Mit Tom, so scheint mir, lässt sich arbeiten. Die Idee mit der Musical-Reportage gefällt ihm. Wir sind im Geschäft.
Könnte ich dir vielleicht ein paar Fragen dazu stellen?, hat er auf meinen Post geantwortet. Mich mal mit dir oder deinen Kollegen unterhalten?
Sicher, schreibe ich zurück, doch dann versuche ich entgegen meiner Natur, ein wenig auf Distanz zu gehen. Diese Woche ist es schlecht, ich habe eine Deadline – aber vielleicht nächste Woche? Wenn du mir folgst, schicke ich dir meine E-Mail-Adresse.
Als Tom zurückschreibt, antworte ich nicht sofort. Ich muss die Situation unter Kontrolle behalten, und das geht am besten, wenn ich mir Zeit lasse. Nur nichts überstürzen.
Ich gehe kurz raus, um mir eine Portion Pad Thai zu holen, und als ich auf dem Rückweg meine Post hole, werfe ich einen Blick auf Toms und Lexies Briefkasten. Ich sehe mich um, dann zwänge ich die Hand in den Schlitz und fische ein paar Briefe heraus, die ich in meinen eigenen Stapel schiebe, ehe ich alle zusammen zu meinen Nudeln in die Papiertüte stecke und in den Fahrstuhl springe, der mich nach oben zu meiner Wohnung bringt.
Bereits im Flur steigt mir der Duft von Toast in die Nase. Ich stelle mir Lexie vor, die in Pantoffeln und ohne Teller eine Scheibe Brot isst und sich hinterher die Butter von den Fingern leckt. Die sich einen Tee macht. Ich schaue auf meine Tüte.
Wieder in der Wohnung angekommen, ziehe ich gleich als Erstes meinen BH aus und gieße mir einen großen Amaretto mit einem kleinen Schluck Cola ein, ehe ich es mir mit der erbeuteten Post auf dem Sofa gemütlich mache.
Der erste Brief ist an Lexie adressiert. Ich drehe ihn um und versuche, durch den Umschlag etwas zu entziffern. Fehlanzeige. Aber es ist wieder ein Schreiben aus der Klinik.
Da ist etwas im Gange.
Ich gehe in die Küche, um mir einen Kaffee zu kochen, und schlinge im Stehen meine Nudeln herunter. Ich gebe einen Schuss Rum in den Kaffee, dann öffne ich den Brief, in dem, bezugnehmend auf den erfolgreichen Probe-Embryotransfer beim letzten Termin, das Vorgehen der bevorstehenden In-vitro-Fertilisation in allen Einzelheiten erläutert wird.
Ich verspüre einen kurzen Stich der Sorge um Lexie, doch schon im nächsten Moment denke ich: Und was ist mit mir?
Sie hat also Probleme, schwanger zu werden. Schön und gut. Aber wer sagt mir, dass ich jemals ein Kind bekommen werde? Ich bin dreiunddreißig, habe keinen Freund, und der einzige Mensch, den ich liebe, fürchtet sich vor mir. Woher weiß ich, dass es mir nicht genauso ergehen wird wie ihr? Luke und ich haben es mehrere Monate lang versucht, bevor er sich von mir getrennt hat, und es ist nichts passiert.
Warum sollte Lexie, die Tom, einen großen Freundeskreis und ein erfülltes Leben hat, auch noch mein Mitgefühl bekommen?
Ich werfe den Rest meines Pad Thais in den Mülleimer. Was ist mit mir, was ist mit mir, was ist mit mir?