Kapitel 8

Sascha machte sich auf den langen Weg durchs Polizeipräsidium. Von den Räumen des K11, der Mordkommission, zu den Büros der Staatsanwaltschaft lief man, selbst wenn man ein zügiges Tempo vorlegte, fast zehn Minuten. Vor vorneherein war ihm klar gewesen, dass Logo ihn schicken würde, statt den Fall selbst dem zuständigen Staatsanwalt vorzulegen. Vermutlich war Biederkopf für den Fall eingeteilt. Hatte Logo schon früher Jennys Freund distanziert betrachtet, so war er jetzt, wo dieser Jenny so schnöde hatte sitzen lassen, endgültig schlecht auf ihn zu sprechen.

Auch Sascha war wütend auf den Staatsanwalt, konnte jedoch auch immer noch nicht richtig glauben, was da passiert war. Sollte er sich so in ihm getäuscht haben?

Er klopfte und Biederkopfs Sekretärin, Frau Wiegand, rief, schroff wie immer: „Herein!“

„Herr Meister“, begrüßte sie ihn, nachdem er eingetreten war, und die Tür hinter sich geschlossen hatte. „Was kann ich für Sie tun?“

„Der neue Fall … der Tote vom Goetheturm. Ist Staatsanwalt Biederkopf zuständig?“

Sie tippte einen Moment auf der Tastatur.

„Herr Biederkopf wird einige Wochen nicht hier sein. Dr. Lüders vertritt ihn und wird Ihre Ansprechpartnerin sein. Moment, ich frage, ob sie Zeit hat.“

Sie stand auf und öffnete die Tür am anderen Ende des Vorzimmers gerade so weit, dass sie den Kopf hindurch stecken konnte. Sascha hörte einen leisen Wortwechsel, dann drehte Frau Wiegand sich um. „Sie können hineingehen.“

Sie stieß die Tür auf und ging zu ihrem Platz zurück. Sascha ging energischen Schrittes in Biederkopfs Büro. Zu seiner Überraschung saß hinter dem Schreibtisch eine ältere Frau mit grauen Haaren und einer unvorteilhaften Brille mit dickem Rand.

„Kommen Sie“, sagte sie, ohne zu lächeln, und winkte ungeduldig. „Los, los, ich habe nicht den ganzen Tag Zeit.“

Sascha ging rasch näher und streckte die Hand aus. „Sascha Meister, K 11.“

Sie drückte sie kurz, aber energisch, und nickte zum Besucherstuhl.

„Also, was haben wir?“ Erwartungsvoll beugte sie sich vor.

Sascha gab ihr die Kurzfassung, achtete jedoch darauf, alle Fakten lückenlos darzulegen. Allzu viele waren es ja nicht.

Dr. Lüders hörte aufmerksam zu. „Was ist das für ein Quatsch?“, fragte sie dann. „Wer schleppt denn jemanden auf den Goetheturm, um ihn dann zu ermorden und den Turm anzustecken?“ Bevor Sascha etwas sagen konnte, sprach sie weiter. „Da liegt die Lösung des Falls. Wenn Sie herausfinden, warum der Mörder so gehandelt hat, haben Sie ihn. Bitte halten Sie mich auf dem Laufenden.“

Damit war Sascha entlassen. Er schloss die Tür zum Vorzimmer fest hinter sich und stellte sich neben Frau Wiegands Schreibtisch. „Wo ist denn Staatsanwalt Biederkopf hin?“

„Darüber darf ich keine Auskunft geben.“

Sascha verdaute das einen Moment. „Und Frau Dr. Lüders? Woher kommt sie so plötzlich?“

„Sie ist kürzlich aus Kassel nach Frankfurt gezogen. Noch etwas?“

Sascha schüttelte den Kopf. Er verabschiedete sich nachdenklich und machte sich auf den weiten Rückweg. Unterwegs bog er kurz in die Kantine ab und kaufte zwei belegte Brötchen mit Ahle Worscht.

Logo blickte nur kurz auf, als Sascha ins Büro kam. Er las stirnrunzelnd einen Bericht, schnupperte dann jedoch und sah Sascha direkt an. „Was riecht hier so gut?“

„Das“, erklärte Sascha und legte ihm ein Brötchen mit einer Serviette auf den Schreibtisch.

„Wahnsinn. Danke. Das kommt gerade recht!“, rief Logo, schnappte sich das Brötchen und biss herzhaft hinein. „Ahle Worscht?“

„Ja“, bestätigte Sascha. „Dieselbe übrigens, die’s auch im Kaufhaus Hessen gibt. Wurde kürzlich prämiert!“

„Und die gibt’s bei uns in der Kantine?“, wunderte sich Logo. Dann tippte er auf das Blatt vor ihm. „Die Spusi hat einen vorläufigen Bericht geschickt. In der Nähe des Goetheturms befand sich eine Art Lager in einem Gebüsch. Jemand scheint sich dort längere Zeit aufgehalten zu haben. Im Gras lag ein Bonbonpapier.“

„Vielleicht hat das gar nichts mit dem Fall zu tun. Da treiben sich auch viele Jugendliche herum“, sagte Sascha zweifelnd.

„Vielleicht aber doch. Warten wir einfach die Untersuchungen ab. Was hast du rausgefunden?“

Sascha informierte ihn über die Ergebnisse und auch über den Besuch bei Staatsanwältin Lüders.

„Wo ist Biederkopf bloß?“, wunderte sich Logo. „Vielleicht ist er Jenny hinterher und versucht, sie zurückzuholen.“

„Dazu braucht er kaum mehrere Wochen. Vielleicht macht er einen langen Urlaub.“

„Ob er ne Neue hat?“, überlegte Logo laut. „Das könnte der Grund sein, dass er Jenny …“ Er seufzte. „Wir werden es irgendwann erfahren. Lass uns überlegen, wie wir weiter vorgehen.“

„Wir sollten das Umfeld des Verstorbenen weiter beleuchten“, schlug Sascha vorsichtig vor. „Irgendjemand weiß vielleicht, warum Roth sich so ungewöhnlich verhalten hat und abends noch mal weg wollte.“

„Sicher“, bestätigte Logo und sah auf die Uhr. „Wie weit ziehen wir den Kreis? Unterhältst du dich noch einmal mit der Ehefrau, dem Rest der Familie und möglichen Freunden? Ich spreche mit den Ärzten und mache mir ein genaues Bild von dem Verlauf seiner Behandlung.“

„Gut. Aber erst esse ich mein Brötchen!“