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Das Land der tausend Götter: Indien

In diesem Kapitel

arrow Die Invasion Indiens durch die Arier

arrow Die hinduistische Kosmologie

arrow Die Erfindung weiterer Religionen, inklusive Buddhismus und Jainismus

Indien ist ein riesiges Land mit einer sehr großen und ethnisch gemischten Bevölkerung. Indien hat im Laufe der Jahrhunderte eine enorme Zahl an Gottheiten und religiösen Sekten hervorgebracht. In diesem Klima sehr diverser religiöser Gruppen war die Toleranz der jeweils anderen Religionsgemeinschaft gegenüber selbstverständlich. Ganze Epochen hindurch gab es nie Verfolgung oder Krieg zwischen den Religionen.

Viele der Glaubensvorstellungen der Inder wurden direkt durch Geografie und Klima ihres Landes beeinflusst. In ganz Indien gibt es im Wesentlichen drei Jahreszeiten: eine kühle Periode von Oktober bis Februar; eine heiße Jahreszeit von Ende Februar bis Mai und die Zeit des Monsuns von Ende Mai bis September. Die Monate der großen Hitze sind unerträglich; das Leben kommt während dieser Zeit fast zum Stillstand. Die regenreichen Monsunmonate sind eine Zeit großer Freude für die Menschen und für die Hindus von großer Bedeutung. Das Land wird wieder grün, was man als Wiedergeburt der Natur empfindet. Im Herbst hört der Regen auf und die Zeit der Ernte beginnt. In Indien werden dann die wichtigen Feste gefeiert. Die Mythen und Rituale der Inder spiegeln diesen Natur-Kreislauf von Fruchtbarkeit und Vergänglichkeit wider.

Obwohl schon seit Jahrtausenden Menschen auf dem indischen Subkontinent leben, stammen die ältesten erhaltenen schriftlichen Aufzeichnungen der Mythologie der dort lebenden Völker aus der Zeit um 1500 v. Chr., als die kriegerischen arischen Invasoren sich in Indien verbreiteten und ihre vedische Mythologie mitbrachten. Einige Jahrhunderte später wurden die vedischen Glaubensvorstellungen schrittweise durch den Hinduismus ersetzt. Der Hinduismus ist durch einen unerhört komplexen Götterhimmel und eine reiche mythologische Überlieferung gekennzeichnet. Er wird noch heute in Indien praktiziert. Indien brachte aber auch noch andere Religionen hervor, zum Beispiel den Buddhismus und Jainismus.

Die vedischen Eroberer

Um 1500 v. Chr. begann die Eroberung des indischen Subkontinents durch eine Gruppe hellhäutiger Barbaren aus dem Nordwesten. Sie nannte sich selbst Arier. Sie waren ein Kriegervolk und schauten auf die Menschen mit dunklerer Hautfarbe herab. Rasch verdrängten sie die eingeborene Bevölkerung des Industals, die nach Süden auswich.

Die vedische Religion kannte zahlreiche Götter und hatte eine hoch entwickelte Mythologie. Über den Göttern existierten abstrakte Kräfte, wie zum Beispiel Rta, eine ordnungsstiftende Kraft, die für das Zusammenspiel des kosmischen und des menschlichen Bereiches sorgte. Die Menschen beteten zu den Göttern und erbaten deren Hilfe. Außerdem sahen die Menschen in den Göttern die Garanten für die Bewahrung der natürlichen Ordnung.

Die Erschaffung der Welt, der Tiere und Menschen

Die vedische Mythologie besitzt keinen eigentlichen Schöpfungsmythos. Was wir in ihr finden, sind mehrere Geschichten darüber, wie die Ordnung aus dem urzeitlichen Chaos hervorging. In einigen dieser Geschichten symbolisieren Tier- oder Menschenopfer die Schöpfung. Ein vedischer Hymnus zum Beispiel berichtete davon, wie das urzeitliche Wesen Purusha geopfert wurde; die Teile seines zerstückelten Körpers bildeten dann die unterschiedlichen Bereiche des Kosmos: die vedischen Götter, die Luft, den Himmel, die Erde, Menschen und Tiere. Die übrig gebliebenen Teile sorgten für die Unsterblichkeit im Himmel.

Dann gab es noch die Geschichten um das Goldene Ei, das auf den Wassern des Urozeans schwamm und die Welt repräsentierte. Die erste Gottheit entstieg diesem Ei und erschuf den Rest der Welt. In einer Fassung des Mythos zeugte der Gott Prajapati mehrere Kinder mit sich selbst, darunter seine Tochter, die Göttin der Morgenröte. Ihr Vater begehrte sie so sehr, dass er versuchte, sich an ihr zu vergehen. Sie verwandelte sich in ein Reh und floh. Prajapati nahm die Gestalt eines Hirsches an, ejakulierte auf die Erde und zeugte so die ersten Menschen. In wieder anderen Fassungen des Mythos verwandelten sich Prajapati und seine Tochter in immer neue Tierarten und paarten sich. Seine Tochter gebar so alle unterschiedlichen Lebewesen, die es auf der Erde gibt.

Einigen Mythen zufolge sind Himmel und Erde die göttlichen Eltern aller Dinge. In anderen dagegen ist es der göttliche Tischler Tvashtr, ein untergeordneter vedischer Gott, der für die Erschaffung von Himmel und Erde und allen anderen Dingen verantwortlich ist.

Kriegerische Götter für ein kriegerisches Volk

Die vedischen Gottheiten nannte man Devas. Die meisten waren männlich und den Menschen sehr ähnlich. Ihre Zahl variiert je nach Quelle, sie traten jedoch oft in einer Anzahl von 33 auf, gleichmäßig verteilt auf Himmel, Luft und Erde. Jeder dieser Götter hatte andere Aufgaben. Oft nutzten sie ihre Kraft, um den Menschen zu helfen, besonders den Kriegern unter ihnen.

Indra, der Kriegerhäuptling

Indra war die bekannteste vedische Gottheit. Er war der Gott der Luft; er war groß, gut aussehend und stark – ein großer Krieger eben. Indra war das Kind von Himmel und Erde. Als Gott der Luft war er es, der die beiden schließlich voneinander trennte. Oft benahm er sich wie der Anführer der vedischen Götter, obwohl ihm der Titel König der Götter nicht zukam.

Indra verbrachte seine ganze Zeit damit, Schlachten zu schlagen. In der Vorstellung der Arier war er es, der ihnen bei ihren Kriegen beistand. Er war der besondere Schutzherr der arischen Kriegerkaste. Indra trank gerne soma, ein berauschendes Getränk, das ihn zu gewaltiger Größe anwachsen ließ und zu besonders heldenhaften Taten befähigte. So konnte er nicht nur die feindlichen Asuras – in der Rangordnug der übernatürlichen Wesen niedrig gestellte dämonische Kreaturen – und die böse Schlange Vritra mit seinem Blitz bezwingen. Er trennte auch das Land vom Wasser und bewirkte, dass die Sonne jeden Morgen am Himmel neu erschien.

In der späteren Mythologie der Hindus wurde Indra zum Gott des Regens. Er büßte dabei einiges von seinem machtvollen Wesen ein. Die Hindu-Götter hielten nicht viel von seinen Fähigkeiten als Krieger und er wurde mitunter für seine Missetaten erniedrigt und bestraft. (In einer Geschichte über ihn verführt er die Frau eines Weisen; als Strafe fallen ihm später seine Hoden ab.)

Varuna, der alte König

Varuna war unter den vedischen Göttern Indras Hauptkonkurrent. Er scheint einst der König aller Götter gewesen zu sein, wurde aber im Laufe der Zeit von Indra seiner Position beraubt. Er wachte über die kosmische Ordnung und symbolisierte das Beharrende und Ordnende des Königtums im Gegensatz zu Indra, der mehr das Kriegerische, Unstete und Chaotische verkörperte.

Devas gegen Asuras

Es gibt einen berühmten Mythos, in dem ein Wettkampf geschildert wird zwischen den Devas, also den Menschen helfenden Gottheiten, und den Asuras, die eine Art Antigötter sind. Die beiden Gruppen veranstalteten einen Wettkampf, dessen Sieger das amrita bekommen sollte, das Elixir der Unsterblichkeit. Sie fingen eine riesengroße Schlange namens Vasuki und benutzten sie wie ein Seil – die Asuras hielten den Kopf und die Devas den Schwanz des Tieres –, um mit ihr den Ozean aufzupeitschen und in Aufruhr zu bringen.

Sie wirbelten die Schlange wie ein Springseil umher, so lange, bis das Meer sich verfestigt hatte und zu Butter geworden war. Die Ordnung der Dinge war damit gestört und die Erde begann, auseinanderzufallen. Die von ihnen erzeugten Wirbel und Strudel erschufen die Sonne, den Mond, die Göttin des Schicksals sowie den Dhanvantari, den Arzt der Götter, der im Besitz des Wunderelixirs war. (Das Elixir existierte also zu Beginn des Wettbewerbs offensichtlich noch gar nicht.) Die Devas wurden zu den Gewinnern erklärt. Der Asura Rahu stahl einen Tropfen der Flüssigkeit, wurde aber vom Gott Vishnu enthauptet, als er ihn herunterschlucken wollte. Dieser Tropfen symbolisierte den Mond, und dessen Zunehmen und Abnehmen geht zurück auf den einen Tropfen des Elixirs amrita, der in Rahus Hals abwechselnd erschien und wieder verschwand.

Erinnerte Mythologie: Die Veden

Die Arier hielten ihre Mythologie nicht schriftlich fest; stattdessen lernten ihre Priester die heiligen Erzählungen, Gebete und Lieder – genannt Veden – auswendig und gaben sie an ihre Nachfolger weiter. Im Folgenden einige der wichtigsten Veden:

check.gif Rigveda: Rigveda ist der Name für die erste und bekannteste vedische Hymnensammlung. Sie wurde um die Mitte des zweiten vorchristlichen Jahrtausends auf Sanskrit verfasst. Der Gott Indra nimmt in der Dichtung eine zentrale Rolle ein.

check.gif Sutras: Hier handelt es sich um Texte, die die Kulte und Rituale bestimmter Sekten beschreiben.

check.gif Bramanas: Die Bramanas enthalten Formeln, die während religiöser Zeremonien aufgesagt werden mussten. Daneben finden sich Erklärungen und Kommentare dazu.

check.gif Upanischaden (»Geheimlehren«): Die Upanischaden wurden in der Zeit 800 – 600 v. Chr. verfasst, etwa gegen Ende der vedischen Periode. In ihnen finden sich Gleichnisse, die erklären, dass Atman, das heißt die Seele des Einzelnen, identisch mit Brahman, der Weltseele, einer universalen magischen Kraft, ist.

Die vedische Religionspraxis schloss auch viele Riten ein, die nicht schriftlich nieder-gelegt wurden, zum Beispiel geheime Rituale, die an verborgenen Orten durchgeführt wurden. Diese Riten bilden den Beginn einiger der geheimnisvolleren Lehren des späten Hinduismus (siehe auch den folgenden Abschnitt) und sind auch der Ursprung der Betonung der Abkehr von der physischen Welt, wie man sie im Hinduismus findet.

Die Arier liebten es, Brandopfer darzubringen. Die Anhänger der Religion sagten beispielsweise Gebete auf und verbrannten dann am Ende ihre Opfer. Das Opfer war eine Pflanze oder ein Tier; meistens wurde die Soma-Pflanze als Opfergabe genommen, die wegen ihrer berauschenden Wirkung geschätzt wurde. Der Sinn der Opferrituale war es, mit den Göttern in Kontakt zu treten.

Der Hinduismus: Platz für viele Götter

Im Laufe der Zeit ersetzte und veränderte der Hinduismus die vedische Religion. Die hinduistische Lebensphilosophie und Weltanschauung erwuchsen aus der Wahrnehmung der Natur durch die Menschen. Das Land einer Region irgendwo auf dem indischen Subkontinent konnte üppig und fruchtbar sein und sich schon kurze Zeit später in eine karge Landschaft verwandelt haben. Schöpfung und Zerstörung, extreme klimatische Bedingungen, Erdbeben sowie die ständige Bedrohung durch kriegslüsterne Völker bedeuteten in der Summe, dass das Leben jener Zeit ständig auf der Kippe stand, nichts gewiss war und man immer mit dem Schlimmsten rechnen musste. Die Menschen entwickelten so die Vorstellung, dass das Leben an sich nicht mehr sein könne als bloß eine Illusion, jede Sicherheit nur ein Schein sei, auf dem eine Existenz zu gründen töricht sei. Sie waren der Ansicht, dass es eine mächtigere und zeitlosere Kraft geben müsse, die in den sie umgebenden Dingen wurzelte.

Die Quellen der hinduistischen Mythen

Die ersten Texte, die wir über den Hinduismus kennen, waren die Großen Epen, besonders das Mahabharata und Ramayana. Beide Werke enthalten umfangreiche Informationen über Religion und Mythologie des Hinduismus. Das Mahabharata ist vergleichbar mit der Ilias des Homer – eine Sammlung von Kriegsgeschichten vermischt mit mythologischen Szenen und moralischen Unterweisungen.

Die meisten Mythen der Hindus sind in einer Sammlung enthalten, die Puranas heißt und aus dem vierten Jahrhundert nach Christus stammt. Die Puranas erklären die religiösen Bräuche der Hindus, ihre Mythologie und Kosmologie (das heißt ihre Vorstellungen über die Entstehung der Welt). Das Ganze wird begleitet von Informationen über eher weltliche Dinge.

Icon_techniker.jpgDie Mythen der Hindus sind in einer Sprache namens Sanskrit geschrieben. Sanskrit war so etwas wie eine Amtssprache oder lingua franca, die es den Menschen in ganz Indien (in denen es damals wie heute zahllose regionale Sprachen gab) ermöglichte, sich miteinander zu verständigen. Die Bedeutung des Sanskrit als Schriftsprache entsprach in etwa der des Lateinischen für die Gelehrtenwelt in Europa bis zum 18. Jahrhundert.

Die Erschaffung der Welt und Brahma, ihr Schöpfer

Brahma war der Schöpfergott und derjenige, der den Menschen einen Gefallen tun konnte. Die meiste Zeit verbrachte er meditierend; während seiner Meditationen erschuf er auch die Bestandteile, aus denen er das Universum zusammensetzte. Seine Lebenszeit ist identisch mit der Dauer des Universums. Außer Meditieren tat Brahma nicht sehr viel; im Allgemeinen verehrten die Hindus eher die lebendigeren Götter Vishnu und Shiva.

Auf Darstellungen wird Brahma üblicherweise mit fünf in alle Richtungen zeigenden Köpfen dargestellt. Diese Besonderheit hatte er, seitdem seine schöne Tochter einmal um ihn herum im Kreis gelaufen war. Ursprünglich hatte er nur einen Kopf; um die Schönheit seiner Tochter aber besser betrachten zu können, wuchsen ihm eben noch vier dazu. Zusammen mit ihr zeugte er einen Sohn namens Manu, den ersten Menschen/Mann.

Ein weiterer Grund, warum Brahma sich nicht derselben Beliebtheit wie andere Götter erfreute, liegt darin, dass die Menschen eine weniger »philosophische«, sondern eher persönliche Form der Anbetung bevorzugten. Vielleicht kam aber noch dazu, dass die Inder damals keine Veranlassung sahen, den Schutzherrn der herrschenden Kaste und der damit verbundenen Tradition anzubeten. Ein weiterer Grund liegt darin, dass Brahma dazu neigte, Wünsche zu leicht zu erfüllen. Man erinnerte sich noch daran, wie er einem Dämon namens Hiranyakashipu unsterblich gemacht hatte, der danach das Universum in Furcht und Schrecken versetzte. Erst Vishnu in Gestalt eines Löwen (auch Avatara genannt, das ist der Name für die Inkarnation beziehungsweise Verkörperung eines Gottes auf Erden) konnte ihn schließlich töten.

Das längste Jahr?

Der Lebenskreislauf Brahmas hatte eine große Bedeutung für die Hindus. Die Hindus begriffen die Zeit als etwas, das sich in großen Zyklen ereignet, die sich bis in alle Ewigkeit wiederholen. Diese großen Zyklen schlossen kleinere in sich ein, wie etwa die jährliche Ernte oder der schon sehr lange Kreislauf von Brahmas Leben. Nach hinduistischer Vorstellung dauerte sein Leben 100 brahmanische Jahre; jedes einzelne von ihnen entsprach 311,04 Billionen Menschenjahren. Sie sehen, nicht übel für einen Gott.

Die Brahmanen

Der Gott Brahma war verbunden mit der Kaste der Brahmanen, der höchsten Kaste in der indischen Gesellschaft. Brahma war aber auch Ursprung der Idee des Brahman, des obersten Weltprinzips, einer unpersönlichen abstrakten Idee der Einheit mit dem Absoluten, einer Vorstellung, die zu den seltener anzutreffenden Konzepten religiösen Glaubens gehört.

Die großen Götter im Hinduismus

Der Hinduismus kannte zahllose Götter und Göttinnen; der Versuch, sie alle aufzählen zu wollen, ergäbe eine ziemlich lange Liste. Drei von ihnen bilden so etwas wie eine Dreifaltigkeit: Brahma, Vishnu und Shiva (obgleich Vishnu mehr als nur er selbst war; er nahm mitunter auch die Gestalt anderer Götter und Lebewesen an, etwa die des Prinzen Krishna).

Vishnu, der Beschützer

Vishnu war der Hüter der Menschen und der Beschützer des Dharma, des Gesetzes beziehungsweise der Idee der kosmischen Weltordnung. Bei der Entstehung des Kosmos machte er drei große Schritte, die fortan die Grenzen der Welt für Götter und Menschen markierten. Als ein guter Freund des Kriegsgottes Indra (siehe den Abschnitt weiter oben über Indra) war Vishnu auch ein Freund des Menschen und immer bereit, seinen ihn verehrenden Jüngern einen Gefallen zu tun.

Vishnu stieg häufig zur Erde herab, um den Menschen zu helfen, besonders wenn diese vom Bösen bedroht wurden. Nie aber kam er als er selbst; er erschien immer in anderer Gestalt (man bezeichnet solche Inkarnationen und Metamorphosen der Götter auch als Avataras). Die meisten Hindus glauben, dass es zehn Avataras gibt; wer genau diese waren, darüber gibt es jedoch keine Übereinstimmung. Die zehn Avataras des Vishnu waren:

check.gif Matsya, der Fisch; er beschützte den ersten Menschen vor der großen Flut, die die Welt zerstörte.

check.gif Kurma, die Schildkröte, hielt den Mandara-Berg auf ihrem Rücken, als die Götter den Ozean aufpeitschten.

check.gif Varaha, der Eber, erhob die Erde mit seinen Hauern aus dem Ozean.

check.gif Narasimha, der Mensch-Löwe, tötete den Dämon Hiranyakashipu.

check.gif Vamana, der Zwerg, rettete die Welt vor dem Dämon Bali. Vishnu besuchte den Dämon als Zwerg und bat ihn um so viel Land, wie er mit drei Schritten abstecken konnte. Als der Dämon sich einverstanden erklärte, verwandelte sich Vishnu zurück in einen Giganten und nahm das ganze Universum wieder an sich.

check.gif Parashurama, der Brahman, tötete das hundertköpfige Ungeheuer Arjuna, zerstörte die Kriegerkaste und brachte seine eigene Mutter um.

check.gif Rama war der Held des Ramayana und war (beziehungsweise ist es immer noch) einer der beliebtesten Avataras. Ihm war ein eigener Kult gewidmet. Seine Tapferkeit im Kampf gegen Dämonen und sein Mitgefühl gegenüber jedermann, seine Feinde eingeschlossen, machten ihn zu einem Vorbild, das die Hindu-Eltern ihren Kindern als leuchtendes Beispiel vorhielten.

check.gif Krishna war eine weitere Hauptfigur in der hinduistischen Mythologie. Im nächsten Abschnitt können Sie mehr über ihn erfahren.

check.gif Buddha half dabei, die Sünder zu bestrafen. Er unterscheidet sich ein wenig von dem Buddha, wie er im Buddhismus geläufig ist.

check.gif Kalin, der zukünftige Avatara; er wird als Krieger auf einem Schimmel erscheinen (oder als Schimmel selbst) und wird den Beginn einer neuen Ära markieren.

Krishna

Krishna, Vishnus achter Avatara, war in Indien sehr beliebt. Vor seiner Geburt hörte der König des Landes, in dem Krishna lebte, eine Prophezeiung, dass Krishna ihn töten würde. Der König sperrte dessen schwangere Mutter ein, um dies zu verhindern. Krishnas Eltern gelang es aber, ihn nach seiner Geburt aus dem Gefängnis herauszuschmuggeln. Er war ein bewundernswertes Kind, stahl immerzu Butter, die er für sein Leben gerne aß, und tötete mit leichter Hand Schlangen und weibliche Dämonen. Als er größer geworden war, tötete er noch zwei weitere Dämonen und den König, der seine Mutter eingesperrt hatte.

Jeder liebte Krishna. Seine Hautfarbe glich der Farbe des wunderschönen Blaus Regen tragender Wolken und er erstrahlte im Glanz seiner Juwelen. Er symbolisierte die Verbindung zwischen der Natur, dem Land und dem Glauben der Menschen. Er war der Gott der Herden und verbrachte viel Zeit damit, mit den Kuhhirtinnen seiner Heimat herumzutollen. Eines Nachts spaltete er sich in viele identische Krishnas auf, um mit einer ganzen Gruppe von ihnen gleichzeitig zu schlafen.

Icon_techniker.jpgDen Hindus gilt die Kuh schon seit Jahrhunderten als heiliges Tier. Die Arier verwendeten die Kuh als Maßeinheit für ihren Reichtum. Noch heute ist die Kuh in vielen Teilen Indiens heilig.

Krishnas berühmteste Rede war die Bhagavad-Gita, »Das Lied von der Gottheit«, am Ende des Mahabharata. In diesem Gedicht tritt der Krieger Arjuna auf, der gerade in die Schlacht ziehen will, als er innehält und sich fragt, ob er recht daran tue, alle seine Verwandten zu töten. Sein Wagenlenker Krishna versichert ihm, dass es in Ordnung sei, wenn er so handele. Er erklärt ihm, dass jeder seine Pflicht tun müsse; niemand solle wankelmütig werden. Leben und Tod seien nur eine Illusion, die Pflicht aber sei alles, worauf es ankäme. Wenn es an der Zeit ist zu töten, dann gehe hin und tue es!

Manche Historiker sind der Ansicht, dass die Bhagavad-Gita nach dem Mahabharata geschrieben und später dann in dieses größere Werk eingefügt wurde. Seine Botschaft läuft auf eine klare Rechtfertigung für das menschenverachtende und grobes Unrecht erzeugende indische Kastensystem hinaus: Tue deine Pflicht und frage nicht groß nach dem Sinn der Dinge.

Shiva, der erotische Zerstörer

Shiva galt als der Zerstörer des Universums. Er ist in Abbildung Fehler! Kein Text mit angegebener Formatvorlage im Dokument..2 zu sehen. Er war unnahbar, den Menschen weit entrückt. Auf Darstellungen sieht man ihn oft alleine, tief in der Meditation versunken auf einem Tigerfell auf der Spitze des Berges Kailas im Himalaja sitzen. Man nannte ihn auch den »Herrn des Tanzes« und stellte ihn als vierarmigen Mann dar, unter dessen rechtem Fuß sich der Zwerg der Unwissenheit Apasmara befindet. Die Trommel, die ihm den Rhythmus vorgab, gab auch den Rhythmus des Universums wieder, so glaubte man. Shiva trug eine Halskette aus Schädeln, einen Kranz aus Schlangen und hatte auf seiner Stirn ein drittes Auge, in Abbildung 18.1 finden Sie eine Figur Shivas.

Shiva repräsentierte die erotische Seite des Lebens und wurde häufig dementsprechend als phallusförmige Statue dargestellt. (Sein hoch aufgetürmtes Kopfhaar tat ein Übriges dazu.) Einst tarnte er sich und begab sich in einen Wald, in dem einige weise Männer meditierten. Die Männer dachten, Shiva beabsichtige, ihre Frauen zu verführen. Also verfluchten sie ihn, was zur Folge hatte, dass sein Glied abfiel. Als Vergeltung machte Shiva die Welt dunkel und kalt; alle Männer, die den Fluch gegen ihn ausgesprochen hatten, verloren ihre Manneskraft. Diese blieb ihnen so lange vorenthalten, bis sie eine Linga (eine phallusförmige Statue) errichteten, die den Gott milde stimmen sollte.

 

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Abbildung 18.1: Shiva, der Zerstörer

Die Göttinnen im Hinduismus

Im Hinduismus gab es zahlreiche Göttinnen. Einige waren mächtige Kriegerinnen, während andere gewöhnlichere weibliche Tugenden verkörperten.

Devi, die All-Göttin

Die Göttin Devi war eine Zusammensetzung aus mehreren Göttinnen. Sie stand in Verbindung mit Shivas Hauptfrau Sati/Pavarti, trat aber noch in Gestalt anderer, furchterregender Göttinnen in Erscheinung:

check.gif Durga war die Kriegsgöttin; ihre Hauptaufgabe war die Bekämpfung von Dämonen. Sie verschmähte alle ihr nachstellenden Freier. Wurde sie zornig, so entsprang ihrer Stirn die grauenerregende Göttin Kali. (Über Kali erfahren Sie weiter unten mehr.) Durga und Kali wurden mit Shiva in Verbindung gebracht und galten als dessen dunklere Gefährtinnen.

check.gif Sitala: Sie war die Göttin der Pocken und anderer Hauterkrankungen.

check.gif Manasa: Sie war die bengalische Göttin der Schlangen.

check.gif Hariti und Shashti: Sie waren die Göttinnen der Geburt.

check.gif Mata: Die Muttergöttin. Sie wurde im Zusammenhang mit der Erde und großen Flüssen wie dem Ganges gesehen. Die Anhänger ihres Kultes ernährte sie, konnte aber auch Tod und Krankheit über die Menschen bringen.

Devi in allen ihren Erscheinungen war eine der wichtigsten Gottheiten im Hinduismus.

Shri/Lakshmi, Göttin der Fülle

Shri war Vishnus Frau (oder Gefährtin). Sie wurde in frühen vedischen Zeiten geboren, als die Götter den Ozean mit der riesenhaften Schlange Vasuki aufpeitschten. Sie wurde nach und nach zum Idealbild der Hindufrau – loyal und unterwürfig. (Wobei das Wort »Ideal« natürlich relativ gesehen werden muss.)

Shri spielte eine wichtige Rolle als eine für den Ackerbau zuständige Fruchtbarkeitsgöttin. Setzte sie sich neben den Gott Indra, so ließ er Regen auf die Erde niederprasseln, der den Menschen ihre Ernten ermöglichte. Ihre Gegenwart in Vishnus Leben war ein Garant für die Fruchtbarkeit der Erde.

Sati/Pavarti

Sati, die Tochter des Gottes Daksha, war Shivas ursprüngliche Ehefrau. Eines Tages begaben sich alle Götter zu einem Opferfest, das von ihrem Vater arrangiert worden war. Shiva aber wurde nicht eingeladen. Sie sagte ihm, dass sie beschämt darüber sei, dass er nicht eingeladen worden wäre, obwohl er doch der beste aller Götter sei und es mehr als die anderen verdiene, dort auch hingehen zu dürfen. So bedrängt und beeinflusst ging Shiva schließlich doch zum besagten Opferfest. Ungestüm polterte er herein in die Versammlung. Dabei löste sich ein Schweißtropfen von seiner Stirn, fiel zu Boden und verwandelte sich in einen kleinen, haarigen Mann, der die Krankheit symbolisierte.

Sati war so beschämt darüber, dass Shiva vom Opferfest ausgeschlossen worden war, dass sie sich schließlich selbst verbrannte. Sie wurde als Pavarti (auch bekannt unter dem Namen Uma) wiedergeboren und hatte große Mühe, Shiva wieder für sich einzunehmen, der ihr gegenüber sehr abweisend war. Am Ende aber wurden sie doch wieder ein Paar.

Sobald Pavarti Shiva in ihren Fängen hatte, machte sie sich an die Arbeit, ihren Gatten zu domestizieren und ihn ans Familienleben zu gewöhnen. Viele der Mythen über Shiva und Pavarti enthalten hübsche Details aus dem häuslichen Bereich, etwa wie ihr Sohn Skanda mit der aus Schädeln hergestellten Halskette seines Vaters spielt. Das Ehepaar stritt sich wie jedes andere auch. Shiva zog Pavarti wegen ihrer dunklen Hautfarbe auf, die sie aufzuhellen versuchte. (In einer Geschichte wirft sie kurzerhand ihre Haut ab, die sich dann in Kali verwandelt; vergleiche den folgenden Abschnitt.) Vielleicht spiegeln sich hier die Vorurteile der Arier gegenüber dunkelhäutigeren Menschen wider.

Der Sohn von Pavarti und Shiva wurde gleich bei ihrem ersten Geschlechtsverkehr gezeugt. Die anderen Götter unterbrachen sie, bevor sie fertig waren, sodass Shivas Samen auf den Boden tropfte. Die Götter reichten ihn von einem zum anderen; er war aber zu heiß, um ihn in Händen zu halten. Schließlich gelangte er in den Ganges, wo aus ihm Skanda entstand. Der kleine Skanda kämpfte gegen den Dämon Taraka und rettete so die Welt. Später wurde er zum General des Götterheeres.

Pavarti akzeptierte Skanda als ihren Sohn; sie wollte aber auch ein eigenes Kind. Sie sammelte daher die Haut, die sie sich nach dem Bad vom Körper rubbelte, und formte aus ihr ihren Sohn Ganesh. Sie postierte ihn vor ihrem Schlafzimmer als Wache; als er aber Shiva den Eintritt verweigerte, schlug dieser ihm kurzerhand den Kopf ab. Pavarti verlangte von ihrem Gatten, ihrem Sohn einen neuen Kopf zu geben. Shiva schaute umher und nahm den erstbesten, den er erwischen konnte – den eines Elefanten! Abbildung 18.2 zeigt Ganesh.

Noch heute ist Ganesh ein beliebter Gott bei den Hindus. Er ist in ihrem Glauben derjenige, der große Hindernisse im Leben der Menschen beseitigt. Sein Bruder Skanda wird vor allem in Südindien verehrt.

Kali, die Dunkle

Kalis Aufgabe war das Töten von Dämonen. Sie war eine hässliche, dunkelhäutige Hexe mit langen Eckzähnen und einer Halskette aus menschlichen Schädeln. Meistens war sie auf Schlachtfeldern oder dort zu finden, wo die Toten verbrannt wurden. Mitunter steigerte sie sich in einen derartigen Blutrausch hinein, dass sie versuchte, die ganze Welt zu zerstören.

Schreine und Statuen überall

Einige hinduistische Rituale zu Ehren der Götter waren (und sind es noch heute) von eher nüchterner, erdverbundener Art. Viele Mythen der Hindus schildern Gottheiten, die in recht menschliche Aktivitäten verstrickt sind – das Kind Krishna beim Butterstehlen, der seine Mutter beschützende Ganesh, Shiva und Pavarti und ihre Ehestreitigkeiten. Dazu kommt noch, dass die Hindus ihre Götter bis in ihre Häuser trugen. Sie besaßen nämlich kleine Statuen ihrer Gottheiten und versorgten sie, als wären es ihre eigenen kleinen Kinder. Sie badeten sie, zogen sie an und fütterten sie (symbolisch); abends brachten sie sie zu Bett. Sie glaubten daran, dass der Geist des Gottes in der Statue zum Leben erweckt werden würde. Die Statuen nett und fürsorglich zu behandeln, war eine Art, seine Ehrerbietung zu zeigen.

 

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Abbildung 18.2: Ganesh, Beseitiger großer Hindernisse

Hindus ehrten ihre Götter aber auch öffentlich an Schreinen, die zu ihrer Anbetung errichtet wurden. Die hinduistischen Tempel waren über und über mit prächtigen bunten Malereien und Statuen ausgestattet; es gab dort Blumen, Essen und die Sinne betörende Düfte aller Art, die den Göttern als Opfergaben dargebracht wurden. Die Verehrung äußerte sich in Gesängen, Glockengeläute, Trommelrhythmen und Tänzen. Die Menschen trugen ihre Götterstatuen auch in farbenfrohen und lauten Prozessionen durch die Straßen. Zu bestimmten Tageszeiten wurde ein Ritual namens darashan durchgeführt, bei dem man den Schrein öffnete und die Menschen ins Antlitz des Gottes blicken konnten. Man glaubte, in diesem Moment würde der Gott einem direkt in die Augen schauen.

Die Hindus kannten zahlreiche Feste. Sie verehrten die Göttin Durga bei einem neun Tage währenden Fest im Oktober. Im selben Monat feierte man auch das Lichterfest Diwali. Holi wiederum war ein Frühlingsfest, das man zu Ehren des Gottes Krishna feierte. Außerdem unternahmen die Menschen auch Pilgerfahrten zu ihren heiligen Stätten wie etwa dem Fluss Ganges.

Das Leben nach dem Tod: Was man sät, das erntet man auch

Die Hindus glaubten, dass nach dem Tode eines Menschen, dessen Seele sofort in den Körper eines gerade zur Welt kommenden Kindes gelangt. Der neue Mensch hat vorher noch keine eigene Seele; erst der Tote verleiht ihm eine. Ein Mensch, der stirbt, wird also im gleichen Augenblick wiedergeboren. Dieser Prozess der Wiedergeburt einer Seele in einem anderen Körper wird Reinkarnation genannt. In der Vorstellung der Hindus dauert dieser Kreislauf von Geburt und Leben, Tod und Wiedergeburt bis in alle Ewigkeit.

Das Karma ist die Summe aller in einem Leben angesammelten bösen und guten Taten eines Menschen. Das Karma bestimmt, was einem Menschen im nächsten Leben widerfahren wird. Ein Hindu kann sein Karma jederzeit verbessern; er muss nur reine Taten vollbringen, reine Gedanken denken und sein Leben der Andacht widmen. Dadurch kann die Seele im nächsten Leben auf einer höheren Stufe wiedergeboren werden. Umgekehrt kann derjenige, der viele Sünden begeht, auf einer niedrigeren Stufe, vielleicht sogar als Tier, wiedergeboren werden. Man braucht sich also gar keine Gedanken über die Ungleichheiten im Leben zu machen; auch die im Leben Bessergestellten müssen sich keine Vorwürfe wegen ihres Glückes machen – der Wohlstand, die Privilegien, Leid und Not sind nichts anderes als das Ergebnis der guten oder bösen Taten eines Menschen in diesem oder einem vorhergehenden Leben. Das letzte Ziel im Leben gilt der – salopp ausgedrückt – Vermehrung seines Karma-Punktekontos; hat man erst einmal genug gesammelt, so wird man am Ende gar nicht mehr wiedergeboren, sondern erlangt den Grad der Erleuchtung.

Das Leben der Hindus dreht sich um bestimmte Aktivitäten, die das Ziel der hinduistischen Religion darstellen. Das wichtigste dieser Ziele ist die Tugendhaftigkeit in religiösen Belangen. Materieller Wohlstand und die Befriedigung der Sinne des Menschen sind ebenfalls von großer Bedeutung. Hindus, die sich von der Welt abgesondert haben (Eremiten, Einsiedler, Mönche und so weiter), streben danach, den endlosen Kreislauf der Wiedergeburt zu durchbrechen. Viele der hinduistischen Praktiken und Rituale dienen diesem Ziel, eine höhere innere Bewusstseinsebene zu erlangen. Gebete, Meditation und Übungen wie etwa Yoga sind sämtlich Methoden, die es den Gläubigen ermöglichen sollen, sich auf ihr Inneres zu besinnen.

Wettstreitende Religionen: Buddhismus und Jainismus

In Indien gab es zu keinem Zeitpunkt nur jeweils eine Religion oder einen Mythenschatz. Indien war immer sehr tolerant in religiösen Dingen und ein fruchtbarer Boden für die Entstehung neuer religiöser Glaubens- und Gedankengebäude. Zwei der bedeutendsten Glaubenssysteme aus Indien sind der Buddhismus und der Jainismus. Beide propagierten den Verzicht auf alles Weltliche, setzten dabei aber unterschiedliche Akzente. Der Buddhismus betonte die Tugend der Mäßigung in allen Dingen. Die Anhänger des Jainismus waren in dieser Hinsicht viel radikaler eingestellt; manche von ihnen verzichteten sogar ganz auf Kleidung.

Die Anfänge des Buddhismus in Indien

Heutzutage gibt es nur noch vergleichsweise wenig Anhänger des Buddhismus in Indien. Die meisten Buddhisten leben in China und anderen Teilen Asiens. Da dieser Glaube aber ursprünglich aus Indien stammt, werden wir seine Anfänge in diesem Land kurz umreißen.

Buddha und der Weg zur Erleuchtung

Der Legende nach wurde Siddhartha, der Begründer des Buddhismus, als Kind adeliger Eltern geboren, die beschlossen, dass ihr Kind niemals etwas Unangenehmes zu sehen bekommen sollte, damit sein Leben glücklich verlaufe. (Er wurde um 563 v. Chr. in Nepal geboren.) Sie zogen ihn in einer geschützten Umwelt auf und gaben ihm allen nur erdenklichen Luxus. Er wurde erwachsen und heiratete.

Icon_techniker.jpgSiddharthas ganzer Name lautete Siddhartha Gautama. Mitunter bezieht man sich auf ihn nur unter der Bezeichnung Gautama. Sollten Sie also bei der Beschäftigung mit dem Thema Buddhismus dem Namen Gautama begegnen, so wissen Sie jetzt, dass Siddhartha (beziehungsweise Buddha) gemeint ist.

Eines Tages ging der junge Prinz außerhalb der Mauern des elterlichen Palastes spazieren. Zum ersten Mal in seinem Leben sah er da einen kranken, einen alten und einen toten Menschen. Für ihn war dies alles sehr schockierend. Dann begegnete er einem auf der Wanderschaft befindlichen heiligen Mann, der ihn sehr faszinierte. Der Gedanke an das Leid und die Frage, wie man es vermeiden könnte, übte auf Siddhartha eine große Anziehungskraft aus. Er beschäftigte sich unablässig mit diesem Thema. Im Alter von neunundzwanzig Jahren verließ er seine Frau und seine Kinder und begab sich auf die Suche nach der Wahrheit.

Siddhartha begann ein asketisches Leben; Hunger, Meditation und die Peinigung seines Körpers machten ihm nichts aus. Mit der Zeit konnte er auch einige Jünger um sich versammeln. Nach einigen Jahren aber entschied er eines Tages für sich, dass die Askese nicht der Weg sein konnte, der zur Erleuchtung führt. Einen anderen kannte er zunächst aber auch nicht.

Er gab also seine Übungen in Duldsamkeit auf und besorgte sich etwas zu essen. Er setzte sich im Schatten eines Feigenbaums nieder – der berühmte Bodhi-Baum – und entschloss sich, so lange in Meditation zu verharren, bis er das Rätsel des Lebens gelöst hatte. Er meditierte neunundvierzig Tage lang, widerstand dabei den Verführungsversuchen des Teufels Maraund und erreichte am Ende sein Ziel der Erleuchtung. Von diesem Augenblick an war Siddhartha ein Buddha, ein »Erwachter«. Von nun an würde er nicht mehr wiedergeboren werden.

Siddhartha predigt Mäßigung und Leidenslosigkeit

Siddhartha traf in der Stadt Sarnath seine früheren Schüler wieder. Dort hielt er seine erste Predigt. Sein Rat an seine Jünger war überraschend: Er lehrte, dass Mäßigung der Schlüssel zu einem Leben ohne Leid sei. Die Menschen leiden, so lehrte er, wenn sie nicht das haben können, was sie begehren. Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, müsse man alles Begehren und alle Wünsche aufgeben. Der Weg dorthin führe über die Vermeidung von Extremen. Genauso wie ein Übermaß an Genuss und Vergnügen zu Überdruss und damit Missvergnügen führe, führe auch ein zu hohes Maß an Selbstverleugnung nur dahin, das Begehren anzustacheln. Er lehrte außerdem, dass die Realität nichts weiter als Schein sei und dass sich das Universum immer im Fluss, immer in konstanter Veränderung befinde. Da alles flüchtig und nur vorübergehend sei, könne es auch keine ewige Seele und somit auch keine Wiedergeburt und keine Unsterblichkeit geben.

Buddha gab seinen Jüngern acht Regeln beziehungsweise Gebote, an die Hand, nach denen sie ihr Leben ausrichten sollten:

check.gif Rechte Ansicht oder Erkenntnis

check.gif Rechtes Denken, auch rechte Gesinnung oder rechter Entschluss

check.gif Rechtes Reden

check.gif Rechtes Handeln und Verhalten

check.gif Rechter Lebensunterhalt

check.gif Rechtes Bemühen und rechte Anstrengung

check.gif Rechte Achtsamkeit

check.gif Rechte Meditation

Der Buddhismus ist keine dogmatische Religion, die ihren Anhängern bestimmte Glaubensvorschriften erteilt. Vielmehr geht es darum, eine praktische Weisheit zu vermitteln, die den Menschen dabei helfen kann, einen idealen Seelenzustand zu erreichen. Diejenigen, die sich allen Leidens entledigen wollen, müssen sich zunächst allen irdischen Strebens entledigen. Die acht Regeln des Buddha und Übungen in Meditation sind der Leitfaden dazu. Nur wenn er sie befolgt, ist der Mensch in der Lage, einen Zustand vollkommener Seelenruhe und absoluten Gemütsfriedens zu erreichen – das Nirvana.

Jainismus

Die Anhänger des Jainismus entwickelten ihre eigene Version des Hinduismus. In ihrer Geschichte des Universums stehen dreiundsechzig geistige Führer, genannt Shalakapurashas, sowie eine Reihe von Heilsbringern im Mittelpunkt. Sie besaßen außerdem Helden, deren Geschichten denen von Krishna glichen.

Nach ihrer Vorstellung war die Unterwelt in sieben Ebenen unterteilt. Sie glaubten, dass die kosmische Zeit sich auf einem Rad drehte, das über die sich abwechselnden Perioden von Wohlstand und Not bestimmte.

Ein weiterer Sucher nach der Wahrheit

Etwa zur selben Zeit, als der junge Siddhartha sich aufmachte, um die Wahrheit zu erkennen, schuf ein anderer junger Angehöriger einer höheren Kaste seine eigene Sekte, die sich aber vom Buddhismus entscheidend unterschied. Dieser Mann hieß Vardhamana Jnatiputra und war der Begründer des Jainismus. Er wurde um das Jahr 540 v. Chr. geboren. Genau wie Siddhartha verließ auch er Frau und Kinder, um sich auf die Suche nach der Wahrheit zu begeben. Vardhamana trat einer Sekte bei, die die radikale Selbstverleugnung praktizierte. Er gab all seinen Besitz auf und besaß schließlich nur noch ein Kleidungsstück. Nach zwölf Jahren des Herumwanderns auf der Suche nach der Wahrheit hatte er nicht einmal mehr das. In diesem Zustand, halb verhungert und nackt, fand er schließlich die Erleuchtung.

Der erste Veganer

Vardhamana nahm den Namen Nataputta Mahavira an, der so viel wie »großer Held« bedeutet. Er fing an, eine Glaubenslehre zu predigen, die auf dem Prinzip der Selbstverleugnung und Selbstzucht beruhte. Seine Jünger verzichteten auf Kleidung und rissen sich die Barthaare heraus. Er lehnte das Töten jeglicher Tiere (auch der Insekten) ab und mied selbst Zwiebeln, da in diesen kleine, unsichtbare Lebewesen enthalten sein konnten.

Den Rest seines Lebens verbrachte Mahavira damit, die Menschen zu bekehren und noch mehr Anhänger um sich zu versammeln, was ihm auch recht gut gelang. Im heutigen Indien praktizieren etwa zwei Millionen Menschen den Jainismus.