Meine Eltern bleiben stets höflich, auch wenn sie einer Sache ablehnend gegenüberstehen, daher äußerte meine Mutter zwar gewisse Vorbehalte über meine Beziehung zu Luke, doch ansonsten taten die beiden das, was Eltern ihrer Meinung nach tun mussten, wenn das eigene Kind auswanderte: Sie fuhren mich zum Flughafen. Sie schärften mir ein, auch ja genug Gemüse zu essen. Sie weinten, als ich mich beim Abschied aus ihren Armen löste. Und sie nahmen mir das Versprechen ab, ihnen nach der Landung eine SMS zu schicken.
»Pass gut auf sie auf«, sagte David in der Abflughalle zu Luke.
»Ich kann auf mich selbst aufpassen«, entgegnete ich in gespielter Entrüstung. Dann sah ich rasch zu Luke. Er sollte nicht glauben, ich hätte ihn mit meiner Bemerkung abqualifizieren wollen.
Doch Luke hatte gar nichts mitbekommen, er war mit seinem Handy beschäftigt. Erleichtert atmete ich auf.
Damals hatte ich noch keine Ahnung, wie gut ich auf mich selbst aufpassen konnte. Wie weit ich dafür gehen würde. Dass ich jemand war, der sich vor nichts fürchten musste, sondern andere das Fürchten lehrte.
»Meistens vielleicht«, scherzte David. »Ich rede über die Momente, wenn du betrunken bist.«
Ich begann ihn mit einer erst wenige Tage zurückliegenden Kneipentour aufzuziehen, bei der er ungleich mehr getrunken hatte als ich in der letzten Zeit. Doch Luke fiel mir mitten im Satz ins Wort.
»Wir müssen jetzt«, sagte er brüsk. »Durch die Sicherheitskontrollen.«
Meiner Mutter entging die Unterbrechung nicht.
Am Ende blieb es David überlassen, mir in letzter Minute noch etwas ins Ohr zu flüstern.
»Ich bin für dich da«, raunte er, mein Gesicht in beiden Händen haltend. »Jederzeit – egal, wie spät es ist.«
Er gab mir einen Kuss auf die Stirn.
Ich nickte. Sprechen konnte ich nicht, weil ich ihn schon jetzt so unfassbar vermisste. Wie sollte ich seinen Duft mit über den Atlantik nehmen? Unsere Blickwechsel oder das gemeinsame Kopfschütteln, wenn wir uns wieder mal über unsere Eltern amüsierten? Die Nähe zwischen uns, wenn wir einfach nur zusammensaßen, ohne zu reden, so wie Geschwister es manchmal tun? Ich bemühte mich so sehr, meine Tränen zurückzuhalten, dass ich davon würgen musste und er mich noch einmal ganz fest in die Arme nahm.
Später lachte ich über mein Verhalten. Wozu brauchte ich, eine erwachsene Frau, die mit ihrem Partner zu einem neuen Leben ins Ausland aufbrach, meinen naiven, kleinen Bruder?
Als ich ihn das nächste Mal sah, war er um die halbe Welt geflogen, um mich von einer Polizeidienststelle abzuholen.