Unsichtbare Freunde
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Kinder entwickeln dabei: inneren Reichtum im Fühlen, Empfinden und Erleben; die Möglichkeit, innere Kräfte zu aktivieren, um schwierige Erfahrungen oder beängstigende Situationen zu bewältigen; Begegnungen mit der geistigen Welt. Kinder sprechen und spielen mit unsichtbaren Freunden, wenn wir sie ungestört lassen. Sie leben wie selbstverständlich in und mit diesen bildhaften Erfahrungen. In diesem Alter gehören unsichtbare Freunde, Zwerge, Engel, Feen genauso dazu wie der Nikolaus oder der Osterhase.
Viele Kinder haben zwischen zwei und sechs Jahren unsichtbare Freunde. Sie erscheinen ihnen spontan beim Spielen. Kinder auf der ganzen Welt lieben ihre unsichtbaren Freunde. Diese bildhafte Erfahrung ist ein seelisches Erlebnis. Es passiert beim Zuhören von Geschichten und im Spiel. Kinder leben wie selbstverständlich in dieser elementaren Bilderwelt.
Sie geben diesen Figuren oft komische, klangmalerische Namen. Die unsichtbaren Freunde begleiten sie Tag und Nacht. Sie sind so etwas wie Spielgefährten aus der geistigen Welt. Diese Fantasiefiguren werden von Kindern als Wirklichkeit erlebt. Sie spielen mit den Kindern, essen am Tisch, fahren mit im Auto, helfen beim Aufräumen usw. Das kann für Erwachsene ganz schön nervig werden, denn mit Verstand und intellektuellen Argumenten ist diesen Wesen nicht beizukommen! Man muss die Sicht der Kinder akzeptieren und sie in den Alltag integrieren. Ein »Trost« besteht: Sie verschwinden genauso plötzlich wieder, wie sie im Leben der Kinder aufgetaucht sind. Aber das kann dauern, ein bis zwei Jahre sind »normal«!
Kinder brauchen solche inneren Gestalten so dringend wie die Luft zum Atmen. Interessant ist, dass sich auch Erwachsene noch Jahrzehnte später an diese mit dem Herzen gesehenen Wesen erinnern! Darum habe ich Erwachsene zu diesem Thema befragt. Es ist erstaunlich, wie real diese unsichtbaren Figuren in ihrer Erinnerung wach geblieben sind. Hier ein paar Beispiele:
 
Eine Freundin erzählte mir: »Ich habe als Kind kleine Prinzen gesehen. Die trugen einen Rock mit Gürtel und eng anliegende Hosen. Ihre Füße steckten in Sandalen. Sie hatten schulterlanges blondes Haar. Ich konnte mit ihnen sprechen und mit ihnen spielen. Mein liebster Prinz trug ein pinkfarbenes Wams. Ich habe über Jahre mit ihm gespielt. Auch meine Schwester durfte mitmachen. Wir haben zusammen stundenlang mit den Prinzen Geschichten erfunden und Spiele entwickelt. Sie waren unser Geheimnis, das haben wir nie verraten, weder den Eltern noch unseren Freundinnen.«
 
Eine Kindergärtnerin sagte mir: »Wenn wir als Kind im Wald zu einer Moos bewachsenen Stelle kamen, sagte mein Vater: ›Kinder, legt ein Ohr auf den Waldboden und lauscht, ob ihr die Zwerge arbeiten hört!‹ Wenn ich das machte, konnte ich das Klopfen der Zwerge deutlich hören. Ich schloss die Augen und sah, wie die Zwerge unter der Erde die Edelsteine in die Kristallform klopfen konnten. Zu meinem Erstaunen hörte ich die Geräusche bei jedem Waldspaziergang und konnte die Arbeit der Zwerge immer wieder beobachten!«
 
Ich selbst hatte als Kind öfter Erlebnisse mit Zwergen. Ich hatte eine lebhafte Fantasie und konnte mir die Wesen vorstellen. Ich sprach überall mit meinen Fantasiegestalten. Ich hatte einen Zwerg, den nannte ich Alfons. Alfons legte sich immer auf meine Füße vor dem Einschlafen. Er wärmte und massierte sie für mich. So hatte ich als Kind nie kalte Füße. Ich erinnere mich, er sah aus wie ein altes Männchen, mit Bart, roter Zipfelmütze und einem moosigen Kleid. Tagsüber hütete er meine Spielsachen. Ich konnte beruhigt weggehen, denn ich wusste, Alfons war ein guter Wächter.
 
Anna erzählte: »Mit etwa drei Jahren hatte ich einen unsichtbaren Freund. Er wohnte hinter dem Schrank im Korridor. Da war es ein bisschen dunkel und er verschwand immer im Schlitz zwischen dem Schrank und der Wand, wenn meine Mutter auftauchte. Ich nannte ihn Jakob. Jakob war eine Art Zwerg. Er spielte und sprach über Wochen mit mir. Ich baute mit Klötzchen Häuser für ihn, bastelte ihm einen Tisch zum Essen und ein Bett zum Schlafen. Nachts verschwand er immer hinter dem Schrank. Ich war stolz, dass Jakob mir allein gehörte und meine Eltern ihn nie sehen konnten!«
 
Eine Mutter berichtete mir: »Mein Sohn erfand zwei Spielfiguren. Er gab ihnen die Namen Nigg und Nugg. Nigg war der liebe Geselle. Wenn er mit ihm spielte, sprach er immer mit hoher Stimme. Nugg war der Böse. Wenn Nugg ins Spiel kam, wurde seine Stimme immer tief. Nugg machte alles kaputt und fabrizierte Blödsinn. Mit Nugg musste er schimpfen und ihn bestrafen. Beide Figuren begleiteten ihn gut zwei Jahre lang. Ich habe sein Geheimnis immer respektiert und ihn weder darüber ausgefragt noch ausgelacht.«

In der Zwergenschule

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Kinder entwickeln dabei: Das Thema »Zwerge« bietet sich zu Hause oder im Kindergarten für eine ganze Vielzahl an wunderbar fantasievollen, abwechslungsreichen Projekten und Spielen an. Zwerge sind Kindern oft nahe, weil sie so klein sind, liebenswürdig, hilfsbereit und fleißig, aber auch zornig werden und so richtig poltern können.
Schon kleine Kinder wissen, dass man Zwerge und Feen nur selten zu Gesicht bekommt. Denn das kleine Volk, wie es auch genannt wird, ist scheu und lässt sich nicht gerne beobachten. Meine Großmutter sagte immer:
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»Die Stunde vor Sonnenaufgang, zur Mittagszeit, in der Abenddämmerung und um Mitternacht kann man am ehesten Zwerge antreffen.« Ein guter Trick dabei ist, seinen Kopf so vornüber zu beugen, dass man zwischen den eigenen Beinen durchblicken kann. Aus diesem »Verkehrte-Welt-Blickwinkel« schauen wir zu einem Hügel, einer Höhle, einem hohlen Baum oder auf Moos. So können wir vielleicht unerwartet ins Zwergenreich schauen.
Meine Großmutter erzählte mir von der Zwergenschule in der Erde. Dort werden alle Zwerge ausgebildet. In der Eingangshalle soll eine große Landkarte an der Wand hängen. Dort lässt sich ablesen, wo es heute noch Zwerge gibt auf dieser Welt. Schottland und Irland sind dick eingezeichnet. Auf beiden Inseln lebt noch ein großes Zwergenvolk. Auch in Neuseeland und in Südamerika gibt es noch viele Naturwesen. In Europa leben die meisten in Berggegenden, weil dort die Menschen noch mit ihnen sprechen und an sie glauben.
Wenn die Glocke klingelt, trippeln viele Zwerge in den Raum. Sie kichern und bestaunen den Zwergenlehrer. Sie fragen: »Warum sehen wir alle so verschieden aus?« Er antwortet weise: »Wir lieben die Menschen so sehr, dass wir sie nicht erschrecken wollen. Darum können wir unser Aussehen verändern. Ein Zwerg, der bei den Eskimos lebt, der sieht aus wie ein Eskimo, ein Zwerg, der in Indien lebt, sieht aus wie ein Inder, einer, der in China lebt, sieht aus wie ein Chinese, und ein Zwerg, der in Europa lebt, der sieht eben aus wie die Menschen, die da leben!«
Damit alle Zwergenschüler wissen, in welche Klasse sie gehen müssen, sind die Räume mit Namen versehen. Über dem Eingang steht etwa: »Wurzelzwerge«, »Spielwichtel«, »Maschinenzwerge« oder »Kräutermännchen«.
 
 
Wurzelzwerge: Der erste Raum gehört den Wurzelzwergen. Diese Schüler sehen alle knorrig und wurzelig aus. Sie studieren hier die Wurzel-Putz-Kunst. Sie arbeiten an den Wurzeln der Bäume. Sie putzen und schaben dicke und dünne Wurzeln, damit diese das Wasser gut aufsaugen können. Dazu brauchen sie kleine Bürsten und Kessel.
• Spielideen für Wurzelzwerge: Wir suchen im Wald knorrige Wurzeln und Äste, die ein bisschen aussehen wie ein Mensch oder wie ein Zwerg. Mit dem Taschenmesser können wir etwas nachhelfen, damit die Form deutlicher herauskommt. Für diese Wurzelfiguren bauen wir Zwergenhäuser und Schlösser.
• Beim nächsten Ausflug in den Wald suchen wir uns Baumstrünke, in deren Wurzeln wir Mooshäuschen bauen können für die Zwerge. Wir sammeln Zweiglein, Blätter, Moos, Steine und Schneckenhäuser. Daraus bauen wir ein Zwergenreich. Aus Zweiglein und Blättern entstehen Hausdächer, Tische und Stühle. Das Moos verwenden wir für Teppiche, Betten und Polstermöbel. Mit den Steinen und den Schneckenhäuschen zäunen wir den Garten ein. Tannenzapfen verwandeln sich in Zwerge, Kühe oder Pferdchen. Kinder entwickeln beim stundenlangen Spiel mit Naturmaterial erstaunlich viel Fantasie.
Grüngnomen: Im Zimmer daneben lernen die Grüngnomen in der Schule, wie man die Pflanzen aus der Erde schiebt. Sie haben die Aufgabe, den Pflanzen beim Wachsen zu helfen. Sie verraten uns: »Wenn du das Gras auf den Wiesen genau beobachtest, kannst du im Frühjahr feststellen, wann die Grüngnomen arbeiten. Jedes Mal, wenn das Gras grün glänzt, ist unter der Erde Hochbetrieb, dann schieben und stoßen wir die Grashalme aus dem Boden!«
• Spielideen für Grüngnomen: Wer den Grüngnomen bei ihrer Arbeit helfen will, füllt Pflanzentöpfe mit Erde und säht Kresse, Radieschen, Feuerbohnen, Ringelblumen usw. Bis die Samen keimen, halten die Helfer die Erde schön feucht. Wenn man immer wieder hinschaut und den Atem anhält, kann man sehen, wie sie wachsen!
Spielwichtel: Das Schulzimmer der Spielwichtel sieht eher aus wie ein Spielplatz oder ein Zirkus. Die Schüler tragen bunte Harlekin-Kleider. Alle wollen etwas vorführen: einen Purzelbaum oder einen Handstand etwa. Sie spielen Verstecken, Hüpfen, Fangen usw. Der kleinste Wichtel erzählt: »Wir lernen hier alle Spiele der Zwergenwelt, damit wir kleinen Kindern und jungen Tieren Freude machen können. Manchmal necken wir sie auch nur so zum Spaß. Wir können sie sehen, sie aber uns nicht, hii, hii!«
• Spielideen für Spielwichtel: Wer kann wie die Spielwichtel einen Purzelbaum schlagen, sich durchs Zimmer rollen, auf einem Bein hüpfen, rückwärtsgehen, in die Hände klatschen, Seilspringen und sich um die eigene Achse drehen? Wer möchte lieber Versteckspielen oder »Fangis« machen?
Kräutermännchen: Die Kräutermännchen sehen alt und weise aus. Sie eilen mit ihren kofferartigen Taschen herbei, um dann ihr Sammelgut auszulegen, das sie im Wald und auf der Wiese gefunden haben. Ihre Schätze müssen so bald wie möglich trocknen. Ihre Kostbarkeiten werden zu Tee, Salben und Medikamenten verarbeitet. Herrliche Düfte liegen in der Luft. Was es da zu bestaunen gibt: Rinden, Triebe von Tannenspitzen, Blätter von Stauden und Bäumen, Blüten, Wurzeln, Kräuter, Früchte und Samen. An den Wänden stehen in Regalen alte Bücher mit Rezepten, Flaschen, Gläser, Tassen. Das Studium der Kräutermännchen dauert am längsten. Sie pflegen mit ihren Heilmitteln Zwerge und kranke Tiere im Wald wieder gesund.
• Spielideen für Kräutermännchen: Die Kräutermännchen sammeln Lindenblüten, Minzenteeblätter, Salbeiblätter, Goldmelisse und Kamillenblüten. Alle werden getrocknet. An kühlen Tagen gießen wir mit heißem Wasser Tee auf. Welcher schmeckt am besten?
Maschinenzwerge: Was quietscht, scheppert, klingelt, klopft und pfeift denn da aus dem hintersten Schulzimmer? Sind das komische Töne! Überall stehen Maschinen herum: Computer, Kopiergeräte, Radiowecker, Rasenmäher, Küchengeräte und noch vieles mehr. Die Maschinenzwerge flitzen und klettern wie die Wilden auf und ab. Sie schlüpfen hinein und hinaus, verschieben Teile, lockern Schrauben, lösen Elektrokontakte und verblocken Getriebe. Die Maschinenzwerge quietschen fröhlich: »Wir sind der Sand im Getriebe der Maschinen. Unsere Aufgabe ist es, ihren normalen Ablauf zu stören. Die Menschen müssen wieder lernen, den Maschinen Danke zu sagen für die Arbeit, die sie leisten, und das tun sie nur, wenn nicht alles wie am Schnürchen läuft.«
• Spielideen für Maschinenzwerge: Wir richten den Kindern eine besondere Spielecke ein, in der sie Maschinenzwerge spielen können. Technisch interessierte Kinder lieben alte Wecker, Küchenwaagen, Schrauben, Nägel, Schraubenzieher, einen Hammer, ein Magnethufeisen und eine Lupe! Damit lässt sich wunderbar Maschinenzwerg spielen und sonderbare Töne machen, sodass es herrlich quietscht, scheppert, klingelt, klopft und pfeift.
Steinmännchen: Bei den Steinmännchen im hintersten Zimmer der Zwergenschule ist ein großes Gedränge. Die Klasse der Steinmännchen ist sehr beliebt und wird immer am besten besucht. Die kleinen Wichtel lernen hier, wie man Kristalle in die richtige Form klopft, Kieselsteine poliert und wie man verschiedene Steinarten pflanzt.
• Spielideen für Steinmännchen: Als Steinmännchen sammeln wir hübsche Kieselsteine, waschen sie, lassen sie an der Sonne trocknen, um sie dann mit Olivenöl einzureiben. Wie die glänzen! Und weil die Steinmännchen so ordentlich und fleißig sind, werden die Steine in ein, zwei Wochen wieder gewaschen und mit Öl eingerieben! Kinder lieben wie die Zwerge Kristalle und Halbedelsteine. Wir sammeln solche und bewahren sie in einer Schatztruhe auf. Auf dunklen Samtunterlagen legen unsere Steinmännchen wunderschöne Muster.

Von Engeln und Schutzengeln

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Was Erwachsene wissen sollten: Die Engel sind Vermittler zwischen Gott und den Menschen. Sie verbinden Himmel und Erde. Das Wort Engel stammt ursprünglich vom griechischen Wort »Angelos« ab, das so viel heißt wie der Bote. Engel werden in vielen alten religiösen Schriften als geflügelte Wesen dargestellt. Sie steigen vom Himmel herab, um uns die göttliche Botschaft zu verkünden. Wenn es uns gelingt, Kindern lebendig von ihrem Schutzengel zu erzählen, kann es sein, dass sie in Situationen, in denen sie sich traurig, verletzt oder verlassen fühlen, einen unsichtbaren Freund haben, den sie als Tröster erleben.
Das hebräische Wort für Engelsflügel ist »kaanaf«, das heißt nicht nur Flügel, sondern auch Ecke und Kante. Im Deutschen finden wir diese Bedeutung in den »Seiten-Flügeln« eines großen Gebäudes wieder, wie etwa eines Schlosses. Die Engel besitzen also die Fähigkeit, plötzlich und gänzlich unerwartet »um die Ecke« in unsere Welt einzutreten.
Die Engel sind dem Göttlichen näher als wir Menschen, doch für die Menschen fassbarer als Gott. Die himmlischen Wesen erscheinen den Menschen manchmal im Traum. Sie können aber auch als reale Menschen aus Fleisch und Blut auftreten. Manche zeigen sich nur als Lichtwesen oder werden als innere Stimme wahrgenommen.
Wir können wieder lernen, wachsam und bereit zu sein, unserem Engel zu folgen und der inneren Stimme zu gehorchen. White Eagle, ein spiritueller Lehrer, sagt: »Versuche in der Stille, die Gegenwart der Engelwesen zu spüren, die Musik ihrer Liebe zu hören und den herrlichen Glanz ihrer Gewänder zu schauen. Möge deine Vorstellungskraft dir die Gestalt deines eigenen Schutzengels enthüllen, jenes Boten, der von Gott gesandt, dir durch alle Erdenerfahrungen hilfreich zur Seite steht. Der Schutzengel ist der Helfer der Seele, sofern die Seele dies wünscht, indem er ihr Führung und Kraft verleiht.«
Als die Menschen noch um die höheren Zusammenhänge wussten, entstand das Sprichwort: »Wenn ein Kind geboren wird, stirbt ein Engel, und wenn ein Mensch stirbt, wird ein Engel geboren«. Im Psalm 91 steht eine schöne Stelle über die Aufgaben der Engel. Da heißt es:
Gott hat seinen Engeln befohlen,
dich zu beschützen, wohin du auch gehst.
Sie werden dich auf Händen tragen,
damit du nicht über Steine stolperst.
Hier ein Beispiel von einem Mann, der als Kind kleine Engel auf seiner Bettdecke gesehen hat. Dieses Phänomen ist gar nicht so selten, denn Kinder haben einen guten Draht zur geistigen Welt. Er erzählte mir: »Als ich etwa fünf Jahre alt war, sah ich vor dem Einschlafen immer kleine Engel auf meinem Bett sitzen. Sie trugen wunderschön leuchtende Gewänder. Ich sah sie aber nur mit geschlossenen Augen, in meinem Innern. Da ich mit meinem Bruder im selben Zimmer schlief, hatte ich jeden Abend den gleichen Konflikt. Mein Bruder wollte mit mir im Dunkeln sprechen. Doch jedes Mal, wenn ich mit ihm sprach, verschwanden die Engel. So hatte ich täglich die Knacknuss zu lösen, mache ich meinen Bruder traurig oder verscheuche ich die Engel? Oft stellte ich mich schlafend, damit die Engel bei mir bleiben konnten.«

Wenn der Schutzengel spricht

Er sagt vielleicht: »Hallo, höre mir bitte einen Moment zu, ich bin dein Schutzengel. Du kannst mich nicht sehen, doch ich bin da. Ich stehe ganz nah bei dir. Du kannst mich fühlen, wenn du willst. Schließe deine Augen, dann spürst du mich deutlicher. Vielleicht fühlst du ein bisschen Wärme, ein bisschen Wohligkeit, ein bisschen Geborgenheit, dann weißt du, ich bin es! Ich passe auf dich auf. Ich beschütze dich und schaue, dass dir nichts passiert. Du kannst mich rufen bei allem, was du tust: abwaschen, aufräumen, Aufgaben machen, spielen mit den Puppen, spielen im Wald und mit den Zwergen. Alles, was du tust, interessiert mich. Meine Stimme ist ganz leise. Du kannst sie nur im Herzen hören. Wenn du auf mich acht gibst, ersparst du dir viel Ärger. Denn ich sage manchmal Sachen zu dir wie: Renn nicht über die Straße, damit du nicht unter das Auto kommst. - Ärgere deinen Nachbarbuben nicht, sonst ist er traurig. - Zieh die Katze nicht am Schwanz, das tut ihr weh. Vergiss nicht Flöte zu spielen. Ich liebe Musik. Deine Gedanken, Fragen, Bitten und dein Dank erreichen mich sofort und ich helfe dir, wo ich nur kann!«
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Wie sieht mein Schutzengel aus? Wir sprechen mit Kindern über ihren Schutzengel und lassen uns erzählen, wie sie ihn fühlen und wie sie ihn sehen. Vielleicht beschreiben sie uns seine Farben oder singen uns sein Lied. Wer hat Lust, seinen Schutzengel zu zeichnen? Der bunt bemalte Engel wird ausgeschnitten und über dem Bett aufgehängt, damit er die Träume bewachen kann.
Ein Engel aus Ton: Wir kneten einen Klumpen Ton gut durch und formen einen Engel daraus. Der Körper wird kegelförmig modelliert, oben ziehen wir den Kopf heraus und formen eine Krone. Am Rücken lassen wir Flügel wachsen. Vorne auf dem Bauch ziehen wir die Arme heraus und drücken eine Mulde hinein, damit wir später da eine Kerze einstecken können. Nun lassen wir den Ton trocknen. Dann wird der Engel bunt bemalt. Krone und Flügel streichen wir goldig. Das Engelslicht leuchtet zur Gutenachtgeschichte und hört sich unser Nachtgebet an.

Osterhase und St. Nikolaus

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Was Erwachsene wissen sollten: Bei uns gibt es nur noch wenige Figuren, die allgemein bekannt sind und die die kindliche Fantasie anregen. Weil märchenhafte Figuren wie der Osterhase oder der Nikolaus bei uns so selten geworden sind, sollten wir die dazugehörigen Feste unbedingt beibehalten! Nikolaus und Osterhase gehören für ein Kind zum Jahresablauf wie Geburtstag oder Weihnachten.
Diese zwei »Märchenfiguren« Osterhase und St. Nikolaus machen Eltern und Erziehende mitunter verlegen: Was sollen sie erzählen, ohne dass der Inhalt der Kategorie »Lüge« zuzuordnen ist?
»Gibt es den Osterhasen/den Nikolaus wirklich?« Was soll man auf diese Kinderfragen antworten? Als Pädagogin kann ich nur raten, zurückzufragen und Geschichten zu erfinden: »Was meinst denn du? Weißt du, ich habe den Osterhasen noch nie gesehen, aber meine Mutter und meine Großmutter erzählten mir von ihm. Er ist ein Freund der Kinder und nur für Kinderaugen sichtbar. Sollen wir ihn einmal im Wald suchen? Vielleicht hast du ja Glück! Und falls du ihn nicht sehen wirst, darfst du ihm trotzdem helfen beim Eierfärben und Nestchen basteln.«
Je offener die Erwachsenen ihre eigenen Vermutungen formulieren, desto weniger zementieren sie die Fantasiegestalt mit Behauptungen, die das Kind im Nachhinein als Lügen empfinden könnte - und desto mehr Raum lassen sie der kindlichen Vorstellungskraft. Sätze, die mit »Ich glaube...« oder »Ich vermute...« beginnen, ermuntern das Kind zu Gedankenspielen und signalisieren: Der Osterhase ebenso wie der Weihnachtsmann oder Nikolaus sind ein Geheimnis, das nicht einmal die Erwachsenen so genau kennen. Und Geheimnisse sind gerade für Kinder im sogenannten magischen Alter Seelennahrung, die Fantasie und Kräfte freisetzt. Das Kind erhält die Chance, ein eigenes Bild vom Osterhasen zu entwickeln, es aktiviert seine Fantasie und erlebt, dass es Fragen ohne endgültige Antwort gibt.