5
Timo
D ie Kneipe ist gut besucht – wie immer. Überall drängen sich Leute. Manche von ihnen waren beim Training, ich erkenne ihre Gesichter. Einige sind regelmäßig hier, wieder andere wirken fremd auf mich. Sie alle eint das Bedürfnis nach einem schönen Freitagabend. Gesprächsfetzen dringen zu mir durch, schnelle Musik spielt im Hintergrund, die Luft ist stickig. Ich fühle mich angenehm erschöpft vom Training, spüre meine beanspruchten Muskeln. An sich eine gute Voraussetzung für den Abend.
Wenn doch nur mein Kopf ähnlich müde wäre.
Gemeinsam mit den anderen sitze ich an unserem Tisch, beobachte, wie jeder von den Jungs mit seiner Freundin herum turtelt, und spüre, wie meine Brust enger wird.
Ich will das nicht. Ich will nicht das Arschloch sein, das seinen Freunden nichts gönnt. Darum geht es auch gar nicht. Jeder einzelne von ihnen hat sein Glück verdient – auch Maik. Vielleicht sogar gerade Maik. Ich wünschte nur, dass er es nicht ausgerechnet in Helena gefunden hätte.
Der Anblick all dieser Pärchen tut verdammt weh. Ich komme einfach nicht aus meiner Haut; im Angesicht ihrer Zweisamkeit wird die Leere in mir größer. Ich bin schon ein armer Wurm, schimpfe mich erwachsen, bin auf dem Weg, Verantwortung für mein Leben zu übernehmen, aber schaffe es einfach nicht, zu differenzieren. Das Glück der anderen hat nichts mit meinem eigenen Pech zu tun. Auch nicht, was Maik und Helena angeht, selbst wenn es mir schwerfällt, das zuzugeben. Helena trägt keine Schuld, dass sie in mir nur einen Kumpel sieht. Und Maik hat sie sich nicht geschnappt, um mir eins auszuwischen. Wenn ich mit Abstand darüber nachdenke, kann ich das differenzieren. Leider bin ich selten dazu in der Lage.
Nicht zum ersten Mal wandern meine Gedanken zu Tasha. Nun ist es beinahe eine Woche her, dass sie mir den Arsch gerettet hat. Während ich mit den anderen anstoße und einen Mexikaner kippe, frage ich mich, ob sie mich in Wirklichkeit viel schrecklicher fand, als sie es mich spüren ließ. Ich verstehe sie nicht, und das macht es für mich so schwer.
Ich meine – sie hat mir doch ihre Nummer gegeben, oder?
Mir ist klar, dass wir keine enge, intime Beziehung eingegangen sind, nur weil sie mir eine Nacht Asyl geboten und verhindert hat, dass ich vollends abstürze. Sie hat sich mein Gejammer angehört, hat mir nicht das Gefühl gegeben, mich deshalb lächerlich zu finden! Also ja, ich habe schon damit gerechnet, dass sie mir antwortet, wenn ich ihr schreibe – was ich direkt am Sonntag getan habe. Und dann noch einmal gestern.
Keine Reaktion. Ich kann nicht einmal sagen, ob sie meine Nachrichten gelesen hat.
Offenbar bin ich viel schlechter darin, Frauen zu kapieren, als ich es jemals vermutet habe. Kein Wunder eigentlich, dass ich immer noch Single bin und alleine hier herumhänge. Mir scheinen ein paar essentielle Hirnzellen zu fehlen, die es mir ermöglichen, mit dem weiblichen Geschlecht klarzukommen – auf mehr als einer platonischen Ebene.
Als unser Alkohol sich dem Ende neigt, biete ich mich bereitwillig an, Nachschub zu organisieren, obwohl es ein verdammt undankbarer Job ist, sich durch das Gedrängel Richtung Bar zu schieben – und, noch viel schlimmer, ein volles Tablett zurück zu balancieren. Wenn wir innerhalb der Woche hier sind und es wesentlich leerer ist, bringt der Besitzer oft die Getränke an unseren Tisch. Ein Service, den er nur für uns gelten lässt, weil wir seine Bude so immens gefüllt haben. Doch freitags bleibt er dort, wo er am meisten gebraucht wird – hinter der Theke. Absolut verständlich, auch wenn es mir anders natürlich lieber wäre.
Also steuere ich genau die nun an, froh, mich kurz auf etwas anders konzentrieren zu können, fort von der trauten Zweisamkeit.
Unterwegs werde ich ein paar Mal angequatscht. Tom befindet sich am anderen Ende der Kneipe, er prostet mir grinsend über zig Köpfe hinweg zu, was ich mit einem Daumen nach oben quittiere. Eine kleines Grüppchen Mädels, sicherlich so gerade eben erst volljährig, fragt mich tuschelnd, ob die anderen Jungs am Tisch sind, und ein mir unbekannter Typ klopft mir auf die Schulter und murmelt etwas von einem guten Job.
Während ich auf meine Bestellung warte – sieben Bier, sieben Mexikaner, eine Flasche Wasser – lasse ich meinen Blick schweifen. Wo auch immer ich hinsehe, gibt es Frauen. Nicht, dass sie hauptsächlich unsere Fangemeinde ausmachen. Es gibt auch eine ganze Menge Kerle, die auf Parkour stehen, die sich teilweise selber darin versuchen, gerne mit uns über Technik und Orte sprechen oder uns einfach cool finden. Ein paar von ihnen tauschen sich sogar mit mir aus, weil sie sich für die Arbeit hinter der Kamera interessieren, aber das kommt eher selten vor.
Im Laufe der Monate hat sich das Verhältnis zwischen Männern und Frauen aber definitiv verschoben. Wenn man bedenkt, dass abgesehen von mir alle bereits in einer Beziehung stecken, erscheint mir das ein wenig abstrus.
Denn an mir, wie ich bereits in aller Deutlichkeit festgestellt habe, haben die wenigsten Interesse. Das muss ich wohl wieder unter »Zu wenig Grips, um das zu begreifen« abspeichern. Offenbar steigen vergebene Männer in ihrem Reiz – vor allem vergebene Maiks. Er hat von uns allen am häufigsten die Hosen heruntergelassen. Dass all seine Fans seine Beziehung nicht ohne weiteres akzeptieren würden, war klar.
Es geschieht, als ich das Tablett entgegennehme und mich zwischen den Wartenden von der Theke fort schlängle. Nahe des Eingangs erhasche ich einen Blick auf blassrosafarbenes Haar, und mein Herz macht einen Satz.
Kann das etwa ...?
Nein.
Ich schüttle den Kopf.
Bei aller Liebe, aber diese Art des Zufalls wird es wohl kaum geben. Und selbst wenn, ich besitze genügend Grips, um zu kapieren, was es bedeutet, wenn eine Frau nicht auf deine Nachrichten reagiert. An zwei verschiedenen Tagen, zu unterschiedlichen Zeiten.
Wenn sie hier ist, dann nicht wegen mir. Und ich habe ausreichend Stolz, um mir das nicht ein weiteres Mal unter die Nase reiben zu lassen.
Auch wenn mein Herz noch immer etwas stolpert, greife ich das Tablett fester und beginne, es zwischen all den Leuten hindurch zu unserem Tisch zu tragen. Unterwegs kassiere ich die üblichen Sprüche.
»Mann, das wäre doch nicht nötig gewesen.«
»Hey, ist da etwa ein Bier für mich bei?«
»Coole Sache, erweitert ihr euren Service?«
Zum Glück letztlich alles wohlgemeinte Labereien, weshalb ich sämtliche Gläser ohne ernsthafte Diskussion an unseren Tisch schaffe – zur rechten Zeit, wie mir scheint, denn ich werde mit Jubel und Applaus begrüßt.
Ich stelle das Tablett in die Mitte und gleite auf meinen Platz neben Jo. Rastlos ziehe ich mein Handy hervor, nur für den Fall, dass es wirklich Tasha war, die ich entdeckt habe, und sie mir nun doch geantwortet hat, doch abgesehen von unzähligen neuen Benachrichtigungen zum aktuellen Video und einigen Markierungen bei Facebook gibt es nichts Neues.
Definitiv ein Zufall. Es gibt auch andere Frauen, die sich ihre Haare färben. Rosa ist vielleicht etwas ungewöhnlich, aber sie ist nicht die Erste, die ich mit dieser Farbe gesehen habe. Glaube ich zumindest. Und dass sie nicht wegen mir hier ist – davon bin ich sogar überzeugt.
Ich trinke einen großen Schluck von meinem Bier, behalte dabei aber das Gedränge direkt vor unserem Tisch im Auge. Überall plaudernde und lachende Leute, die in kleinen Grüppchen beisammen stehen. Sie alle haben ihren Spaß. Meine Freunde haben ihren Spaß.
Und ich fühle mich isoliert zwischen ihnen, was mir sowohl unfair, als auch absolut nicht richtig vorkommt.
Gerade, als ich beschließe, die unguten Gefühle beiseitezuschieben und Jo in eine Diskussion über die neue Kamera zu verwickeln, sehe ich es erneut aufblitzen. Blassrosa Haar. Kurzes Haar.
Und dann, zwischen einer Gruppe Mädchen hindurch, taucht das unverkennbare Gesicht von Tasha auf.
Mein Herz stolpert endgültig, und ich spüre, wie meine Handflächen feucht werden.
Es fühlt sich an wie ein lebendes Klischee, wie Hollywoodbeiwerk, als unsere Blicke sich treffen – so als hätte sie gespürt, dass ich sie beobachte. Der unverkennbar suchende Ausdruck in ihrem Gesicht weicht Erkenntnis, und ein kleines Lächeln umspielt ihre Lippen. Sie wirkt beinahe scheu. Und das ist absolut überraschend, denn ich hätte Tasha nicht als zurückhaltend bezeichnet.
Niemals.
Ohne weiter darüber nachzudenken, springe ich von meinem Platz und schiebe mich durch die Menge in ihre Richtung.
Die Jungs rufen mir irgendetwas hinterher, spürbar überrascht von meinem plötzlichen Abgang, aber mit ihnen kann ich mich später beschäftigen. Ich habe gerade – zum wiederholten Male dank Tasha – eine Chance erhalten, wie sich der Abend zum Guten wenden kann, und ich bin gewillt, sie zu ergreifen. Wieso auch immer sie hergekommen ist, sie wirkt zumindest nicht ablehnend. Vielleicht hat sie mich sogar wirklich gesucht. Und es wird bestimmt eine Erklärung dafür geben, warum sie mir die ganze Woche nicht geantwortet hat, nun aber hier ist.
Darauf bin ich sehr gespannt.
»Hallo, Mister Zufall«, begrüßt sie mich, als ich sie endlich erreicht habe. Dieser dämliche Spitzname von vergangener Woche bringt mich zum Schmunzeln. Ich schiebe beide Hände in meine Hosentaschen, ziehe meine Schultern in die Höhe und mustere sie mit hochgezogener Augenbraue.
»Dabei bist du doch offenbar heute diejenige, die zufällig hier ist, oder?«
Sie wirkt tatsächlich verlegen. Ihre Augen huschen über mein Gesicht, und etwas flackert in ihnen auf. Unsicherheit? Verletztheit? Ich kann es nicht einordnen.
Plötzlich fühle ich mich, als müsste ich mich bei ihr entschuldigen – dabei ist sie diejenige, die nicht auf meine Nachrichten geantwortet hat.
Aber nun ist sie hier.
»Möchtest du etwas trinken?« Ich deute mit dem Kinn über ihre Schulter hinweg zur Theke.
Sie blinzelt mich misstrauisch an. »Du hast nicht vor, dich erneut so abzuschießen, oder?«
»Hey, was willst du damit sagen?« Ich beobachte, wie ihr Blick sich auf einen Punkt hinter meinem Rücken konzentriert, und drehe mich um. Klar, sie beobachtet unseren Tisch.
Und der Tisch beobachtet uns. Komplett. Jeder einzelne hat seinen Blick auf uns gerichtet, und ich sehe eine Mischung aus Belustigung und Interesse in jedem einzelnen Gesicht.
Ganz besonders bei Helena.
»Die Dunkelhaarige, oder?«, murmelt sie in diesem Moment dicht an meinem Ohr. Ich zucke zusammen, weil wir beide zur selben Zeit an sie gedacht haben, und wahrscheinlich ist das Antwort genug, denn Tasha schnaubt leise. »Verstehe. Sie ist hübsch.« Ich spüre, wie sie sich von mir entfernt, weshalb ich mich ebenfalls von den Jungs löse, nicht ohne ihnen noch einmal zuzunicken.
»Also, Drink?« Ich fühle mich merkwürdig beklommen und will dieses Gefühl dringend abschütteln. Mich von den anderen räumlich zu distanzieren erscheint mir wie ein Anfang.
»Ja, von mir aus.« Unsere Blicke begegnen sich, und sie legt den Kopf schräg. »Allerdings reicht mir eine Cola.«
Ich lächle sie an. »Cola klingt gut. Komm, ich besorge uns was.«
So voll, wie es im Freudenhaus ist, gleicht es einer Herausforderung, einen Platz zu finden, an dem wir ungestört reden können, ohne ständig unterbrochen zu werden. Denn das werden wir. Erst quetscht Tom sich zwischen uns, grinst mich wissend an und fragt Tasha, ob sie nicht das Mädchen von Sonntag wäre.
Eine Gruppe Mädchen fragt mich kichernd, ob nun auch der letzte von uns vergeben wäre, und ein Typ, den ich noch nie zuvor gesehen habe, macht ein so unverkennbares Zeichen mit seinen Armen und Hüften, dass ich mir eine Grimasse nicht verkneifen kann. Wohlgemerkt: Keine begeisterte.
Schließlich ergreife ich Tashas freie Hand und ziehe sie hinter mir her in den hinteren Teil der Kneipe. Neben dem Flur, der zu den Toiletten führt, gibt es eine Tür, durch die man auf einen kleinen, dunklen Innenhof gelangt. Hier trifft man regelmäßig auf knutschende Pärchen – oder streitende, was es im Fall von Helena und Maik schon gegeben hat –, aber wir haben Glück.
Menschenleer und leise. Ich atme tief durch und setze mich auf die unterste der Stufen, die von der Tür hinab zum Hof führt. Hier sorgt die Funzel über der Tür wenigstens für ein bisschen Licht. Seufzend nehme ich einen Schluck aus dem kalten Glas und starre geradeaus ins Dunkel, unsicher, was ich nun als Nächstes sagen soll.
Tasha scheint einen Moment zu zögern, doch schließlich sinkt sie neben mich, mit ausreichend Abstand, dass wir uns nicht berühren. Ich wage einen Blick zur Seite, und als ich sehe, dass sie mich nachdenklich beobachtet, spüre ich ein heftiges Ziehen in meiner Kehle.
Ich räuspere mich, was hier, im stillen, dunklen Innenhof viel zu heftig und zu laut klingt, und atme schnaubend aus. »Wie kommt’s, dass du hier bist?«
Obwohl ich mich am liebsten abwenden würde, hält mich die Unsicherheit in ihren Augen gefangen. Nun, bei meiner Frage, mischt sich noch ein weiteres Gefühl hinzu, das ich nicht genauer benennen kann. Unbewusst halte ich den Atem an – all die Sekunden, die sie zögert, ehe sie zu einer Antwort ansetzt.
Und sie nimmt sich eine ganze Weile Zeit.
»Um ehrlich zu sein, weiß ich es nicht.« Sie dreht die Cola zwischen ihren Händen, ist die erste, die unseren Blickkontakt unterbricht, um sich auf das Glas zu konzentrieren.
Ihre Antwort gefällt mir nicht. »Schade. Ich hatte gehofft, es hätte mit meiner Nachricht zu tun.«
Sofort schießt ihr Blick wieder in die Höhe, und nun wirkt sie beinahe empört. »Welche Nachricht denn? Ich habe die ganze Woche abgewartet, ob du dich vielleicht bei mir meldest, aber da ist nichts gekommen -«
»Was?« Ich will nachhaken, doch Tasha scheint von irgendeiner Art Wut erfüllt zu sein, auf jeden Fall lässt sie sich nicht von mir beirren und redet einfach weiter.
»Und dann war da heute dieses Pärchen, das davon gesprochen hat, dass ihr hier seid. Ich wollte gar nicht kommen, aber irgendwie bin ich doch hier gelandet – und tja, da bin ich.«
Sie atmet schwer. Keucht beinahe. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass ihre Wut sich gegen sie selbst richtet.
Ich kapiere nur noch Bahnhof. »Warte mal, ich verstehe nicht -«
»Schön, ich auch nicht.« Sie verdreht die Augen. Immerhin scheint die Anspannung aus ihren Schultern zu weichen. Seufzend lehnt sie sich mit dem Rücken an das Geländer neben sich und sieht mich aus großen Augen an. »Also, ihr scheint ja doch ziemliche Stars zu sein.«
Ich kneife mir in die Nasenwurzel, während ich ihre Position kopiere. »Moment, nein. Netter Themenwechsel, aber ich muss gerade noch durchsteigen. Du hast keine Nachricht von mir erhalten?«
Ihre linke Augenbraue wandert in die Höhe. »Richtig, Sherlock. Das kommt schonmal vor, wenn man keine abschickt.«
Ich weiß nicht, ob ich schmunzeln oder irritiert sein soll. Langsam ziehe ich mein Handy aus der Tasche. »Schon komisch, wenn man bedenkt, dass ich dir zweimal geschrieben habe. Einmal direkt am Sonntag, einmal gestern.«
Nun weicht jede Art von Sarkasmus aus ihrer Miene, und sie blickt mich überrascht an. »Aber es ist nichts bei mir angekommen!«
»Schau, hier.« Mittlerweile habe ich den Bildschirm entsperrt und das Nachrichtenprogramm geöffnet. Es erfüllt mich mit einer gewissen Genugtuung, ihr beweisen zu können, dass sie falsch liegt. Zu sehen, wie ihre Augenbrauen in die Höhe wandern, Falten der Verwirrung ihre Stirn durchziehen und jeglicher Rest von Irritation von ihr abfällt, verschafft mir enorme Erleichterung.
Das hier ist nicht gespielt. Sie hat wirklich nichts von mir erhalten. Nun tut sie mir sogar beinahe leid.
»Gib mal her.« Ohne meine Antwort abzuwarten, pflückt sie mir das Handy aus der Hand und tippt darauf herum. Plötzlich schlägt sie ihre Hand so heftig gegen die Stirn, dass es klatscht - und lacht laut los. »Oh nein!«
Ich mustere sie belustigt. »Was ist?«
Sie verdreht ihre Augen. »Da warte ich die ganze bescheuerte Woche darauf, dass du dich meldest, und was ist? Du hast mir geschrieben, allerdings an die falsche Nummer. Wie auch immer ich es geschafft habe, einen Zahlendreher da rein zu machen. Warte, ich ändere es schnell.«
Ungläubig beobachte ich, wie ihre Finger über mein Display fliegen.
Dann lache ich laut los. »Das ist so bescheuert, dass es schon wieder witzig ist. Ich habe mich die ganze Woche gefragt, wieso du mir deine Nummer gibst, um dann nicht zu antworten -«
»- und ich habe mich gefragt, ob du mich ignorierst, weil du nicht an das Wochenende erinnert werden willst.« Tasha fällt in mein Gelächter ein, und es ist deutlich spürbar, wie wir beide auch den letzten Rest Zurückhaltung verlieren, der uns erfasst hatte. So ein dummer Zufall. So ... unnötig.
Aber ich bin froh, dass wir es aus der Welt schaffen konnten.
Weil wir noch immer lachen, höre ich nicht, wie sich hinter uns die Tür öffnet. Der Moment ist zu schön, zu befreiend. Entsprechend zucke ich zusammen, als hinter uns eine vertraute Stimme ertönt.
»Hier seid ihr, Mann. Und offenbar störe ich euch.«
Maik.
Mein Blick huscht zu ihm, mein Lachen erstirbt. Aus dem Augenwinkel sehe ich, dass auch Tasha innehält, allerdings beobachtet sie mich, anstatt sich Maik zuzuwenden.
Maik, der sichtlich irritiert davon ist, dass er unsere Stimmung derart gekillt hat.
Ich atme tief durch. »Was gibt’s?«
Sein Blick huscht zwischen mir und Tasha hin und her, und seine Mundwinkel zucken verdächtig in die Höhe. »Nichts. Es ist nur – wir haben uns gewundert, wo du steckst. Warum kommt ihr zwei nicht gleich rein und setzt euch zu uns? Ihr scheint euch ja bereits zu kennen. Du solltest uns eine so hübsche Lady nicht vorenthalten -«
»Maik!«, knurre ich ihn an.
Er hebt die Hände. »Schon gut, schon gut. Du weißt ja, wo du uns findest.« Und mit einem Nicken zu Tasha: »Wir würden uns freuen.«
Breit grinsend wendet er sich ab, schlüpft durch die Tür hindurch nach drinnen. Der kurze Lärmschwall, der deshalb ertönt, hinterlässt mich verwirrt – wieso habe ich nicht bemerkt, dass er gekommen ist?
»Wow.« Tasha atmet tief durch.
Ich blicke sie irritiert an. »Wow?«
»Der Kerl hat eine krasse Aura.« Als sie bemerkt, wie sich meine Miene verdüstert, lacht sie auf. »Er hat eine krasse Aura. Das heißt nicht, dass ich ihn toll finde.« Sie zwinkert mir zu. »Also, willst du da rein?«
»Ich bin nicht gerade scharf darauf«, bringe ich murmelnd über die Lippen.
»Okay, es gibt zwei Möglichkeiten.« Sie hebt den Daumen. »Wir bleiben hier, lachen noch darüber, wie wir uns die Woche schwer gemacht haben, und quatschen.«
»Die Variante gefällt mir.«
Sie hebt unerbittlich den Zeigefinger. »Oder wir gehen rein. Wenn ich das richtig kapiert habe, scheinen alle sehr verwirrt darüber zu sein, dass du mit einem weiblichen Geschöpf abhängst. Außerdem ist dort das Mädchen, das dir das Herz gebrochen hat, nicht wahr?«
»Ja, aber -«
Sie schüttelt grinsend den Kopf. »Weißt du was? Ich habe eine Idee, und die könnte lustig werden. Komm.«
Sie ergreift meine Hand, ohne abzuwarten, was ich dazu zu sagen habe, und noch ehe sie näher erläutert, was genau sie eigentlich plant, zieht sie mich bereits zurück in die Kneipe.
Ich fühle mich total überrumpelt.
»Spiel einfach mit«, murmelt sie mir zu. Ihre Lippen so nahe an mein Ohr, ihr Atem auf meiner Haut – all das lässt mich erschaudern. »Spiel mit – es wird Spaß machen.«
Ich bin mir verdammt nochmal nicht sicher, ob sie Recht behalten wird. Aber offenbar steht der Kurs für diesen Abend fest.
Das kann ja spannend werden.