Wer auch immer behauptet hat, dass Sport für Endorphine sorgt, war offensichtlich nie K-Pop-Trainee.

»Vielleicht solltest du mal eine Pause machen, Unni. Du siehst nicht gut aus, und wenn du so weitermachst, bekommst du viel zu früh Falten auf der Stirn.«

Leah sitzt im Schneidersitz auf meinem Bett und isst aus einer Tüte Honig-Butter-Chips. Scheinbar gibt es immerhin eine Kim-Schwester, die Koreas Leidenschaft für süße Snacks, die eigentlich salzig sein sollten, teilt.

Ich werfe ihr in meinem Wandspiegel einen missbilligenden Blick zu und beuge mich dann vor, um mir mein Spiegelbild genauer anzusehen. Ich streiche mit den Fingern über meine Stirn. »Welche Falten?«

»Sie passen zu deinem Ich-bin-ja-so-gestresst-ich-sehe-aus-als-hätte-ich-seit-Tagen-Verstopfungen-Look.« Sie wirft einen Chip in die Luft und fängt ihn mit dem Mund auf. »Im Prinzip siehst du so aus, seit das Trio-Training mit Mina angefangen hat. Du solltest wirklich versuchen, dich zu entspannen.«

Sie wedelt mit der Chipstüte vor meinem Gesicht herum, aber ich verziehe bei dem Geruch nur das Gesicht.

Allerdings hat sie definitiv nicht unrecht. Mein Showdown mit Mr. Noh ist jetzt eine Woche her, und alles ist

Es geht immer noch nur um die Wochenenden – und leider ist jetzt wirklich nicht der richtige Zeitpunkt, um meinen Trainingsplan mit Umma zu besprechen. Die Anspannung zwischen uns ist ohnehin schon groß genug, wir haben seit ihrem Ultimatum kaum miteinander gesprochen. Die Tage rinnen einfach so dahin, und die DB-Family-Tour und das Debüt der neuen Girlgroup kommen rasant näher, also habe ich einfach keine Zeit, mich auszuruhen.

Glücklicherweise habe ich unter der Woche Leah, die geschworen hat, mich in Bestform zu bringen, und sie ist fast so streng wie die DB-Trainer.

»Noch mal, Rachel«, sagt sie, und ich nehme meine Position ein. »Auf Anfang.«

Leah hebt ihr Handy und drückt auf Play. Meine Muskeln schreien vor Schmerz, als ich zum gefühlt hundertsten Mal die Choreographie durchgehe. Wir pausieren nur, um uns Videos von meinen Proben mit Mina anzuschauen. Da ist diese eine Bewegung am Ende der zweiten Strophe, die ich einfach immer wieder verhaue, und die immer wiederkehrende Kritik des Trainers läuft in meinem Kopf auf Dauerschleife:

Du bekommst nie dein Debüt, wenn du das nicht hinkriegst, Rachel!

Wie du tanzt, ist eine Schande für DB, Rachel!

Du tanzt wie ein Elefant im Zoo, Rachel!

Rachel!

Nein, ich sollte ihn wirklich nicht essen. DB wiegt uns fast jeden Tag. Und Mina und ich haben morgen unsere erste Anprobe für die Outfits für das Musikvideo.

Ich habe ziemlich Panik bekommen, als Yujin mir gesagt hat, dass wir ein Video machen. Die Trainer mit ihrer unaufhörlichen Kritik sind wie ein Bienenschwarm, der in meinem Kopf herumschwirrt, und ich weiß, dass das Management mich am Tag der Aufnahme mit Adleraugen beobachten wird, um zu sehen, wie ich bei einem Shoot mit den Kameras umgehe. Aber dann hat sie alles wiedergutgemacht, indem sie mir gesagt hat, dass wir für das Video maßgeschneiderte Outfits bekommen. Und einen ganzen Tag lang Kleider anprobieren? Das ist es auf jeden Fall wert. Jetzt muss ich nur dafür sorgen, dass das Management wenigstens an meinem Körper nichts zu meckern hat.

Ich seufze, werfe die Chipstüte in den Mülleimer und drücke ein letztes Mal Play auf Leahs Handy.

»Ai-yah! Schau dir nur deinen Bauch an. Wie bei einer Kuh. Zieh das sofort wieder aus.«

Ich kann in dem violett bestickten Korsett kaum atmen. Es liegt so eng an meiner Taille, dass es richtig weh tut, den Bauch genug einzuziehen, dass es nicht platzt.

»Schade«, sagt die Stylistin Grace und macht den

Gott sei Dank.

Sie steckt mich in ein orange kariertes Kleid mit dramatischen Glockenärmeln, das mich an Twiggy erinnert. Dann tritt sie zurück, verzieht das Gesicht und macht eine kreisende Bewegung mit ihrem erhobenen Zeigefinger. Nächstes Outfit.

Eine weiße Lederjacke mit passenden High-Waist-Shorts in Schlangenlederoptik.

Ein goldgelber Jumpsuit mit bauschigen Schultern, die fast meine Ohren berühren.

Ein Jumpsuit mit Blumenmuster und einem breiten, silberfarbenen Gürtel und Spitzenärmeln, die fürchterlich kratzen.

Eine Barbiepuppe zu sein macht nicht annähernd so viel Spaß, wie ich dachte. Ich trage jedes Outfit weniger als zehn Sekunden, bevor Grace auf das nächste zeigt. Mina macht links von mir dieselbe Garderobe durch und verzieht das Gesicht, als mehre Stylistinnen sie von allen Seiten in ein pinkes Latexkleid stecken. O Mann, sie sieht aus wie ein Kaugummi. Es wäre wirklich lustig, wenn ich nicht gleich exakt dasselbe anziehen müsste.

»Weißt du, es ist wirklich selten, dass jemand einfach in jeder Farbe blass aussieht.« Mina wirft einen Blick in meine Richtung. »Ich hätte dich da drüben fast nicht gesehen. Du verschmilzt fast mit der Wand.«

Ich ertappe eine von Graces Assistentinnen, wie sie mit hochgezogenen Augenbrauen in meine Richtung grinst. Mein Gesicht glüht, aber ich gebe nicht nach. Nicht,

»Glücklicherweise sehen mich die Leute, auf die es ankommt, sonst hätten sie sicher nicht entschieden, dass du nicht alleine mit Jason singen kannst«, sage ich schlagfertig.

Das bringt mir einige Lacher ein, und Mina reißt wütend den Mund auf. Aber bevor sie zurückschlagen kann, macht sich Grace wieder an mir zu schaffen. Sie zieht ein gestuftes schwarzes Fransenkleid vom Kleiderständer.

»Versuchen wir mal diesen 20er-Jahre-Look«, sagt sie. Ich steige vorsichtig in das Kleid, während sie mir eine perlenbesetzte Spange auf den Kopf setzt. Dann schreitet sie im Kreis um mich herum, zupft an meinem Rock und kratzt sich am Kinn. »Okay, das kann ich sehen. Ich sehe es.« Sie schnippt mit den Fingern. »Markiert das als ein Vielleicht, und lasst Rachel ein paar Schuhe anprobieren.«

Genau in diesem Moment kommt Heejin, eine unserer Trainerinnen herein, in der einen Hand ihr iPad, in der anderen eine Flasche Gerstentee.

»Rachel, Mina, kommt hier rüber zum Wiegen«, sagt sie kurz angebunden. »Und beeilt euch, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.«

Die Stylistinnen helfen mir aus dem Kleid, damit ich nur in meiner Unterwäsche auf die Waage steigen kann. Heejin wartet schon auf mich, und Mina ist mir dicht auf den Fersen.

»Nach Ihnen, Prinzessin Rachel«, sagt sie mit einer übertrieben ausladenden Armbewegung.

Ich ignoriere sie und stelle mich auf die Waage. Heejin geht in die Hocke, während die Zahl blinkt. Ihr Stift schwebt über ihrem iPad.

Was zum Teufel?! Das ist unmöglich.

Mir fällt die Kinnlade herunter, und ich stammle: »Ich … das ist … die Waage muss kaputt sein.«

»Was ist hier los, Rachel?«, fragt Heejin und wirbelt herum, um mich entgeistert anzustarren. »Du weißt, dass ich eine derart signifikante Gewichtszunahme Mr. Noh melden muss! Du wirst auf keinen Fall mit dem Trio weitermachen dürfen. Was hast du überhaupt gemacht, dass du in einer Woche zwölf Pfund zugenommen hast?!«

Mina kichert hinter mir, und ich drehe mich zu ihr um und sehe gerade noch, wie sie ihren Fuß von der Waage nimmt. Ich runzele verärgert die Stirn.

Mina. Natürlich, sie ist auf die Waage getreten, während Heejin sich auf die blinkende Zahl konzentriert hat, damit es aussieht, als wäre ich schwerer, als ich bin. Dieser Konkurrenzkampf nimmt ja völlig neue Dimensionen an. Ich fühle mich, als würde ich gleich vor Wut platzen. »Was für ein ungelenker Sabotageversuch, Mina. Es sieht ganz so aus, als würdest du die Nerven verlieren«, sage ich leise.

»Ich habe wirklich keine Ahnung, was du meinst, Prinzessin«, antwortet sie. Ihre Stimme ist süß, aber in ihren Augen funkelt der blanke Hass.

»Ich müsste nur Yujin erzählen, was du gemacht hast, und du würdest sofort rausfliegen.«

Mina lächelt gütig. »Du meinst, du müsstest nur zugeben, dass die perfekte Rachel mit ihrem perfekten Benehmen auf einer Party im Nachwuchshaus war und sich – o Gott – die Kante gegeben hat?«

»Ich habe mir nicht ›die Kante gegeben‹, Mina. Du hast mir was in den Sekt getan! Du hast mich unter

»Das ist eine ganz tolle Geschichte, Rachel«, fällt Mina mir ins Wort, »aber ich würde nur zu gerne sehen, wie du versuchst, das zu beweisen.« Sie grinst einen Moment lang, und als ich darauf nichts erwidere, schreitet sie von dannen.

Ich würde ihr am liebsten hinterherrennen, aber das hat keinen Sinn. Sie hat recht. Ich könnte es nie beweisen, und selbst wenn ich es beweisen könnte, was würde es mir schon bringen? Ich müsste zugeben, dass ich auf einer Party war und dass ich getrunken habe. Ich dürfte nicht mehr mit Jason singen, und wenn das Video je ans Licht käme, würde man mich wahrscheinlich rauswerfen.

Stattdessen drehe ich mich mit zusammengebissenen Zähnen wieder zu Heejin um. »Bitte, lass es mich noch mal versuchen, irgendetwas hat offensichtlich nicht gestimmt.«

Heejin seufzt genervt. »Dann mach schon. Beeil dich.«

Ich trete von der Waage, halte kurz inne und stelle mich dann wieder darauf. Ich schaue hinter mich, um sicherzugehen, dass Mina dieses Mal nicht das Ergebnis verfälscht. Die Zahl auf dem kleinen Bildschirm ist dieselbe wie letzte Woche. Ich seufze erleichtert, und Heejin nickt zufrieden.

»Okay, Mina, du bist dran.« Heejin tippt mein Gewicht in die Tabelle auf ihrem iPad.

Mina tritt auf die Waage und hält den Atem an. Als die Zahl erscheint, sackt sie in sich zusammen.

Heejin schürzt die Lippen. »Ein Pfund mehr als letzte Woche«, sagt sie schneidend. »Ist das auch ein Fehler, Mina?«

»Ich …« Mina schaut auf ihre Zehen. »Es tut mir leid.«

Verdammt. Ein Essensverhör. Sie würde mir echt leidtun, wenn sie nicht Mina wäre.

»Ein griechischer Salat, die Smoothies, die du empfohlen hast und …« Mina hält inne. Als sie weiterspricht, ist ihre Stimme ganz leise. »Eine Pizza.«

»Wie viele Stücke?«

»Drei.«

Ich pfeife durch die Zähne. Wow, drei Stücke Pizza.

Mina starrt mich böse an, und ich schäme mich kurz – bevor ich mich daran erinnere, wie oft Mina schon versucht hat, mein Leben zu ruinieren – allein während der letzten Wochen.

Heejin schüttelt den Kopf. »Keine Selbstkontrolle!«, schreit sie. »Kein bisschen. Wenn du nicht hier sein willst, geh einfach. Geh, jetzt sofort. Möchtest du aufhören? Hm? Willst du das? Es sieht nämlich so aus, als hättest du schon aufgehört.«

Mina schaut verschämt zu Boden. »Nein. Es tut mir leid. Ich möchte nicht aufhören.« Sie beißt sich auf die Lippe. »Diese Woche mache ich es besser.«

»Das will ich schwer hoffen. Sonst muss ich deinem Vater sagen, dass seine Tochter zu schwer ist, um ein K-Pop-Star zu werden.« Heejin schaut Mina direkt in die Augen. »Wenn du ihn nicht enttäuschen möchtest, solltest du aufhören, dir den Bauch mit Pizza vollzuschlagen.«

Minas Gesicht wird fahl, als Heejin ihren Vater erwähnt. Sie gibt ständig damit an, wie gut er mit Mr. Noh befreundet ist, dass ihr Dad Partys und Dinner für die Trainer und das Management von DB gibt und dass sie sie

Mina richtet sich auf und strafft die Schultern. »Du wirst ihm gar nichts sagen müssen. Ich werde nicht weiter zunehmen, versprochen.«

Heejin verzieht das Gesicht und tippt eine kurze Notiz. »Und wenn die Diäten nicht anschlagen, sollten wir über eine OP für diese Daikon-Beine nachdenken. Alles, was du zunimmst, setzt sofort in deinen Waden an.«

Oje. Ich sollte bei Heejin Unterricht im Mina-Quälen nehmen. Heejin klappt ihr iPad zu und verlässt zügig den Raum. Mina tritt von der Waage, und ich lächle sie fröhlich an.

»Das hat Spaß gemacht, oder?«, frage ich.

Sie starrt mich böse an und schubst mich aus dem Weg, um sich ihre Kleider zu schnappen.

Am Nachmittag stecke ich wieder in meiner geliebten Adidas-Trainingshose. Mina und ich sind auf dem Weg zum Tanztraining. Sie ignoriert mich seit dem Wiegen, und wenn ich ehrlich bin, kommt das mir sehr gelegen. Wenn wir nur einen Weg finden würden, die nächsten Wochen und Monate einfach gar nicht miteinander zu sprechen …

Als wir weiter den Gang entlanglaufen, höre ich eine bekannte Singstimme. »Noch mal von vorne!«, höre ich jemanden sagen. »Bei den hohen Tönen hast du noch nicht genug Kontrolle.«

Mina und ich biegen um die Ecke, und ich sehe Akari, die im Quadrizeps-Sitz an der Wand lehnt. Ihre Trainerin beugt sich mit verschränkten Armen über sie. Akari fängt

»Mit dem Zwerchfell!«, schreit die Trainerin.

Akaris Beine fangen an zu zittern, aber sie singt weiter. Plötzlich bricht ihre Stimme, und die Trainerin versetzt ihr einen scharfen Hieb in die Magengegend. Akari verzieht das Gesicht, hört aber nicht auf zu singen.

Der Quadrizeps-Sitz ist eine der härtesten Strafen, die die Trainerinnen vergeben. Sie zwingen uns zu singen, während wir mit dem Rücken an der Wand lehnen, die Beine um neunzig Grad angewinkelt. Die Schläge in den Magen sollen angeblich das Zwerchfell stärken, aber vor allem tun sie einfach weh.

Mir tut alles weh, als ich zusehe, wie Akaris Gesicht immer röter wird. Sie hat sichtlich Mühe, die Tränen zurückzuhalten.

Die Trainerin schlägt wieder zu, diesmal noch fester. »Du bist zu schwach. Wenn du nicht mal das hier durchstehen kannst, wie willst du irgendetwas anderes schaffen? Von vorne!«

Arme Akari. Ich seufze und werfe einen Blick auf Mina, aber – Moment – wo ist sie hin? Ich schaue auf die Uhr.

Mist, ich komme zu spät zur Probe.

Ich versuche, mich so diskret wie möglich in den Raum zu schleichen, aber sobald Mina mich sieht, schaut sie theatralisch auf die Uhr an der Wand. »Wow, Rachel. Drei Minuten zu spät, wie ich sehe.« Sie dreht sich zu den Trainerinnen um und schüttelt den Kopf. »Sie versteht offensichtlich nicht, wie kostbar eure Zeit ist.«

»Genug, Mina«, zischt Yujin. Ich muss fast lächeln, aber Yujin dreht sich zu mir um und runzelt die Stirn. »Da ihr es jetzt beide hergeschafft habt, fangen wir doch einfach mit der Choreo an, oder?«

Scheiße, ich muss mich zusammenreißen, und zwar schnell.

Mina und ich nehmen unsere Positionen in der Mitte des Raumes ein. Die Musik fängt an, genau als Yujin die Kamera einschaltet. Mina lächelt selbstgefällig, und plötzlich kommt mir das rote Licht der Kamera vor wie ein Moskito, der direkt auf mein Gehirn zufliegt. Aber dann passiert etwas Unerwartetes. Akaris Gesicht – verzweifelt, aber entschlossen, während sie im Gang die hohen Töne übt – nimmt meine Gedanken ein. Das Summen hört nicht auf, aber es wird leiser, als ich mich auf ihr Gesicht konzentriere und versuche, die Kamera zu ignorieren, die keine zwei Meter vor mir steht.

Der Song, den wir mit Jason singen, heißt »Summer Heat«, und er ist voller Spaß und Energie. Ein fröhlicher, eingängiger Popsong darüber, wie es ist, im Sommer jung, sorglos und frei zu sein.

Ha.

Ich schaffe es durch die erste Strophe und meistere sogar die komplizierten Schritte beim Übergang zum Refrain. Aber dann wächst meine Anspannung. Obwohl Leah mich die ganze Woche gedrillt hat, bekomme ich die Bewegungen einfach nicht ganz richtig hin.

Ich schaue fest in den Spiegel. Komm schon, Rachel. Du schaffst das.

Der erste Schritt ist okay, aber beim Übergang zum zweiten sagt mir mein Körper, dass ich mich nach links drehen soll, während mein Gehirn weiß, dass die Drehung rechts herum sein muss. Ich verpatze den Teil

Scheiße. Ich finde schnell meinen Rhythmus wieder, aber mir ist jetzt unerträglich heiß, und mein Kopf ist vom Summen Tausender Moskitos erfüllt, die alle nach der ersten Mahlzeit des Sommers trachten. Ich weiß nicht, wo ich hinschauen soll. Zu Yujin? Zur Kamera? Zum Management?

Ich quäle mich durch die letzte Strophe, dankbar, als das Lied endlich zu Ende ist.

Eine Sekunde später fliegt die Tür auf, und Jason spaziert herein, eine Tüte von Lotteria Burger in der einen und einen angebissenen Hähnchenburger in der anderen Hand. Er lächelt das Management an, und Ms. Shims Augen leuchten, als sie ihm winkt, während die anderen beiden aufspringen, um ihm die Hand zu schütteln. Typisch. Jason kommt zu spät zur Probe und isst dabei auch noch einen verdammten Burger, und trotzdem schmachtet der ganze Raum ihn an.

»Okay«, sagt Yujin. »Also, lasst mal hören. Wir müssen entscheiden, wer von euch Mädels welche Teile des Songs übernimmt, also singt ihr erst mal beide solo. Mina, wir fangen mit dir an.«

Ich lasse mich, immer noch schwitzend, auf einen Stuhl fallen, als das Vorspiel beginnt und Mina zu singen anfängt. Auch ohne Mikro würde es mich nicht überraschen, wenn man sie bis zur Dachterrasse hört. Jason setzt sich auf den Stuhl neben meinem und hält mir die Lotteria-Burger-Tüte hin.

Ich ignoriere ihn und versuche, mich auf Minas Gesang zu konzentrieren.

»Mehr Gefühl, Mina!«, ruft Ms. Shim. »Es klingt gut, aber ich fühle nichts, wenn du singst.«

Jason hält die Tüte dicht an mein Gesicht. »Es sind keine versteckten Käsewürstchen drin, versprochen. Komm schon, nimm dir eine.«

Ich ignoriere ihn immer noch, aber ich kann nicht verhindern, dass in meinem Mundwinkel ein kleines Lächeln zuckt. Ich wische es schnell wieder weg, doch zu spät. Er hat es gesehen und grinst.

Müssen mir meine eigenen Lippen in den Rücken fallen?

»Wie cool ist es eigentlich, dass wir dieses Lied zusammen singen?«, fragt er.

»Ähm, ziemlich cool, schätze ich.« Ich halte den Blick fest auf Mina gerichtet.

»Mina, du siehst aus, als hätte jemand deinen Welpen umgebracht. Fühlt es sich so für dich an, DB-Star zu sein? Lächle!«, ruft einer der Manager. Ich sehe genau, wie sich Minas Nacken bei jedem seiner Kommentare mehr anspannt.

»Also, ich freue mich jedenfalls darauf. Du weißt ja warum, oder?« Jason kommt mir so nahe, dass ich die Pommes in seinem Atem riechen kann. Mhmmm … das ist wirklich kein schlechter Geruch. Ich kann mich nicht einmal daran erinnern, wann ich zuletzt eine Pommes gegessen habe. Ich gebe keine Antwort. Er schaut mich mit erwartungsvollem Dackelblick an, und ich kann nicht anders, als seinen tiefbraunen Augen nachzugeben.

»Okay, du hast gewonnen. Warum freust du …«

»Rachel!« Ein scharfes Zischen. Eine meiner

Ich werde rot. Auf der anderen Seite des Saales legt sich Yujin die Hand auf die Stirn, ich sehe, wie peinlich ihr das Ganze ist. Ich drehe mich von Jason weg und konzentriere mich auf das Lied, aber innerlich koche ich. Warum bin ich diejenige, die Ärger bekommt, wenn er mit mir redet?

Er hält kurz inne, dann flüstert er mir schon wieder etwas ins Ohr. »Du hast meine Antwort noch gar nicht gehört.«

Ich schaue starr geradeaus und ignoriere ihn weiterhin.

»Es ist eine gute Antwort, versprochen.«

Er legt den Kopf auf meine Schulter, und ich rucke mit der Schulter, um ihn loszuwerden.

»Du willst es wirklich nicht wissen?«

Genug ist genug. Ich drehe ruckartig den Kopf, um ihm ins Gesicht zu schauen und ihm gehörig die Meinung zu sagen, aber seine unerwartete Nähe bringt mich aus dem Konzept. Unsere Nasen berühren sich fast, und er schaut mir direkt in die Augen.

»Oh«, sagt er, seine Stimme jetzt so leise, dass wirklich nur ich sie hören kann. »Ich dachte immer, deine Augen sind braun, aber von nahem sind sie voller goldener Flecke. Ich wette, die meisten sehen das gar nicht.« Er lächelt. »Wirklich schade. Du hast echt schöne Augen. Andererseits finde ich es auch gut, einer der wenigen zu sein, die das wissen.«

Ich starre ihn an, völlig sprachlos. Mina ist endlich fertig, und Jason wirft einen Blick auf die Uhr.

»Tut mir leid«, sagt er, diesmal in die Runde. Er steht auf und knüllt die Lotteria-Burger-Tüte zusammen. »Ich

Er wirft allen einen vielsagenden Blick zu, und alle Trainer, Ms. Shim und die beiden Manager lachen. Mit einem letzten breiten Lächeln für mich schreitet er aus dem Saal und lässt die Tür hinter sich zufallen.