blei eine hohe Überspannung. Dadurch kann Blei elektrolytisch aus wässriger Lösung abgeschieden werden.
Raffiniertes Blei (Weichblei) besitzt eine Reinheit von 99,9 % an aufwärts, Feinblei eine ab 99,985 %. Kabelblei ist eine Legierung mit einem Kupferanteil von ca. 0,04 % Kupfer.
Eigenschaften Blei ist wesentlich edler als Eisen, Zink oder Aluminium (de Marcillac et al. 2003). Das weiche, duktile Schwermetall kristallisiert kubisch-flächenzentriert und lässt sich leicht zu Blechen walzen oder Drähten formen. Eine Modifikation ähnlich der des Diamanten mit kovalenten Bindungen zwischen Bleiatomen bildet das Element, im Gegensatz zum α-Zinn, Germanium, Silicium und Diamant, nicht mehr. Natürlich vorkommendes Blei ist etwas härter aufgrund der in ihm enthaltenen Verunreinigungen (Audi et al. 2003).
Vorkommen, physikalische und chemische Eigenschaften von Blei
Symbol: |
Pb |
|
|
Ordnungszahl: |
82 | ||
CAS-Nr.: |
7439-92-1 | ||
Aussehen: |
Bläulich-weißgrau, metallisch glänzend |
Blei, Långban Mine, Filipstad, Schweden (Lavinsky) |
Blei, Plättchen (Sicius 2015) |
Entdecker, Jahr |
Bronzezeit | ||
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] |
Halbwertszeit |
Zerfallsart, -produkt | |
20482Pb (1,4) |
>1,4 ⋅ 1017a |
α >20080Hg | |
20882Pb (52,4) |
Stabil |
----- | |
20882Pb (52,4) |
Stabil |
----- | |
20882Pb (52,4) |
Stabil |
----- | |
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): |
18 | ||
Atommasse (u): |
207,2 | ||
Elektronegativität (Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken) |
1,87 ♦ k.A. ♦ K. A. | ||
Normalpotenzial für: Pb2+ + 2 e− > Pb (V) |
−0,125 | ||
Atomradius (pm): |
175 | ||
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): |
202 | ||
Kovalenter Radius (pm): |
146 | ||
Ionenradius (Pb4+ ♦ Pb2+, pm) |
74 ♦ 96 | ||
Elektronenkonfiguration: |
[Xe] 4f145d106s26p2 | ||
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte ♦ vierte: |
716 ♦ 1451 ♦ 3082 ♦ 4083 | ||
Magnetische Volumensuszeptibilität: |
−1,6 ⋅ 10−5 | ||
Magnetismus: |
Diamagnetisch | ||
Kristallsystem: |
Kubisch-flächenzentriert | ||
Elektrische Leitfähigkeit ([A/(V ∙ m)], bei 300 K): |
4,76 ⋅ 106 | ||
Elastizitäts- ♦ Kompressions- ♦ Schermodul (GPa): |
16 ♦ 46 ♦ 5,6 | ||
Vickers-Härte ♦ Brinell-Härte (MPa): |
-- ♦ 38-50 | ||
Mohs-Härte |
1,5 | ||
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 293,15 K): |
1190 | ||
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) |
11,34 | ||
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): |
18,26 · 10−6 | ||
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m ∙ K)]): |
35 | ||
Spezifische Wärme ([J/(mol ∙ K)]): |
26,65 | ||
Schmelzpunkt (°C ♦ K): |
327,4 ♦ 600,6 | ||
Schmelzwärme (kJ/mol): |
4,85 | ||
Siedepunkt (°C ♦ K): |
1744 ♦ 2017 | ||
Verdampfungswärme (kJ/mol): |
177 |
Blei überzieht sich an der Luft mit einer Schicht aus Bleioxid und ist so vor weiterer Oxidation geschützt. In fein verteiltem Zustand ist Blei leicht entzündlich. Es reagiert nicht mit Salz-, Fluss- und Schwefelsäure, da sich an der Metalloberfläche die jeweiligen schwer löslichen Salze Blei-II-fluorid, -chlorid und -sulfat bilden. In heißer konzentrierter Schwefel- und Salpetersäure ist es jedoch löslich; in ersterer bilden sich Sulfatoplumbat-Anionen, in letzterer leicht lösliches Blei-II-nitrat. Die Oxidationszahl +2 ist stabiler als +4.
Die früher verbreiteten, aus Blei hergestellten Trinkwasserleitungen geben nur in hartem, stark carbonat- und/oder sulfathaltigem Wasser sehr geringe Mengen Blei ans Wasser ab. Ist das Wasser weich und tritt sogar noch Luftsauerstoff hinzu, kann das Leitungsmaterial erhebliche Mengen Blei ans Wasser abgeben, was eine ernste Gesundheitsgefahr darstellt.
Die Verbindungen, in denen Blei mit der Oxidationszahl +2 auftritt, sind am stabilsten. Blei-IV-Verbindungen sind meist starke Oxidationsmittel.
Wasserstoffverbindungen Monoplumban (Bleiwasserstoff, PbH4) ist ein sehr giftiges Gas mit einem Siedepunkt von −13 °C. Vor 20 Jahren gelang seine Synthese aus Blei-II-nitrat und Natriumborhydrid (Snegirev et al. 1999). Eine ohne Zuhilfenahme naszierenden Wasserstoffs auskommende Darstellungsmethode beschreiben Yang et al. (2005). Die Infrarot-Absorptionsbanden des tetraedrisch strukturierten Moleküls (Bindungslänge Pb-H: 173 pm) untersuchten Wang und Andrews (2003).
Plumban entsteht auch durch Einwirkung atomaren Wasserstoffs auf fein verteiltes Blei, ebenso durch thermische Zersetzung von Dimethylplumban [(CH3)2PbH2] bei Temperaturen oberhalb von −50 °C. Im Gegensatz zum analog aufgebauten Molekül des Methans (CH4) ist Plumban chemisch sehr instabil und leicht zersetzlich. Wenn man das Gas über eine erhitzte Oberfläche leitet, zerfällt es unter Abscheidung eines Bleispiegels. Beständiger als Plumban sind Derivate mit organischen Substituenten, etwa Tetramethylblei [Pb(CH3)4] oder Tetraethylblei [Pb(C2H5)4]. Jene setzte man vor Einführung bleifreien Benzins als Antiklopfmittel ein. Da sie leicht flüchtig sind, von der Haut resorbiert werden und giftig sind (MAK-Wert Tetraethylblei: 0,075 mg/m3), verbot man bleihaltiges Benzin seit 1998 in Deutschland, seit 2000 in der gesamten Europäischen Union (Holleman et al. 2007, S. 1011).
Mennige ist kein Gemisch aus Blei-II- und Blei-IV-oxid, sondern eine Verbindung beider Oxide, wobei Blei-IV als „Plumbat“-Ion (PbO44−) auftrittt. Im Kristallgitter liegen kantenverknüpfte PbIVO6-Oktaeder vor; die Pb2+-Ionen sind quadratisch-pyramidal von vier Sauerstoffatomen umgeben (Gavarri und Weigel 1975).
Früher nutzte man Mennige als Maler- und Rostschutzfarbe (Janssens et al. 2015), die aber wegen ihrer Giftigkeit nur noch selten verwendet wird. In der Schweiz ist ihr Einsatz seit 2005 verboten, in Deutschland seit 2012. Das Pigment verrieb man zu diesem Zweck mit Lein- und/oder Terpentinöl und verstrich es dann. Allerdings dient es heute noch, neben Quarzsand und Pottsche, zur Herstellung einer Schmelze, aus der Bleikristallgläser erzeugt werden.
Von Blei-IV-oxid (PbO2) kennt man fünf Modifikationen, die jeweils durch Änderung des Drucks bzw. der Temperatur ineinander übergehen. Bei Raumtemperatur liegt die Verbindung bei Drücken bis zu 4 GPa in der tetragonalen β-Modifikation mit Rutilstruktur vor, bei Drücken bis zu 7 GPa (bei 300 °C: 6 GPa) ist die Kristallstruktur orthorhombisch (α − PbO2). Zwischen 7 und 11,4 GPa zeigt sich eine defekte Fluorit-Struktur, zwischen 11,4 und 29 GPa eine orthorhombische (Zirconiumdioxid-Typ) und darüber hinaus schließlich wieder eine orthorhombische, dem Blei-II-chlorid (Mineral: Cotunnit) entsprechende Struktur (Haines et al. 1996).
Blei-IV-oxid ist als teratogen, gesundheitsschädlich, umweltgefährlich und krebserregend eingestuft (Senatskommission zur Prüfung gesundheitsschädlicher Arbeitsstoffe 2013).
Blei-II-sulfid ist ein Halbleiter einer direkten Bandlücke von nur 0,41 eV (Elektronen- und Lochmobilität je 600 cm2/V ∙ s) (Devamani et al. 2018). Es wird in infrarotsensiblen Detektoren (etwa in Teleskopen) eingesetzt, außerdem in der Reifenindustrie als Beschleuniger beim Vulkanisieren und in der Glas- und Keramikindustrie. Auf einem Glassubstrat schieden Jandow et al. ultradünne Filme aus Blei-II-sulfid ab, die eine wesentlich höhere Bandlücke aufwiesen (1,7–2,3 eV), die sich aber mit wachsender Schichtdicke asymptotisch dem oben genannten Wert von 0,41 eV annäherte (2016).
- (I)
2 Se + 8 HNO3 → 2 H2SeO3 + 8 NO2 ↑ + 2 H2O
- (II)
2 PbO + 4 HNO3 → 2 Pb(NO3)2 + 2 H2O
- (III)
2 H2SeO3 + 2 Pb(NO3)2 + 3 N2H4 → 2 PbSe ↓ + 3 N2 ↑ + 4 HNO3 + 6 H2O
Blei-IV-fluorid (PbF4) erhält man durch Umsetzung von Blei oder Blei-II-fluorid mit im Überschuss eingesetzten Fluor (Brauer 1975, S. 233) als farblosen, kristallinen Feststoff, der sehr hydrolyseempfindlich ist. In feuchter Luft hydrolysiert er überraschend schnell zum braunen Blei-IV-oxid. Die Verbindung kristallisiert tetragonal; im Gitter liegen PbF6-Oktaeder vor, die über gemeinsame äquatoriale Brücken mit jeweils vier benachbarten PbF6-Oktaedern in Form planarer Schichten angeordnet sind (Bork und Hoppe 1996; Holleman et al. 1995, S. 970).
Blei-II-chlorid (PbCl2) kommt natürlich als Mineral Cotunnit vor und ist durch Lösen von Blei oder Blei-II-chlorid in Salzsäure oder auch durch Chlorieren von Blei darstellbar (Holleman et al. 2007, S. 1013–1015). Die Verbindung ist nur schwer in Wasser löslich und fällt daher aus bleihaltiger wässriger Lösung aus. Hierdurch fällt Blei nicht nur in der Schwefelwasserstoff-Gruppe, sondern auch in der Salzsäure-Gruppe des Kationentrennungsganges aus (Strähle und Schweda 1995, S. 245).
Blei-IV-chlorid (PbCl4) ist bei Raumtemperatur eine gelbe, ölige, an feuchter Luft rauchende Flüssigkeit, die sich oberhalb einer Temperatur von 50 °C zu Blei-II-chlorid und Chlor zersetzt. Ein schnelles Erhitzen auf Temperaturen um 100 °C kann zum explosionsartigen Zerfall der Verbindung führen.
Der Erstarrungspunkt des Blei-IV-chlorids liegt bei −15 °C, die Dichte bei 3,18 g/cm3 (Holleman et al. 2007, S. 1015). Die PbCl4-Moleküle haben eine tetraedrische Struktur (Pulham et al. 2002). Die Verbindung ist durch Einwirkung überschüssigen Chlors auf Blei zugänglich. Ebenso kann man Chlorgas in eine eisgekühlte Suspension von Blei-II-chlorid in Salzsäure einleiten, zu der man danach Ammoniumchlorid gibt. Darauf fällt zitronengelbes Ammoniumhexachloroplumbat [(NH4)2PbCl6] aus, das man abfiltriert und in konzentrierte Schwefelsäure einträgt. Es scheidet sich dann öliges Blei-IV-chlorid ab, das man vom Boden des Reaktionsgefäßes ablassen kann (Kolditz 1983, S. 406; Patnaik 2002, S. 480; Vulte 2007, S. 40).
Blei-IV-chlorid ist ein starkes Oxidationsmittel und hydrolysiert in Wasser zügig zu Chlorwasserstoff und Blei-IV-oxid.
Blei-II-iodid ist schwer löslich in Wasser, schmilzt bei 402 °C (Siedepunkt der Schmelze: 954 °C) und hat die Dichte 6,16 g/cm3. Unter Normalbedingungen ist die Kristallstruktur trigonal (Raumgruppe 164). Es gibt außerdem mehrere bei erhöhtem Druck auftretende Modifikationen (Tonkov 1992, S. 494).
Einkristalle der Verbindung dienen als Detektor für Röntgen- und Gammastrahlen (Kasap und Capper 2006, S. 1129). Im 19. Jahrhundert nutzte man es vereinzelt als gelbe Malerfarbe, ersetzte es aber wegen seiner Lichtempfindlichkeit und Giftigkeit später (Siddall et al. 2007, S. 228). Noch setzt man Blei-II-iodid unter Anderem in fotografischen Emulsionen, Iod-Batterien (Gellings und Bouwmeester 1997, S. 387), Filtern für Infrarotlicht, Quecksilberdampflampen und thermoelektrische Materialien ein.
Früher verwendete man Blei-II-sulfat als weiße Malerfarbe, da sie beständig gegen Licht und Luft war. Sie deckte aber schwächer als Bleiweiß und verfärbte sich nach einiger Zeit ins Dunkle wegen der langsam erfolgenden Reduktion zu Blei-II-sulfid (Baumann und Herberg-Liedtke 2013, S. 256). Man setzte die Verbindung auch als Beschwerungsmittel ein (Bertau et al. 2013, S. 291). Da Blei-II-sulfat wegen seiner Löslichkeit in Säuren (Magensäure!) giftig ist, ist es in Deutschland nicht mehr frei verkäuflich. In weißen Farben ist Blei-II-sulfat nahezu vollständig durch das ungiftige und noch wesentlich stabilere Titan-IV-oxid ersetzt worden. Man verwendet es aber aktuell noch als Hitzeschutz in Nylon- und Polyesterfasern, in thermographischem Papier und in Ratten- und Mäusegift.
In der zur Gewinnung von Gold betriebenen Cyanid-Laugung setzt man Blei-II-nitrat als Hilfsmittel und in sehr geringen Mengen (10–100 mg pro kg Gold) zu (Habashi 1998). In wenigen organischen Synthesen wird deswegen seiner Wirksamkeit als Katalysator genutzt, so als Bromidfänger bei bestimmten SN1-Reaktionen (Rapoport und Jamison 1998).
Blei-II-chromat zeigt als Pigment in Lacken und Farben eine gute Deckkraft, Brillanz und Farbintensität. Trotzdem färbt es sich im Lauf der Zeit braun, da durch Reduktion des Chrom-VI zu grünem Chrom-III eine dunklere Mischfarbe entsteht. In älteren Gemälden ist dieser Effekt gut zu beobachten, initiiert und gefördert wird diese Reaktion vor allem durch den im Sonnenlicht enthaltenen Anteil ultravioletten Lichts, aber auch in den schwächer beleuchteten Museen macht sich diese Fotoreduktion im Lauf der Jahrzehnte bemerkbar (van Tendeloo et al. 2013). Blei-II-chromat ist etwas stabiler, wenn es in Öl oder Kunstharzen eingebettet ist.
Die Verbindung schmilzt bei 1123 °C, hat eine Dichte von 8,28 g/cm3 und ist nicht hygroskopisch. Das spektrale Maximum der emittierten Szintillationsstrahlung liegt bei 430 nm; bei dieser Wellenlänge beträgt der Brechungsindex 2,17. Die Ausbeute an Szintillationslicht ist gering und liegt nur bei 5 % derjenigen von Bismutgermanat oder 0,6 % der von Natriumiodid. Die mit Bleiwolframat erzielbare Lichtausbeute ist zudem stark abhängig von der Temperatur.
- (I)
4 Mg + 4 CH3Cl → 4 CH3MgCl
- (II)
4 CH3MgCl + 2 PbCl2 → Pb(CH3)4 + Pb + 4 MgCl2
- (III)
PbI2 + 3 CH3Li + CH3I → Pb(CH3)4 + 3 LiI
- (IV)
4 PbNa + 4 CH3Cl → Pb(CH3)4 + 4 NaCl + 3 Pb
Die Autoindustrie ist mit einem Anteil von etwa zwei Dritteln des gesamten Bedarfes der stärkste Verbraucher von Blei (fast ausschließlich in Form von Blei-IV-oxid für Autobatterien). Weitere 20 % werden in der chemischen Industrie verarbeitet. Die Weltmarktpreise für Blei liegen heute bei etwa € 1475.-/t (finanzen.net, 1. Mai 2020).
Wegen seiner Giftigkeit wird Blei dort, wo es möglich ist, ersetzt. Es hat aber immer noch eine große Bedeutung als Material für Legierungen, weil es leicht herstellbar ist und eine hohe Dichte sowie Beständigkeit gegenüber Korrosion besitzt. So ist es beständig gegenüber Schwefelsäure und zu einem hohen Grad auch Halogenen. Daher wird es als Korrosionsschutz im Apparate- und Behälterbau eingesetzt. Das Bleikammerverfahren zur Herstellung von Schwefelsäure verwandte Blei als Behältermaterial. Auch in Überlandkabeln fand es daher Einsatz.
Blei wird durch Zulegieren anderer Metalle in seinen Eigenschaften wie Härte, Schmelzpunkt oder Korrosionsbeständigkeit verändert. Hartblei, eine im Apparatebau eingesetzte Legierung aus Blei und Antimon, ist deutlich härter und daher mechanisch stabiler als reines Blei.
Letternmetall enthält 60–90 % Blei und als weitere Komponenten Antimon und Zinn. Wurde es früher noch in großem Stil für den Buchdruck gebraucht, spielt es heute nur noch zum Druck für klassische Ausgaben eine Rolle.
Blei absorbiert effektiv Röntgen- und Gammastrahlung. Da es darüber hinaus relativ preiswert und gut verarbeitbar ist, setzt man es oft als -noch weitgehend unverzichtbares- Material zum Strahlenschutz ein. Die im hinteren Teil von in Fernsehgeräten und Computern eingebauten Kathodenstrahlröhren entstehenden weichen Röntgenstrahlen schirmt Blei wirkungsvoll ab. Bleihaltiges Glas ist ebenso dafür einsetzbar, daneben stellt man daraus hochwertiges Glas her (Bleikristallglas).
Rohre aus Blei werden seit mehreren Jahrzehnten nicht mehr verbaut, da sich auf der Oberfläche des Metalls zwar eine Deckschicht aus schwer löslichem Bleicarbonat bildet, die aber die Auflösung von Blei im Wasser nicht vollständig unterdrückt. Die so resultierenden Konzentrationen gelösten Bleis übersteigen die nach der Trinkwasserverordnung erlaubten deutlich (Stiftung Warentest 2010).
Blei wird im Bauwesen eingesetzt, wo in Stein eingelassene Metallteile von Blei umhüllt werden, das das Bindeglied zwischen Stein und Metall ist. Diese Technik ist seit dem Mittelalter verbreitet. Mit Walzblei fasst man Dachöffnungen (Fenster) ein.
Blei wurde und wird als Grundmaterial für Geschosse verwendet, dies wegen seiner hohen Dichte und Durchschlagskraft, und weil es durch Gießen auch leicht zu verarbeiten ist. Bleimunition wird heute mit einer Kupferlegierung ummantelt, damit die Geschosse höhere Geschwindigkeiten erreichen können. Aus Bleischrot gefertigte Jagdmunition ist wegen ihrer potenziellen Gefährlichkeit für Mensch und Umwelt in der öffentlichen Diskussion (swr.de 2011; Lange 2002).
Taucher benutzen Bleigewichte, z. B. auf den Hüftgurt gereiht oder in Form von Schrotkugeln in den Taschen einer Tarierweste, um im Wasser schnell absinken zu können. Der Ballast kann erforderlichenfalls schnell abgeworfen werden. Die früher zum Auswuchten von Autoreifen verwendeten Bleigewichte sind seit zehn Jahren verboten und durch andere, ähnlich schwere Metalle ersetzt worden. Blei ist auch Bestandteil von Schwingungsdämpfern in erschütterungsempfindlichen Bauteilen von Autos und dient zur Stabilisierung von Schiffen.
In einer Autobatterie sind jeweils eine Elektrode aus Blei- und aus Blei-IV-oxid installiert, die in 37 %ige Schwefelsäure als Elektrolyt tauchen. Dieser Akkumulator liefert eine Spannung von 2,06 V. Bei der elektrochemischen Reaktion entsteht unlösliches Blei-II-sulfat, das durch Wiederaufladen aber zurück in Blei und Blei-IV-oxid überführt wird.
Blei war häufiger Bestandteil von Legierungen, die zum Löten benutzt werden (u. a. Weichlot); noch 1998 setzte man 20.000 t Blei darin ein. Seit knapp zehn Jahren darf es aber kraft einer entsprechenden EU-Verordnung in vielen Loten nicht mehr verwendet werden.
Die Anforderungen an die Analytik sind bezüglich hochtoxischer Schwermetalle wie Blei sehr hoch. Bei der Atomabsorptionsspektrometrie überführt man gelöstes Blei mittels Natriumborhydrid (NaBH4) in flüchtigen Bleiwasserstoff (PbH4, Plumban), ein äußerst giftiges Gas vom Kondensationspunkt −13 °C. Dieses zersetzt sich leicht in die Elemente. Es wird in eine Quarzküvette geleitet, die dann auf Temperaturen von über 900 °C erhitzt wird. Die Absorption bei einer Wellenlänge von 283,3 nm wird mittels einer Hohlkathodenlampe gemessen (Nachweisgrenze: <5 ng/ml) (Maleki et al. 1999; Townsend et al. 1998).
Die Atomemissionspektrometrie ermöglicht den Nachweis von Blei in Trinkwasser bis hinunter zu Konzentrationen von 15,3 ng/ml (Zougagh et al. 2004; Chen et al. 2009).
Die Massenspektroskopie analysiert das Isotop 20682Pb; die ICP-MS bestimmt die Konzentration von in Urin gelöstem Blei bis herab zu 4,2 pg/g.
Elementares, kompaktes Blei ist für den Menschen kaum giftig, da dessen Resorption durch die Haut sehr schwach ist und sich auf dem Metall an der Luft außerdem eine schwer wasserlösliche Schicht aus Blei-II-carbonat bildet. Als Staub wird es vor allem über die Lunge aufgenommen. Toxisch sind vor allem wasserlösliche sowie organische Bleiverbindungen; letztere werden leicht über die Haut resorbiert.
Seit 2006 gelten Stäube und andere über die Lunge resorbierbare Formen von Blei und seiner Verbindungen als krebserregend, Ausnahme ist Bleichromat.
Im menschlichen Körper wird Blei akkumuliert und nur sehr langsam wieder ausgeschieden, da es sich in Knochen anreichert. Eine chronische Vergiftung äußert sich in Kopfschmerzen, Müdigkeit, Abmagerung und Defekten der Blutbildung, des Nervensystems und der Muskulatur. Eine akute Bleivergiftung kann tödlich enden. Die Ursache für die Toxizität des Bleis liegt darin, dass es bestimmte (schwefelhaltige) Enzyme hemmt und so den Einbau von Eisenionen in das Molekül des Hämoglobins verhindert bzw. stark verzögert.
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S. Itaru, Lead acid storage battery (Hitachi Chemical Co., Ltd., WO2019216211 A1, veröffentlicht 14. November 2019)
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J. S. Cseh, Integrated temperature sensor on lead selenide plate detector assembly (Koninklijke Philips NV, US 2019346681 A1, veröffentlicht 14. November 2019)
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M. D. Babaran und A. C. L. Marquez, QFN pin routing thru lead frame etching (Texas Instruments, Inc., US 2019348302 A1, veröffentlicht 14. November 2019)
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D. L. Williams und T. Brostrom, Bonding strip for fixing an electrode coil to a lead body (Medtronic, Inc., US 2019344071 A1, veröffentlicht 14. November 2019)
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S. Yoshikawa und K. Tachibana, Lead-free solder alloy and in-vehicle electronic circuit (Senju Metal Industry Co., PT 2982469 T, veröffentlicht 23. April 2019)
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R. L. Clarke und S. R. Clarke, Devices and smelterless recycling of lead acid batteries (Aqua Metals Inc., PT 3072180 T, veröffentlicht 3. April 2019)
5.6 Flerovium
Im Frühjahr 1999 ersetzte das am JINR tätige Team das 24494Pu-Target durch 24294Pu, um unter sonst gleicher Anwendung der oben stehenden Fusionsreaktion weitere Isotope des Elements 114 erzeugen zu können. Dieses Mal erhielt man zwei Nuklide, die einem α-Zerfall einer Halbwertszeit von 5,5 s untergingen und einem Isotop 287114Fl oder 287m114Fl zugeordnet wurden (Oganessian et al. 1999b, 2004b). Im Juni 1999 wiederholte man in Dubna den schon 1998 durchgeführten Versuch und erhielt 289114Fl, für das man eine Halbwertszeit des α-Zerfalls von 2,6 s ermittelte.
Zehn Jahre später, im Mai 2009, veröffentlichte die Joint Working Party (JWP) der IUPAC einen Bericht, in dem sie die Entdeckung des Isotops 283112Cn anerkannte (Barber et al. 2009). Dies schloss aber die Entdeckung des Isotops 287114Fl mit ein, da jenes α-Zerfall zu eben diesem 283112Cn erleidet. Das LBNL in Berkeley bestätigte die Entdeckung von 286114Fl und 287114Fl im Januar 2009. Im Juli 2009 folgte die GSI (das heutige Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung, Darmstadt), die die Nuklide 288114Fl und 289114Fl erzeugten. Im Jahr 2011 bewertete die IUPAC alle vom JINR in Dubna durchgeführten Versuche und erkannte trotz einiger Inkonsistenzen die Entdeckung des neuen Elements 114 an (Barber et al. 2011). In Dubna hatte man somit das Recht der Erstbenennung (Koppenol 2002; Chatt 1979); man entschied sich zur Ehrung des Begründers der russischen Kernphysik, Georgi Flerov.
Der sowjetische Physiker Georgi Nikolajewitsch Fljorow (Flerow) (* 2. März 1913 Rostow am Don; † 9. November 1990 Moskau) arbeitete auf den Gebieten Kernphysik, Transurane und kosmische Strahlung. Er war maßgeblich an der Entdeckung neuer chemischer Elemente beteiligt. Nach erfolgtem Schulabschluss studierte Flerow in Leningrad (St. Petersburg) Physik und Ingenieurwesen am Polytechnischen Institut. Kurze Zeit nach Abschluss seines Studiums bot Kurtschatow am Leningrader Physikalisch-Technischen Institut ihm an, seine Arbeitsgruppe zu verstärken (Petrzhak 1940).
Flerow war ab Ende 1941 an der Entwicklung einer sowjetischen Atombombe beteiligt und erhielt 1943 während seiner Entwicklungstätigkeit den Doktortitel, ohne „offiziell“ promoviert zu haben. Flerow war 1957 Gründer und ab 1960 Leiter des Laboratoriums für Kernreaktionen am Vereinigten Institut für Kernforschung in Dubna bei Moskau. 1963 entdeckte er die Protonenradioaktivität und 1964 das künstlich erzeugte Element Rutherfordium. Außerdem synthetisierten er und seine Kollegen in Dubna erstmals die Elemente 102 (Nobelium, 1957/68), 105 (Dubnium, 1967) und 106 Seaborgium (1974).
Zu Ehren Flerows erkannte die IUPAC am 30. Mai 2012 dem chemischen Element mit der Ordnungszahl 114 offiziell den Namen Flerovium zu.). Der ausgelobte Flerow-Preis des JINR ist nach ihm benannt. Flerow war Inhaber zahlreicher Auszeichnungen; so war er Held der Sozialistischen Arbeit (1949) und erhielt 1973 den Orden der Oktoberrevolution. Er trug zweimal den Leninorden (1949, 1983), dreimal den Roten Banner der Arbeit (1959, 1963, 1975) und bekam zweimal den Stalinpreis (1946, 1949), 1967 den Leninpreis und 1975 den Staatspreis der UdSSR zuerkannt. Im Jahr 1981 wurde er zum Mitglied der Leopoldina gewählt.
Eigenschaften Das stabilste der bisher bekannten Flerovium-Isotope, 289114Fl, hat mit 2,7 s eine vergleichsweise lange Halbwertszeit. Die Ordnungszahl 114 ist eine der wenigen magischen Zahlen, insofern ragt dieses Isotop bezüglich seiner, wenn auch vergleichsweise immer noch sehr geringen Stabilität aus der Masse der Nuklide seiner unmittelbaren Umgebung deutlich heraus.
Physikalische und chemische Eigenschaften von Flerovium
Symbol: |
Fl | ||
Ordnungszahl: |
114 | ||
CAS-Nr.: |
54085-16-4 | ||
Aussehen: |
Unbekannt, wahrscheinlich metallisch | ||
Entdecker, Jahr |
Vereinigtes Institut für Kernforschung (Russland) und Lawrence Livermore National Laboratory (USA), 1999 | ||
Wichtige Isotope [natürliches Vorkommen (%)] |
Halbwertszeit |
Zerfallsart, -produkt | |
285114Fl (synthetisch) |
5 s |
α >281112Cn | |
289114Fl (synthetisch) |
2,7 s |
α >285112Cn | |
Massenanteil in der Erdhülle (ppm): |
----- | ||
Atommasse (u): |
(289)a | ||
Elektronegativität (Pauling ♦ Allred&Rochow ♦ Mulliken) |
Keine Angabe | ||
Normalpotenzial für: Fl2+ + 2 e− > Fl (V) |
+ 0,9a | ||
Atomradius (pm): |
180a | ||
Van der Waals-Radius (berechnet, pm): |
Keine Angabe | ||
Kovalenter Radius (pm): |
171–177a | ||
Elektronenkonfiguration: |
[Rn] 5f146d107s27p2 | ||
Ionisierungsenergie (kJ/mol), erste ♦ zweite ♦ dritte: |
824a ♦ 1602a ♦ 3367a | ||
Magnetische Volumensuszeptibilität: |
Keine Angabe | ||
Magnetismus: |
Diamagnetisch | ||
Kristallsystem: |
Keine Angabe | ||
Schallgeschwindigkeit (m/s, bei 273,15 K): |
Keine Angabe | ||
Dichte (g/cm3, bei 293,15 K) |
14a | ||
Molares Volumen (m3/mol, im festen Zustand): |
20,6 ∙ 10−6a | ||
Wärmeleitfähigkeit ([W/(m ∙ K)]): |
Keine Angabe | ||
Spezifische Wärme ([J/(mol ∙ K)]): |
Keine Angabe | ||
Schmelzpunkt (°C ♦ K): |
67 ♦ 340a | ||
Schmelzwärme (kJ/mol): |
5,90–5,98a | ||
Siedepunkt (°C ♦ K): |
147 ♦ 420a | ||
Verdampfungswärme (kJ/mol): |
38a |
Dieser schwache Zusammenhalt der Atome untereinander dürfte jedoch noch verschärft werden durch die sehr starke, die Gitterkräfte störende Radioaktivität, sodass manche Modelle Flerovium als ein Metall sehen, das dicht oberhalb der Raumtemperatur schmilzt und ansonsten eine Flüchtigkeit wie Quecksilber besitzt (Eichler et al. 2010). Da mit einem Wert von +0,9 V (!) ein stark positives Normalpotenzial für die Reaktion Fl2+ + 2 e− → Fl erwartet wird, sollte Flerovium den Charakter eines Halbedelmetalls haben.
Kratz und Düllmann postulierten mit Blick auf Copernicium und Flerovium im Jahre 2012 sogar die Existenz von bei Raumtemperatur gasförmigen Metallen (Düllmann 2012; Kratz 2012).
Verbindungen Die Oxidationszahl +2 sollte viel stabiler als +4 sein (Haire 2006; Fricke 1975). So sollte Fleroviumdioxid (FlO2), vor allem aber „Flerovan“ (FlH4) sehr instabil sein und jeweils schnell in die Elemente zerfallen. Die einzig stabile Verbindung des Fleroviums der Oxidationsstufe +4 könnte das Flerovium-IV-fluorid (FlF4) sein (Gäggeler 2007; Eichler et al. 2010). Erwartet wird, dass Flerovium-II-halogenide sehr stabil und mit Ausnahme des Fluorids schlecht löslich in Wasser (Winter 2012), umgekehrt das -II-sulfid und -sulfat extrem unlöslich in Wasser sein sollten.