Sprachspiele
Kinder entwickeln dabei: Sprachverständnis und einen größeren Wortschatz, Erzählkompetenz und Dialogverständnis. Durch die vielfältigen Kombinationsmöglichkeiten mit Bewegungen wie Hüpfen, Patschen, Klatschen, Singen und Rhythmik sind Sprachspiele reines Fitnesstraining fürs Gehirn. Kinder üben lustvolles Zuhören, Nachsprechen, Wiederholen, Reagieren auf Fragen und das Ausdrücken eigener Gefühle und Wünsche. Sie entwickeln mit Spielversen eine Brücke vom Ich zum Du zum Wir und viel Sprachkompetenz auf natürliche Weise.
Traditionelle Sprachspiele wie Fingerverse, Gänsemarsch, Klatschspiele oder Handgeschichten sind ideal zur Förderung der Sprache in der Familie, im Kindergarten und der Grundschule. Die neuste Hirnforschung zeigt, dass Sprachspiele, die alle Sinne ansprechen und mit Bewegungen kombiniert werden, die Hirnsynapsen am nachhaltigsten anregen. Der Grundstock zu einer gesunden Sprachentwicklung wird in den ersten vier Lebensjahren gelegt. Auf dieses Fundament baut die weitere Sprachentwicklung auf. Darum ist es so wichtig, dass wir schon mit Kleinkindern täglich spielen und sprechen. Die Sprache verschafft ihnen den Zugang zu sich selbst und zur Welt. Sie üben Zuhören, Nachsprechen, »sammeln« Wörter, reagieren auf Fragen, drücken eigene Gefühle und Wünsche nonverbal und mit Worten aus. Der Weg vom Fingervers, der sprachlich einfachen »Mini-Geschichte«, zum Verstehen eines »langen«, sprachlich wohlformulierten Märchens ist weit!
Alle meine Sprachspiel-Sammlungen habe ich im deutschsprachigen Raum (Schweiz, Deutschland, Österreich und Südtirol) zusammengestellt und gemeinsam mit Kindern, Eltern, Großeltern und ErzieherInnen erprobt. Sie haben sich im Umgang mit Kindern zwischen drei und neun Jahren bewährt. (Siehe auch den Abschnitt »Abzählreime« und »Singtänze« im Kapitel Vom Sinn der Kreisspiele.)
Wiederholung ist das A und O
Bis Worte oder Begriffe im Hirn eines Kindes haften bleiben, müssen sie etwa fünfzigmal wiederholt werden. Wiederholungen geben den Kindern Sicherheit und Struktur, daher sind sie fasziniert, wenn sie etwas in- und auswendig kennen. Können macht sie stark und selbstbewusst. Da traditionelle Spielverse die Lust zum Wiederholen anregen, sollten Erwachsene sich nicht wundern, wenn Kinder tagelang den gleichen Vers oder das gleiche Lied immer wieder hören, sprechen und spielen wollen. Keine Angst: Wenn ein Kind »seinen Vers« genug gespielt hat, wechselt es zu einem neuen.
Das Geheimnis einer guten Spracherziehung
Erwachsene kennen möglichst viele Sprachspiele und bieten diese im richtigen Moment spontan an: wenn das Kind Trost braucht, die Sonne lacht, wenn es regnet, vor dem Essen oder vor dem Einschlafen usw. Dabei ist der Sinn dieser Wortspiele nicht, dass Kinder die Verse streng auswendig lernen und vorsagen. Es geht vielmehr um eine sprachfördernde Atmosphäre, die ein spielerisches Nachahmen ermöglicht. Kinder sind wissbegierig und wollen lernen - besonders im Alter zwischen vier und sechs Jahren. Der Entdeckergeist der Kleinen unterstützt die Neugierde auf Sprachspiele, Bewegung, Lieder und Tänze.
Die Dynamik dieser Spiele lässt sich steigern durch lautes und leises, hohes und tiefes, schnelles und langsames Sprechen. Wichtig ist, dass wir den Kindern genügend Zeit geben, damit sie innerlich »mitschwingen»können, und das ist erst nach etwa fünf Minuten möglich. Würgen wir darum die Wiederholung nicht ab.
Kinder, die traditionelle Spielverse mit dem ganzen Körper und allen Emotionen spielen und sprechen, können diese später kreativ variieren, denn die Sequenzen sind kurz und lassen Spielraum für eigene Aktivitäten und Improvisationen. Freuen wir uns, wenn ein Kind einen Reim verändert und eigene Spielideen entwickelt. Genießen wir gemeinsam täglich die Freude an Sprache und Bewegung. Erleben wir im Alltag immer wieder neu, warum Kinder Verse lieben und brauchen!
Spielverse sind häufig auch Turnverse. Denken wir nur an Blas- und Pfeifspiele, Zungenkünste, Geräuschverse, Handgeschichten, Fingerverse, Malspiele, Kniereiter, Abzählreime, Klatschverse, Schnellsprecher und Marschverse. Gute Verse tragen immer einen Funken Humor in sich und lösen bei den Kindern Heiterkeit aus.
Die Feinmotorik ist mit dem Sprachzentrum verbunden. In der Entwicklung der Kinder besteht ein direkter Zusammenhang zwischen Bewegung und Sprache. Kinder, die in den ersten Jahren eine gute Sprachförderung gekoppelt mit Bewegung erhalten, haben es später in der Schule leichter. Sie können meist ihre Gedanken besser formulieren, Gefühle und Wünsche äußern, Erlebnisse erzählen, Geschichten erfinden oder nacherzählen, soziale Kontakte knüpfen, Probleme aussprechen und Konflikte verbal lösen.
Sprachprobleme und fremdsprachige Kinder
Da heute viele Kinder Sprachprobleme haben und immer mehr fremdsprachige Kinder den Kindergarten und die Schule besuchen, können lustbetonte Sprach-Spielanregungen eine gute Hilfe beim Deutschlernen sein. Ja, sie wirken sogar heilend. Kinder lernen hier durch kurze Zeitfenster spielerisch und ohne jeden Druck ihren Wortschatz zu vergrößern, Satzstrukturen zu wiederholen und erlangen dadurch mehr Sprachkompetenz. Bitte das Kind nicht zum Nachsprechen zwingen. Der Kehlkopf »übt« die neue Sprache im aktiven Zuhören, dann erst folgt akustisch sicheres Aussprechen.
Mundart und Hochsprache
Heute wird in der Schweiz in vielen Kindergärten Hochdeutsch gesprochen. Bisher wurde Mundart geredet. Man möchte mit dieser Verordnung den Kleinen helfen, den Übergang zur Hochsprache leichter zu schaffen, damit sie einen besseren Start in der Schule haben.
Meine Beobachtung ist, dass Mundart und die verschiedenen regionalen Dialekte immer wieder einmal verpönt waren, weil die Kinder angeblich in der Schule schlechter Schreiben und Lesen lernen. Die Mundartsprache jedoch ist die Sprache des Herzens. Sie ist etwas sehr Reiches, Persönliches und Eigenes. Ich denke, Vorschulkinder brauchen beides: Die Sprachentwicklung hängt nicht allein vom Dialekt oder der Hochsprache ab, sondern von der Vielfältigkeit und dem Potential der Wortwahl und der Lust, mit Sprache kreativ umzugehen. Kinder brauchen Gespräche, Märchen, Verse, Lieder und Bilderbücher, in jeder Sprache, zu Hause und im Kindergarten, damit sie später Lust auf das Lesen bekommen.
Das goldene Zeitalter der Spielverse
Leider ist diese für Kinder so wichtige Art der Sprachkommunikation heute vielerorts abgebrochen. Viele Erwachsene kennen kaum noch Verse und können sie deshalb nicht mehr spontan anbieten. Sie müssen sich dieses Wissen aus Büchern und in Kursen wieder aneignen.och die Mühe lohnt sich hundertfach, wenn man die intensive Reaktion der Kleinen sieht. Wie viel Freude,Nähe,Spannung und Genuss löst diese Wiederholung der traditionellen Sprachspiele aus.
Zwischen drei und acht Jahren ist für Kinder das goldene Zeitalter der traditionellen Spielverse gekommen. Anfangs sind sie vom rhythmischen Singsang kleiner Reime fasziniert, wiederholen Silben und sprechen die Verse nach. Wenn diese zum Spielen, Bewegen, Lachen und Nachahmen animieren, lösen sie eine freudige Lust auf Wiederholung aus. Die Kinder spielen oft über längere Zeit intensiv nur »ihren»Vers. Die erlebte Sprachfreude weckt im Kind das Bedürfnis, mit Wörtern schöpferisch umzugehen. Gefördert wird die Fantasie, die inneren Bilder, das Fabulieren genauso wie die Feinmotorik, die Augen-Hand-Koordination und das Gedächtnis. Hier zwei Dauerbrenner für Dreibis Sechsjährige.
Apfel, Apfel, Stückli,
alle sind wir glücklich,
alle sind wir froh
und machen so!
Zum Vers abwechselnd rhythmisch in die Hände klatschen und auf die Schenkel patschen, auf »machen alle so« wird eine Bewegung ausgeführt und nachgemacht.
Der Bauer und fünf Schweinchen
So wird gespielt: Die fünf Finger laufen als Schweinchen über den waagrecht gehaltenen Arm, von der Schulter bis zur Hand. Dazu sprechen die Kinder:
Fünf Schweinchen kommen gelaufen,
der Bauer will sie verkaufen:
das Schnüffelnäschen,
das Wackelöhrchen,
das Kugelränzchen,
das Ringelschwänzchen.
Der Reihe nach die Fingerspitzen der einen Hand mit dem Zeigefinger und Daumen der anderen Hand antippen. Beim Daumen beginnen.
Da ruft das kleine Wackelbein: »Kommt, wir gehen alle heim!«
Stimme des Wackelbeins nachahmen. Alle fünf Finger laufen grunzend über den waagrecht gehaltenen Arm bis zur Schulter wieder »nach Hause«.
Schlaflieder und Trostverse
Schlaflieder und Trostverse sind uralt und auf der ganzen Welt bekannt. In ihrem leisen Singsang wohnt magische »Zauberkraft«. Schlaflieder beruhigen Kinder und begleiten sie ins Traumland. Trostverse bannen den kindlichen Schmerz. Die Heilkraft des Verses »bläst« den Schmerz weg!
Zum Trösten, wenn das Kind weint
Heile, heile Kätzchen,
das Kätzchen hat vier Tätzchen
und einen langen Schwanz,
morgen ist alles wieder ganz.
Heile, heile Segen,
sieben Tage Regen,
sieben Tage Schnee,
dann tut dem Schätzchen
nichts mehr weh!
Wenn das Kind missmutig ist
Vögel, die nicht singen,
Glocken, die nicht klingen,
Kinder, die nicht lachen,
was sind denn das für Sachen!
Zum Trösten bei Schluckauf
Schluckauf und ich gingen über die Brück’,
Schluckauf und ich kamen wieder zurück.
Schluckauf und ich gingen über den Steg.
Schluckauf fiel ins Wasser, und wupp, war er weg.
Vor dem Einschlafen zu singen
Lösch das Licht aus,
ins Bett, kleine Maus,
nimm den Teddybär in den Arm
und gib ihm schön warm.
Leise, leise, leise,
der Mond macht eine Reise.
Erwacht sind alle Sternelein,
schlaf ein, mein Kind, schlaf ein.
Zu Bett, mein Kind,
es weht der Wind.
Es träumt die Puppe
von einer warmen Suppe.
Es schläft der Bär,
er schnarcht so schwer.
Nun schlaf auch du, mein Kind,
horch, es weht der Wind!
Segenswünsche und Gebete
Segenswünsche und Gebete sind für Kinder »Seelenwärmer«, die Vertrauen, Lebensfreude und Herzlichkeit vermitteln. Wir sollten sie als kleine Rituale einführen und über längere Zeit immer wieder im passenden Moment in den Tagesablauf einbauen.
Nachfolgend ein paar Beispiele:
Segenswünsche für das Wetter
Liebe Sonne, komm heraus,
komm aus deinem Wolkenhaus!
Schicke den Regen weiter,
mach den Himmel heiter!
Liebe Sonne, komm heraus,
komm aus deinem Wolkenhaus!
Es regnet, Gott segnet,
die Erde wird nass.
Grün werden die Bäume
und grün wird das Gras!
Sonne, Mond und Sterne
sehn die Kinder gerne,
Sonne scheint von früh bis spät,
bis das Kindlein schlafen geht.
Mond und Sterne halten Wacht,
wenn das Kindlein schläft bei Nacht!
Tischgebet
Der kleine Jiriki hat aus dem Kindergarten ein altes Tischgebet nach Hause gebracht. Jetzt muss die ganze Familie vor dem Essen spielend beten und dazu sprechen:
Für Speis
Eine Hand markiert den Teller, mit der anderen die Speisen aufgreifen und zum Mund führen, dann lustvoll kauen.
und Trank,
Eine hohle Faust bilden, sie markiert das Glas. Mit der anderen Hand »Wasser« oder »Milch« eingießen und genüsslich trinken.
fürs täglich Brot,
Mit beiden Händen ein »Brot« in die Luft malen.
wir danken dir, Gott!
Die Hände abschließend wie zum Gebet zusammenfügen und dann in die Höhe halten, zum Himmel schauen und nach oben winken. Nach Jiriki kommt so unser Dank schneller und besser bei Gott an!
Kauderwelsch klingt spannend!
Alle Kinder sind fasziniert von klangmalerischen Abzählreimen und fremdländisch anmutenden Versen, die man nicht versteht, die aber herrlich und geheimnisvoll klingen. Hier zwei tolle Beispiele:
Ong dong dreoka,
lemi lemi seoka,
seoka di tschiberi,
tschiberi di kollibri.
Ong dong dreoka,
lemi lemi seoka.
En den dina,
tscho rage china,
tscho rage dige dage,
Annebella puff!
Kniereiter
Kleine Kinder lieben es, auf den Knien der Eltern oder Großeltern zu »reiten«! Die Erwachsenen bringen die kleinen Reiter mit ihren Kniebewegungen zum »Traben« oder »Galoppieren«! Dazu wird rhythmisch der Kniereiter-Vers gesprochen. Die Kinder sitzen mit dem Gesicht zum Erwachsenen auf dessen Schoss und werden dabei mit den Händen gehalten. Am Schluss wirft sie der »Gaul« spielerisch ab. Dieser kleine Schreck ist immer das Größte!
Hopp, hopp, hopp!
Pferdchen, lauf Galopp.
Über Stock und über Steine,
aber brich dir nicht die Beine.
Immer im Galopp!
Hopp, hopp, hopp!
Hopp, hopp, hopp, zu Pferde,
wir reiten um die Erde.
Die Sonne reitet hinterdrein,
wie wird sie abends müde sein.
Hopp, hopp, hopp!
Hoppe, hoppe, Reiter,
wenn er fällt, dann schreit er!
Fällt er in den Teich,
find’t ihn keiner gleich.
Fällt er in die Hecken,
fressen ihn die Schnecken,
fressen ihn die kleinen Mücken,
die ihn vorn und hinten zwicken.
Fällt er in den Schnee,
tut’s ihm mächtig weh.
Fällt er in den Graben,
fressen ihn die Raben.
Fällt er in den Sumpf,
macht der Reiter plumps!
Nonsens
Schulreife Kinder freuen sich diebisch an sprachlichem Unsinn und absurden, unlogischen oder »sinn-freien« Gedankengängen in Liedern und Reimen. Um diese Art Sprachspaß zu verstehen braucht es schon Einiges an Sprachkompetenz!
Der Fuchs und der Has’
gehen miteinand’ ins Gras,
und der Fuchs hat nicht gewisst,
dass der Has’ so viel isst!
Ehrenwert heißt mein Pferd.
Gute Muh heißt meine Kuh.
Wettermann heißt mein Hahn.
Kunterbunt heißt mein Hund.
Es tun zwei Hasen miteinander grasen.
Es tun zwei Kröten miteinander flöten.
Es tun zwei Krähen miteinander mähen.
Es knüpfen zwei Schweine zusammen eine Leine.
Es machen zwei Frösche zusammen eine Wäsche.
Es nimmt mich wirklich Wunder,
wie die Hasen können grasen,
wie die Kröten können flöten,
wie die Krähen können mähen,
wie die Schweine knüpfen eine Leine,
wie die Frösche machen eine Wäsche.
Malverse
Schulreife Kinder freuen sich an Malversen. Am besten ist es, wenn sie diese mit Kreide oder dickem Filzstift in großen Schwüngen auf Packpapier malen können. Hier ein rhythmisches Beispiel:
Punkt, Punkt, Komma, Strich
fertig ist das Angesicht,
und zwei spitze Ohren,
so wird sie geboren.
Ritze, ratze, ritze, ratze,
fertig ist die Miezekatze.
Fingerverse
Kinder lieben Fingerverse. Sie sind die Fortsetzung des kindlichen Spiels mit den Händen auf höherem Niveau. Die »Minigeschichten« beginnen beim Daumen und enden beim kleinen Finger. Sie laufen immer nach dem gleichen Sprach-und Bewegungsmuster ab. Die Finger der einen Hand werden nacheinander emporgestreckt und mit dem Zeigefinger und dem Daumen der anderen Hand angetupft.
Übrigens: Wer der rechten und der linken Hand Geschichten erzählt, regt beide Gehirnhälften an! Auch die Füße haben nichts dagegen, wenn wir die Zehen anstupsen und ihnen »Minigeschichten« vorsprechen.
• Fingerverse lernt man immer zu zweit oder in der Gruppe: Kinder erfahren dabei herzlichen Kontakt und Zuwendung.
• Nur wer aktiv zuhören kann, prägt sich den Vers zum Nachahmen ein.
• Der strukturierte Ablauf der Fingerverse gibt Halt und Sicherheit.
• Dabei werden einfache Satzmuster eingeübt und Sprachhemmungen abgebaut.
• Emotionale Momente und ein verblüffender Schluss fördern das Interesse am Fingervers.
Hier die zwei wohl bekanntesten Fingerverse. Die meisten von uns haben sie als Kind gehört. Die zwei »Mini-Geschichten« beglücken auch heutige Kinder:
Das ist der Daumen,
der schüttelt die Pflaumen,
der sammelt sie auf,
der trägt sie nach Haus,
und der kleine Wuziwuzi isst sie alle auf.
Der ist in’n Brunnen gefallen,
der hat ihn wieder’rausgeholt,
der hat ihn ins Bett gelegt,
der hat ihn zugedeckt,
und der kleine Schelm da
hat ihn wieder aufgeweckt.
Hand-Spiel-Geschichten
Im Gegensatz zum Fingervers, dem allein schon durch das Abzählen an der Hand formale Grenzen gesetzt sind, ist die Handgeschichte frei in Bewegung und Wort. Diese Spielverse werden während des Sprechens gleichzeitig mit beiden Händen und Armen in Bewegung umgesetzt. Die Hände verwandeln sich ohne Spielbeigaben im Nu in ein Häuschen, einen Stuhl, in eine Maus, einen Hund oder sprechende Menschen usw.
Die meisten Handgeschichten sind überliefertes Volksgut. Kinder lernen durch diese lustigen Sprachspiele vieles so ganz nebenbei:
• Handgeschichten wecken Textverständnis und Erzählkompetenz. Sie fördern das Gedächtnis und die Konzentration.
• Mit den Händen werden die kleinen Geschichten in Spielszenen verwandelt.
• Kinder entdecken die eigene Sprechstimme und zu den richtigen Begriffen entsteht spontan die passende Mimik und Gestik.
• Kinder lernen beim Spielen und Sprechen andere wahrzunehmen und sich einbringen oder zurücknehmen.
• Handgeschichten bewegen sich zwischen Heiterkeit und Erschrecken. Sie fördern den Humor und das gemeinsame Lachen.
Zwei Hampelmänner aus einem Sack,
der eine heißt Schnick und der andere Schnack.
Schnick hat ein Krönlein und Schnack einen Kranz,
so gehen sie beide zum Tanz.
Sie tanzen so manierlich,
ihre Schritte sind ganz zierlich.
Sie tanzen beide bis früh um acht
und haben dabei recht viel gelacht.
Am Schluss verschwinden Schnick und Schnack
wieder zurück in ihren Sack.
Schnick und Schnack sind die beiden Daumen. Als Krone und Kranz wickeln wir farbige Wollfäden um die Daumen. Zu Beginn des Verses sind sie in der Faust verborgen, schlüpfen auf ihren Namen heraus, tanzen, biegen sich nach vorne und lachen. Am Schluss verschwinden sie in der Faust.
Mit Fingerchen, mit Fingerchen
mit flachen, flachen Händen,
mit Fäusten, mit Fäusten,
mit Ellenbogen, halt!
Alle Bewegungen im Wechsel rechts links ausführen: Mit den Fingern leicht auf den Tisch klopfen, Handflächen auf den Tisch schlagen, dann mit den Fäusten und Ellenbogen auf den Tisch trommeln. Auf »halt« beide miteinander aufstoßen und dann in der Bewegung innehalten.
Mit Zehen, mit Zehen,
mit flachen, flachen Füßen.
mit Fersen, mit Fersen,
mit beiden Beinen, hei!
Zehen auf den Boden tupfen, mit den Füßen stampfen, mit Fersen auftreten und auf »hei« in die Höhe springen.
Freche Verse
Kinder sind Wörtersammler! Sie sind begierig, immer wieder neue Wörter zu entdecken. Dazu gehören auch Schimpfwörter, mit denen man andere Personen ärgern kann. Freche Verse und unanständige Ausdrücke wie etwa »Scheiße« nehmen im Alltag der Kinder einen größeren Raum ein, als die Erwachsenen vielleicht glauben. Eltern staunen oft nicht schlecht, wenn sie ihr Kind etwa fragen: »Wie war’s im Kindergarten?« Und als Antwort bekommen: »Affengeil!« Sobald ein Kind in den Kindergarten oder die Grundschule geht, bringt es Wörter nach Hause, die Eltern nicht begeistern... Kinder erzählen Verse wie die folgenden meistens nur unter sich. Sie stecken die Köpfe zusammen, flüstern und kichern.
Ich habe einen Vogel, du hast einen Piep!
Meiner flog weg und deiner blieb!
Es war mal eine Frau,
hat Augen wie Kakau,
hat Beine wie eine Leberwurst,
ich weiß es ganz genau!
Karl der Große
macht in die Hose,
Pippin der Kleine
macht sie wieder reine.
Die Polizisten
pissten in die Kisten,
einer pisst vorbei,
und du bist frei.
Es ist gut, um ihre Existenz zu wissen, denn »blöde Wörter« zirkulieren, ob es uns Erwachsenen gefällt oder nicht. Sie sind da und gehören zum kindlichen Entwicklungsprozess. Freche Verse verschwinden nach einiger Zeit wieder, Fluchworte dagegen bleiben haften bis ins Erwachsenenalter. Unanständige Wörter faszinieren Sechs- bis Achtjährige, sie dienen oft zum Abbau von innerem Druck und damit der Psychohygiene. Sie schärfen aber auch das Unterscheidungsvermögen zwischen »anständig« und »unanständig«! In dieser Zeit machen Kindern auch Quatschlieder Spaß.
Wie soll man darauf reagieren, damit sich die rohe Sprache nicht einschleift? In vielen Familien, Kindergärten und Grundschulen heißt es: Rohe Sprache, wie Schimpfwörter und Fäkalsprache, wird nicht geduldet. Das ist gut so, lässt sich aber nur erreichen, wenn alle am gleichen Strick ziehen und die Erwachsenen mit einem guten Sprachbeispiel vorangehen. Was können Eltern und Erziehende tun? Wie soll man sich verhalten, wenn das Kind mit einer unanständigen Redensart heimkommt?
• Wenn Ihr Kind nicht weiß, was das Wort bedeutet, erklären Sie es ihm knapp und betonen, dass dieser Ausdruck andere wütend oder traurig machen kann.
• Sagen Sie deutlich, dass Sie solche Wörter nicht hören möchten.
• Suchen Sie gemeinsam mit Ihrem Kind nach »Ersatz-Ausdrücken«, die es Ihrer Meinung nach benutzen darf. Zum Beispiel: »Das ist blöd!« statt »Das ist Scheiße!«
• Wir spielen »Unanständige Wörter erschlagen«: Alle Kinder sitzen um ein großes Tuch am Boden, auf »los« schreit jedes ein Schimpfwort unters Tuch und trommelt mit den Händen darauf herum, bis alle »blöden« Wörter erschlagen sind.
Klatschen und Patschen
Sechs- bis neunjährige Kinder lieben Klatschverse. Klatschen und Patschen sind perfekte Geschicklichkeitsübungen, die oft einfacher aussehen, als sie sind. Wer Kinder dabei beobachtet, wird staunen, wie flink sie klatschen! Sie wiederholen die rhythmisch gesprochenen Verse immer wieder und beschleunigen dazu das Tempo. Sie lernen dabei:
• Aktives Zuhören und rhythmisches Sprechen, laut und leise - langsam und schnell. Die Motorik und das Zusammenspiel von linker und rechter Gehirnhälfte wird gefördert.
• Klatschverse sind partnerzentriert und binden auch eher scheue Kinder in das soziale Miteinander ein. Singen, Sprechen und Klatschen machen viel Spaß.
Patschen, klatschen, rechts,
patschen, klatschen, links,
patschen, klatschen, rechte, linke,
patschen, klatschen, stopp.
Beim Müller hat’s gebrannt - brannt - brannt.
Da bin ich schnell gerannt - rannt - rannt.
Da kam ein Polizist - zist - zist - zist,
der schrieb mich auf die List - List - List.
Die List fiel in den Dreck - Dreck - Dreck,
da war mein Name weg - weg - weg.
Die Gartentür ist offen, die Gartentür ist zu,
ich habe dich getroffen, du bist eine Kuh!
Im Gänsemarsch und Hexenschritt
Was die Klatschverse für die Hände, sind die Marschverse für die Füße. Auch sie leben vom Rhythmus. Doch Gehen, Stampfen, Laufen, Hüpfen, Springen allein sind noch kein Marschspiel. Erst das bewusste Kombinieren von Bewegung und Wort lassen Marschspiele entstehen. Wort und Bewegung werden zu einer Einheit. Die rhythmischen Bewegungen des Stampfens sind Vorstufen des kindlichen Tanzes. Auf Wanderungen können Kinder stundenlang »ihren Vers« spielen. Marschspiele sind ideal zwischen fünf und neun Jahren.
• Marschverse fördern die Reaktions- und Konzentrationsfähigkeit.
• Sie machen müde Füße auf Wanderungen wieder munter und verbessern die Körperbeherrschung.
• Der Sprachrhythmus ist wichtiger als der Inhalt der Verse. Gehen und Sprechen inspirieren auch zu Sprachneuschöpfungen.
Ri-ra-rutsch, wir fahren mit der Kutsch’.
Wir fahren über Stock und Stein,
da bricht der Esel sich ein Bein.
Ri-ra-rum, da kehren wir wieder um.
Die Kinder stehen zu zweien und geben sich die Hände über Kreuz. Sie marschieren im Takt vorwärts. Auf »Da kehren wir wieder um!« wenden die Kinder plötzlich, ohne die Hände loszulassen, und gehen in der entgegengesetzten Richtung weiter.
Komm wir wollen wandern,
von einer Stadt zur andern,
und wenn der Kaiser König kommt,
so kehren wir wieder um, bumm, bumm!
In Marschversen sind zuweilen klangvolle Ortschaftsnamen anzutreffen. Auf jede betonte Silbe fällt ein Schritt. Ein typisches Merkmal des Marschverses ist die Wiederholung und die stetige Wiederkehr der rhythmischen Motive. Die Verse werden noch spannender und lustiger, wenn das Tempo variiert wird.
Hamburg, Lübeck, Bremen,
die sollten sich was schämen.
Hamburg, Lübeck, Bremen,
die wollten sich nicht schämen.
Hamburg, Lübeck, Kiel,
das ist nicht viel.
Wer erfindet eigene Marschverse mit Ortschaftsnamen aus der Umgebung?