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Ich grinse immer noch, als ich kurz darauf im Bett liege. Paul ist wirklich ein witziger Kerl, ich könnte mir gut vorstellen, mit ihm abends um die Häuser zu ziehen. Aber als Mann gefällt er mir gar nicht. Er ist mir schon zu gestylt. Mit den blonden Strähnchen erinnert er mich ein bisschen an einen Magier, der mit seinem Bruder ständig im Fernsehen ist.
Wohingegen Jannis …
Auch wenn ich mich dagegen strikt verwahre, der Kerl hat wirklich etwas Faszinierendes an sich. Es ist zu schade, dass wir zusammenarbeiten. Und obwohl ich den festen Vorsatz habe, nicht mehr mit ihm zu flirten – auf das nächste Zusammentreffen freue ich mich schon.
»Na? Und? Wie war’s?«
Meine liebste Kollegin Tami ist schon ganz aufgeregt, als ich am nächsten Tag im Büro erscheine. Sofort schiebt sie mir eine Tasse Kaffee zu. »Erzähl doch mal. Wie war das Sedcard-Shooting? Wie läuft denn so was ab?«
Brav erstatte ich ihr bis ins kleinste Detail Bericht. Wenn sie so etwas erlebt hätte, wäre ich ja schließlich auch neugierig.
»Und wie sind die Leute so? Sind alle nett?«, hakt sie nach.
»Ja, eigentlich schon.« Ich muss sofort an Marlene denken. »Die meisten auf jeden Fall.«
»Was heißt denn das? Wer ist denn nicht so nett?«
»Ach, diese Marlene. Sie ist bestimmt superkompetent, aber sie neigt wohl etwas zur Eifersucht.« Ich zucke mit den Schultern, will das Ganze nicht so hochspielen, aber Tami hat viel zu gute Antennen, um nicht zu merken, dass mich etwas stört.
»Eifersucht? Wieso denn? Weil du so hübsch bist?«
»Nein, das ist es nicht. Sie sieht selber super aus. Es geht um Jannis. Sie mag es nicht, wenn er mit anderen Frauen redet oder sie anlächelt.«
»Aha. Und dich lächelt er an?«, kichert Tami. »Nur lächeln oder flirtet er mit dir?«
»Lächeln! Paul, der Stylist, hat es mir erklärt. Sie reagiert wohl immer so. Die beiden hatten angeblich mal was miteinander. Jedenfalls wirkt sie etwas gereizt.« Ich seufze auf. Die ganze Sache ist doch eigentlich lächerlich.
»Na, das müsste sie doch aber gewohnt sein. In einer Modelagentur gibt es doch viele schöne Frauen. Da sollte sie drüberstehen.«
»Das sehe ich auch so. Aber offenbar tut sie das nicht. Ich hoffe mal, dass ich ihr nicht zu oft begegne. Aber vielleicht beruhigt sie sich auch, wenn sie merkt, dass zwischen Jannis und mir nichts laufen wird.« Ich verdrehe die Augen. »Ich hasse ja so was.«
»Glaub ich dir sofort. Wie sieht der Jannis denn aus?«, bohrt Tami weiter nach.
»Heiß. Absolut heiß!« Jetzt grinse ich übers ganze Gesicht. »Aber never fuck the company.«
»Was für ein Jammer, dass du dich immer so eisern an diesen Vorsatz hältst.«
»Ja, manchmal ist das echt schade. Na ja, mal sehen, wie oft ich dem überhaupt noch begegne. Vielleicht kommen ja auch gar keine Aufträge für mich rein und ich zerbreche mir umsonst den Kopf.« Ich wende mich wieder meinem PC zu. »Eventuell ist das sogar besser.«
Es war ja so was von klar, dass mein blödes Handy ausgerechnet lossingen muss, wenn ich in der Wanne liege und ich natürlich vergessen habe, es in meine Reichweite zu legen. Hastig klettere ich hinaus und angele nach dem Badehandtuch, dann tapse ich in den Flur.
Schnell drücke ich die Taste, ich habe Glück, der Anrufer ist hartnäckig. »Ja?«
»Hallo Josephine. Hier ist Jannis …« Sogar seine Stimme ist sexy. Oh Mann.
»Ja, hallo«, sage ich atemlos.
»Von der Agentur Photo Agent Cologne.« Er wirkt etwas unsicher. Glaubt er im Ernst, dass ich ihn nicht erkennen könnte?
»Ja, das weiß ich doch.« Ich tippele zurück ins Bad und lasse mich wieder in das warme Wasser gleiten. »Entschuldigung, ich bin gerade in der Wanne.« Schließlich kann ich genauso gut hier telefonieren.
»Oh ja, also dann störe ich wohl.«
»Nein, nein. Jetzt nicht mehr. Hi Jannis, was gibt’s denn?«, frage ich fröhlich.
In der Wanne mit Jannis – das hat doch was.
»Es ist, äh, Folgendes. Die Sedcard ist fertig, wir haben sie hochgeladen und Sie können sie sich auf unserer Homepage ansehen. Weswegen ich aber anrufe: Sie wollten doch Abzüge
haben. Wir haben einige Fotos fertig bearbeitet. Wenn Sie möchten, können Sie sich welche aussuchen.«
»Was? Oh wie geil! Ich freue mich! Danke! Wann kann ich denn vorbeikommen?«
Super, das Weihnachtsgeschenk für Mama und Paps habe ich damit schon sicher! Noch nie war ich so früh dran wie in diesem Jahr!
»Vielleicht morgen Abend? Tagsüber sind wir ziemlich voll mit Terminen.«
»Klar, ich richte mich nach Ihnen. Wann soll ich da sein?«
»Passt 21 Uhr? Falls das zu spät ist, müssen wir es an einem anderen Tag machen.«
»Nein, nein. Das ist schon okay.« Ich platze förmlich vor Neugier, ich wäre auch jetzt noch losgedüst.
»Alles klar. Dann sehen wir uns morgen, Josephine. Viel Spaß noch in der Badewanne.« Für einen Moment jagt mir seine Stimme einen Schauer über den Rücken.
»Oh, den werde ich haben. Den hab ich eigentlich immer«, platzt es aus mir heraus. Im gleichen Moment könnte ich mich dafür ohrfeigen. Wie das klingt …
»Ach ja? Nun, das ist ja beneidenswert.«
Ich kann förmlich hören, dass Jannis grinst.
»Baden …, äh baden Sie nie?« War ja klar, dass ich jetzt anfange zu stammeln. Wie ärgerlich.
»Nein, ich dusche lieber. Aber auch da habe ich manchmal viel Spaß«, lacht er.
»Alles klar. Na, dann viel Spaß. Also bei allen Aktivitäten, die Sie heute noch vorhaben. Bis morgen.« Schnell drücke ich das Gespräch weg und klatsche mir mit der Hand gegen die Stirn. Ich hasse es, wenn mich jemand verunsichert.
Trotzdem freue ich mich auf morgen.
Ich bin richtig aufgeregt, als ich am nächsten Tag vor dem schicken Bürogebäude stehe. Und obwohl es schon recht spät ist, brennt in vielen Räumen noch Licht. An der Rezeption im Erdgeschoss sitzt ein Mann. Ob der die ganze Nacht hier Wache hält? Ich nicke ihm zu und erkläre ihm, dass ich einen Termin mit der Fotoagentur habe.
Im Empfangsbereich brennt nur ein schwaches Licht, Frau Weber scheint bereits Feierabend zu haben. Ich überlege, ob ich Jannis besser anrufen soll, dann entschließe ich mich, zum Atelier zu gehen. Im Flur brennt ebenfalls nur eine Art Notbeleuchtung, mir wird ein wenig mulmig zumute.
Du guckst zu viele Horrorfilme, ganz eindeutig!
Aber ich kann mir nicht helfen, mein Kopfkino setzt ein. Ein langer dunkler Gang, viele Türen und eine einsame Frau … Wie oft hat man dieses Szenario schon gesehen. Dann sehe ich, dass die Tür zum Atelier einen Spalt offen steht, und atme auf. Drinnen brennt Licht, es scheint also jemand da zu sein. Entschlossen klopfe ich an die Tür.
»Josephine? Sind Sie das?«, höre ich eine fröhliche Männerstimme. Es ist Jannis.
Ich trete ein und sehe ihn hinter dem Schreibtisch vor dem PC sitzen.
»Ja. Enttäuscht?« Ich muss mir eingestehen, erleichtert zu sein, ihn zu sehen. Das Angstgefühl von eben ist wie weggewischt. Stattdessen genieße ich lieber seinen Anblick. Und er scheint alleine zu sein, von Marlene keine Spur. Nicht, dass mich das sonderlich stören würde.
Er steht auf und kommt auf mich zu. Seine Hände sind im Gegensatz zu meinen ganz warm. »Keineswegs. Schön, dass Sie es einrichten konnten.«
»Aber klar. Ich bin doch neugierig auf die Fotos.«
»Sie werden zufrieden sein.« Sein Lächeln ist hinreißend, ich muss mich konzentrieren, um mich nicht um den Finger wickeln zu lassen.
»Darf ich?« Er deutet auf meinen Mantel und nimmt ihn mir gentlemanlike ab. Ich bin beeindruckt und Jannis sammelt weiter Pluspunkte.
Als er mir den Rücken zudreht, habe ich Zeit, um ihn zu mustern. Der Anblick lohnt sich. Ich bin nicht gerade klein, aber er ist noch ein ganzes Stück größer als ich. Und er scheint Sport zu treiben, er wirkt durchtrainiert.
Muss er wohl, als ehemaliges Model!
Als ich gerade bei seinem Hintern angekommen bin – wohlgemerkt einem sehr knackigen Hintern –, dreht er sich prompt um. Hat er meine Musterung bemerkt?
»Alles in Ordnung, Josephine?« Er grinst mich frech an. Okay, er hat es also mitgekriegt. Ich versuche, nicht rot zu werden, und lächele zurück.
»Natürlich. Alles bestens, alles perfekt«, entgegne ich.
Jannis lacht laut auf. »Na, da bin ich ja beruhigt. Setzen wir uns doch.«
Er rückt mir einen Schreibtischstuhl zurecht und ich setze mich vor den Monitor. Ich entdecke meine Sedcard auf dem Bildschirm. Ich weiß gar nicht, wie oft ich sie mir schon angeschaut habe. Und nicht nur das, natürlich habe ich den Link auch an meine Freundinnen geschickt, die ebenfalls allesamt aus dem Häuschen waren.
»Ich nehme an, Sie haben Ihre Sedcard schon entdeckt?« Jannis setzt sich dicht neben mich und ich frage mich, ob es wirklich nötig ist, so wenig Abstand zu halten. Unsere Beine berühren sich, aber das stört mich nicht im Geringsten.
Eine Frau, die nachts in ein leeres Atelier eingeladen wird … Wäre auch ein Stoff für einen Horrorfilm, oder?
, säuselt eine kleine fiese Stimme in mir. Doch sie wird schnell verdrängt.
Jannis sieht nämlich nicht nur fantastisch aus, er riecht auch noch verdammt gut.
»Josephine?« Jetzt schaut er mich direkt an. »Haben Sie Ihre Sedcard schon gesehen?«, wiederholt er noch einmal seine Frage.
Ich räuspere mich verlegen und zwinge mich dazu, mich jetzt auf den eigentlichen Grund meines Besuchs zu konzentrieren.
»Ja, natürlich.« Ich erwidere seinen Blick und versuche, ihm standzuhalten. Aber dann kann ich die Sache mit der Konzentration direkt wieder begraben, also schaue ich stattdessen auf den Monitor. »Sie gefällt mir sehr gut.«
»Prima.« Er klickt auf eine Fotostrecke und ich bin wirklich sprachlos. Die Bilder von mir sind super geworden.
»Wie Sie sehen, sind viele gute Fotos dabei. Wir hatten die Qual der Wahl.«
Ich spüre, dass er mich anschaut, kurz erwidere ich den Blick. »Ich bin wirklich begeistert. Nie hätte ich gedacht, dass ich so aussehen könnte«, antworte ich ehrlich.
»Wirklich nicht?« Jannis zieht seine Augenbrauen hoch. »Oder kokettieren Sie gerade?« Es blitzt in seinen dunklen Augen auf.
»Wirklich nicht. Bis jetzt habe ich mir nie auf Bildern gefallen. Aber diese hier sind große Klasse.«
»Nun ja. Sie sind ausgesprochen hübsch, aber das wissen Sie bestimmt. Und um das Ganze ins rechte Licht zu rücken, dafür sind wir ja da. Das ist schließlich unser Job.«
»Ich würde mal sagen, Sie machen Ihren Job gut«, gluckse ich.
Jannis wischt sich mit der Hand imaginären Schweiß von der Stirn. »Puh, jetzt bin ich aber echt erleichtert, dass Ihr Urteil so positiv ausfällt.«
»Wer kokettiert hier jetzt?«, necke ich ihn.
»Touché«. Jannis lacht auf, dann schaut er auf den Monitor. »Welche dürfen es denn sein?«
Ich zwinge mich dazu, meine Aufmerksamkeit wieder auf die Bilder zu richten. Und es fällt mir wirklich schwer, mich zu entscheiden.
Jannis wirkt verblüfft. »Nur drei? Sind Sie immer so bescheiden?«
»Nein, überhaupt nicht«, antworte ich wahrheitsgemäß. »Aber ich wollte keinen so gierigen Eindruck machen.«
»Sind Sie das denn? Gierig?« Der Ausdruck in seinen Augen hat sich schlagartig verändert. Irgendwie habe ich gerade den Eindruck, dass wir nicht mehr über Fotos reden. Aber ich lasse mich nur zu gern auf das Spielchen ein.
»Kommt immer darauf an, um was es geht und was ich dafür tun würde, um es zu bekommen.«
»Okay. Nennen Sie mir doch mal ein Beispiel.« Seine Stimme klingt rauer als sonst, und auch ich habe plötzlich einen Frosch im Hals.
»Sind Sie immer so neugierig?«
»Nein. Nicht immer.« Sein Gesicht kommt meinem näher, ich kann seinen Atem spüren und mir wird plötzlich heißer.
Pass auf, Josy! Das wird gefährlich!
Meine innere Sirene schlägt laut Alarm. Ich weiß, dass ich das jetzt lieber mal stoppen sollte. Ich bedauere es zutiefst, denn das wäre ein aufregender Flirt geworden, aber ich bleibe besser vernünftig.
»Also bei Schokolade zum Beispiel. Ich liebe Schokolade. Da muss ich mich echt bremsen. Sie ist meine große Leidenschaft«, antworte ich.
Jannis sieht so aus, als hätte ich ihm einen Eimer Wasser über den Kopf geschüttet, aber er fasst sich schnell wieder. »So, so. Schokolade.«
Er lacht leise und stupst mit dem Finger meine Nasenspitze. »Das merke ich mir, Josephine.«