Der nächste Morgen kam, und mit ihm unweigerlich der Abschied vom Zumwinkel-Hof. Katharina war mit einem flauen Gefühl im Magen aufgestanden, denn der bevorstehende Abschied fiel ihr schwer. Sie würde ihre Heimat zurücklassen, ihre Arbeit an die Mägde verteilen und ihren geliebten Eltern den Hof überlassen. Vor allem die Sorge um die kranke Mutter machte ihr das Herz schwer. Nichts in ihrem Leben würde mehr so sein, wie sie es als Kind kennengelernt hatte.
Auf der anderen Seite freute sie sich auf das Leben mit Carl in Herzebrock. Er würde seine Maschinen in der kleinen Werkstatt des Vaters bauen und so ihren Lebensunterhalt sichern können. In den wenigen freien Momenten hatten sie an einer Buttermaschine getüftelt. Zuvor hatte Carl ihr immer zugesehen, wenn sie die Butter verarbeitet hatte. Dabei konnte sie ihm sagen, worauf es bei einer derartigen Maschine ankam.
Doch jetzt war der Tag des Abschieds vom Zumwinkel-Hof gekommen. Schon beim Frühstück war die Stimmung gedrückt. Nicht nur ihre Eltern, auch die Angestellten ließen Katharina nicht gern gehen. Am Tisch wurde weniger gesprochen und gelacht als sonst. Es fühlte sich eigenartig an, das Elternhaus gleich zu verlassen. Doch es war kein Abschied für immer, und der Gedanke an die Rückkehr munterte Katharina ein wenig auf. Im Vorfeld hatte Katharina bekanntgegeben, dass sie sich keine rührseligen Verabschiedungsszenen wünschte, denn sie war sicher, dass sie anderenfalls in Tränen ausgebrochen wäre. Und alle Anwesenden taten ihr den Gefallen und kehrten zur Tagesroutine zurück, nachdem Bernhard Zumwinkel die Tafel aufgehoben hatte. Bald schon herrschte geschäftiges Treiben auf dem Hof, und es war an der Zeit, sich auf den Weg zu machen.
Lina hatte Tränen in den Augen, als sie sich vom Tisch erhob. »Ich besuche dich in Herzebrock«, versprach sie, bevor sie aus der Küche rannte. Nur Bernhard und Theresa Thiele blieben sitzen.
»So«, sagte ihr Vater mit ernster Miene. »Dann ist es wohl jetzt so weit.«
»Ja, Vater.« Katharina seufzte. Sie fühlte sich so kurz vor ihrer Abreise elend, es war ihr, als würde sie den Hof, das Gesinde, vor allem aber ihre Eltern im Stich lassen. »Ich werde, sooft es geht, hier sein, um euch zu helfen«, versprach sie und dachte an ihre kranke Mutter. Carl hatte sich viele Gedanken gemacht, wie man Theresa das Leben ein wenig erleichtern konnte. Dabei ging es ihr heute relativ gut. Sie lächelte wehmütig und machte ihrer Tochter Mut. »Wir kommen zurecht, Katharina, mach dir keine Sorgen um uns.«
»Ich werde euch so oft wie möglich besuchen und dir helfen, wo ich kann.«
»Du bist hier immer willkommen.«
Draußen rollte ein Fuhrwerk vor. Katharina richtete den Blick zum Küchenfenster und erkannte den alten Leiterwagen. Carl saß auf dem Bock. Ihr Gepäck hatte er bereits auf der hölzernen Ladefläche verstaut. Alles war bereit für den Beginn ihres neuen, gemeinsamen Lebens.
»Es ist schon spät«, bemerkte Bernhard und seufzte. »Du solltest Carl nicht warten lassen.«
»Ich weiß.« Nickend erhob sich Katharina. Ein schwerer Seufzer kam über ihre Lippen. Es fühlte sich eigenartig an, jetzt zu gehen und ihr eigenes Leben zu leben. Die Träume ihres Vaters, dass sie an der Seite eines erfahrenen Bauern eines Tages den elterlichen Hof übernehmen würde, platzten damit wie eine Seifenblase. Ihr wurde schwer ums Herz, als der Vater sie fest in den Arm schloss.