Zwölf Augenpaare sind auf mich gerichtet und beobachten jede einzelne meiner Bewegungen. Ich streiche meinen Blazer glatt und zupfe meine Skinny-Jeans zurecht. Mein Look heute ist chic und professionell – perfekt für einen mustergültigen K-Pop-Trainee –, denn genau so muss mich das Management von DB sehen.
Mr. Noh sitzt am Kopfende des langen Tisches im Konferenzraum, sein Gesicht spiegelt sich in der glänzenden Mahagoniplatte, er hat die Hände unter seinem Kinn verschränkt. Yujin und ich stehen am anderen Ende des Tisches, unsere Körperhaltung ist tadellos. Noch vor ein paar Tagen war sie meine Mitverschwörerin. Heute fühlt es sich an, als wäre sie meine Anwältin.
»Das geleakte Video ist viral gegangen«, erklärt Yujin. »Die Leute lieben es, wenn Jason und Rachel zusammen singen. Es ist das meistgesehene Video der Woche auf Instagram, mit bereits mehr als drei Millionen Klicks. Die Leute reden über die beiden, und wenn sie das Duett zusammen singen, werden sie noch mehr reden. Der Erfolg ist garantiert.«
»Eine Sekunde.« Einer der Manager, ein gewisser Mr. Lim, hebt die Hand. Er ist noch älter und noch kritischer als Mr. Noh und trägt eine Drahtgestellbrille, die auf der Spitze seiner krummen Nase sitzt. »Wollen Sie damit sagen, wir sollen Rachel eine zweite Chance geben, nachdem sie unseren größten Star vollgekotzt hat? Ms. Chung, bei allem Respekt, ich habe den Eindruck, sie lassen ihre persönlichen Gefühle für das Mädchen ihre Urteilskraft trüben.«
Ich wahre einen neutralen Gesichtsausdruck. Ich weiß, dass ich das Reden Yujin überlassen muss, wie wir es vorher besprochen haben.
»Jason nimmt es ihr offensichtlich nicht übel«, sagt Yujin und hebt kurz ihr Handy. »Vielleicht sollten wir es auch so langsam vergessen?«
»Vergessen?« Eine Managerin, Ms. Shim, reißt ungläubig die Augen auf. An ihrem unglaublich dünnen Hals pochen zwei fette Adern, und ihr Mund sieht wahrscheinlich immer so aus, als hätte sie gerade in eine Zitrone gebissen. »Es ist erst zwei Wochen her. Es wird ein bisschen länger dauern, bis Rachel unser Vertrauen zurückgewinnt. Falls überhaupt. Das war das schlimmste Casting, das ich in meiner gesamten Karriere bei DB gesehen habe.«
Ein zustimmendes Murmeln wandert um den Konferenztisch. Ich balle die Fäuste, aber ich schweige. Sosehr es mir auch widerstrebt, dass sie über mich sprechen, als wäre ich gar nicht da, für DB-Trainees ist es keine Option zu sprechen, ohne dass man dazu aufgefordert wurde. Nicht einmal, wenn man ein virales Video vorweisen kann.
Mr. Noh hebt die Hand, und alle anderen schweigen.
»Ich glaube, das ist genug für heute. Es ist offensichtlich, dass die Mehrheit von euch denkt, dass Rachel noch nicht … bereit ist.« Er klingt fast enttäuscht. »Hat irgendjemand noch etwas zu sagen?«
Ich fange an zu schwitzen. Was? Nein! Ich kann nicht zulassen, dass es so endet, nicht, wenn ich schon so nah dran bin. Ich spüre, dass ich nicht mehr lange an mich halten kann, aber dann berührt mich Yujin sanft am Ellbogen. Sie schüttelt unmerklich den Kopf. Mach es nicht noch schlimmer, sagt sie damit. Du bewegst dich jetzt schon auf sehr dünnem Eis. Enttäuschung macht sich in mir breit. Sie hat recht. Es ist besser, nicht rausgeschmissen zu werden, ohne das Duett zu singen, als beides zu verlieren. Der Plan hat nicht funktioniert.
Ich schlucke alles hinunter – meine Tränen, meinen Stolz, den letzten Hoffnungsschimmer. Ich drehe mich um, um Yujin aus dem Saal zu folgen, als plötzlich jemand aufsteht.
»Wartet!«, sagt er. Wir drehen uns um und sehen einen der Manager – einen jüngeren Mann mit einem jungenhaften Gesicht und frisch gegeltem Haar –, der sein Handy hochhält. »Ich denke nicht, dass wir diese Diskussion beenden können, ohne das Video gesehen zu haben, um das es hier geht. Mr. Noh, habe ich die Erlaubnis, mein Handy mit dem Projektor zu verbinden?«
Mr. Noh hält inne und nickt kurz. »Fahren sie fort, Mr. Han.«
Mr. Han schaut zu mir hinüber und zwinkert mir zu. Was? Will er mir wirklich helfen? Ein winziger Funken Hoffnung beginnt, in meiner Brust zu glühen.
Er spielt das Video auf dem Handy ab und überträgt es auf den Projektor, und plötzlich erfüllt Jasons Stimme den Saal. Einige Gesichter werden ganz weich, als sie den alten Chung-Yuna-Klassiker erkennen. Links von mir seufzt Ms. Shim glücklich, ein verklärtes Lächeln auf dem Gesicht, die Hände vor der Brust gefaltet, als Jason weitersingt. Gibt es eigentlich irgendjemanden auf der Welt, den dieser Kerl kaltlässt?
Mit angehaltenem Atem warte ich auf meinen Einsatz. Als ich meine Stimme höre, werfe ich unauffällig einen Blick zu Mr. Noh. Ich kann hinter seiner Brille seine Augen nicht sehen, und er trommelt im Takt der Musik mit den Fingern, so wie immer. Der Rest des Managements tut es ihm gleich, und manche fangen an zu lächeln oder singen sogar mit. Beim letzten Refrain sehe ich, dass Ms. Shim sich über die Augen wischt. Jetzt bin ich die, die lächelt. Tränen sind immer ein gutes Zeichen.
Das Lied ist zu Ende, und der Bildschirm ist wieder schwarz. Alle klatschen, und Mr. Han stößt sogar einen Pfiff aus. Die Hoffnung in mir wächst, aber ich wage es noch nicht aufzuatmen. Hat es gereicht?
»Ich muss zugeben, das war ziemlich gut«, sagt Ms. Shim widerwillig.
»Und die Leute lieben die beiden zusammen«, fügt Mr. Han hinzu und scrollt durch die Kommentare. »Die sozialen Netzwerke explodieren förmlich, das Video wird überall geteilt.«
»Das mag ja stimmen«, sagt Mr. Lim schroff, »aber hier geht es nicht um Rachels Talent. Wir wissen alle, dass das Mädchen singen kann. Aber ist sie auch professionell? Wir haben die Berichte aus dem Medientraining gesehen. Kann sie vor der Kamera auftreten? Ist sie in der Lage, das Image von DB aufrechtzuerhalten? Das ist etwas völlig anderes.«
»Das stimmt«, sagt Ms. Shim. »Ihr Image muss tadellos sein, wenn sie mit Jason auftreten soll. Und diese Vorstellung von ihr beim Casting war alles andere als tadellos.«
»Aber warum muss es denn tadellos sein?«, gibt Mr. Han zurück. »Wir wissen, dass ihr Duett ein Mega-Hit wird – die Zahlen, die das beweisen, haben wir schon. Ein strategischer Business-Move. Und außerdem: Das Publikum hat heutzutage sehr viel mehr Interesse an Authentizität als an Perfektion. Wie bei diesem Video. Sie wollen eine echte, nahbare Geschichte, mit der sie sich identifizieren können. Echte Menschen, die pures Talent und Disziplin zeigen. Und das hat Rachel, beides. Außerdem muss man sich doch nur dieses Video ansehen, um zu wissen, dass sie ihre Angst vor der Kamera längst hinter sich gelassen hat.«
Mein Gesicht brennt bei seiner letzten Aussage, aber ich wage es nicht, den Mund aufzumachen.
Um ehrlich zu sein, ich kann nicht glauben, was ich da höre. Das K-Pop-Management allgemein, aber vor allem bei DB, ist dafür bekannt, unglaublich streng zu sein – und alles andere als flexibel. Tradition ist alles, und sie erwarten nicht weniger als Künstlerinnen und Künstler, die die Ansprüche von DB über alles andere stellen. Tradition über Innovation. Routinierte Perfektion über Authentizität. So läuft das im K-Pop. Aber Mr. Han scheint das anders zu sehen. Ich weiß nicht genau, wie ich selbst dazu stehe, aber ich spüre, wie ich bei allem, was er sagt, nicke.
»Rachel.« Mr. Noh spricht mich jetzt direkt an.
Ich stelle mich sofort gerade hin und hebe den Kopf. »Ja, Mr. Noh.«
»Warum sollten wir dir eine zweite Chance geben?«
Mein Impuls ist es, Yujin anzuschauen, aber ich zwinge mich, den Blick fest auf Mr. Noh zu richten. Er will es von mir hören. Ich hole tief Luft und hebe den Kopf. »Weil«, beginne ich, »es keine Grenze dafür gibt, wie hell ich strahlen kann. Dieses Video ist nur ein Vorgeschmack. Wenn Sie mir eine zweite Chance geben, werde ich doppelt so hart arbeiten und doppelt so hell strahlen. Bekomme ich eine dritte Chance, wird es sich verdreifachen. Und ich weiß genau, dass es niemanden gibt, der es besser kann als ich.«
Es ist still im Saal. Mr. Noh lehnt sich in seinem Stuhl zurück, sein verspiegelter Blick bohrt sich in meinen. Ich weiche ihm nicht aus und stehe gerade. Er nickt zustimmend, ein kleines Lächeln auf den Lippen.
»Meeting beendet«, sagt er.
Ich blinzle, als alle anfangen, ihre Sachen zusammenzupacken. Ich werfe Mr. Han und dann Yujin einen Blick zu, beide sehen genauso verwirrt aus, wie ich es bin.
»Warten Sie!«, rufe ich, als Mr. Noh zur Tür schreitet. Mir ist klar, dass ich sämtliche Regeln breche, indem ich ihn einfach anspreche, aber ich muss es wissen. Er dreht sich zu mir um, eine Augenbraue hochgezogen. »Bedeutet das, dass ich das Duett mit Jason singe?«
Ein Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus. Es ist irgendwie berechnend, und auf meinen Armen kribbelt plötzlich eine Gänsehaut.
»Ja, Rachel«, sagt er. »Du singst mit Jason. Aber es wird kein Duett sein. Es wird ein Trio. Du, Jason … und Mina.«
Ein Trio. Ich singe ein Trio mit Jason und Mina.
»Oh, und Ms. Kim.«
Mein Kopf ruckt nach oben. »Ja, Mr. Noh.«
Sein Blick ist stählern und scharf, und er schaut mir direkt in die Augen. »Es ist nicht meine Gewohnheit, dritte Chancen zu vergeben. Egal, wie hell jemand strahlt.«
Auf dem Nachhauseweg hüpfe ich glücklich aus dem Bus und gehe noch bei Dunkin’ Donuts vorbei, um Leah etwas mitzubringen. Ich kaufe eine Schachtel glasierter Donuts und einen Erdbeer-Bananen-Smoothie, den sie am liebsten mag.
Ich bewege mich wie im Traum, einem, aus dem ich nicht aufwachen möchte. Ich singe mit Jason. Ich, Rachel Kim, singe mit Jason Lee! Ich habe ein riesiges Lächeln auf dem Gesicht, und nur der Gedanke an Mina kann meine Stimmung ein kleines bisschen trüben. Sie wird mit uns singen. Das war nicht Teil meines ursprünglichen Plans …
Egal. Über dieses Problem kann ich auch morgen noch nachdenken.
Ich renne die Treppe zu unserer Wohnung hinauf. »Leah!«, rufe ich, sobald ich die Tür aufgesperrt habe. Ich schleudere meine Schuhe von den Füßen. »Unni ist zu Hause, und ich habe deine beiden Lieblingssachen dabei! Snacks und den neuesten Klatsch!«
Ich betrete das Wohnzimmer und bleibe abrupt stehen. Umma sitzt auf dem Sofa, sie hält ihr Handy so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortreten. Sie schaut mich mit zusammengezogenen Brauen an, ihre Lippen sind schmal.
»Umma«, sage ich zögernd. »Du bist so früh zu Hause.« Bei ihrem Gesichtsausdruck dreht sich mir der Magen um. Ein Gedanke schießt mir durch den Kopf. Appa ist etwas passiert. Sie hat herausgefunden, dass er Jura studiert, und ist wütend, weil wir es geheim gehalten haben. Ich versuche, die richtigen Worte zu finden, um es zu erklären, aber sie spricht als Erstes, ihre Stimme ist tonlos.
»Möchtest du mir sagen, was das hier ist?« Sie hält mir ihr Handy hin.
Ich gehe langsam zu ihr, Leahs Smoothie schwitzt in meiner Hand. Ein Video läuft auf Ummas Handy. Nicht irgendein Video. Ein Video von mir.
Und es ist nicht das, das gerade viral geht.
Es zeigt mich, bei der Party im Nachwuchshaus, die Kleider so nass von etwas, das nur eine Mischung aus Schweiß und Alkohol sein kann, dass man meinen BH durch mein Top hindurch sehen kann. Ich habe offensichtlich keine Ahnung, was ich tue, lache über gar nichts und tanze auf einem Tisch, eine Sektflasche in der einen und eine leuchtend grüne Tupperdose in der anderen Hand. Ich sehe, dass Umma die Dose bemerkt hat, während Lizzie und Eunji mich im Hintergrund des Videos anfeuern, pfeifen und jubeln. Gott, ich kann das nicht einmal tanzen nennen. Ich wedle wild mit Armen und Beinen und mache mich komplett lächerlich. Und ich kann mich kein bisschen daran erinnern. Was zum Teufel hat Mina mir in den Sekt getan?
Ich denke an die Party zurück. Daran, wie ich auf der Couch eingeschlafen bin und Mina auf der anderen Seite des Zimmers gesehen habe, wie sie ihr Handy auf mich richtet. Ich schlucke, meine Kehle ist so eng, dass ich kaum sprechen kann.
»Umma, wo …«
»Das hat mir heute jemand per SMS geschickt«, sagt sie. Sie spricht leise, aber ihre Augen sprühen Funken.
Ich schlucke schwer. Ich hätte wissen müssen, dass es nicht genug für Mina ist, nur mein Casting zu versauen. Ich öffne den Mund, um etwas zu sagen, aber Umma hebt die Hand. »Bevor du versuchst, mir das zu erklären, sag mir eins: Ist das das Nachwuchshaus?«
Ich starre schweigend auf den Boden, dann nicke ich einmal.
»Und habe ich dir nicht gesagt, dass ich dir nicht erlaube, ins Nachwuchshaus zu gehen?«
»Das hast du gesagt«, flüstere ich heiser.
»Also hast du mich angelogen, als du gesagt hast, dass du zum Lernen zu den Cho-Zwillingen gehst. Und dann bist du an einen Ort gegangen, den ich dir explizit verboten hatte. Und dann hast du dich dermaßen betrunken, dass du vor deinen lächerlichen K-Pop-Freunden gestrippt hast?«
Ich schaue auf, Tränen in meinen Augen. »Umma, bitte. Es ist nicht so, wie es aussieht.«
»Warum weinst du jetzt bitte?« Ihre Stimme wird lauter. Ich kauere mich zusammen. So wütend habe ich sie noch nie gesehen. »Was hast du gemacht, dass du es verdient hast zu weinen? Tränen sind für die Traurigen, aber dir tut es nicht einmal leid.«
»Doch, tut es!«, schluchze ich. »Es tut mir leid, dass ich gelogen habe, und es tut mir leid, dass du es so erfahren hast, ich hätte nie gedacht …«
»Was glaubst du, was dein Vater sagt, wenn er das sieht? Es wird ihm das Herz brechen.« Sie schüttelt den Kopf, und ihre Stimme ist jetzt rau. »Ich wusste, dass diese K-Pop-Welt nicht gut für dich ist. Sie vergiftet dich.«
»Tut sie nicht«, sage ich fest. Die Tränen laufen mir jetzt über die Wangen, ich versuche verzweifelt, sie wegzuwischen, aber sie hören einfach nicht auf. »Bitte, Umma, lass mich das erklären.«
»Wann ist aus meiner Tochter nur eine solche Schande geworden? Wie kannst du nur damit leben, wer du bist? Hm, Rachel? Du hast die Kontrolle verloren.«
Mitten in Scham und Reue spüre ich plötzlich, wie eine dritte Emotion in mir aufsteigt. Wut. Kann sie mir nicht wenigstens einen Moment geben, um ihr die Sache zu erklären? Sie ist schließlich meine Mutter. Sie sollte auf meiner Seite sein.
»Na ja, vielleicht hätte ich ja nicht lügen müssen, wenn du mich ausnahmsweise einmal unterstützt hättest! Der einzige Grund, aus dem wir hierhergezogen sind, ist mein Training, aber du tust immer so, als wäre es irgendein bescheuertes Hobby, dem ich die letzten sieben Jahre lang nachgegangen bin.« Jetzt platzt alles aus mir heraus. »Denkst du, ich wollte mich hinter deinem Rücken rausschleichen? Ich musste es tun, wegen dir und deinen Regeln. Ich musste mir selbst den Hauch einer Chance geben, vom Management bemerkt zu werden. Und ich habe es übrigens auch geschafft. Die meisten Eltern wären stolz, wenn sie wüssten, dass ihre Tochter die nächste Single mit Jason Lee macht.« Ich schweige, ich bin außer Atem.
Umma sieht überrascht aus. »Du hast das Duett bekommen?«
»Es ist jetzt kein Duett mehr, aber ja.« Ich hole tief Luft, versuche, mich zu beruhigen. »Ich habe es.«
»Nun … Herzlichen Glückwunsch, Rachel. Ich weiß, wie sehr du dir das gewünscht hast.« Ihr Blick wird wieder hart. »Aber es ändert nichts daran, was du dafür tun musstest. Dieses Business ist das reinste Gift.«
»Es ist kein Gift, Umma. Es ist ein Wettkampf. Nur die Besten werden akzeptiert.«
Umma lacht ungläubig auf. »Die besten Menschen?« Sie hebt ihr Handy. »Also so sieht es aus, wenn du dein Bestes gibst? Besoffen und lächerlich vor allen, mit denen du trainierst?«
Mein Gesicht brennt vor Scham, und als ich den Mund öffne, bringe ich keinen Ton heraus. Ich möchte ihr von Mina erzählen, warum ich in dem Video so betrunken bin – aber das würde ihr nur bestätigen, dass sie recht hat. Und das stimmt nicht. Nicht hiermit.
Ummas Blick ist steinhart, und ihre Stimme ist abgehackt. »Ich habe viel zu lange dabei zugesehen. Ich werde nicht zulassen, dass du weiterhin Teil von diesem Zirkus bist. Nicht, wenn du dich deshalb so verhältst.«
Sie dreht sich um und verlässt das Wohnzimmer. Ich starre ihr ungläubig nach. Will sie wirklich alles beenden?
Ich stürme hinter ihr her in die Küche.
»Was meinst du damit, du lässt nicht zu, dass ich Teil davon bin? Hast du überhaupt gehört, was ich gesagt habe? Ich singe mit Jason Lee. Vor der DB-Family-Tour im Herbst. Genau so hat DB vor fast sieben Jahren Electric Flower herausgebracht, Umma. Es bedeutet, dass alles, wofür ich die letzten sieben Jahre so hart gearbeitet habe, jetzt wirklich passiert. Es bedeutet, dass ich mein Debüt bekomme.« Ich flehe jetzt, der Ärger in meiner Stimme ist versiegt. Ich wünsche mir verzweifelt, dass sie mich sieht, dass sie an mich glaubt – und vielleicht auch, dass ich selbst ein bisschen fester daran glaube, was ich sage.
»Bitte, Umma. Bitte. Ich bin so nah dran.«
Sie schweigt, nimmt eine Zwiebel aus dem Kühlschrank und beginnt, sie zu schneiden. Der Geruch der Zwiebel vermischt sich mit meiner Panik und den Tränen, die mir immer noch über das Gesicht laufen. Ich kann mein Schluchzen nicht zurückhalten, als Umma sich umdreht und mich anschaut. Ihre Haltung ist immer noch angespannt, aber ihre Augen funkeln nicht mehr vor Wut. Stattdessen sieht sie fast traurig aus. »Rachel«, sagt Umma. »Es gibt so viele Dinge, die du einfach nicht verstehst. Dinge, die man mit achtzehn einfach nicht verstehen kann.« Sie seufzt. »Aber du bist meine Tochter, und das bedeutet, dass du es versuchen musst. Also, sing dieses Lied mit Jason, und schau, wo es dich hinführt.«
Gerade, als meine Schultern anfangen, sich zu entspannen, hebt sie den Zeigefinger.
»Aber«, sagt sie, und ihr Tonfall ist endgültig, »du hast es selbst gesagt. Wenn du kein Debüt hast, bevor die Family-Tour anfängt, nehme ich dich aus dem DB-Programm. Ende der Diskussion.«
Sie lässt die halb geschnittene Zwiebel liegen und geht in ihr Schlafzimmer. Die Tür fällt lautstark ins Schloss. Ich lasse mich auf einen Stuhl fallen, Leahs Smoothie und die Donuts gammeln auf dem Tisch vor sich hin. Wie konnte es nur passieren, dass mein Hochgefühl sich von einem Moment auf den nächsten in einen Tiefpunkt verwandelt hat? Ich schluchze immer noch. Dieser Song mit Jason ist nicht mehr nur ein Schritt zu meinem Debüt. Er ist der einzige Weg. Und wenn es nicht funktioniert, dann ist alles, wofür ich gearbeitet habe, alles, wovon ich je geträumt habe, vorbei, einfach so.