Kapitel 9

 

Frost und Schnee überziehen den Waldweg, lassen die Reifen darauf knirschen. Wir rutschen mehr voran, als dass wir fahren. Konzentriert halte ich den Wagen in der Spur, vermeide eine Berührung mit den Bäumen, die bedrohlich nah kommen.

Je weiter wir fahren, desto dichter wird das Unterholz. Ich kenne diesen Weg, den Wald, jeden Busch ringsum so gut wie mein Zuhause. Die wenigen Tage im Monat, in denen mein Vater anwesend war, haben wir meist hier verbracht. Arik schnauft nicht mehr und er murmelt auch nicht mehr das, was ich für norwegische Flüche halte. Die Szene im Café hat ihn ernsthaft aufgeregt. Doch mit jedem Meter, den wir tiefer in den Wald fahren, entspannt er sich sichtlich. Inzwischen hat er die langen Beine ausgestreckt, lehnt im Sitz und sieht aus dem Fenster.

„Ich habe hier wilde Schweine gesucht“, erzählt er und aus den Augenwinkeln erkenne ich das Lächeln auf seinen Lippen.

„In diesem Wald findet man eine Menge Wildschweine“, sage ich und auch meine Laune hebt sich langsam. „Meine Mutter würde sie erst bejagen lassen, wenn sie sich um die letzte Eichel prügeln. Aber die Jagd wird auf einer höheren Ebene verpachtet.“

„Weil die Wölfe fehlen“, brummt Arik in seinen Bart.

„Hm?“ Ich lenke den Wagen in Richtung des Parkplatzes, der ein Stück vor uns auftaucht.

„Ihr müsst jagen, weil es keine Wölfe in diesem Wald gibt. Keine Raubtiere“, erklärt Arik.

„Seit ein paar Jahren gibt es Berichte über Sichtungen“, korrigiere ich ihn. „Aber es sind nur einzelne Tiere.“

„Wölfe sind interessant“, erzählt Arik selbstvergessen. „Sie leben in Familien, wie wir. Nur friedlicher. Ich folge ihnen gerne tagelang durch die Wälder.“

„Laufen sie nicht vor dir davon?“, frage ich, parke den Wagen und steige aus.

Behände klettert Arik vom Beifahrersitz und nimmt die beiden Taschen voller Nahrungsmittel, die wir vor der Abfahrt eingekauft haben.

„Es sind scheue Tiere, aber im Rudel haben sie weniger Angst. Sie können ziemlich neugierig sein. Wenn sie dich mit der Zunge begrüßen, mögen sie dich.“

Abrupt bleibe ich stehen, drehe mich zu ihm. Hier muss ein Übersetzungsfehler vorliegen. „Du hast einen Wolf geküsst? Mit Zunge?“, frage ich perplex.

„Viele Wölfe“, bestätigt er ruhig. „So grüßen sie sich. Sie lecken sich die Schnauze ab und untersuchen das Innere des Mundes. Danach haben sie mich als Gast akzeptiert und meine Kamera als Teil von mir.“ Er lächelt stolz. „Mit den Bildern habe ich einige Preise gewonnen.“

„Bitte begrüß Onyx nicht so“, sage ich und laufe weiter. Hinter der nächsten Biegung wird die Hütte sichtbar. „Ich verhätschele diesen Hund ohnehin schon zu sehr“, murmele ich und überlege noch, was ich von Wolfsküssen halten soll.

„Ich habe danach die Zähne geputzt“, versichert Arik grinsend.

Somit gibt es in Norwegen also Wölfe, die wissen, wie Arik küsst. Richtig küsst, nicht nur auf die Stirn oder die Wange. Und ich würde es gerne erfahren. Plötzlich trete ich in eine Unebenheit auf dem Waldboden und knicke mit meinem beschädigten Bein um. Der Schmerz springt mich an und bleibt für einen langen Augenblick. Durch die geschlossenen Lippen presse ich einen Schmerzlaut. Arik lässt die Tüten fallen und rennt zu mir.

„Was ist?“, fragt er atemlos und hält mich an der Schulter fest.

Ich hebe beschwichtigend eine Hand. Vornübergebeugt atme ich heftig, bis ich sprechen kann. „Nur mein Bein, ich bin gestolpert. Gleich geht es wieder“, sage ich schließlich.

„Hast du den Trank von Jules dabei?“ Arik sieht mich fragend an.

Bedauernd schüttele ich den Kopf. „Wir wollten doch nur kurz ins Gartencafé “, erkläre ich meine Nachlässigkeit. „Montag muss ich wieder zur Physiotherapie. Danach geht es mir meist besser.“

„Wir kehren um“, beschließt Arik und will mich in Richtung Wagen drehen.

„Kommt nicht infrage. Es ist mein Dank an dich“, antworte ich bestimmt. „Seit die verdammte Marmorplatte zufällig auf mein Bein gerutscht ist, tut es ständig weh. Das bin ich gewöhnt.“

„Du gewöhnst dich an zu viel.“ Arik starrt mich missbilligend an. Dann dreht er sich um und beugt sich vor, geht dabei etwas in die Hocke. „Steig auf“, fordert er schließlich.

Verdutzt blicke ich auf den breiten Norwegerrücken, neige den Kopf zur Seite und dann bahnt sich ein Lachen seinen Weg aus meinem Hals.

„Steig auf?“, wiederhole ich und lache noch lauter. „Wir sind doch hier nicht in einer romantischen Hollywoodkomödie und ich bin keine zarte Elfe.“ Ich pruste und fasse es nicht. „Ich bin vielleicht dünn geworden, aber ich bin immer noch ein Mann. Bis zur Hütte sind es noch gut fünfzig Meter.“

Er verändert seine Position nicht, schaut über seine Schulter zur mir. „Ich werde nicht mal wissen, dass du auf meinem Rücken bist, du Fliege“, knurrt er mit einem breiten Grinsen.

„Angeber“, rufe ich empört.

Arik grinst noch breiter. „Vielleicht liegen wir gleich beide im Matsch, wer weiß“, sagt er und deutet auf seinen Rücken. „Dann darfst du über mich lachen.“

„Aber ich lache doch schon über dich“, bemerke ich. „Okay“, sage ich und mir kommt ein Gedanke. „Wenn du es nicht bis zur Hütte schaffst, dann zeigst du mir, wie ein Wolf küsst.“ Das war dezent geflirtet, oder?

„Das klingt nach einem fairen Handel“, erwidert Arik erstaunlich schnell.

Sanft boxe ich ihm auf den Arm und bleibe für einen Augenblick stehen. Mit einem Mal brodelt meine Körpermitte verdächtig und schuld ist der Anblick von Ariks prallem Hintern. Mein gesundes Bein zuckt vor Aufregung. Mitleid mit dem Besitzer dieses prachtvollen Hinterteils steigt in mir auf. Er wird höchstens ein paar Schritte mit mir auf dem Rücken machen können. Die Aussicht auf einen Kuss verdrängt das Mitgefühl.

„Hier kommt die Fliege“, kündige ich an, presse mein gesundes Bein fest in den Boden und stemme mich auf Ariks Rücken. Die Arme schlinge ich um seine Schultern, die Beine um seine Hüfte und halte mich fest.

Arik schwankt, stöhnt und ich will schon absteigen. Dann lacht er, richtet sich mit Leichtigkeit auf und läuft weiter, als würden keine sechzig Kilo auf seinem Rücken hängen. Nach einigen Metern beugt er sich sogar vor, hebt die Tüten auf und läuft einfach weiter.

 

Im Nu erreichen wir die Hütte, wo Arik mich auf einen der Schaukelstühle auf der Außenveranda platziert.

„Schöner als eine norwegische Hütte“, stellt er beeindruckt fest und sieht sich um.

„Sie war der ganze Stolz meines Vaters“, berichte ich und will jetzt nicht an diese Zeiten denken.

Auch nach zwölf Jahren schmerzt die Lücke, die mein Vater hinterlassen hat, wie eine Wunde auf meiner Seele. Und hier waren wir immer eine glückliche Familie. Die Jagdhütte umfasst 60 qm. Eine gemütliche Küchen-Wohnraum-Kombination, ein Schlafzimmer und eine kleine Kammer, die als mein Schlafraum gedient hat. Sie ist im Fachwerkstil gebaut.

„Meine Mutter kommt ein Mal im Monat her und bringt ihre Putzfrau mit. Ab und zu lädt sie Freundinnen hierher ein“, erzähle ich und beginne langsam vor und zurück zu schaukeln.

Fast kann ich meinen Vater im zweiten Schaukelstuhl sehen. Und für einen Augenblick bin ich wieder zehn Jahre alt, sitze hier und obwohl mich halb Hollerbusch schneidet, ist meine Welt in Ordnung.

 

***

 

Wir fütterten zusammen die Eichhörnchen, die sich bis auf die Veranda wagten, und plauderten. Er wollte immer alles wissen. Was in der Schule passierte, welche Spiele ich spielte, welche Bücher ich las, mit wem ich befreundet war. Wenn ich ihn nach seinen Reisen fragte, berichtete er von den Städten und Regionen, nie von seinem Job. Das ist doch so langweilig, Felix. Erzähl mir lieber etwas über die Magier und Trolle. Und welcher kleine Junge will nicht mit seinem Vater über magische Welten reden? So vergingen Stunden, während Mama sich um die Beete und Kübelpflanzen kümmerte. Danach streifte ich mit meinem Vater durch den Wald und wir sahen hinter jedem Baum einen Gnom oder einen Troll.

***

 

„Felix?“ Ariks Stimme reißt mich aus meinem Gedanken. Sein Gesicht ist plötzlich ganz nah. „Was macht dein Bein?“

„Besser“, antworte ich, sehe ihm in die Augen und kann nur lächeln.

„Gut“, sagt er und klingt erleichtert. „Hast du den Schlüssel?“

Ich nicke und zeige auf einen Tonvogel, der auf einem Ast an der Hauswand angebracht ist. Eine ganze Reihe Tontiere tummeln sich dort und so fällt der kleine Piepmatz kaum auf. „Den Vogel kann man von unten öffnen. Darin ist der Schlüssel“, erkläre ich.

„Bisschen gefährlich“, bemerkt Arik, ohne sich zu bewegen.

Mit den Händen stützt er sich auf den Lehnen des Schaukelstuhls ab und für mich ist vor allem seine Nähe gefährlich. Denn ich kann mich nicht mehr gegen die Wärme wehren, die in mir aufsteigt.

„Willst du deinen Toastpreis?“, fragt er und seine Stimme klingt tief und sexy.

Ich grinse trotzdem. „Ich will den Preis und mache den Toast gleich selbst“, antworte ich leise und aufgeregter, als mir lieb ist.

Arik kommt näher, bis ich seinen Atem auf meinen Lippen fühlen kann. Die Nervosität peitscht einen Sturm in mir an, der in meinem Magen beginnt und bis in meine Brust steigt. Ich funke hastig an mein Hirn. Beruhig dich, es ist nur ein Kuss! Flirten macht mich nervös, Daten lässt mich zum nerdigen Egomanen mutieren. Aber ein Kuss?

Statt meine Lippen mit seinen zu berühren, streckt Arik seine Zunge aus, streicht mit der Spitze erst über die Unter-, dann die Oberlippe. Eine Stichflamme erhitzt meine Mitte augenblicklich. Unruhig bewege ich mich, weiß nicht wohin mit mir. Aber Arik legt seine Hand in meinen Nacken und lässt sich nicht beirren. Erneut streift er meine Lippen mit seiner Zunge, bis ich sie leicht öffne und sich unsere Zungenspitzen für einen heißen Augenblick berühren. Mitten im Winter schmelze ich in einem Schaukelstuhl dahin.

Arik gibt ein leises Stöhnen von sich, das ohne Umweg in meinem Schwanz landet, ihn zucken lässt. Unwillkürlich beuge ich mich vor, will mehr von ihm. Aber er bleibt unbeirrt bei dem sanften Tanz seiner Zunge, erkundet jeden Winkel meiner Lippen und endlich dringt er tiefer ein. Er schmeckt nach allem, was gut und richtig in der Welt ist, und nach mehr. Bald finden wir einen Rhythmus und ich lehne meinen Kopf weiter in seine Hand hinein. Ein Kuss treibt mehr Hitze durch meinen Körper, als es manche durchvögelte Nacht getan hat. Aber jetzt will ich nicht mehr denken.

Und dann ist es vorbei. Arik küsst meine Oberlippe behutsam und richtet sich auf. Seine Wangen glühen, seine Augen leuchten, aber sein Lächeln hat sich verändert. Liegt etwa Bedauern darin?

„Darf ich dich jetzt fotografieren, ohne dass du mich auffrisst?“, frage ich und grinse schief. „Wie du die Wölfe?“

„Mal sehen“, brummt er, dreht sich um und beginnt im Tonvogel nach dem Schlüssel zu fischen.

Als er zur Tür geht, streife ich schnell mit zwei Fingern über meine Lippen. Selbst wenn er mich nie mehr küsst, werde ich mich noch lange an die sanften Berührungen seiner Lippen erinnern, an seine geschickte Zunge.

In meinem Kopf verschwimmt die Realität mit meinem Wunsch, ihm nah zu sein. Ich drehe mich zu ihm, sehe zu, wie er den Schlüssel ins Schloss stecken will. Doch eine kleine Berührung reicht aus und die Tür öffnet sich knarrend.

So schnell ich kann, steige ich aus dem Schaukelstuhl, bin einen Augenblick später bei Arik.

 

„Warte“, flüstert er und hält mich mit einem Arm zurück.

Vorsichtig schiebt er die Tür ein Stück weiter auf. Mein Blick fällt auf das alte Sofa an der Wand und ich schlucke. Mit einem Mal spüre ich die Winterkälte tief in meinen Knochen. Jemand hat die Polster und Kissen aufgeschnitten. Die Federn der Füllung verteilen sich auf dem zerfetzten Sofa und geben dem Ganzen den Anstrich eines Hühnermassakers. Ein dicker Kloß schiebt sich in meinen Hals, wütend krampfe ich meine Hände zu Fäusten. Jemand ist in meine Kindheitsidylle eingedrungen und wollte sie zerstören.

„Sie sind weg“, flüstert Arik und räuspert sich. „Es ist niemand mehr in der Hütte“, stellt er mit einer Gewissheit fest, die ich nicht nachvollziehen kann.

„Woher willst du das wissen?“, raune ich ihm zu und spähe an seinem Arm vorbei. Töpfe und Pfannen liegen auf dem Boden verstreut, alle Schubladen wurden geöffnet, der Inhalt einfach ausgekippt. „Wir sollten wirklich die Polizei rufen“, füge ich an.

Arik nickt und schnuppert in die Hütte. „Gleich“, sagt er, schüttelt den Kopf und verlässt die Veranda mit schnellen Schritten.

Ich folge ihm, schaue dabei immer wieder über meine Schulter. Wie kann er so sicher sein, dass niemand mehr in der Hütte ist? Die Fragen poltern durch meinen Kopf und ich stoße gegen Arik. Der hat inzwischen die Länge der Hütte abgeschritten, steht an einer Ecke und starrt.

Vorsichtig beuge ich mich vor und nehme den Kopf sofort wieder zurück. „Fuck“, höre ich mich sagen, während ich noch einmal nachsehe, ob ich mich nicht getäuscht habe. Aber etwa fünf Schritte von uns entfernt liegt tatsächlich ein Wildschwein. Nun, eher das, was von einem Wildschweinbraten übrig geblieben ist, und er befindet sich auf der Erde. Die Knochen samt Kopf liegen wie achtlos hingeworfen auf dem Waldboden.

„Kein Schnee“, flüstere ich. „Dieses BBQ muss erst kürzlich stattgefunden haben. Vorletzte Nacht hat es noch geschneit.“ Prüfend sehe ich mich im Wald um. Außer den Vögeln und dem Wind, der um die kahlen Bäume rauscht, ist nichts zu hören.

Unter einem Schnaufen stapft Arik los, läuft auf die Stelle mit den Überresten zu und sinkt in die Hocke. Einen Augenblick später hebt er zwei Finger und Asche rieselt davon nach unten.

„Sie haben das Schwein in einem Erdloch gebraten“, stellt er ernst fest, lässt seinen Blick schweifen. „Uffda“, brummt er angespannt und sieht zu mir. „Dort“, sagt er und deutet in eine Richtung, die ich von meinem Standpunkt aus nicht sehen kann.

Zögerlich laufe ich um die Ecke zu ihm, folge seinem Blick und ziehe die Luft scharf ein. Das Fell des Wildschweins hängt am Ast eines Baums und weht wie eine Fahne im Wind. Der Anblick zieht mich in seinen Bann, will keinen Sinn ergeben.

„Vielleicht waren die Typen besoffen oder auf Drogen“, rätsele ich laut. „Das würde alle Einbrüche erklären.“

Arik kommt in den Stand und starrt eine Weile stumm auf die seltsamen Hinterlassenschaften. „Nein“, sagt er schließlich mit Nachdruck. „Sie wissen genau, was sie tun, und sie suchen etwas.“ Er hebt den Kopf ein kleines Stück, deutet mit dem Kinn auf das wehende Fell. „Das da …“, sagt er leise und scheint für einen Augenblick nachzudenken, „ist ein Opfer für die Götter.“

Unsicher sehe ich ihn an. Wieder einer seiner seltenen Sprachausrutscher? „Du glaubst, es waren doch die Rabenherzen?“, frage ich skeptisch. „Das ist aber nicht ihre Handschrift.“

Arik schüttelt den Kopf. „Es ist ein Jagdopfer“, erklärt er abwesend. Schließlich dreht er sich zu mir, legt eine Hand auf meine Schulter. „Wir müssen sofort mit Jules reden.“

„Was ist mit der Polizei? Wieso sollten wir sie nicht wenigstens informieren und sehen, was sie herausfinden?“ Ich nehme die Schultern zurück und halte seinem Blick stand.

Arik blinzelt. „Sie können nichts tun. Glaub mir bitte, Felix“, sagt er fast flehend. „Die Einbrecher dürfen nicht erfahren, dass wir ihnen auf der Spur sind. Sonst sind wir alle in großer Gefahr. Bitte, vertrau mir.“

„Du weißt, wer sie sind?“, frage ich mit großen Augen.

Arik sieht mich lange an, schließlich nickt er, beginnt mich in Richtung Wagen zu schieben. „Seit fünf Minuten bin ich mir ziemlich sicher“, bestätigt er.

Als wir die Veranda erreichen, sperrt Arik die Tür ab, da das Schloss nicht beschädigt ist. Unter einem langen Ausatmen steckt er den Schlüssel zurück in den Tonvogel und nimmt die Tüten. „Wir räumen später auf. Schaffst du es zurück?“, fragt er leise. Die gelassene Stimmung, der Kuss, alles löst sich auf und verschwindet hinter einem Nebel von Fragen und unausgesprochenen Worten.

Ich nicke nur, hinke los. Der Schmerz ist erträglich, meine Versuche, einen Sinn in diese Angelegenheit zu denken, weniger.

Endlich sitze ich auf der Fahrerseite. Arik starrt neben mir aus der Windschutzscheibe, seine Gesichtszüge wirken wie versteinert.

„Wann willst du mir sagen, was eigentlich los ist?“, frage ich erschöpft vom Nachdenken.

„Es tut mir leid“, murmelt er mit Grabesstimme. „Ich weiß es selbst nicht. Ich habe nur eine Idee, wer all das getan haben könnte. Sie sind auf einer Jagd, das Ritual veranstalten sie, wann immer möglich.“

„Wer sind sie ?“ Dieses Mal frage ich bestimmt.

„Dieses Opfer-Ritual habe ich schon einmal gesehen.“ Arik hält inne, will offensichtlich nicht weitersprechen. „In Oslo. In dem Stadtteil, in dem ich aufgewachsen bin. Es war keine gute Gegend“, ergänzt er nach einiger Zeit.

Mehr Informationen erhalte ich offensichtlich nicht, denn Arik starrt schon wieder schweigend vor sich hin. Statt ihn auf der Stelle auszufragen und auf Antworten zu beharren, entschließe ich mich auf Beistand zu hoffen.

„Also nicht zur Polizei, sondern zu Jules“, erkläre ich und lenke den Wagen zurück auf den Waldweg.