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Die Idee kam ihm im Traum – ein Experiment, in dem er jemanden versetzen würde. Eine Frau aus dem Intimitätsteam sollte in der Öffentlichkeit auf ihn warten, an einem so belebten Ort, dass ihre Beschämung spürbar werden würde, wenn sie merkte, dass er sich nicht nur verspätete, sondern überhaupt nicht kam, ihre Nachrichten und Anrufe unbeantwortet blieben und ihr Warten etwas zunehmend Erbärmliches, Flehentliches hatte. Kurt glaubte, dass sich daraus etwas lernen ließe – aus dieser Mischung von Schuldbewusstsein und Machtgefühl, der Erniedrigung, die mit dem Sitzengelassenwerden einherging.

Lisa war die Erste, die diesem Experiment zugeteilt wurde. Sie traf fünf Minuten zu früh in dem Restaurant ein, setzte sich nah beim Fenster an die Bar und wartete, während Kurt sie durch die verspiegelten Scheiben eines vor dem Lokal geparkten SUV beobachtete. Anfangs tippte sie eine Weile auf ihrem Handy herum, bestellte ein Getränk, täuschte Verärgerung vor, schickte in den verabredeten Abständen die geforderten Nachrichten. Die Daten, die ihre Sensoren erhoben – entspannter Herzschlag, regelmäßige Atmung, der normale Peak und Flow ihres Gefühlszustands –, flimmerten im Büro der Forschungsabteilung über die Monitore, doch niemand achtete darauf. Sie hatten Kurt nur bei Laune halten wollen, indem sie ihn in dem Glauben ließen, dies sei ein Experiment. Es war keins.

Kurts Adrenalin schoss in die Höhe, als eine Gruppe Anzug- und Manschettenträger sich neben Lisa an die Bar drängte. Einer wollte ihr einen Drink spendieren (hab schon einen), ihr Gesellschaft leisten (brauch keine), wissen, wie sie hieß, worauf sie schwieg, er daraufhin sagte, Verraten Sie mir einfach Ihren Namen, und sie, Lassen Sie mich einfach in Ruhe.

Vom Auto aus genoss Kurt das Gefühl, eine Frau dabei zu beobachten, wie sie wegen seiner Abwesenheit die Gesellschaft eines anderen Mannes zurückwies, doch kurz darauf erkannte eine alte Freundin von Lisa sie durchs Fenster und ging hinein, und die beiden Frauen waren offenbar hocherfreut, sich zu treffen, was bedeutete, dass Kurt nun keine Frau mehr beobachtete, die von ihm versetzt wurde, sondern zwei Frauen, die sich bestens miteinander amüsierten. Und welchen Sinn sollte das haben? Er bat den Chauffeur, ihn nach Hause zu fahren. Lisa wurde mitgeteilt, dass ihre Dienste nicht mehr gebraucht würden, und die nächste IT-Freundin bekam eine noch längere Liste von Verhaltensanweisungen, darunter die, mit niemandem länger als drei Minuten zu sprechen.

Rosa wurde an einem trüben Abend in ein anderes Restaurant geschickt, in eine Straße mit wenig Verkehr in SoHo. Sie brachte ein Buch mit, und es schien ihr nicht allzu viel auszumachen, allein in einer Bar zu sitzen; sie trank ihren Wein und blickte dann und wann zur Tür, als kümmere es sie nicht sonderlich, ob jemand auftauchen würde oder nicht. Irgendwann begann es zu regnen, und das Fenster der Bar beschlug, so dass Kurt nichts mehr sehen konnte, doch da war er von ihrer Zufriedenheit schon zu enttäuscht, um sich dafür zu interessieren, was er nicht sah. Matheson schlug vor, den Frauen noch konkretere Emotionsanweisungen zu geben – sich von Kurts Verspätung und Abwesenheit enttäuscht zu zeigen –, und obwohl Kurt befürchtete, dass Anweisungen die Authentizität der Daten zunichtemachen könnten, stimmte er zu.

Doch Mandi, die letzte IT-Freundin mit dieser Aufgabenstellung, überspannte den Bogen, indem sie unentwegt auf ihr Handy schaute, jedes Mal sichtbar zusammenzuckte, wenn sie die Restauranttür aufgehen hörte, aus dem Fenster starrte, Tränen wegzugrimassieren versuchte. Kurt ließ sich nach weniger als einer halben Stunde nach Hause fahren und rief von unterwegs Matheson an, um ihm zu sagen, er solle das Experiment abbrechen, er wisse nicht mehr, warum er es überhaupt habe machen wollen.

Am nächsten Morgen im Büro nahm Matheson wahr, dass sich die Stimmung in der Forschungsabteilung geändert hatte, auch wenn er nicht genau sagen konnte, inwiefern. Es schien, als wären sie mehr als sonst, oder weniger, oder als wäre etwas an ihren Uniformen anders – waren ihre Laborkittel gereinigt worden? Er stand eine Zeit lang da und versuchte zu erfassen, was nicht in Ordnung war, doch er kam nicht drauf.

Aber sein Eindruck war richtig – es gab Probleme in der Forschungsabteilung. Am Anfang hatte ein gemeinsames Ziel sie alle geeint: die Erfordernisse des Eitelkeitsprojekts dieses Schauspielers zu erdulden, um dafür die Zeit, die Finanzierung und die Testpersonen zu bekommen, die sie für die Weiterentwicklung ihrer Sensoren brauchten. Doch ihre Einigkeit war mittlerweile in Auflösung begriffen.

Zuerst waren es kleine Unstimmigkeiten gewesen – ihre Uniformen betreffend, ihre offiziellen Titel, die Frage, ob sie sich als Gruppe eine konkretere Bezeichnung als ›Forschungsabteilung‹ geben sollten. Dann gab es ständige Diskussionen darüber, wie die Sensoren heißen könnten – manche fanden, sie sollten erst einen Namen bekommen, wenn die Entwicklung weiter fortgeschritten wäre, weil ja vielleicht noch gar nicht ganz klar sei, was sie da gerade produzierten, andere glaubten, ihre Forschung würde behindert, wenn die Technologie namenlos bliebe, wieder andere schlugen mögliche Namen vor, die dann jemand abschoss, ohne Gegenvorschläge zu machen, und schließlich wies irgendwer darauf hin, wie viel Zeit mit dieser Diskussion bereits vergeudet worden sei, und könne das jetzt bitte vertagt und endlich weitergearbeitet werden?

Die bisher erhobenen Daten waren entweder nicht eindeutig oder viel zu sehr. Es gab Unstimmigkeiten bei der statistischen Auswertung, der Formulierung von Hypothesen, den Methoden der Software-Codierung, ethischen Belangen und so weiter. Manche Testpersonen reagierten auf die Inneren Direktiven sofort und deutlich, andere eher ungeordnet. Eine der Frauen, die als Alltag-Freundin eingestellt worden war, begann leise zu weinen, als sie ihr eine Innere Direktive schickten, mit der Limerenz erzeugt werden sollte. Matheson berichtete, dass sie nach diesem Experiment auf der Stelle gekündigt habe, was keinen Sinn ergab – sie hatten dieselbe Innere Direktive schon bei Jenny angewandt, in einem Beziehungsexperiment des Intimitätsteams, bei dem sie und Kurt in einem unbeleuchteten Zimmer allein gewesen waren, unter Infrarotüberwachung, und sich mittels kleiner Geräte über eine Art Morsecode gegenseitig hatten wissen lassen, in wie viel körperliche Intimität sie jeweils einwilligten. Obwohl Jenny zuerst nur einwilligte, Kurt zu küssen, gab sie sich ihm, nachdem die Innere Direktive ausgeführt worden war, ganz hin und verstieß kurz darauf gegen die Verhaltensanweisung des Beziehungsexperiments, die von ihr verlangte, dass sie schwieg.

Ich bin in dich verliebt, rief sie mitten im Experiment, worauf Kurt nichts erwiderte, abbrach und Jenny krank vor Liebe allein im Raum zurückließ. Sie wurde augenblicklich gefeuert, und zwei Leute aus der Forschungsabteilung mussten sie aus dem Gebäude begleiten.

Es muss sich um einen Irrtum handeln, sagte sie im Fahrstuhl, unheimlich ruhig, fragen Sie ihn, er wird es wissen. Dies ist etwas anderes. (Wie nach einer Gehirnwäsche, sagte einer der beiden Forscher hinterher. Nenn es nicht Gehirnwäsche, erwiderte der andere, und der erste wollte wissen, warum nicht. Es klingt einfach dämlich, nenn es nicht so.)

In der Lobby streckte Jenny die Knie durch, stemmte sich in einer Ecke gegen die Wand und blieb dort mehrere Minuten so stehen, bis sie sich auf die eingetopften Farne stürzte, die Pflanzen herausriss, sie durch die Halle schleuderte und aus dem Gebäude stürmte.

Seitdem war die Forschungsabteilung vorsichtiger mit den Inneren Direktiven. Vielleicht müssten sie die gesamte Programmierung umschreiben, meinten manche, oder ein Überprüfungsverfahren einführen. Es wurden subtilere Experimente ausprobiert; so beschleunigten sie etwa den Puls einer Testperson, um zu sehen, wie sich das auf ihre Stimmung auswirkte, und verminderten oder vermehrten ein Hormon in winzigen Stufen.

Vom Jenny-Störfall, wie das Ereignis fortan hieß, wurde oft gesprochen, auch wenn jeder ihn auf seine Weise interpretierte. Manche meinten, er zeige, wie effektiv die Inneren Direktiven aus dem Nichts ein Gefühl in einer Person erzeugen könnten, doch andere waren sich sicher, dass Jenny schon vorher, von ganz allein, in Kurt verliebt gewesen sein müsse und die Limerenz-Direktive dieses Gefühl nur offengelegt habe.

Man kann nichts fühlen, was man nicht fühlt, sagte der unbeliebteste Forscher, der mit dieser Meinung allerdings in der Minderheit war.

Gefühle sind bloß Daten, nicht mysteriös und nicht unmessbar, sagte ein anderer. Genau darum geht es ja gerade in unserer Forschung. Du meinst doch nicht im Ernst, dass menschliche Gefühle mehr sind als Daten, elektrische Ströme, die unter den korrekten Umständen kontrollierbar sind.

Das habe ich nicht gesagt, antwortete der unbeliebteste Forscher.

Doch, das hast du gesagt.

So habe ich es aber nicht gemeint.

Ich muss dich bitten, wenn du im Labor bist, nur zu sagen, was du tatsächlich meinst, und zu meinen, was du sagst – ist das klar?

Natürlich. Mein Fehler. Es kommt nicht wieder vor. Der unbeliebteste Forscher hoffte seit Langem insgeheim, eine besondere neurochemische Reaktion zu entdecken, die nur bei wirklich verliebten Menschen stattfinden konnte. Er stellte sich eine Art Spiegelneuronen vor, nur viel seltener und stärker, fast heilig, obwohl er im Labor niemals ein solches Wort verwendet hätte und sich auch nicht traute, irgendwem von seinem Wunsch zu erzählen. Er war ein sehr romantischer Mensch, der fast immer schwieg. Er band sich die Schuhe ganz langsam.

In den Besprechungen beklagten sich viele darüber, dass bei den Experimenten inzwischen zu große Vorsicht herrsche, die Resultate wertlos seien und die Untersuchung keine sinnvolle Ausrichtung habe, wenn niemand bereit sei, ein Risiko einzugehen. Eine Forscherin, die häufig an plötzlichem Nasenbluten litt, meldete sich leise und zaghaft zu Wort und sprach von ihrer Angst, die Inneren Direktiven könnten schlicht unethisch sein, die Mittel rechtfertigten vielleicht nicht die –, doch jemand anders übertönte diese schwache Stimme und brachte den Rest des Teams dazu, sich gegen sie zu wenden.

Bald bildeten sich Lager. Manche waren der Meinung, die Daten seien zum Teil derart widersprüchlich, dass man einige Freundinnen gehen lassen oder ihre Kartei aussortieren sollte, andere fanden, eine möglichst breite Datenpalette könne der Analyse nur nützen. Manche glaubten, die Inneren Direktiven seien schuld an den Symptomen, über die verschiedene Freundinnen klagten, andere sagten, für einen solchen Kausalzusammenhang gebe es zu viele Faktoren. Manche meinten, Kurts unbedarfte, eigennützige Ideen für die Beziehungsexperimente sollten nicht toleriert werden, andere hielten es für strategisch klüger, ihn in dem Glauben zu lassen, er habe Einfluss auf die Experimente. Manche fanden, sie könnten zu irgendeiner Behauptung oder Entdeckung gelangen, die Kurt zumindest besänftigen würde, doch die meisten waren sich sicher, dass es nie dazu käme und sie hier nur ihre Zeit vergeudeten, bis Kurt begriff, dass sein Ziel – die Liebe zu enträtseln – unerreichbar war. Die meisten glaubten, dass Kurt und Matheson zumindest ein bisschen soziopathisch waren, doch nur wenige hielten das für ein Problem.

Einer der Nicht-Zwillinge hatte eine Theorie entwickelt – ein Gehirn im Limerenzzustand verhalte sich so, als besitze es ein zweifaches Bewusstsein, und mit der Verliebtheit würden vorübergehend die Beschränkungen des Einzelnen aufgehoben – er fürchtete jedoch, die Beweise, die er zur Untermauerung dieser Theorie gesammelt hatte, könnten den anderen sonderbar vorkommen, also sammelte er nur still und heimlich weiter seine Daten.

An Ashley als Testperson schieden sich die Geister ganz besonders. Der unbeliebteste Forscher hatte die Idee, eine Fallstudie über sie zu machen, irgendetwas zur Interaktion von Liebe und Hass in einem Gehirn, um zu beweisen, dass Empathie stärker sei als Wut, doch sie wurde abgeschossen: zu kitschig, zu vereinfachend. Die physiologischen Zustände und die Biometrik von Empathie und Wut würden sowohl von Individuum zu Individuum als auch von einem Tag zum anderen erheblich schwanken, und Ashley sei nur eine Person. Daraus könne man nicht viel ableiten.

Es soll ja auch nur eine Fallstudie sein, sagte der unbeliebteste Forscher, ein Anfang.

Andere fragten sich, wieso man ihn überhaupt in die Forschungsabteilung aufgenommen hatte.

Ashleys Ruhedaten haben gezeigt, dass sie eine grundsätzliche Abneigung gegen Kurt hegt, fuhr er fort, eine konsequente Feindseligkeit, sie fühlt sich weder körperlich noch emotional im Geringsten von ihm angezogen, und ihre Aufgabe bestand ja auch immer darin, ihn anzugreifen, an ihm herumzunörgeln, Streit mit ihm zu suchen. Was, wenn eine Innere Direktive sie so besänftigen könnte, dass es die Auseinandersetzung mit ihm nicht lohnte?

Die Gegner dieser Idee interessierte das alles so wenig, dass sie noch nicht einmal widersprachen, und so begann der unbeliebteste Forscher am nächsten Tag heimlich zu experimentieren. In einem ihrer Beziehungsexperimente musste die Wutfreundin mit einem Arm voller Schuhe bei Kurt hereinplatzen, als er gerade aufwachte, ihn mit einem Schuh nach dem anderen bewerfen und dabei schreien, sie wisse, was er getan habe, er solle ihr besser genau erzählen, was passiert sei, sie würde sofort merken, wenn er lüge, und dann würde alles nur noch schlimmer. Vom Büro aus schickte der unbeliebteste Forscher ihr eine Innere Direktive, die die Empathie und Wärme einer langen, stabilen Beziehung nachahmte, doch Ashleys Verhaltensmuster änderte sich nicht in der Weise, wie er es erwartet hatte. Anstatt weich zu werden, zu lächeln oder mit dem Geschrei aufzuhören, wurde sie lauter, warf mit noch mehr Wucht, atmete unregelmäßiger. Bei einem Beziehungsexperiment ein paar Tage später, in dem Ashley Kurt verbal attackieren sollte, stellte der unbeliebteste Forscher fest, dass ihre Angriffe immer heftiger wurden, je mehr er die Konzentration ihrer Empathie-Direktive erhöhte, als steige mit einem gewissen Maß an Liebe zu ihm auch ihre Fähigkeit, ihn zu beleidigen.

In den Nachgesprächen der Woche berichtete Ashley von anhaltender Übelkeit nach jedem Beziehungsexperiment, fast so, als habe sie zu viel Koffein im System, sagte sie, doch ansonsten gehe es ihr gut. Sie berichtete nicht, dass sie jeden Morgen beim Aufwachen an Kurts Gesicht dachte, an sein Mienenspiel, die Art, wie er bestimmte Wörter aussprach, an die hart-weiche Stelle, wo sein Hals auf seinen Kiefer traf. Sie fing an, unbekümmert das GX-Handy zu benutzen, um nach Bildern von ihm zu suchen, manchmal noch vor dem Aufstehen, wenn ihre Augenlider kaum offen waren. Den ganzen Tag lang dachte sie weder liebevoll noch mit Abscheu an den Leberfleck an der rechten Seite seines Halses und fragte sich, wo dieser Leberfleck wohl gerade war. Manchmal fühlte sie sich regelrecht verfolgt davon – flach und dunkel, ein vollkommener Kreis. Obwohl sie genau wusste, wie absurd es war, auf so etwas fixiert zu sein, dachte sie permanent an ihn. An diesen bescheuerten Leberfleck.

Und dennoch hasste sie seine ganze Anmaßung, hasste seine Eitelkeit, hasste die Tatsache, dass er all diese Frauen eingestellt hatte, hasste den besagten Leberfleck, hasste den Hals unter dem Leberfleck, hasste die Stimme, die aus diesem Hals kam. Aber es war ein ganz anderes Gefühl als der Hass, den sie sonst kannte, hämisch und überwältigend, ein merkwürdiger ständiger Begleiter. Kurt war jede Figur in jedem ihrer Träume, und manchmal spross er aus den Wänden, manchmal war jede Oberfläche mit seinem Bild bedeckt, manchmal träumte sie in Endlosschleife von nichts anderem als dem Leberfleck.

In der Boxhalle fühlte sie sich stärker und schneller, spürte, dass ihr Körper sich drang- und kraftvoller bewegte. Eines Nachmittags, als sie ihre Übungen machte, erwischte sie einen Typen, der zu nah bei ihr stand, an der Schulter, und er wurde von dem Schlag so überrascht, dass er stolperte, hinfiel und sich die Lippe aufschlug. Auch wenn er sofort wieder aufsprang und so tat, als wäre alles in Ordnung, sah sie in seinen weit geöffneten Augen doch die Verunsicherung. Ashley entschuldigte sich trotzdem nicht bei ihm, weil ihr alle Menschen außer Kurt mit ihrer Freude und ihrem Leid gleichgültig waren. Die Inneren Direktiven waren zwar synthetisch, doch anscheinend hatte selbst eine synthetische Liebe sie zum Monster gemacht.

Bei Dim Sum mit Vicky in der Woche darauf vermied Ashley es ganz, vom GX zu sprechen, obwohl sie bei ihrem letzten Essen im Monat davor fast die Hälfte der Zeit über Kurt gelästert hatten. Doch irgendetwas war jetzt anders, und Ashley wollte nicht sehen, was Vicky für ein Gesicht machte, wenn sie Kurt erwähnte. Sie fragte sich, worin Vickys Experimente bestanden, ob ihre Arbeit wichtiger oder weniger wichtig war als Ashleys und wie man das überhaupt messen sollte. Ihr Magen verkrampfte sich, sie hatte keinen Appetit mehr und wusste nicht, warum sie sich Gedanken darüber machte. In ihrem Hinterkopf hüpfte höhnisch der Leberfleck herum.

Ist irgendwas?, fragte Vicky, als sie Ashleys vollen Teller sah, doch Ashley tischte ihr eine Geschichte vom Training auf – gezerrter Muskel, Magenverstimmung.

Ja, du wirkst auch nicht ganz wie du selbst, sagte Vicky, und Ashley nickte, während in ihr ein ständiges Nein und ein ständiges Ja nebeneinander herliefen.

Was für eine Gefahr es ist, zu lieben, wie es einen von innen verbiegt, alle Schlösser auswechselt und alle Schlüssel verliert.