Sascha stand zum zweiten Mal vor der Tür des Raumes, in dem sich die Selbsthilfegruppe traf. Unbehaglich wartete er, bis die Stunde vorbei war und sich die Tür öffnete. Er war sich nicht sicher, wie er sich Staatsanwalt Biederkopf gegenüber verhalten sollte.
Doch er hatte sich unnötig Sorgen gemacht. Zwar sah er einige bekannte Gesichter, Biederkopf war jedoch an diesem Abend nicht da.
„Nanu? Sie schon wieder?“, begrüßte ihn Yannik Lemhofer erstaunt.
„Es haben sich neue Fragen ergeben“, erklärte Sascha und warf noch einmal einen Blick in die Runde. „Ist Herr Biederkopf heute nicht da?“
„Nein“, antwortete Lemhofer und lächelte höflich.
Sascha wollte nachhaken, zwang sich aber, die Diskretion des Mannes zu akzeptieren. „Kennen Sie eine Frau Dittler-Zifurth?“
Lemhofers Gesicht wurde schlagartig todernst. „Allerdings. Ich habe sie erst vor wenigen Wochen rausgeworfen. Sie hat sich unter dem Vorwand, krank zu sein, hier eingeschlichen. Dabei wollte sie nur Zugang zu Patienten, um sie auszufragen und zu verunsichern. Eine furchtbare Person. Hat sie mich angezeigt? Ich habe sie nur leicht am Arm gefasst, weil sie nicht gehen wollte.“ Er hatte sich in Rage geredet und holte tief Luft, um sich zu beruhigen.
„Und?“, fragte Sascha. „Ist sie dann gegangen?“
„Ja, bis draußen vors Haus“, antwortete Lemhofer bitter. „Dort hat sie dann auf die Teilnehmer gewartet und sie abgefangen. Ich habe versucht, ihr zu erklären, was sie damit anrichtet, aber sie hat mich erst ignoriert, dann offen ausgelacht.“
„Hatte sie auch Kontakt zu Helmut Roth?“
„Vermutlich. Sie hat jeden angesprochen und Helmut war an dem Tag da. Sie kam dann noch zwei weitere Male. Erst als ich ihr angedroht habe, die Polizei zu rufen, ist sie nicht mehr aufgetaucht.“
„Was hat sie den Leuten denn erzählt?“ Sascha ahnte es schon.
„Dass die Therapien nichts nutzen und sie im Gegenteil sogar krank machen! Dann hat sie versucht, ihnen für teures Geld allerlei nutzloses Zeug zu verkaufen, das sie angeblich gesund machen soll.“ Er schüttelte den Kopf. „Wissen Sie, wenn man weiß, dass man lebensgefährlich erkrankt ist, greift man nach jedem Strohhalm. Auch Patienten, die normalerweise nie auf so eine Scharlatanerie hereinfallen würden.“
„Roth auch?“
„Ich weiß es nicht sicher. Allerdings zweifelte er ja sowieso schon an seiner Behandlung. Möglicherweise hat sie bei ihm offene Türen eingerannt.“
„Er hatte einen Anhänger, den ich auch bei ihr gesehen habe.“
„So ein Ding mit Flügeln? Das trugen nach ein paar Tagen viele hier. Manche, weil sie daran glaubten, manche, weil sie nach eigener Aussage nicht schaden können. Geschadet haben sie aber dem Geldbeutel. Sie berechnet für so einen Tand über hundert Euro!“
Sascha kratzte sich das Kinn. „Dachte ich mir doch, dass es der Dame nicht nur um die Gesundheit der Menschen geht.“
Lemhofer schnaubte abfällig. „Darum am wenigsten würde ich sagen.“