Kapitel 7
Alvaro schulterte den Rucksack mit seiner Foto-Ausrüstung und ließ seine Wandschrank-Wohnung hinter sich.
Einen Auftrag hatte er nicht – aber er konnte den castingfreien Tag dennoch nicht ungenutzt verstreichen lassen. Das Wetter war gut. Kein Regen, dafür leicht bewölkter Himmel. Gutes Licht für einen Fotoausflug.
Er war schon so lange auf keinen mehr gegangen und seine Kamera hatte es wirklich nicht verdient, dass er sie so ignorierte. Es lag nicht daran, dass er nicht mehr fotografieren wollte ... es lag daran, dass er sich schuldig fühlte, wenn er länger als eine Stunde lang nichts tat, das ihm irgendwie Geld einbringen könnte.
Der Parfüm-Auftrag hatte ihm wieder ein paar Tage in der Großstadt geschenkt, aber sollte es denn ewig so weitergehen, dass er Last-Minute seine Miete zahlte und sich kaum sein Essen leisten konnte?
Heute wollte er eine neue Herangehensweise ausprobieren. Stockfotos. Er würde ein paar richtig gute Bilder machen und sie auf eine der renommierten Plattformen hochladen, wo andere Künstler dann Lizenzen von ihm kaufen könnten, wenn sie seine Fotos benutzen wollten.
Er hatte keine Ahnung, ob das klappen würde. Aber wenn es das nicht tat, dann hatte er immerhin etwas Zeit mit seinem Hobby verbracht, ohne sich deswegen schlecht zu fühlen .
Varo fuhr mit der U-Bahn. Schwarz. Zum Glück kontrollierte niemand.
Er hatte keinen Plan gemacht, wohin genau er gehen und welche Motive er mitnehmen wollte, aber als er ausstieg, wusste er, dass sein Hirn definitiv einen Plan hatte – es erzählte ihm nur nicht alles.
Nach ein paar Schritten lag der Park vor ihm. Ideen sprangen ihm in den Kopf. Wie wäre es mit leicht mysteriös und düster angehauchten Szenerien? Einsamer Waldweg. Kühles, graues Licht hinter Baumkronen. Gruselige Schattenspiele in der Dämmerung.
Vielleicht konnte er zwischendurch ein paar Einzelschüsse von Blumen oder Insekten machen, um etwas mehr Bandbreite zu bekommen.
Eine Gänsehaut überlief ihn, als er den ersten Fuß auf den Sandweg setzte und er das leise Geräusch unter seiner Sohle hörte. Wahrscheinlich würde er nie wieder einen solchen Park betreten können, ohne an Randy zu denken.
Na ja, nicht direkt an ihn. Aber daran, wie es sich angefühlt hatte. Ihr kleines Abenteuer. Sein Körper. Seine Worte. Wie heißt du?
Er zog die Kamera aus dem Seitenfach seines Rucksacks und schaltete sie ein.
Ein Blick durch den Sucher, ein Testfoto. Routiniert drehten seine Finger die Rädchen für die Belichtungseinstellungen. Er würde diesem Park seine spannendsten Seiten entlocken.
Varo lächelte seicht und verließ den Weg, um kein Hindernis für Jogger und Radfahrer zu sein. Mit der Kamera in der Hand schlich er über die Wiesen, ließ den Blick in alle Richtungen schweifen. Über die herzförmigen Blätter an den Sträuchern, über die Strukturen der Baumrinden, über die Abdrücke auf den Wegen und die frisch geleerten Papierkörbe .
Es gab jede Menge Details, wenn man richtig hinsah.
Varo ging hinter einer leeren Bank in die Hocke und fotografierte schräg über den Rand der Lehne hinweg, wie die Sonne an den Wolken vorbei durch die Baumkronen schwappte.
Klick klick. Das Geräusch des Auslösers tat seinen Ohren gut. Irgendwie klang es anders, wenn er selbst den Knopf drückte.
Neben ihm zogen Schritte vorbei, begleitet von rhythmischen Atemzügen. Ein Jogger, der sich ein bisschen überforderte. Varo schenkte ihm einen Seitenblick. Natürlich war es nicht Randy.
Wie seltsam wäre es, wenn er ihn hier nochmal treffen würde. Ohne Maske, bei Tageslicht. Ob er ihn wohl erkennen würde? Eigentlich unmöglich. Wenn, dann nur weil er sich selber durch Starren verriet.
Aber wie groß war schon die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich nochmal wiedersahen? Einfach so?
Die Großstadt war wie eine überdimensionierte Lostrommel. Er konnte ohne Probleme 365 Lose ziehen und wieder hineinwerfen, ohne auch nur eines doppelt zu greifen.
Die meisten waren Nieten. Er hatte längst gemerkt, dass mehr Menschen nicht mehr Action, mehr Möglichkeiten oder mehr Spaß bedeuteten. Sie bedeuteten vor allem, dass der Einzelne viel leichter unterging, ohne dass es jemand bemerkte.
Und es bedeutete, dass viel mehr Menschen dasselbe zu erreichen versuchten wie du. Mehr Konkurrenz. Mehr Kampf. Mehr Druck.
Varo seufzte und ging weiter voran.
Gewannen am Ende einfach nur diejenigen, die die größte Ausdauer hatten? Oder musste man tatsächlich hoffen, das richtige Los zu ziehen ?
Und was tat man, wenn man das Gefühl hatte, das richtige Los aus Versehen wieder in die Trommel geworfen zu haben?
*
Als er sich dem Café näherte, wurde das Kribbeln schlimmer. Wie ein Sensor, der ihm sagte, dass er fast am Ziel war. Irgendwo hier musste der Kunde herumstehen.
Randy richtete seine Sonnenbrille und sah sich genauer um.
Da. Das könnte er sein. Mittelgroß, ergraute Bartstoppeln, kariertes Hemd. Randy kam ein wenig näher und inspizierte den Mann. Harald – so hatte er sich zumindest online genannt – war laut eigener Aussage zweiundsechzig und arbeitete in einer Kunstgalerie. Sein Interesse an Männerunterwäsche hatte er mit Mitte dreißig entdeckt, als es mit seiner Ehe immer weiter bergab gegangen war. Jetzt war diese Leidenschaft für ihn eine Art Jungbrunnen, hatte er erzählt.
Der Mann, den er ins Visier genommen hatte, wurde auf ihn aufmerksam, lächelte breit und kam auf ihn zu.
„Bist du es?“
Randy nickte. „Harald?“
„Nenn mich Harry.“ Er streckte die Hand nach ihm aus und Randy erwiderte die Geste. Der Kunde zog ihn direkt in eine Begrüßungsumarmung. Täuschungsmanöver. Randy ließ ihn gewähren.
Harald roch nicht nach Parfüm, sondern nach Schweiß. Unangenehm, aber auch nicht so überraschend. Immerhin stand er einem großen Fan von Körpergerüchen gegenüber.
„Wollen wir reingehen? Ich freue mich schon die ganze Zeit auf den Kaffee, den die hier machen“, sagte er und übernahm die Regie über die Unterhaltung.
„Sicher, gerne. Ich lade dich natürlich ein.
Randy ging voran. Die Tür stand offen, und schon bevor er die Schwelle erreichte, wehte ihm das wohltuende Aroma von frisch gekochtem Kaffee entgegen.
Es war früher Nachmittag und etwa zwei Drittel der Plätze besetzt. Die meisten Besucher waren Studenten. Auf ihren Tischen lagen Notizblöcke, Französischbücher und Kugelschreiber. Die leckeren Getränke und Tortenspielereien, die es hier gab, wirkten auf ihren kleinen runden Tellern wie Inseln in einem Meer aus Kram.
Randy suchte sich einen Platz in der Nähe des Flures, der zu den Toiletten führte, damit sie am Ende nicht durch den ganzen Laden laufen mussten. Er ließ sich auf einem der Stühle nieder und legte die Hände lässig auf dem Tisch ab.
Die Brille behielt er auf, obwohl der Raum durch die dunklen Gläser ein paar Nuancen zu finster war. Er schenkte Harald ein Lächeln und griff nach der Karte.
„Du bist echt ein hübscher Kerl, darf ich das sagen?“ Nun hatte er es ja schon gesagt. Randy neigte den Kopf und bedankte sich artig für das Kompliment. Im Grunde funktionierten hier dieselben Verhaltensweisen wie auf den Familienfeiern. „Hast du einen Freund?“
„Im Moment nicht“, gab er zu und hoffte, dass Harald das nicht als Einladung zum Flirten verstand. Das hier war rein geschäftlich. „Und du?“
Er winkte ab. „Ich bin ein Mittzwanziger im Körper eines Mittsechzigers. Das Problem ist, dass die anderen das nicht sehen können.“ Er lachte. „Damit meine ich, dass ich die, die mir gefallen nicht haben kann, und die, die ich haben kann, mir nicht gefallen.“
Randy räusperte sich und ließ den Blick kurz über die Liste der verschiedenen Kaffeesorten gleiten.
„Oder gefalle ich dir? Sei ruhig ehrlich.
Randy verzog den Mund und schirmte das Zucken mit der Speisekarte vor Haralds Blick ab. Was war denn das bitte für eine Fangfrage?
„Du bist immerhin der erste Mann, den ich seit zwei Jahren auf einen Kaffee treffe.“
Damit schien Harald zufrieden zu sein. Er lehnte sich ein Stück zurück und blickte zu der Kellnerin hoch, die genau jetzt an ihrem Tisch ankam.
„Habt ihr euch schon etwas ausgesucht? Das Tagesangebot ist Apfelkuchen.“
„Ich nehme einen Latte Macchiato.“
„Für mich dasselbe.“
„Bekommt ihr. Vielen Dank.“ Die Frau nickte und zog weiter zum nächsten Tisch.
Als sein Blick wieder zu Harald glitt, merkte er, dass er ihn die ganze Zeit über musterte. Er stand unzweifelhaft auf ihn. Vielleicht hatte er sogar einen Harten vor Vorfreude auf den Tanga.
Speichel sammelte sich in seinem Mund, als seine eigenen Gedanken abglitten. Harald sah für sein Alter ganz gut aus. Er hatte dieses Weltmännische, das jedem Mann gut stand.
Ob er sich wohl erhoffte, dass auf der Toilette was lief? Dass er ihm für die dreihundert Dollar und den Kaffee vielleicht einen blasen durfte?
Während sie nicht sprachen, lief sein Kopfkino weiter. Ob Harald wohl stark genug wäre, um ihn zu zwingen? Sie waren ungefähr gleichgroß, aber seine Oberarme sahen recht stabil aus.
Randy schluckte und spürte, wie sein Gesicht warm wurde. Zum Glück stellte in genau dem Moment jemand zwei große Gläser vor ihnen auf den Tisch .
„Danke für die Einladung“, sagte Randy und griff nach seinem Exemplar. Falls Harald der leichte Rotton seiner Wangen doch noch auffiel, konnte er es vielleicht auf die Wärme des Getränks schieben.
So oder so: Er musste versuchen, cool zu bleiben. Es würde schon nichts passieren.
Randy trank und genoss den Geschmack der Milch und das sanfte Kaffee-Aroma.
Harald trank auch, aber er setzte das Glas zwischendurch immer wieder ab und schien zu überlegen, was er sagen sollte. „Würdest du die Sonnenbrille für mich abnehmen?“
„Nein, das möchte ich dir nicht antun. Ich kuriere gerade noch so eine Bindehautentzündung aus. Meine Augen sind total rot ... das ist nicht, wie du mich in Erinnerung haben sollst, wenn du an mich denkst.“
Die Lüge war wahrscheinlich zu offensichtlich, aber Harald akzeptierte sie mit einem: „Schade, na vielleicht beim nächsten Mal dann.“
Als die Gläser sich zusehends leerten, rückte der Moment der Wahrheit näher. Harald war vor ihm fertig und trommelte leise mit den Fingerkuppen auf den Tisch.
Randy versuchte noch, seine Gedanken zu klären, bevor er das Glas für den letzten Schluck anhob.
„Ich wäre dann soweit“, sagte er und lächelte.
Harald nickte sofort und winkte die Kellnerin heran, um zu bezahlen. Als er sein Portemonnaie wieder wegsteckte, stand Randy auf und steuerte den Flur an.
Sein Kunde schien nichts davon zu halten, einen Moment zu warten, bevor er ihm folgte. Er blieb ihm ganz direkt und selbstverständlich auf den Fersen. Ob er wohl schon mal um sein Geld geprellt worden war ?
Wenn es schwarze Schafe unter den Kunden gab, dann sicher auch unter den Verkäufern. Durchaus möglich, dass mancher kalte Füße bekam und durchs Fenster verschwand, während er den Kunden am Tisch warten ließ.
Er drückte die Tür auf und spähte in den Raum. Niemand da.
„Ist es okay, wenn ich in die Kabine gehe?“, fragte Randy und bog direkt in die vordere Kabine ein.
„Ja, natürlich.“
So einfach schien es aber dennoch nicht zu sein, denn als er die Tür hinter sich zumachen wollte, hatte Harald sie in der Hand.
„Ich kann dir auch dabei behilflich sein.“
Er machte einen halben Schritt hinein in die Kabine. Randy stand starr da und auf einmal war der Kampf in seinem Inneren vorbei und ihm war ganz klar, dass er keinen Sex mit diesem Mann wollte.
Angespannt schüttelte er den Kopf. „Ich krieg das hin. Bewahr dir doch das kleine Geheimnis, hm?“
Harald streckte die Hand nach ihm aus, griff seinen Hosenbund und zog ihn ein Stück nach unten, sodass der Stoff des Tangas hervorblitzte.
Randy war erstarrt. Die Hitze, die ihm in den Nacken kroch, hatte nichts mit Erregung zu tun.
„Lässt du mich jetzt bitte in der Kabine allein, damit wir das Geschäft zu Ende bringen können?“ Seine Stimme klang belegt und sein Hals schmerzte von den Worten, als wäre er viel zu verkrampft zum Sprechen. Es verwunderte ihn selbst, wie er es schaffte, einen so routiniert klingenden Satz zustande zu bringen.
Ein Lächeln legte sich auf Haralds Züge. „Keine Panik, Kleiner. Ich wollte nur sichergehen, dass du mir auch wirklich was Frisches verkaufst.“ Er ließ von ihm ab, trat ein Stück zurück und schloss die Tür.
Innerlich ausatmend schloss Randy ab. Sein Herz klopfte verräterisch laut. Einen Moment lang hatte er echt Angst gehabt, dass das schief lief.
Mit zittrigen Fingern öffnete er die Jeans und streifte sie sich ab. Langsam und bedächtig, damit Harald hören konnte, wie der Stoff raschelte und wie er jeden Handgriff ausführte.
Er hängte die Jeans kurz an den Haken an der Kabinentür und zog sich dann endlich den nervigen Tanga über die Hüften. Er musterte den Stoff für eine Sekunde, bevor er ihn sich ums Handgelenk legte, damit er nicht auf den Boden fiel, und wieder nach seiner Hose griff.
Voll angezogen entriegelte er die Tür und trat hinaus.
Freudig lächelnd nahm Harald das Stoffbündel von ihm entgegen, hielt es sich kurz unter die Nase, und nahm einen tiefen Atemzug. Wahrscheinlich gehörte das zum Ritual ... die Wertschätzung der Ware sozusagen. Randy wartete und konservierte sein Lächeln.
„Ich danke dir vielmals“, sagte Harald schließlich und zog etwas aus dem Einkaufsbeutel, den er schon die ganze Zeit mit sich schleppte. Eine kleine Folientüte. Er legte den Tanga hinein und ließ das Bündel dann in den Beutel fallen. „Ich freue mich schon darauf, ihn ganz in Ruhe genießen zu können.“
„Ich wünsche dir viel Spaß dabei.“
„Vielleicht sehen wir uns ja mal wieder? Ich werde sicher noch öfter bei dir bestellen.“
„Ja, vielleicht.“
Harald streckte freudestrahlend die Hand aus, mit der er eben noch den Tanga gegriffen hatte und zog ihn in eine herzliche Abschiedsumarmung. Dann zog er von dannen .
Randy blieb in der Herrentoilette zurück und atmete erleichtert ein und aus.
Vielleicht sollte er doch damit anfangen, seine Pakete zu anderen Postfilialen zu schaffen. Der Gedanke war kribbelnder gewesen als die Realität. Wenn er es drauf angelegt hätte, wäre Harald womöglich tatsächlich übergriffig geworden. Aber es war ganz klar nicht das gewesen, was er gewollt hatte. Er hatte selten etwas so deutlich gespürt.
Er wandte sich den Spiegeln zu. „Zweihundert Dollar mehr in der Kasse“, sagte er leise, warf sich selbst ein Lächeln zu und wusch sich die Hände, bevor er das Café verließ.
Draußen schaute er sich sicherheitshalber nochmal um, aber Harald war nirgends mehr zu sehen. Dann machte er sich auf den Weg nach Hause.
*
Seit der Sache mit Randy hatte er noch zwei E-Mails von Bad Dreams bekommen. Zwei Anfragen von Leuten, die ihn für eine Wunscherfüllung buchen wollten. Die erste war nach einem Tag allerdings zurückgezogen worden. Der Besteller hatte es sich anders überlegt ... oder es war nur ein Scherz gewesen.
Den zweiten Auftrag hatte er nach einem Tag Bedenkzeit bestätigt, aber der Kunde hatte bis jetzt nicht bezahlt. In zwei Tagen würde die Buchung automatisch storniert werden.
Nachdenklich starrte Varo auf sein Handy. Die Wand hinter ihm schien von der Musik, die drinnen gespielt wurde, zu vibrieren. Er wusste gar nicht, warum er wieder hergekommen war. Er hatte jetzt zwar die vierzehn Dollar für den Eintritt, aber er wollte sie nicht dafür ausgeben. Es würde die Enttäuschung nur vergrößern ... und wenn er drinnen war, würde er auch was trinken wollen und noch mehr ausgeben.
Er schaute auf und beobachtete die Leute, die an ihm vorbeiliefen. Kleinere Gruppen von Freunden, hin und wieder ein Pärchen oder ein Dreiergespann. Niemand schien allein nach Hause zu gehen.
„Hey ... nur so’n Tipp. Wenn du was verkaufen willst, dann misch dich unters Volk. So wird das nix.“
Varo drehte den Kopf und sah einen etwas klein geratenen Typen vor sich, der eine umso größere Klappe zu haben schien.
„Ich verkaufe nichts“, erwiderte er.
„Keine Sorge, ich bin kein Cop. Aber das ist einfach zu auffällig, weißte? So’n heißer Kerl wie du ganz alleine ...“
Sollte das eine Art Flirt sein oder glaubte der Kerl wirklich, dass er Stoff unters Volk bringen wollte?
Varo zuckte mit den Schultern. „Ist eben so.“
Die Pupillen seines Gegenübers huschten von links nach rechts, ehe er ihn wieder ansah. „Ich würd‘ was nehmen, bisschen E, wenn du hast.“
Ein Schnauben entkam ihm. Langsam kam er sich verarscht vor. „Ich hab nichts.“
„Wie viel?“ Er griff in seine Hosentasche. Und ausgerechnet der Typ wollte ihm weismachen, er sei zu auffällig? Wenn er hier das Geld direkt im Licht der Laterne vor dem Club auspacken wollte? Das war doch lächerlich.
„Ich bin einfach nur allein, okay?“ Seine Stimme klang unerwartet schroff.
Der andere hielt in der Bewegung inne. Dann hörte er auf, an seiner Hosentasche rumzufummeln und verschränkte die Arme .
„Gott, ja, große, starke, gutaussehende Kerle wie du haben’s sicher verdammt schwer. Mir kommen gleich die Tränen.“ Er hob das Kinn und drehte sich um. Dann ging er davon.
Stirnrunzelnd blieb Varo zurück.
Eine Weile stand er noch da und beobachtete die hin und her strömenden Menschen und ihre Schatten. Irgendwann nahm er sein Handy wieder vor. Das leuchtende Display vor den Augen ließ ihn sich wenigstens nicht ganz so abgeschnitten fühlen. Er tippte herum und wartete.
Darauf, dass ihn jemand ansprach. Oder dass ihm jemand ins Auge fiel, den er ansprechen wollte. In seiner Heimatstadt hätte niemand so lange allein gestanden. Selbst wenn er fremd war.
War das Heimweh, was da gerade auf seine Brust drückte?
Einsicht? Resignation? Frustration?
Varo atmete tief ein und aus und steckte das Handy weg. Er stieß sich von der Wand an und schlug den Weg zu seiner Wohnung ein.
Wenn er das nächste Mal ausging, würde er sich den Eintritt gönnen. Er wollte es wenigstens einmal richtig versucht haben, bevor er aufgab und nach Hause zurück kroch.