Carl baut eine Zentrifuge.« Stolz schwang in Katharinas Stimme mit, als sie bei den Eltern im Büro auftauchte. Ihr Vater war eben aus der Stadt zurückgekehrt, wo er einige Erledigungen gemacht hatte. Gerade war Bernhard Zumwinkel damit beschäftigt, das Geld für die Angestellten in einem der hohen Schränke zu verstauen.
»Und?«, fragte Bernhard, ohne sich zu ihr umzudrehen. »Was habe ich damit zu tun?«
Katharina sank auf einen Stuhl und stöhnte. Manchmal war es anstrengend, mit ihrem Vater ein gutes Gespräch zu führen. »Er hat eine Idee, wie man große Mengen von Milch schnell verarbeiten kann, um daraus Butter, Quark oder Käse zu machen.«
»Da ist er nicht der Erste.« Schnaufend setzte sich der Bauer an den Schreibtisch. »Ein Erfinder im Süddeutschen hat längst eine Zentrifuge konstruiert.«
»Carls Maschine wird besser, viel besser.«
»Inwiefern?« Fragend hob der Bauer eine Augenbraue. Die Skepsis in seiner tiefen Stimme war unüberhörbar. »Auch das Rad kann man nicht neu erfinden, Kind.«
»Das nicht, aber Maschinen kann man verbessern.«
Bernhard Zumwinkel tauschte einen Blick mit seiner Frau.
»Hör dir doch erst einmal an, was Katharina uns erzählen möchte«, riet sie ihrem Mann.
»Also gut.« Bernhard Zumwinkel seufzte. »Schieß los.«
»Ich weiß nicht, was an Carls Maschine anders sein wird, aber er will uns helfen.«
»Und wie soll das funktionieren?«
»Er braucht unsere Hilfe beim Bau. Gestern haben wir Material zusammengesucht. Ein Fass, Bretter und Balken. Heute habe ich alles zerstört aufgefunden.«
»Wer macht so etwas?«
»Thomas«, kam es wie aus der Pistole geschossen. »Er ist eifersüchtig auf Carl und setzt alles daran, ihm zu schaden.«
»Bist du sicher?« Eine steile Sorgenfalte bildete sich auf der hohen Stirn des Bauern. »Warum sollte er das tun? Der Maurer ist bald mit dem Neubau fertig und wird verschwinden.«
Um ein Haar hätte Katharina gesagt, dass Carl ganz bestimmt nie wieder aus ihrem Leben verschwinden würde, doch sie riss sich zusammen. Noch war ihre Liebe geheim, ihr Vater durfte nicht wissen, dass sie und Carl bereits ein Paar waren. Umso mehr ärgerte es sie, dass Bernhard Zumwinkel den Knecht immer wieder in Schutz nahm. Offensichtlich hatte er die Hoffnung, dass aus ihnen doch noch ein Paar wurde, immer noch nicht aufgegeben. Er will uns auseinanderbringen und Carl in ein schlechtes Licht rücken, wäre die richtige Antwort gewesen. Doch so kehrte ein betroffenes Schweigen im Büro ein.
»Wir sollten Carl unterstützen«, meinte Theresa schließlich. Als der Bauer sie fragend musterte, fuhr sie fort: »Er will uns helfen, also sollten wir ihn bei seinem Anliegen nach allen Kräften unterstützen.«
Bernhard Zumwinkel stützte das Kinn in die Hände und dachte einen Augenblick lang angestrengt nach. Dann nickte er. »Ich kann meinen Frauen einfach keine Bitte abschlagen«, bemerkte Zumwinkel mit einem schiefen Grinsen. »Also – was ist zu tun?«
Katharina sprang von ihrem Platz auf und trat vor ihren Vater, um ihn zu umarmen. »Danke«, sagte sie, »Carl wird dich nicht enttäuschen, versprochen.«
»Woher willst du das wissen?«
»Ich … ich weiß es einfach.« Katharina setzte sich wieder.
»Jetzt weiß ich aber immer noch nicht, wie wir deinen Verehrer unterstützen können«, brummte Bernhard Zumwinkel und betonte das Wort Verehrer.
»Er benötigt ein Fass, Bretter und Balken.«
»Mehr nicht?«
»Nicht, dass ich wüsste. Vielleicht fällt ihm noch etwas ein.«
»Dann soll er zu mir kommen.« Bernhard Zumwinkels Miene erhellte sich. »Ich gebe ihm eine Chance. Und ein altes Holzfass finden wir ganz sicher auf dem Hof, alles andere dürfte ebenfalls vorhanden sein.«
»Perfekt«, freute sich Theresa. »Wenn alles funktioniert, dann haben wir schon bald den Prototyp von Carls Zentrifuge im Einsatz.«
»So ist es.« Zumwinkel nickte. »Und ehrlich gesagt bin ich für jede Erfindung offen, die uns, ganz besonders aber dir, Liebes, die Arbeit erleichtert.«
»Dann sage ich ihm Bescheid, dass er in Kürze mit dem Bau beginnen kann«, sagte Katharina glücklich und erhob sich.
»Warte«, rief ihr Vater, als sie die Türklinke schon in der Hand hielt. Mit fragendem Blick wandte sie sich zu Bernhard Zumwinkel um. »Ist noch etwas?«
Der Bauer nickte. »Richte Thomas aus, er soll sich bei mir blicken lassen.«