Kapitel 33

Katharina konnte sich kaum auf die Arbeit konzentrieren. Zu sehr kreisten ihre Gedanken um Carl, der in diesem Augenblick mit ihrem Vater sprach. Der im Büro gerade um ihre Hand anhielt. Ihr war ganz flau im Magen, wenn sie daran dachte, dass ihr Vater ablehnen konnte.

Die Minuten dehnten sich wie Stunden. Vergeblich versuchte Katharina, sich mit der Arbeit abzulenken. Immer wieder schickte sie ihre Gedanken auf Wanderschaft, um nicht an das Gespräch zwischen Carl und ihren Vater denken zu müssen.

Einen Teil des Umsatzes erwirtschaftete der Zumwinkel-Hof mit der Schweinemast. Der Bauer legte größten Wert auf eine vernünftige Haltung des Borstenviehs. Vor allem in diesen Tagen richtete er ein besonderes Augenmerk auf den Schweinestall – in der kommenden Woche war Markt in Gütersloh. Dann würden die kleinen Schweine in Körben zum Wochenmarkt gebracht, um dort verkauft zu werden. Dazu wurden sie geputzt und gestriegelt, damit sie besonders prächtig aussahen und das Interesse der Käufer weckten. Auch die Viehhändler nutzten den Markt, um frische Ware in Augenschein zu nehmen.

Neben den Schweinen wurden außerdem Obst aus eigenem Anbau, Hühner und Eier auf dem Markt angeboten. Von dem Geld konnte neue Kleidung für das Gesinde gekauft werden, aber auch Salz und Zucker.

Katharina hoffte sehnlichst, mit auf den Markt zu dürfen. Die Fahrten nach Gütersloh waren immer eine willkommene Abwechslung und die Möglichkeit, mit Menschen in Kontakt zu kommen. Sie liebte das bunte Treiben und sah den Händlern gern beim Feilschen zu. Doch noch war es nicht so weit. Jetzt galt es, den Schweinestall auf Hochglanz zu bringen. Seit dem Frühstück war Katharina damit beschäftigt gewesen. Erst, als sie mit dem Ergebnis ihrer Arbeit zufrieden war, gab sie dem Borstenvieh Futter und kippte Wasser in den Trog. Grunzend machten sich die großen wie die kleinen Schweine darüber her.

Anschließend führte Katharinas Weg in den Hühnerstall, der gleich nebenan lag. Das Federvieh schlug aufgebracht mit den Flügeln, als sie das Gehege betrat. Zunächst streute sie Futter auf den Boden und wartete, bis die Hühner eifrig pickten. Erst dann machte sie sich daran, die frischen Eier einzusammeln. Sie war derart in die Arbeit vertieft, dass sie um ein Haar den Korb fallen gelassen hätte, als Carl hinter ihr auftauchte. Er stand außerhalb des Geheges und sah ihr bei der Arbeit zu.

»Carl«, rief sie und war um einen festen Klang ihrer Stimme bemüht. Das Herz schlug ihr bis zum Hals, als sie seine regungslose Miene betrachtete. »Und?«, fragte sie. »Wie war es? Was hat Vater gesagt?«

Carl seufzte und presste die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. er stieß sich vom Zaun ab und betrat das Gehege. Langsam schloss er das Gatter hinter sich. Seine Miene wirkte verschlossen und ernst.

Das hat sicher nichts Gutes zu bedeuten, durchzuckte es Katharina.

»Nun sag schon!« Katharina stellte den Eierkorb ab und rüttelte Carl an der Schulter, um ihn zum Reden zu bringen. »Mach es doch nicht so spannend!«

Langsam entspannten sich Carls Gesichtszüge. Ein schelmisches Lächeln legte sich auf seine Lippen. »Nun«, begann er gedehnt. »Ich bin nicht der Schwiegersohn, den er sich für die Übernahme des Hofes gewünscht hat«, begann er.

»Was hat er gesagt?«, wiederholte Katharina ihre Frage voller Ungeduld. »Sag schon!«

Wieder seufzte Carl, es klang theatralisch. »Er ist … nun, wie soll ich sagen, er ist …«

»Carl!«, unterbrach sie ihn. »Mach es nicht so spannend!« Wild trommelte sie mit ihren kleinen Fäusten auf seiner Brust herum.

Er musste lachen.

»Ich falle gleich in Ohnmacht, wenn du mich weiter auf die Folter spannst«, warnte sie ihn.

Carl betrachtete sie mit verliebtem Blick. »Wir haben seinen Segen.«

Katharina glaubte, sich verhört zu haben. »Was?«, fragte sie. »Sag das noch mal.«

»Dein Vater ist mit der Hochzeit einverstanden. Er hat zugestimmt«, wiederholte Carl. Jetzt grinste er über beide Ohren. Er schien einen diebischen Spaß daran zu haben, es spannend zu machen. Er zog sie an sich.

Ein erleichterter Freudenschrei kam über Katharinas Lippen. Die Spannung fiel schlagartig von ihr ab. Sie küsste Carl lachend und jubelte wie ein Kind an Weihnachten. Die Hühner gackerten aufgeregt wegen des plötzlichen Trubels im Gehege. Matthias, der liebestolle Hahn, fühlte sich berufen, gleich zwei Mal zu krähen. »Und er hat einfach so zugestimmt?«, fragte Katharina gespannt.

»Einfach so nun nicht gerade.«

»Nun lass dir nicht jedes Wort aus der Nase ziehen!«

»Du kennst deinen Vater.« Carl machte eine gespielt ernste Miene. »Er hat Bedingungen gestellt.«

Katharina runzelte die Stirn. Sie war gespannt, welche Bedingungen ihr Vater genannt hatte, bevor er Carl seinen Segen erteilt hatte, und rechnete schon mit dem Schlimmsten. Carl hüllte sich in Schweigen.

»Jetzt sag schon!«, forderte sie ihn voller Ungeduld auf.

Carl grinste sie an. »Eigentlich eine schöne Bedingung«, bemerkte er. »Dein Vater möchte ausdrücklich, dass du an meiner Seite immer glücklich bist.«

»Das hat er gesagt?«

»Wortwörtlich.« Carl nickte.

»Kriegst du das hin?«, fragte Katharina mit gespieltem Ernst und versuchte so, zu vertuschen, dass ihr ein Stein vom Herzen fiel.

»Ich werde es versuchen.« Carl beugte sich zu ihr herab. Dann zog er sie fest an sich und küsste sie leidenschaftlich. Katharina gab sich seinen Zärtlichkeiten hin. Hatte ein Kribbeln im Magen und weiche Knie. Und sie betete, dass dieser Moment niemals aufhörte.