11 Quo vadis, Bankensystem?

Aus den vielen Erklärungssträngen zur Eurokrise dürfte deutlich geworden sein, dass der Rolle der Banken besondere Aufmerksamkeit gewidmet werden muss. Diese waren einerseits maßgeblicher Krisenauslöser und standen andererseits später stark im Fokus der Rettungsmaßnahmen, weil die Staaten in der Abwägung schnell erkannt haben, dass ein breites Bankensterben unüberschaubare Auswirkungen auf die Gesamtwirtschaftslage haben könnte.

Endlich weit oben auf der Agenda: Bankenregulierung

Interessanterweise bestanden die Sorgen bezüglich des Bankensektors aber durchaus schon weit vor der Eurokrise ab 2010 und auch vor der beginnenden Finanzkrise 2007. Wie sonst lässt es sich erklären, dass bereits 1988 Regulierungen zur adäquaten Eigenkapitalvorsorge bei Banken ergriffen wurden? Diese Vereinbarungen – auch bekannt unter der Bezeichnung „Basel I“ – wurden vom sogenannten Basler Ausschuss für Bankenaufsicht (mit Sitz – man denkt es sich fast – in Basel) ausgearbeitet und aufgestellt. Dem Ausschuss gehören die Zentralbanken und Bankenaufsichtsbehörden der G10-Staaten – eine Gruppe aus den zehn führenden Industriestaaten (USA, Kanada, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien, Belgien, die Niederlande, Schweden und Japan) bestehend – an. Es gab weltweit Besorgnis darüber, dass die Eigenkapitalausstattung der wichtigsten Banken auf ein dramatisch niedriges Niveau gefallen war. Banken benötigen aber, neben dem Eigenkapitalstamm, den sie bei ihrer Gesellschaftsgründung von Hause aus mitbringen müssen, eine mit ihren Geschäftsaktivitäten mitwachsende Eigenkapitalausstattung, um im Falle von Verlusten solide aufgestellt zu sein und überhaupt in schwierigen Situationen zahlungsfähig sein zu können. Mit der Zeit stärker werdender Wettbewerb zwang die Banken nun zu Überlegungen, wie sie ihr Eigenkapital möglichst noch gewinnbringender nutzen konnten. Stetig sinkende Mindestreserveeinlagevorschriften bei den Zentralbanken ergaben zusätzliche Spielräume für die Banken und ermöglichten eine noch stärkere Eigenkapitalverwertung zu Geschäftszwecken. Mit gesetzlichen Reservevorschriften am untersten Limit, also gewissermaßen mit dem Segen der sie beaufsichtigenden Institutionen, setzten die Banken alles Eigenkapital, das ihnen zur Verfügung stand, am Markt für ihre Geschäftsaktivitäten ein. Während der Finanzkrise führte genau dieses riskante Verhalten, Geschäfte bei chronischer Unterdeckung durch entsprechendes Eigenkapital und nur noch minimal vorhandene Mindestreserveeinlagen bei den Zentralbanken auszuführen, letztlich zum K. o. einiger Banken. Aufgrund der dünnen Eigenkapitaldecke hatten die Banken den diversen Kreditausfällen am Ende nichts mehr entgegenzusetzen und wurden somit zur Belastung für Wirtschaft und Gesellschaft. Das Insolvenzrisiko von Banken stieg – und wie wir jetzt alle wissen, schrillen in diesen Momenten dann die Alarmglocken in der Wirtschaftspolitik.

BASEL I: Der Einstieg in Eigenkapitalauflagen für Banken

Ziel der Regelungen von „Basel I“ war nun zunächst, eine angemessene Eigenkapitaldeckung im Bankenbereich per Auflagenkatalog sicherzustellen und die Banken dadurch wieder mehr zu ihrem eigenen Glück zu zwingen. Wobei man sich schon fragt, warum Banken in solch existenziellen Angelegenheiten nicht von selbst ein starkes Interesse entwickeln, sich und ihre Geschäftsaktivitäten gut abzusichern… Die vermeintlich simple Antwort darauflautet, dass die Lust, mit dem Eigenkapital noch mehr Geld verdienen zu wollen, wohl einfach größer war. Ganz eigennützig gedacht also sollten mit den Basel-I-Regeln Bedrohungsszenarien für Banken beziehungsweise überhaupt Bankinsolvenzen künftig möglichst ausgeschlossen sein und damit weitreichende wirtschaftliche Verwerfungen vermieden werden. So der Plan.

An den Vereinbarungen von „Basel I“ wurde jedoch kritisiert, dass in immer dynamischer werdenden Finanzsystemen die Risiken bei der Kreditvergabe durch die Banken nur sehr unzureichend und neue Finanzierungsformen gar nicht berücksichtigt worden seien.76

BASEL II: Weitere Verschärfung der Bankenauflagen

Auf Grundlage der Kritik an „Basel I“ wurde daher ein neuer Regularienkatalog erarbeitet, der Anfang 2007 unter dem Namen „Basel II“ für die Länder der Europäischen Union in Kraft trat. Basel II setzte auf den Basel-I-Regelungen auf. Es nahm ebenfalls die Eigenkapitalausstattung der Banken und die Schaffung einheitlicher Wettbewerbsbedingungen bezüglich des Kredithandels und der Kreditvergabe ins Visier. Zusätzlich fanden die an den Basel-I-Vereinbarungen kritisierten Punkte bei der Risikoberücksichtigung nun stärkeren Eingang. Würden alle Vorgaben aus Basel II konsequent umgesetzt, so die allgemeine Erwartung, wäre künftig eine risikofreudige Ausrichtung bei der Vergabe von Bankkrediten eher unwahrscheinlich.77

BASEL III: Lernen aus den Fehlern der Finanzkrise

Im Jahre 2010 wurde dann eine weitere (vorläufige) Fassung für das Banken-Regularium nach „Basel III“ vorgestellt, welches schrittweise ab 2013 in der Europäischen Union Anwendung finden und bei den speziellen neuen Bankenkapitalvorschriften stufenweise bis 2019 abgeschlossen sein soll. Diese neuen Richtlinien stellen nun tatsächlich eine Folgereaktion auf die Finanzkrise von 2007 dar und sollen unmittelbare Lerneffekte daraus realisieren. Für die Banken bedeutet das, dass sie nun noch strengeren Vorschriften bezüglich Eigenkapitalbildung und -vorhaltung sowie Liquidität unterliegen. Kurz zusammengefasst heißt das:78

• Banken müssen mehr Eigenkapital in Form von Aktien oder anderen Anteilen und Gewinnrücklagen vorhalten.

• Banken müssen mehr Kapitalpuffer bilden, um zu verhindern, dass im Krisenfall Staats-/Steuergelder zur Rettung herangezogen werden müssen.

• Banken unterliegen einer strengeren Sanktionierungsmöglichkeit. Bis zu fünf Millionen Euro Strafe können fällig werden, wenn Banken gegen die neuen Kapital- oder Liquiditätsvorschriften verstoßen. Das ist das Zehnfache des bisher möglichen Strafmaßes.

Starke Bankenlobby wehrt sich gegen mehr Auflagen

Bei den Banken stießen die neuen Auflagen – diplomatisch formuliert – zunächst eher auf Zurückhaltung. Und nicht von ungefähr wurden zum Ende des Jahres 2012 aus europäischen Bankenkreisen die Rufe immer lauter, eine Umsetzung der Basel-III-Richtlinien zu verschieben. Vor allem, nachdem die USA zunächst erklärt hatten, von dem Regelwerk womöglich gänzlich Abstand nehmen zu wollen, hat der Bankensektor schnell begonnen, wieder Morgenluft zu wittern.79 Kurz vor Ende des Jahres 2012 hat die US-amerikanische Notenbank Fed dann aber verlautbaren lassen, dass auch sie „mit strengeren Kapitalvorschriften für ausländische Banken ernst machen“80 wolle. Gut zwei Dutzend Banken (darunter wahrscheinlich auch die Deutsche Bank und die britische Bank Barclays) mit bedeutenden weltweiten Bilanzsummen müssten sich ab voraussichtlich Juli 2015 den Stresstests in den USA stellen, die den Vorschriften aus Basel III gleich kämen, um für den Fall von schweren Wirtschaftskrisen gerüstet zu sein.81

Dass Banken nun von neuen strengeren und sie in ihrem Wirken stärker begrenzenden Vorschriften wenig begeistert sind, mag man ja noch irgendwie nachvollziehen, wenn man bedenkt, dass ihnen zuvor weitreichende Freiräume für ihre Geschäftsaktivitäten zur Verfügung standen. Ob man nun deswegen Mitleid mit Banken haben muss, sei dahingestellt. Selbstverständlich könnten Banken jetzt nur unter noch stärker eingeschränkten Rahmenbedingungen agieren. Auf der anderen Seite ist ja genau das Sinn und Zweck der neuen Regelungen und letztlich haben sich die Banken diese Suppe mit ihrer unrühmlichen Rolle in der Finanzkrise 2007 zu einem Gutteil eben auch selbst eingebrockt. Jetzt also schon wieder gegen die neuen Regelungen mobil zu machen, scheint von daher eher unangemessen. Der Umsetzungsprozess der Basel-III-Richtlinien in entsprechende Gesetzespakete bleibt aber weiterhin im Fluss und es wird spannend zu beobachten sein, ob die Europäische Union den für 2013 geplanten Umsetzungsfahrplan der neuen Bankenregeln wird einhalten können oder ob es hierbei nicht doch noch zu Verzögerungen kommen wird.82

Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren?

Wenn es denn aber tatsächlich verbreiteter Konsens ist, dass Banken dermaßen systemrelevant sind, dass wir nicht auf sie verzichten beziehungsweise das Risiko einer Insolvenz gesellschaftlich nicht tragen können oder wollen, dann ist es eben auch wichtig, dass Banken ihren Beitrag dazu leisten, wieder Vertrauen aufzubauen. Es darf und kann eben nicht sein, dass sich das Motto „Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren“ womöglich zur neuen Leitmaxime in Sachen ordentlicher Wirtschaftsführung aufschwingt. Demzufolge wäre es nur recht und billig, wenn sich auch Banken wieder mehr auf ihre Kernaufgaben beschränkten. Die Verluste, die viele Anleger und Staaten durch die Finanz- und Bankenkrise erlitten haben, und die Auswirkungen, über die wir noch eine ganze Weile diskutieren werden, haben die Wirtschaftssysteme auf dieser Welt bis ins Mark erschüttert.

Letztlich ist hier aber die Politik gefordert. Gibt sie den Lobbyaktivitäten der Banken und der sie vertretenden Bankenverbände gegen die Basel-III-Bestimmungen nach oder zeigt sie an der Stelle Stärke und besteht auf Lerneffekte aus der Finanzkrise?

SPD-Thesenpapier zur Bankenregulierung im Bundestagswahlkampf

In diese Zeit der Diskussion um stärkere Bankenregulierung fiel dann auch ein von Peer Steinbrück (SPD) erarbeitetes Thesenpapier zur Bändigung des Bankensektors. Natürlich ist dieses Papier unter Wahlkampfaspekten zu betrachten, aber es hat durchaus allgemeinen Anklang in der Diskussion gefunden. Hauptmotivation seines Vorschlags war, „Risiken und Folgen von Bankenpleiten für die Wirtschaft zu begrenzen“. Hier ein Überblick über einige Punkte des Steinbrück-Vorschlags:83

• Gesetzlich vorgeschriebene Trennung des regulären Geschäftsbereiches vom risikoreichen Investmentbereich bei Banken – um den Banken wieder ihr eigentliches Kerngeschäft so vor Augen zu führen und eine starke Verquickung von unterschiedlich ausgerichteten Bankaktivitäten mit unterschiedlichen Zielsetzungen und Kundenzielgruppen zu vermeiden. Oder einfacher gesagt: Wenn eine Bank also eine Zockerbude (Geschäftsbereich „Risiko-Investment“) betreiben möchte, so soll sie das auf eigenes Risiko gerne tun. Dann aber bitte unabhängig vom normalen Privatbankgeschäft.

• Steinbrück fordert „angemessene risikoadäquate Vergütungsstrukturen“ und stärkere Transparenz und zielt damit unmittelbar auf die Diskussion um die Managergehälter. Während die Krisenkosten nahezu 1:1 auf die Gesellschaft übertragen worden seien, seien bei Gewinnen, Dividenden und Managerboni in den Banken kaum Veränderungen herbeigeführt worden. Unter dem Aspekt der Gerechtigkeit betrachtet, zeugt das nicht gerade von überbordender Sensibilität auf Bankenseite. Neue Vergütungsmodelle sollen bei den handelnden Bankmanagern stärkere Anreize für mehr nachhaltige Finanzgeschäfte setzen und weniger das kurzfristige Profitstreben belohnen.

• Weiterhin werden ein Verbot von spekulativen Geschäften mit Kreditderivaten und Leerverkäufen und die Eindämmung des computergesteuerten Kaufs und Verkaufs von Wertpapieren innerhalb nur weniger Sekundenbruchteile (Hochfrequenzhandel) gefordert. In den Kontext fällt auch die Forderung nach einer Finanztransaktionssteuer – die, wie wir inzwischen wissen, nun mit Beginn des Jahres 2013 in elf EU-Ländern tatsächlich eingeführt werden soll – sowie der Wunsch nach einem Verbot von Spekulationen mit Nahrungsmitteln und Rohstoffen.

• Der Staat solle sich künftig weitestgehend aus Rettungsaktivitäten für Banken heraushalten. Kernthese: „Banken sollen auch scheitern dürfen“ – hier rückt Steinbrück tatsächlich vom Leitsatz der Systemrelevanz von Banken („Too big to fail“) ab. Stattdessen sollen die Kreditinstitute sich selbst einen Rettungsfonds im Umfang von circa 200 Milliarden Euro organisieren, der im Falle einer anstehenden Bankenrettung zur Hilfe herangezogen werden müsste.

• Abschließend kritisiert Steinbrück auch noch einmal die Ratingagenturen, die sich fälschlicherweise das Recht herausnähmen, über die Bonität ganzer Staaten zu urteilen. Seine Konsequenz daraus: Er möchte solche Prozesse künftig stärker von unabhängigen Organisationen wie IWF (Internationaler Währungsfonds) oder OECD (Organisation für ökonomische Entwicklung und Zusammenarbeit) begleiten lassen, um für mehr Transparenz und weniger Interessenleitung zu sorgen. Und auch er fordert den Aufbau einer europäischen Ratingagentur. Da allerdings sind wir – die aufmerksam diese Eurokrisenlektüre studierenden Leser/-innen – inzwischen schon etwas schlauer. Zumindest können wir berechtigte Zweifel an der Effektivität, der Ausrichtung und überhaupt den Chancen zur Etablierung einer solchen europäischen Ratingagentur anmelden (siehe den Abschnitt „Nicht verfolgte Maßnahmen“ bei den Lösungsansätzen zur Eurokrise).

Bankenregulierung im Wahlkampf: Die Bundesregierung legt nach

Wenn wir an dieser Stelle über das Thema „Banken- und Finanzmarktregulierung in Zeiten des deutschen Wahlkampfes“ reden, soll fairerweise aber auch nicht unerwähnt bleiben, dass neben dem SPD-Spitzenkandidaten mit seinen zuvor dargestellten Vorschlägen auch die schwarz-gelbe Bundesregierung das Thema als ein durchaus wahlkampftaugliches für sich entdeckt hat. Und immerhin hat sie als Regierung die Gestaltungsmöglichkeit, ihre Vorstellungen auch in konkrete Gesetze umzusetzen. So kam es dann im Februar 2013 dazu, dass das Bundeskabinett einen Gesetzesentwurf mit neuen Regelungen für den Bankensektor auf den Weg gebracht hat. Im „Entwurf eines Gesetzes zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen“ lauten die wesentlichen Eckpunkte:84

Gesetzesentwurf zur Abschirmung von Risiken und zur Planung der Sanierung und Abwicklung von Kreditinstituten und Finanzgruppen

• Bankmanager sollen künftig haften, wenn sie bei riskanten Geschäften und Spekulationen ihre Sorgfaltspflichten verletzen. Im Falle vorsätzlicher Handlungen drohen dabei Haftstrafen von bis zu fünf Jahren oder Geldbußen von bis zu etwa elf Milliarden Euro. Fahrlässige Handlungen werden vom Strafmaß niedriger eingestuft. Führen die Verstöße letztlich nicht zu einer Krise des Unternehmens, so bleiben fehlerhaftes, sorgloses und sogar ruchloses Handeln für Bankmanager unter strafrechtlichen Aspekten aber weiterhin gänzlich ohne Folgen.

• Aufspaltung des Bankgeschäfts in Kundengeschäft und Eigenhandel, wobei unter Eigenhandel85 jener riskante Investmentbanking-Bereich zu verstehen ist, den die Banken zur eigenen Gewinnerzielung und ohne konkrete Anbindung an ein Kundengeschäft betreiben, also: Handel mit riskanten Finanzprodukten (Wertpapiere, Derivate etc.) auf eigene Rechnung. Die Auftrennung in diese zwei Geschäftsfelder soll aber erst ab einer bestimmten Grenze erfolgen müssen, nämlich dann, wenn der riskantere Eigenhandel mehr als 20 Prozent der gesamten Bilanzsumme beträgt oder dessen Volumen größer als 100 Milliarden Euro ist.

• Systemrelevante Banken müssten künftig eine Art Testament hinterlegen. Damit sollen sie gezwungen werden, für den Fall einer aufgrund einer ungeordneten Pleite notwendig gewordenen eigenen Sanierung oder Abwicklung, einen entsprechend vorsorgenden Plan zu erarbeiten beziehungsweise einen solchen parat zu haben. Hier sieht der Gesetzgeber also stärkere Auflagen zu mehr Eigenverantwortlichkeit bei den Banken vor – dem nationalen oder gar internationalen Finanzmarkt sollen auf diesem Weg erneute negative Auswirkungen, wie wir sie im Zuge der aktuellen Finanz- und Eurokrise miterleben mussten, erspart bleiben. Zugleich verabschiedet man sich damit von der Devise, systemrelevante Banken seien „Too big to fail“, müssten also um jeden Preis durch den Staat gerettet werden.

Ziel der Bundesregierung ist es, das Gesetz ab Januar 2014 in Kraft treten zu lassen. Ob daraus etwas wird, wird die Zukunft weisen, weil auf dem Weg dahin noch eine Bundestagswahl im September 2013 auf die schwarz-gelbe Regierungskoalition wartet. Sollte aus dieser Wahl zum Beispiel eine rot-grüne Mehrheit als Gewinner hervorgehen, bleibt anzuzweifeln, ob das geplante Gesetz dann tatsächlich so kommen würde, weil rot-grüne Vertreter daran bereits ihre Kritik geäußert haben und zudem – siehe die Steinbrück-Vorschläge – auch ihre eigenen Vorstellungen dazu haben. Hinzu kommen Zweifel, ob derlei Bankregulierungen, die hier gewissermaßen nur aus einer eher nationalen Sicht heraus auf den Weg gebracht werden sollen, bei internationalem Lichte betrachtet überhaupt irgendeine durchschlagende Wirkung entfalten können.

Nationale Bankenregulierung in Zeiten der Globalisierung

Deutschlands Finanzmarkt ist im Gegensatz zu den international führenden Finanzmarktplätzen wie New York und London ja eher ein Leichtgewicht. Brechen dort Krisen aus, so hat das vermutlich schlimmere Auswirkungen (auch auf Deutschland) als der umgekehrte Fall. Drastische Folgen einer deutschen Finanzmarktkrise für den internationalen Finanzbereich wären wohl eher weniger zu befürchten. Insofern stellt sich nach wie vor die Frage, ob es nicht sinnvoller wäre, Bankenregulierung hier weiter mit einer stärker internationalen Ausrichtung zu betreiben. Will man das wirklich effektiv angehen, stehen dabei Punkte wie „Eigenkapitalvorschriften/-vorhaltung“ und „Risikohaftung/-bewusstsein“ bei den Banken insgesamt immer noch ganz oben auf der Regulierungstagesordnung.

Managergehälter und Banker-Boni – Europa greift durch

Nun scheint es dafür aber immerhin beim Thema „Managergehälter“ (oder „Banker-Boni“) mehr Bewegung zu geben. Sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene werden die Vorschläge langsam konkreter. Das wiederum hängt stark mit zweierlei bedeutsamen Entwicklungen zusammen:

1. Vertreter des Europaparlaments und der EU-Mitgliedsstaaten haben einen Kompromiss für ein EU-Gesetzespaket zur Bankenregulierung gefunden. Darin enthalten ist unter anderem, dass Banker-Boni künftig nur noch so hoch ausfallen dürfen wie ihr festes Grundgehalt. Eine Ausnahme hierzu – Prämien, die maximal doppelt so hoch wie das Grundgehalt ausfallen – wäre nur mit der Zustimmung durch die Aktionäre des jeweiligen Unternehmens möglich. In dem Gesetzespaket sind auch schärfere Kapitalvorschriften für den Finanzsektor vorgesehen, womit die EU nun auch die letzten Schritte angehen möchte, die Basel-III-Richtlinien in geltendes Recht umzusetzen. Das Gesetzespaket fand am Ende eine mehrheitliche Zustimmung gegen den Willen Großbritanniens, das an der Stelle stark die Interessen seines Finanzmarktplatzes schützen wollte, und es bedarf nun noch eines abschließenden formalen Beschlusses durch das Europaparlament und die EU-Finanzminister. Wenn dies alles klappt, sollen die neuen Regelungen von 2014 an gelten.86

Direkte Demokratie: Schweizer Initialzündung sorgt für breite Diskussion auch in Deutschland

2. In einer Volksinitiative mit dem Namen „Gegen die Abzockerei“ in unserem Nachbarland Schweiz haben 68 Prozent der abstimmenden Schweizer dafür votiert, dass Managergehälter künftig stärker zu begrenzen, exorbitante Gehälter gar ganz zu unterbinden und den Aufsichtsräten mehr Mitspracherechte/-pflichten diesbezüglich einzuräumen seien. Mit 68 Prozent hatte die Volksinitiative eine der höchsten Zustimmungsraten, die es je in der Schweiz gegeben hat.87

Natürlich erregte insbesondere das Abstimmungsergebnis der Schweizer Volksinitiative europaweit recht hohe Aufmerksamkeit und die klare Haltung der Schweizer Bürger/-innen hatte hier gewissermaßen Signalwirkung für andere europäische Länder. So nahm dann letztlich auch die deutsche Diskussion um Managergehälter und Banker-Boni wieder mehr Fahrt auf, und auch deutsche Politiker entdeckten – angetrieben von der Bundestagswahl im September 2013 – dieses Thema zur Profilbildung für ihre Parteien und produzierten sogleich entsprechende Vorschläge. Denn nach der Abstimmung in der Schweiz ist schnell deutlich geworden, dass es in Deutschland eine ähnliche Stimmungslage und einen offenkundigen Regelungsbedarf in dieser Angelegenheit gibt. Die schwarz-gelbe Regierungskoalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel verfolgt nun eine Regelung in Anlehnung an die zuvor im Punkt 1 angeführte EU-Initiative, nach der nicht mehr nur Aufsichtsräte allein über Vergütungen und Boni entscheiden sollen, sondern eben auch die Aktionäre der jeweiligen Unternehmen. Es dürfe in einer freien und sozialen Gesellschaft keine Maßlosigkeit geben und „leider reiche es nicht aus, das Thema der Selbstregulierung der Wirtschaft zu überlassen“88, so die Kanzlerin.

Kritik kommt hingegen von der deutschen Opposition, der die nun geplanten Regelungen noch nicht weit genug gehen. So schlug beispielsweise Jürgen Trittin (BÜNDNIS 90/Die Grünen) vor, die Begrenzung von Managergehältern mit einer Begrenzung der steuerlichen Absetzbarkeit zu koppeln. Maximal nur noch 500.000 Euro sollten hier für Unternehmen absetzbar sein. SPD-Vize Joachim Poß gab zudem zu bedenken, dass er eine künftige Gehälterbegrenzung allein in Aktionärshänden immer noch sehr skeptisch sehe, denn einerseits läge die Entscheidung damit weiterhin in den Unternehmen selbst, und andererseits bestünden Hauptversammlungen ja längst nicht mehr nur aus den klassischen Kleinaktionären; dort säßen mittlerweile vielmehr Investoren und Hedgefonds-Manager, deren Renditestreben im Prinzip eng mit den außerordentlichen Banker-Boni verknüpft sei. Für ihn käme daher nur eine gesetzliche Begrenzung bei der Vergütung von Vorständen in Frage.89

Schlupfloch in der EU-Initiative zur Gehälterregelung

Bedenken ganz grundsätzlicher Art ließen sich hingegen noch beim Vorstoß der EU-Initiative, die als Bezugsgröße das „Grundgehalt“ in den Mittelpunkt ihres Regelungsansatzes stellt, anbringen. Wie effektiv kann eine Begrenzungsregelung sein, die eine Bezugsgröße als Basis hat, auf die die Regelung selbst gar keinen Einfluss nimmt? Sprich: Es klingt zwar zunächst gut, wenn Boni künftig nur so hoch wie das Grundgehalt ausfallen dürften. Allerdings steht es den Unternehmen ja nach wie vor frei, die Grundgehälter ihrer Manager zu erhöhen, womit sich letztlich auch die auszuschüttenden Boni entsprechend erhöhen ließen. Die EU-Regelung bietet zwar immerhin eine gewisse Deckelung, aber „Umgehungsspielräume“ für die Unternehmen bestehen an dieser Stelle weiterhin.

In jedem Falle bleibt festzuhalten, dass das Thema der Bankenregulierung 2013 voll im bundesdeutschen Wahlkampf angekommen ist und uns alle vermutlich auch noch darüber hinaus begleiten wird.

Bankenunion: Einheitlich abgestimmte Bankenregulierung in Europa

Als weitere Begrifflichkeit geistert zudem seit geraumer Zeit das Wort Bankenunion90 durch die öffentliche Diskussion. Dahinter verbirgt sich im Prinzip ein zweistufiges Konzept: Erstens die Einführung einer neuen gemeinsamen, nach einheitlichen Standards funktionierenden Bankenaufsicht für die Eurozone und zweitens geht es um die Errichtung einer gemeinsamen europäischen Einlagensicherung für Banken und einen sogenannten Abwicklungsfonds für in Schieflage geratene Banken. Der gewählte Begriff „Bankenunion“ soll dabei Einheitlichkeit und Einigkeit demonstrieren und helfen, auf diesem Wege schon mal Vertrauen zu erzeugen: Vertrauen, dass man Banken künftig besser unter Kontrolle haben und damit allgemein und europaweit in diesen hoch sensiblen Bereich wieder Ruhe hinein bekommen werde. Vertrauen und Ruhe als jene wünschenswerten Stabilisatoren für alle wichtigen wirtschaftlichen Prozesse in der Europäischen Union. Vertrauen, dass Europa die Banken möglichst unanfällig für systemkritische Ereignisse macht, wie wir sie in den Zeiten der Eurokrise erleben mussten.

Bankenrettung und -kontrolle aus einer Hand – eine Frage der Unabhängigkeit

Lange Zeit kreiste die Diskussion hinsichtlich der Bankenaufsicht im Rahmen der neuen Bankenunion um die kritische Frage, welche Institution denn die Hoheitsrechte zur Koordinierung erhalten solle, bis man sich auf dem EU-Gipfel im Oktober 2012 in einem Kompromiss schließlich darauf verständigen konnte, die Europäische Zentralbank (EZB) hier als den quasi natürlichen ersten Ansprechpartner anzusehen und auch auszuwählen. Dabei war dieses nicht von Anfang an unumstritten. Denn wie soll man sicherstellen, dass die EZB über eine zusätzliche Aufgabenzuteilung nicht in Interessenkonflikte gerät? Kann die EZB die europäische Bankenaufsicht wirklich unabhängig koordinieren, während sie einerseits ihre geldpolitische Linie fährt, aber andererseits auf zahlreichen Bankrisiken durch Kauf von Anleihen sitzt? Auch dazu wurde auf dem EU-Gipfel eine Kompromissformel gefunden, wenngleich hierzu noch einige juristische Feinheiten zu klären waren. Im März 2013 haben sich dann Europaparlament und EU-Staaten auf eine gemeinsame gesetzliche Grundlage für die neue Bankenaufsicht verständigt, nach der mit Beginn des Jahres 2014 die 150 größten Banken in der Eurozone von der Aufsicht überwacht werden sollen. Der Großteil der europaweit 6000 Banken untersteht demnach aber weiterhin der Kontrolle durch nationale Aufsichtsbehörden. Bislang unbeantwortet blieb allerdings die spannende Frage, wie denn in Zukunft mit der im Rahmen des Europäischen Finanzaufsichtssystems neu geschaffenen Bankenaufsichtsbehörde EBA (mit Sitz in London) umzugehen sei, die 2011 bereits ihre Tätigkeit aufgenommen hat.

Wie wir sehen, tut sich im Bankenbereich also mittlerweile einiges und da der Prozess zur Bankenunion noch ein sehr junger ist, kann man demzufolge von einer längst noch nicht abgeschlossenen Entwicklung ausgehen. Die Politik wird die verschiedenen Bank-Baustellen auch in der näheren Zukunft noch zu bearbeiten haben. Die Banken ihrerseits haben einstweilen den einst so großen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Vertrauensvorschuss aufgebraucht und werden sich mit weitreichenden Auflagen zu arrangieren haben. Die eingeleiteten Maßnahmen und die aktuellen Diskussionen zeigen in den Euro-Staaten aber immerhin die Einsicht in die Notwendigkeit, aus den Vorkommnissen der jüngeren Vergangenheit zu lernen. Ob uns das auf Dauer krisenfest(er) macht und ob hierbei wirklich Anlass zu leichtem Optimismus besteht, kann leider keiner garantieren und hängt nicht zuletzt auch von der Standhaftigkeit der Politik gegenüber den Lobbyaktivitäten der Banken ab.