§§ 75 Abs. 3, 115 Abs. 5 HE.StVollzG
LG Gießen, Beschluss vom 28. Februar 2012 -2 StVK-Vollz 890/11-21
Der Antragsteller verbüßt in der JVA N. mehrere Freiheitsstrafen wegen räuberischer Erpressung. Er befindet sich seit dem 11.5.2001 ununterbrochen in Haft. Nach Strafende ist Sicherungsverwahrung notiert.
Im vorliegenden Verfahren macht der Antragsteller geltend, eine ihn betreffende Vollzugsplanfortschreibung vom 2.8.2011 entspreche nicht den Vorgaben im Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 24.2.2011 (-2 StVK-Vollz. 647654/10-). Unter anderem rügt er die Nichtteilnahme des evangelischen Anstaltspfarrers an der Vollzugsplankonferenz.
Die Strafvollstreckungskammer hebt die Vollzugsplanfortschreibung vom 2.8.2011 in vier Punkten auf und verpflichtet die Antragsgegnerin, den Vollzugsplan für den Antragsteller insoweit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu erstellen.
[12] Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig und begründet.
[13] Die angefochtene Vollzugsplanfortschreibung ist rechtswidrig und verletzt den Antragsteller in seinen Rechten. Sie war daher aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Vollzugsplan für den Antragsteller insoweit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu erstellen.
[14] Der angefochtene Vollzugsplan ist allerdings nicht wegen Mängeln des Aufstellungsverfahrens rechtswidrig. Es ist im vorliegenden Fall rechtlich nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin den evangelischen Pfarrer B. und auch nicht die ehrenamtliche Mitarbeiterin Frau C. sowie die ehrenamtliche Betreuerin Frau D. zu der Vollzugsplankonferenz hinzugezogen hat.
[15] Gemäß § 75 Abs. 3 HStVollzG hat der Anstaltsleiter zur Aufstellung und Überprüfung des Vollzugsplanes Konferenzen durchzuführen mit an der Betreuung und Behandlung maßgeblich Beteiligten. Eine weitere Präzisierung des Teilnehmerkreises in der Vollzugskonferenz enthält das Gesetz nicht. Der Teilnehmerkreis der Vollzugsplankonferenz muss daher nach Sinn und Zweck der Vorschrift bestimmt werden, wobei der Anstalt insoweit ein Ermessensspielraum zusteht.
[16] Sinn und Zweck der Pflicht zur Durchführung einer Vollzugsplankonferenz ist zunächst die umfassende Sammlung der beim Personal der Vollzugsanstalt vorhandenen Informationen über den Gefangenen, aber auch die Bewertung dieser Informationen. Es handelt sich bei der Vollzugsplankonferenz der Sache nach um eine Dienstbesprechung.
[17] Aus diesem Grunde müssen ehrenamtlicher Betreuer und Mitarbeiter regelmäßig nicht daran beteiligt werden. (wird ausgeführt)
[18] Soweit der Antragsteller die Nichtteilnahme des evangelischen Anstaltspfarrers an der Vollzugsplankonferenz rügt, liegt darin kein Mangel des Aufstellungsverfahrens.
[19] Nach Art. 2 Abs. 3 der Vereinbarung des Landes Hessen mit den Evangelischen Landeskirchen in Hessen über die evangelische Seelsorge an den hessischen Justizvollzugsanstalten vom 26.8.1977 gehört der Anstaltspfarrer im Rahmen seines Amtes, d.h. der Ausübung der evangelischen Seelsorge, zu den maßgeblich an der Behandlung der Gefangenen im Vollzug Beteiligten. Damit nimmt die Vereinbarung erkennbar auf den in § 159 StVollzG genannten Personenkreis Bezug, der sich ungeachtet der Erweiterung der Formulierung „an der Betreuung“ im Ergebnis mit § 75 Abs. 3 HStVollzG deckt.
[20] Die u.a. aufgrund dieser Vereinbarung erlassene Dienstordnung für die evangelischen und katholischen Anstaltspfarrer in den Justizvollzugsanstalten des Landes Hessen (JMBl. 1977,719) sieht deshalb in Ziff. 4n) auch die Mitwirkung bei der Persönlichkeitserforschung der Gefangenen und der Aufstellung und Durchführung des Vollzugsplans als Aufgabe der Anstaltsseelsorge vor. Allerdings darf der Anstaltspfarrer nach Ziff. 5 die Mitwirkung an der Persönlichkeitserforschung in Einzelfällen ablehnen.
[21] Der Anstaltspfarrer ist daher regelmäßig an den Vollzugsplankonferenzen zu beteiligen; das der Anstalt im Rahmen des § 75 Abs. 3 HStVollzG zustehende Ermessen, wen sie an der Konferenz beteiligt, ist insoweit gebunden mit der Folge, dass die Anstalt den Anstaltspfarrer regelmäßig an den Vollzugsplankonferenzen beteiligen muss, es sei denn, er lehnt dies entsprechend Ziff. 5 der Dienstordnung ab. Dies hat die Kammer bereits durch Beschluss vom 5.10.2010 -2 StVK-Vollz 264/10- (KirchE 56, 286) entschieden.
[22] Die Pflicht zur Beteiligung des Anstaltspfarrers besteht nach der Vereinbarung des Landes Hessen mit den Evangelischen Landeskirchen in Hessen über die evangelische Seelsorge an den hessischen Justizvollzugsanstalten vom 26.8.1977 bzw. der entsprechenden Vereinbarung des Landes Hessen mit den katholischen Bistümern des Landes Hessen jedoch nur bei Angehörigen seiner eigenen Konfession. Die in den jeweiligen Vereinbarungen und der Dienstordnung geregelten Rechte und Pflichten der Anstaltspfarrer sind Ausfluss der evangelischen bzw. katholischen Seelsorge, die sich immer nur auf eigene Konfessionsangehörige bezieht ...
[23] Der Antragsteller ist – wie sich aus seinem Personalbogen ergibt – nicht evangelischer, sondern katholischer Religionszugehörigkeit. Damit bestand keine originäre Verpflichtung der Antragsgegnerin, den evangelischen Anstaltspfarrer zur Vollzugsplankonferenz hinzuzuziehen.
[24] Soweit der Anstaltspfarrer nach Ziff. 7 der Dienstordnung auf Wunsch auch Gefangene betreuen darf, die nicht seiner Konfession angehören, umfasst dies allein die seelsorgerische Betreuung im engeren Sinne, nicht aber die gesamten in Ziff. 4 der Dienstordnung für die evangelischen und katholischen Anstaltspfarrer in den Justizvollzugsanstalten des Landes Hessen aufgeführten Tätigkeiten.
[25] Das schließt allerdings nicht aus, dass die Antragsgegnerin den evangelischen Anstaltspfarrer, an dessen Gesprächskreis der Antragsteller teilnimmt, und mit dem er nach Angaben des Antragstellers gelegentliche Einzelgespräche führt, anzuhören oder gegebenenfalls an der Vollzugsplankonferenz zu beteiligen. Eine Pflicht dazu besteht für die Antragsgegnerin jedoch in diesem Fall nicht.
[26] Inhaltlich darf die Strafvollstreckungskammer die Vollzugsplanung nur auf Ermessensfehlgebrauch und Ermessensmissbrauch überprüfen, das heißt darauf, ob die Vollzugsbehörde das ihr gesetzlich eingeräumte Ermessen ausgeübt, die gesetzlichen Grenzen ihres Ermessens eingehalten und von dem ihr eingeräumten Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat, § 115 Abs. 5 StVollzG. Dabei ist auch zu prüfen, ob die Entscheidung von einem zutreffenden und vollständig ermittelten Sachverhalt ausgeht und die gebotene Abwägung aller relevanten Umstände enthält.
[27] Im Hinblick hierauf leidet die angefochtene Vollzugsplanfortschreibung unter Mängeln, die zur Aufhebung der entsprechenden Teile des Vollzugsplans und Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Neubescheidung führen. (wird ausgeführt)