Kapitel 4 - Gedankenchaos
Matthias stand natürlich bereits im Hof, als sie um die Ecke bog. Schweiß rann ihr in die Augen, ihre Wangen waren gerötet, außerdem schnappte sie hektisch nach Luft.
„Wo lungerst du denn schon wieder herum?“, rief ihr Onkel ihr zu, hielt allerdings Abstand von ihr.
Geringschätzig verzog er das Gesicht, als er sie musterte.
„Sag nicht, dass du versucht hast, Sport zu treiben? So wie es aussieht, bist du nicht weit gekommen, darüber hinaus stinkst du bis hierhin. Sieh zu, dass du unter die Dusche kommst, anschließend kannst du im Dorf Brot holen.“
Mit den Worten drehte Matthias sich um und ließ Darla wie einen begossenen Pudel stehen.
Tränen der Demütigung traten ihr in die Augen, zumal sie jetzt auch noch aus den Augenwinkeln sah, dass Flann aus seinem Häuschen kam.
Auf keinen Fall wollte sie ihm in ihrem Zustand begegnen, deshalb rannte sie zu ihrem Domizil, wo sie die Tür lautstark hinter sich zuschlug.
Eine Mischung aus Scham, Traurigkeit und Zorn tobte in ihr, als sie sich die Kleider vom Körper riss, ehe sie das Wasser in der Dusche anstellte.
Wieso stellte ihr Onkel sie sogar in der Öffentlichkeit dermaßen bloß? Musste er wirklich allen zeigen, dass er sie verachtete? Zumal sie sich nicht mal klar darüber war, weshalb er so abschätzig von ihr dachte.
Früher hatte sie immer geglaubt, dass er sich mit seinem Bruder gut verstand und dass auch er sie mochte. Mittlerweile hatte sich das Blatt ziemlich gewendet.
Nach einer halben Stunde war sie fertig, wobei sie jetzt gerne auf den Marsch ins Dorf verzichtet hätte, nur wusste sie, dass Matthias sie bestrafen würde, sollte sie sich weigern.
Seufzend nahm sie ihr Portemonnaie, ehe sie sich auf den Weg machte. Den Kassenzettel konnte sie später vorlegen, damit sie das Geld zurückbekam.
Als sie ein Stück die Allee entlang gegangen war, fiel ihr ein, dass sie vergessen hatte zu fragen, wie viele Personen mit ihnen frühstückten.
Schnell zählte sie die Leute durch, die mit ihnen aus Deutschland gekommen waren, anschließend schätzte sie die Anzahl ab, die bereits in Irland auf sie warteten.
Sie sollte genug für gut zwanzig Menschen einkaufen, was hieß, dass sie auf dem Rückweg ganz schön schleppen durfte. Es ging nicht nur um Brot, sondern auch um Butter, Belag, Kaffee. Was man eben so zum Frühstücken brauchte.
Gestern hatten sie eine Kleinigkeit am Flughafen gegessen und abends wurde etwas geliefert, bevor der erste Kampf stattfand.
Traurig lief sie den Schotterweg entlang, dieses Mal in einem langsamen Tempo, außerdem trug sie Jeans, ein T-Shirt und Turnschuhe. Darüber hinaus hatte sie sich ein Seidentuch um den Hals geschlungen.
Die Idee, sich gleich ein Taxi zu nehmen, um zurück nach Deutschland zu fliegen, kam ihr. Von dort aus könnte sie sich in irgendeinem Land verstecken, dummerweise fehlte ihr das nötige Kleingeld.
Ihr Onkel zahlte ihr zwar ein Gehalt, aber er besaß eine Kontovollmacht, dazu kam, dass es ein Limit von 500 Euro pro Tag gab. Sollte sie die Summe abheben, würde er sofort wissen, dass sie weglief. Was dann passierte, war klar: Er sperrte jede weitere Auszahlung.
Außerdem ließ er seine Spürhunde los. Seine speziellen Geschäftspartner, die sich darauf spezialisiert hatten, Leute zu finden, die lieber untertauchten.
Darla zweifelte keine Sekunde daran, dass sie nicht mal aus Deutschland herauskam, ohne dass Matthias es wusste.
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Flann wachte beim ersten Morgengrauen auf, gleichzeitig hörte er die leisen Schritte, die über den Schotterplatz huschten.
Neugierig, wer da so früh unterwegs war, ging er an das Wohnzimmerfenster, das zum Parkplatz hinauszeigte.
Erstaunt bemerkte er Darla, die in Joggingklamotten zügig auf die Allee zulief, die ins Dorf führte.
Ärgerlich verzog er das Gesicht, denn für ihn stand fest, dass sie jetzt mit aller Gewalt versuchte, etwas an ihrer Figur zu ändern.
Hoffentlich zerrte sie sich keinen Muskel oder verletzte sich auf eine andere Art.
Noch ehe er diesen Gedanken zu Ende gedacht hatte, war er bereits angezogen und lief ihr leise nach. Gott sei Dank konnte er auf seine Tigergene zurückgreifen.
Flann achtete darauf, dass der Abstand zwischen ihnen reichte, damit sie ihn nicht sah, falls sie sich umdrehte.
Sein Gehör war so fein, dass er sie auch hörte, wenn sie sich ein ganzes Stück vor ihm bewegte.
Sie schien gut in Form zu sein, denn sie legte einen schnellen Schritt vor, was ihn lächeln ließ. Ihm würde sie jedenfalls nicht weglaufen können.
Als sie auf den kleinen Jachthafen zuhielt, kam ihm ein bedrohlicher Gedanke. Wollte sie sich etwas antun? War der Angriff auf sie zu viel gewesen?
Eine eiskalte Hand griff nach seinem Herzen, als er bemerkte, dass sie in der Tat einen der Anlegestege betrat.
Erst als sie stehen blieb, atmete er auf.
Flann konnte sie gut verstehen, dass sie hergekommen war. Der Lough Dergh sah wunderschön aus, besonders an diesem Morgen, wo der Sonnenaufgang einen herrlichen Tag versprach.
Fast hätte man meinen können, man stünde am Meer.
Ein glückliches Lächeln machte sich auf seinem Gesicht breit, als er sich an seinen Aufenthalt hier in Terryglass erinnerte. So lange her und doch immer noch präsent in seinem Gedächtnis.
Er liebte seine Heimat und dankte Gott dafür, dass Irland an vielen Stellen nur dünn besiedelt war, denn so durfte er im Land bleiben, obwohl er nur verdammt langsam alterte.
Selbst in der heutigen Zeit gab es keine Meldepflicht, sodass er seinen Wohnsitz verlegen konnte, ohne große Probleme zu bekommen.
In seine Erinnerungen versunken bemerkte er nicht, dass Darla sich anschickte, zu der verlassenen Freizeitanlage zurückzukehren. Erst als sie den Steg bereits hinter sich gelassen hatte, verbarg er sich auf der anderen Seite des Weges in einer offenen Garage.
Aber auch die Kleine war offensichtlich tief in ihren Gedanken verstrickt.
Kurz bevor sie in die Allee einbog, die sie zu den Old Court Cottages zurückbrachte, nahm er eine Abkürzung, bei der er über mehrere Zäune springen musste. Außerdem hatte sich die Natur den ehemaligen Feldweg zurückerobert, sodass er sich durch ziemlich viel Gestrüpp kämpfte. Für ihn stellte das kein Problem dar.
Er kam wie geplant vor ihr an, daher saß er bereits in seinem Häuschen, als Matthias sie im Hof empfing.
Flann beobachtete die beiden und Wut kochte in ihm hoch. Er sollte Demmer endlich Manieren beibringen! Nur waren ihm ausgerechnet hier die Hände gebunden.
Er hörte deutlich, dass der Kerl seiner Nichte vorwarf, keine Kondition zu besitzen und nach ein paar Metern schon außer Atem zu sein. Seine Gehässigkeit verschlug sogar dem Tiger die Sprache.
Außerdem konnte er sich gut vorstellen, dass Darla jetzt mit den Tränen kämpfte, denn die Aussage, dass sie zum Himmel stank, war nicht nur gelogen, sondern mehr als demütigend.
Als krönenden Abschluss durfte sie Lebensmittel für die ganze Bande einkaufen. Flann knirschte mit den Zähnen, nahm sich aber vor, sich zurückzuhalten.
Erst als er sah, dass Demmer sich abwandte, verließ er sein Häuschen in der Absicht, Darla zu trösten, nur diese floh regelrecht in ihr Cottage.
Eine Sekunde lang sah er auf die geschlossene Tür. Angespannt überlegte er, ob er ihr nachgehen sollte, doch schnell beschloss er, ihr ein paar Augenblicke zu gönnen, in denen sie sich beruhigen konnte.
Aber sie würde heute mit ihm reden, selbst wenn er sie zwingen musste, außerdem wollte er sie dazu bringen, ihm endlich zu sagen, wer ihr die Würgemale verpasst hatte.
Um auf Touren zu kommen, ging Flann in die Küche, wo er sich seinen geliebten Pfefferminztee kochte. Ohne den Tee kam er einfach nicht in Fahrt, doch gerade in der jetzigen Situation war er gezwungen, seine Sinne beisammenzuhalten.
Gott sei Dank verschonte James ihn an dem Morgen mit seinem Gejammer.
Flann setzte sich mit dem Tee an den Küchentisch, zog sein Smartphone aus der Tasche, um in seinem Fitnessstudio anzurufen.
Er hatte das Studio mit viel Herzblut aufgebaut und sie boten auch ein Morgentraining an, sodass er einen seiner Stellvertreter jetzt erreichen konnte.
„Hallo, Dean. Ich muss dich bitten, den Laden diese Woche zu übernehmen. Ich sitze noch in Terryglass fest. Der Mann möchte mich als Privattrainer behalten.“
Er hatte seinem besten Mitarbeiter erzählt, er würde am Wochenende mit einem Touristen ein besonderes Training durchziehen. Personal Trainer waren gefragt, deshalb hatte Dean die Geschichte auf Anhieb geglaubt.
„Ist kein Problem, Boss. Hier läuft alles wie geschmiert. Sollten wir Fragen haben, gibt es Telefon. Pass gut auf deinen Schüler auf.“
Die Männer verabschiedeten sich, ehe Flann beruhigt auflegte. Ihm lag das Fitnessstudio wirklich am Herzen.
Fast hätte er jetzt die Schritte auf dem Schotter überhört, doch sein feines Gehör reagierte sofort auf das knirschende Geräusch.
Schnell sah er aus dem Fenster und konnte Darla gerade um die Ecke biegen sehen.
Dieser Mistkerl schickte sie tatsächlich zu Fuß zum Einkaufen. Was für ein Idiot.
Flann vergeudete Zeit, weil er seine Autoschlüssel suchen musste. Bei seiner Ankunft hatte er sie achtlos irgendwohin gelegt, nur wusste er jetzt natürlich nicht mehr wohin. Oder hatte James sich einen Spaß erlaubt?
Gerade als er lautstark nach dem Gespenst rufen wollte, sah er den Schlüsselbund, der unter einer Zeitung hervorlugte.
Eilig schnappte er sich die Schlüssel, rannte zu seinem Nissan Patrol, der vor der Tür stand, um Darla nachzufahren.
Sie befand sich noch auf der Allee, die zur Hauptstraße führte, was ihn ein wenig aufatmen ließ.
Flann hielt direkt neben ihr, beugte sich zur Beifahrertür rüber, um sie aufzustoßen.
„Steig ein, ich fahre dich.“
Erschrocken musterten ihn ein Paar grüne Augen, bis sie ihn erkannte.
„Danke, aber ich laufe gerne.“
Sie drehte sich um und ging weiter.
Ohne zu überlegen, sprang Flann aus dem Auto, rannte los, bis er ihr den Weg versperrte. Vorsichtig packte er sie bei den Schultern.
„Sei nicht dumm, Darla. Nur weil du verletzt bist, gibt es keinen Grund, warum du meine Hilfe ablehnen solltest.“
Eindringlich sah er ihr in die Augen, wo er genau erkannte, wie sehr sie mit ihren Gefühlen kämpfte.
„Klar, ich fahre jetzt mit dir, damit du später sagen kannst, dass ich zu faul oder zu unsportlich bin, um den Einkauf zu Fuß zu erledigen. Danke, aber nein danke. Mir reicht es, dass mein Onkel meint, mich vor allen demütigen zu müssen.“
Sie versuchte ihn abzuschütteln, nur schaffte sie das nicht.
„Bitte, Kleines, ich habe dich nie wegen deines Aussehens gedemütigt und ich werde es nie. Das verspreche ich dir. Außerdem habe ich mich für meine Äußerungen entschuldigt.“
Sanft strich er ihr eine Strähne aus dem Gesicht, anschließend löste er auch seine andere Hand von ihrer Schulter.
„Lass mich doch einfach in Ruhe. Ich eigne mich nicht als Spielzeug.“
Darlas Stimme klang erstickt, gleichzeitig füllten sich ihre wunderschönen Augen mit Tränen.
Sie hatte keine Kraft mehr, gegen alle Welt zu kämpfen. Außerdem tat die Demütigung durch ihren Onkel so verdammt weh.
Flann hob ihr Kinn mit dem Handrücken an, um sie zu zwingen, ihn anzusehen, dabei fesselte er sie mit seinem zärtlichen Blick.
„Es liegt mir fern, mit dir zu spielen, Darla. Nimm meine Hilfe an, bitte.“
Eigensinnig schüttelte sie den Kopf, während jetzt Tränen über ihre Wangen liefen.
„Wenn du mir helfen willst, dann geh mir zukünftig aus dem Weg. Mir reicht es völlig, dass Matthias mir ständig zeigt, wie sehr er mich verabscheut. Glaubst du, dass ich da auch noch scharf auf ein gebrochenes Herz bin?“
Erschrocken schlug sie die Hand vor den Mund, denn in ihrer Verzweiflung hatte sie etwas ausgeplaudert, was sie lieber für sich behalten hätte.
„Vergiss es einfach.“
Schnell drehte sie sich um, doch ehe sie einen Schritt gehen konnte, wurde sie bereits gepackt, herumgedreht und an eine breite Brust gezogen. Flanns Arme legten sich wie Stahlspangen um ihren Oberkörper.
„Ich lasse nicht zu, dass er dir weiterhin wehtut“, flüsterte er ihr zu, als er sie sanft auf den Scheitel küsste.
Darla war das Gefühlschaos genauso leid, wie die ständige Bedrohung, in der sie schwebte.
Für einen Augenblick ließ sie sich gehen, klammerte sich an den Tiger, wobei sie ihr Gesicht an seiner breiten Brust vergrub. Ihr gesamter Leib wurde vom Weinen geschüttelt, während sie krampfhaft versuchte, die Kontrolle zurückzubekommen.
„Ich bin bei dir“, raunte Flann ihr zu, gleichzeitig strich er ihr beruhigend über den Rücken.
Jetzt und hier wollte er ihr einfach nur zeigen, dass sie nicht alleine dastand. Sein Misstrauen drängte er energisch in den hintersten Winkel seines Gehirns, zumal er deutlich erkannte, dass sie ehrlich verzweifelt war.
Nach ein paar Minuten schob er sie ein kleines Stückchen von sich, hob ihr Kinn erneut an, um ihr in die Augen zu sehen.
„Pass auf, wir fahren einkaufen, anschließend frühstücken wir mit den anderen, ehe wir uns lange unterhalten. So wie es aussieht, gibt es einiges, was wir klären müssen. Okay?“
Zaghaft stimmte Darla zu.
„Wenn du das wirklich willst, gerne. Aber solltest du von meiner Heulerei abgestoßen sein, verstehe ich es.“
Sie wischte sich energisch über das Gesicht, zog die Nase hoch und hielt seinem Blick stand, bevor sie tief durchatmete.
Flann sah deutlich, dass sie versuchte, mit Gewalt die Kontrolle zurückzubekommen, was ihn leise lachen ließ.
„Ich werde dir abgewöhnen, mir vorzuspielen, dass alles in Ordnung ist, mein kleiner Sturkopf“, murmelte er, während er sie nachdrücklich zur Beifahrertür schob.
Galant öffnete er die Tür, half ihr beim Einsteigen, anschließend setzte er sich hinter das Steuer.
„Wieso bist du mir nachgefahren?“
Darla schaffte es nicht länger, die Frage zurückzuhalten. Die Hoffnung, dass er doch etwas für sie empfand, wuchs von Minute zu Minute, aber sie weigerte sich, an ihre Träumereien zu glauben.
„Ich habe mitbekommen, wie ungerecht Demmer dich behandelt hat, da dachte ich, dass du Hilfe brauchen kannst. Außerdem habe ich mir Sorgen gemacht, dass du dich verletzen könntest. Du warst heute Morgen bereits am Jachthafen ...“
Schnell brach er ab, denn dass er ihr hinterhergerannt war, wollte er ihr gar nicht auf die Nase binden.
„Wieso weißt du, dass ich am Hafen war?“
Misstrauisch musterte sie ihn von der Seite aus. Hatte ihr Onkel ihn jetzt etwa auf sie angesetzt?
„Ich habe einen leichten Schlaf, deshalb bin ich aufgewacht, als du über den Schotterplatz gelaufen bist. Ich hatte Angst, dass dir etwas passiert“, gab er leise zu.
Irritiert schüttelte Darla den Kopf.
„Aber ich habe dich gar nicht bemerkt.“
Angestrengt dachte sie nach, ob sie vielleicht wenigstens ein Geräusch gehört hatte oder irgendetwas, was auf Flann hingedeutet hätte.
„Wenn ich vermeiden will, dass man mich sieht, kann ich mich regelrecht unsichtbar machen. Außerdem warst du so in deine Gedanken vertieft, dass es für mich kein Problem dargestellt hat, dir unbemerkt zu folgen.“
Flann parkte den Patrol vor dem kleinen Einkaufsladen.
Ehe Darla auch nur die Tür öffnen konnte, war er schon zur Stelle, half ihr beim Aussteigen, anschließend gingen sie in den Laden.
Gemeinsam suchten sie die Sachen für das Frühstück zusammen, kurz darauf bezahlte sie, bevor sie zurück zu der Ferienanlage fuhren.
„Kommst du später zu mir? Oder möchtest du dich lieber an der alten Burg mit mir treffen?“
Flann sah sie an, als er auf die Allee abbog, die sie zu Demmer zurückbrachte.
„Ich bin unsicher, ob ich das Risiko, erneut auf die Schnauze zu fallen, wirklich eingehen soll. Die letzten Tage haben mich vorsichtig werden lassen.“
Traurig sah sie ihn an, dabei bemerkte er deutlich, dass sie ihm gerne vertrauen würde.
Automatisch verlangsamte er das Tempo, da er keinesfalls ankommen wollte, ehe sie ihm nicht versprochen hatte, dass sie sich aussprachen.
„Was hast du denn zu verlieren? So wie ich es sehe, macht Demmer dir das Leben zur Hölle. Du hast Gefühle für mich, die du kaum auf Knopfdruck loswirst. Thorsten wird sich auch wieder an dich heranmachen. Wäre es da nicht gut, dass es wenigstens eine Person gibt, die dich auffängt?“
Darla seufzte leise, da sie ihm in allen Punkten recht geben musste.
„Stimmt, nur was passiert mit mir, wenn ich dir vertraue und bemerke, dass mein Onkel dich auf mich angesetzt hat? Oder ich stelle fest, dass du dir mit mir nur einen Spaß erlaubst, in Wirklichkeit aber lieber mit jemandem wie Gina zusammen bist?“
Es kam ihr kindisch vor, ihre Gefühle zu leugnen, zumal sie sich selbst bereits verplappert hatte.
Flann stoppte mitten auf dem Weg, zwang sie, ihm in die Augen zu sehen, während er langsam den Kopf schüttelte.
„Wie kommst du darauf, dass ich es auch nur in Betracht ziehe, mit Gina eine Beziehung anzufangen? Sie ist ein nettes Mädchen, doch keine Frau, die ich an meiner Seite haben möchte. Es gehörte zur Show, dass ich mit ihr ins Bett gestiegen bin, wie du genau weißt.“
Darla wollte widersprechen, aber er legte ihr schnell einen Finger auf die Lippen.
„Wag es nicht, mich anzulügen, ich warne dich. Lass uns später in Ruhe reden.“
Zaghaft stimmte sie zu. Es war höchste Zeit, dass sie sich gründlich unterhielten, zumal Flann annahm, dass sie in die gesamten dunklen Machenschaften ihres Onkels eingeweiht war.
„Gut, ich komme zu dir, sobald ich weiß, ob Matthias mich noch braucht“, gab sie leise nach.
Zufrieden brummte der Tiger vor sich hin, gleichzeitig fuhr er das letzte Stückchen bis zu dem Parkplatz.
„Braves Mädchen“, murmelte er, dabei entging es ihm natürlich nicht, dass Darla wütend das Gesicht verzog.
„Ich bin kein kleines Kind mehr!“, fauchte sie.
Gleichmütig nickte er, parkte den Wagen, bevor er sich ihr zuwandte.
„Das habe ich bereits mehrfach bemerkt. Aber du bist mein Mädchen.“
Damit küsste er sie schnell auf die Lippen, anschließend half er ihr, die Lebensmittel in das Haupthaus zu tragen.
„Oh, der Retter auf dem weißen Pferd. Hast du Angst, dass sie mit ihrem Gewicht einen Herzinfarkt bekommt?“, rief Demmer ihnen entgegen, als sie einen Raum betraten, den man als Speisesaal hergerichtet hatte.
Darla zuckte merklich zusammen, bemühte sich allerdings, sich nicht anmerken zu lassen, wie sehr sie die Worte ihres Onkels trafen.
Flann nahm die erneute Attacke keineswegs auf die leichte Schulter. Mit einem grimmigen Blick stellte er die Lebensmittel ab, anschließend ging er auf den Mistkerl zu.
Ehe Demmer sich versehen hatte, packte der Tiger ihn am Kragen, schob ihn durch den Raum, bis er mit dem Rücken gegen die Wand prallte. Jetzt hob er ihn am Hals hoch, gleichzeitig drückte er ihn an die weißen Steine.
„Pass gut auf, was ich dir zu sagen habe. Mir ist es egal, wenn du versuchst, mich zu demütigen. Tob dich ruhig auf meine Kosten aus, aber wag es nie wieder, Darla zu beleidigen. Verstanden? Es könnte sonst sein, dass ich unsere Abmachung vergesse.“
Ohne auf eine Erwiderung zu warten, ließ er den Mann einfach fallen.
„Das wirst du büßen, Tigermann. Beim nächsten Kampf stirbst du“, drohte Demmer heiser, gleichzeitig rieb er sich über den Hals.
Sofort stand Flann über ihm.
„Du wagst es, mir zu drohen? Wer holt denn die Kohle für dich rein? Glaubst du, ich weiß nicht, dass du bisher keinen passenden Ersatz für mich gefunden hast?“
Natürlich spielte er hier mit seinem Leben, aber das war ihm im Augenblick egal.
Demmer hielt sich zurück, nur in seinen Augen sah man die ungezügelte Wut, die in ihm brannte. Dummerweise hatte Flann recht: Es würde ihn seine Kunden kosten, ihn zu beseitigen.
Der Tiger brachte ihm enorm viel Geld ein, außerdem liebten seine Kunden ihn, deshalb konnte er ihn niemals von der Angel lassen.
„Vielleicht hilft es, dich an deine Mutter zu erinnern oder willst du, dass ich ihr einen Besuch abstatte?“
Die Drohung flüsterte Matthias nur, damit ihn niemand hörte, allerdings war er sich sicher, dass Flann jedes Wort mitbekommen hatte.
„Das wagst du nicht, wenn du an deinem Leben hängst. Ich mache dich kalt, sollte ihr auch nur ein Haar gekrümmt werden.“
Versöhnlich hob Demmer die Hände.
„Nichts liegt mir ferner. Lass uns frühstücken und das Missverständnis vergessen.“
Mit einem falschen Lächeln deutete er auf den Tisch, wo jetzt alles bereitstand, damit sie etwas essen konnten.
Darla sah von einem zum anderen, gleichzeitig las Flann in ihrem Blick, dass sie sich vor ihrem Onkel fürchtete.
Schnell legte er einen Arm um ihre Schultern, führte sie zu einem Platz, ehe er sich neben sie setzte.
„Keine Angst, ich halte meine Versprechen. Er wird dir nichts tun“, flüsterte er ihr so zu, dass niemand sonst ihn verstand.
Spöttisch lachte sie auf, dabei sah sie stur auf Matthias.
„Und was, wenn ich zurück nach Deutschland muss, du Held? Dann bin ich ihm wieder ausgeliefert.“
Dafür mussten sie eine Lösung finden, darin stimmte er mit ihr überein, allerdings sollten sie dazu ungestört sein.
„Wir besprechen das später.“
Darla verzichtete darauf, ihm zu widersprechen, weil es nichts nutzte und ihr nur die unliebsame Aufmerksamkeit ihres Onkels einbrachte.
Schweigend widmete sie sich ihrem Frühstück, während Thorsten sich lautstark mit einigen anderen unterhielt. Es ging um die widerlichen Kämpfe, die er angeberisch analysierte, als ob es sich um ein faires, sportliches Ereignis gehandelt hätte.
Plötzlich wandte er sich ihr zu.
„Wie sieht es aus, Darla, sollen wir uns heute mal ein wenig im Dorf umsehen? Wir könnten ein Eis essen oder rüber nach Portumna fahren, um uns die Ruinen des alten Klosters anzusehen.“
Die junge Frau verschluckte sich an ihrem Brot, denn mit so einer Einladung von dem Schleimbeutel hätte sie nie gerechnet.
„Du kannst gehen, mit wem du willst, Darla bleibt an ihrem Arbeitsplatz. Sie ist kaum mitgekommen, um die Touristin zu spielen. Solange die Computer funktionieren, wird sie genug zu tun haben. Immerhin bezahle ich sie hauptsächlich für ihre Leistungen als Programmiererin“, mischte sich Demmer ein, dabei bedachte er seine Nichte mit einem hämischen Lächeln.
„Oder hast du geglaubt, dass du deine Aufgaben hier vernachlässigen kannst? Das Programm für die Katalogisierung der Kämpfer ist noch immer nicht fertig.“
Resignierend nickte sie, was sollte sie auch sonst tun? Auf einen neuerlichen Streit mit Matthias konnte sie gerne verzichten. Bei dem Gedanken griff sie sich verlegen an den Hals. Ein Seidenschal verdeckte jetzt die Würgemale, doch sie erinnerte sich zu gut daran, wie die Finger ihres Onkels zugedrückt hatten.
Als alle satt waren, verließen sie den improvisierten Speisesaal, wobei sie es Darla überließen, den Tisch abzuräumen und für Ordnung zu sorgen. Selbst Demmer ging, ohne sich um irgendetwas zu kümmern. Anscheinend hielt er ihre Hausfrauenpflichten für wichtiger als das Programmieren.
Mürrisch stellte sie die Teller zusammen, als Flann neben ihr auftauchte.
„Komm, ich helfe dir, dann geht es schneller.“
Lächelnd nahm er ihr den Stapel aus der Hand, um ihn in die Küche zu bringen, wo er die Sachen in die Spülmaschine räumte.
Die restlichen Lebensmittel verstauten sie im Kühlschrank, den jemand aufgestellt hatte, denn er funktionierte einwandfrei.
„Ich muss gehen, sonst wird er wieder wütend“, erklärte Darla leise, als sie alles abgeräumt hatten.
„Wir sehen uns heute Abend.“
Flann strich ihr liebevoll über die Wange, ehe sie fast schon fluchtartig den Raum verließ. Nachdenklich sah er ihr hinterher.
Sie mussten unbedingt miteinander sprechen, damit er herausfinden konnte, was genau für ein Spiel hier gespielt wurde. Außerdem wollte er sie in seiner Nähe haben, egal, ob das jetzt klug oder dumm war.
Mit einem Lächeln im Gesicht, weil er endlich eine Entscheidung getroffen hatte, lief er zu seinem Ferienhaus rüber, wo er sich Sportklamotten anzog, um sein Trainingsprogramm durchzuziehen.
Natürlich besaß er als Tiger einige Vorteile, aber er sollte darauf achten, in Form zu bleiben, sonst wirkte sich das auch auf seine Tierform aus. Also trabte er langsam los, denn ein Lauf von ein paar Kilometern tat seiner Kondition gut, zumal er gelernt hatte, besser in seiner menschlichen Gestalt zu joggen.
~~°~~
Darla ging in den Raum, in dem sie die Aufzeichnungen der Kämpfe überwacht hatte, um sich die Programmierung der Datenbank vorzunehmen. So ganz stimmte das nicht, denn sie hatte schon in Deutschland mit dem Auftrag angefangen, somit war es keine Beschäftigung für die gesamte Woche.
Gott sei Dank hatte sie ihren Laptop auch mitgenommen, sodass sie an ihrer bisherigen Arbeit weitermachen konnte. Eine so brisante Aufgabe wollte sie keinesfalls über Teamviewer, einem Programm, mit dem sie auf ihren PC zu Hause zugriff, erledigen. Ihr Onkel drehte ihr den Hals um, wenn sie sich auf ein so unsicheres Tool verließ.
Einen Moment dachte sie an Flann, aus dem sie einfach nicht schlau wurde. Meinte er es wirklich ernst? Und durfte sie sich auf ihn einlassen, obwohl sie wusste, dass Matthias plante, ihn als Druckmittel einzusetzen?
Eine Tür, die irgendwo zuschlug, erinnerte sie daran, dass sie sich besser an die Arbeit machen sollte. Auf keinen Fall wollte sie riskieren, erneut Prügel zu beziehen.
Schnell klappte sie ihren Laptop auf, der neben dem Übertragungscomputer stand, und öffnete das entsprechende Dokument.
Es war keine schwierige Aufgabe, ein Programm zu schreiben, mit dem man sich die Daten der Kämpfer anzeigen ließ. Sie hätten natürlich auch eins kaufen können, aber Matthias ging lieber auf Nummer sicher, denn wenn Darla ihm die benötigten Sachen programmierte, wusste er, dass keine Dateien unerlaubt weitergeleitet wurden.
Ein hinterlistiges Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie daran dachte, dass sie ohne große Probleme eine Kopie der eingegebenen Datensätze anlegen könnte. Nur traute sie sich das nicht. Mittlerweile hatte sie erkannt, wie gefährlich ihr Onkel war.
Die Tür ging auf und Thorsten kam in den Raum.
„Ich soll nachsehen, ob du arbeitest oder dich mit dem Tigermann vergnügst“, bemerkte er leise, dabei sah er sich vorsichtig um.
Genervt drehte Darla sich zu ihm.
„So eine blöde Ausrede ist mir noch nie untergekommen. Hältst du mich für völlig unterbelichtet?“
Kalt sah sie den kleinen Mann an, der sich sichtlich unwohl fühlte.
„Ehrlich, Darla, Matthias schickt mich.“
Einen Augenblick musterte sie ihn, ehe sie sich wieder ihrer Arbeit zuwandte.
„Dann hast du ja jetzt deinen Auftrag erledigt und kannst mich in Ruhe lassen. Wobei ich dir kein Wort glaube. Mein Onkel gibt einen Befehl, anschließend erwartet er, dass man ihn ausführt. Besonders, was mich angeht, wird er keine Bestätigung brauchen.“
Sie sprach, ohne sich nach ihm umzusehen, was sich als großer Fehler erwies, denn gerade, als sie ihren Satz beendet hatte, legten sich seine Hände auf ihre Schultern.
„Ist es so schlimm, dass ich Sehnsucht nach dir hatte, Babe? Ich wusste nicht, wie du reagierst, deshalb habe ich mir diese Ausrede einfallen lassen.“
Vorsichtig massierte er sie, was ihr mehr als unangenehm war. Schnell drehte sie sich wieder zu ihm, sodass er seine Finger von ihr nehmen musste.
„Nimm die Griffel weg, sonst hack ich sie dir ab. Ich bin keine der Nutten! Wenn du Druck hast, geh zu den Wohnwagen rüber“, fauchte sie ihn an, dabei wurde ihr schmerzlich bewusst, dass Flann sie dieses Mal kaum retten konnte.
„Ist dir das Tier wirklich lieber? Das will ich nicht glauben. Er hat dich eingeschüchtert, richtig? Der Wichser erpresst dich!“
Thorsten steigerte sich immer mehr in seine angebliche Antwort hinein, sodass Darla aufstand, um ihm eine harte Ohrfeige zu geben.
Es klatschte, anschließend sah der Mann sie entsetzt an.
„Kannst du wieder klar denken? Oder brauchst du noch eine? Ich werde weder erpresst noch unter Druck gesetzt. Ich mag dich einfach nicht. Du bist der Speichellecker meines Onkels und jetzt verpiss dich.“
Auffordernd deutete sie mit dem Kopf zur Tür, dabei hoffte sie, dass sie Thorsten auf diese Weise aus dem Raum bekam.
Ein fieses Grinsen erschien auf seinem Gesicht, als er sie musterte, was ihr ein ungutes Gefühl bescherte.
Bevor er sich bewegte, wusste sie, dass sie sich zu einer Tat hatte hinreißen lassen, die sie besser überdacht hätte.
Hart packte der Kerl sie an den Oberarmen, um sie zu sich zu ziehen. Leider war er stärker als sie, sodass sie sich kurz darauf in seiner Umarmung gefangen sah.
„Wenn du von dem Monster so begeistert bist, wird es Zeit, dass du einen echten Mann kennenlernst. Ich zeige dir, dass es für dich gesünder ist, dich mir unterzuordnen.“
Ohne auf ihre Gegenwehr zu achten, presste er seine Lippen auf ihre und drängte seine Zunge in ihren Mund.
Darla fand seine Zudringlichkeit einfach nur widerlich, außerdem schmeckte er, als ob er sich mindestens eine Woche nicht die Zähne geputzt hätte.
Mehr wütend als ängstlich versuchte sie, ihn von sich zu drücken, aber er gab keinen Millimeter nach. Als sie den Kopf schüttelte, um ihn zu stoppen, packte er in ihre Haare, wobei sie das Gefühl hatte, er wollte ihr eine Glatze verpassen.
Jetzt wurde es ihr zu viel, deshalb biss sie zu, woraufhin Thorsten sofort von ihr abließ, doch ehe sie sich ducken konnte, knallte seine Hand auf ihre Wange.
„Du Miststück“, schrie er, dabei lispelte er, weil sie ziemlich hart zugebissen hatte.
„Raus hier, ehe ich mich vergesse und einen gepflegten Tritt in deine Kronjuwelen platziere“, rief sie mindestens genauso laut.
Darla hatte die Hoffnung, dass irgendjemand sie hörte und diesen Wicht aus dem provisorischen Büro schaffte, leider ließ sich niemand blicken.
„Du denkst, dass dein Onkel dir zu Hilfe eilt?“
Höhnisch schüttelte Thorsten den Kopf.
„Ich bin seine rechte Hand, der Mann, auf den er sich immer verlässt. Glaub mir, er wird höchst erfreut darüber sein, dass wir ein Paar sind. Also hör auf, dich zu wehren.“
Vorsichtig kam er wieder auf sie zu, doch Darla wich ihm geschickt aus, platzierte den Drehstuhl so, dass er sie nicht packen konnte.
„Niemals! Hörst du? Ich gehe unter keinen Umständen mit dir ins Bett, eher werde ich lesbisch!“
Ihre Stimme überschlug sich fast, als sie ihm die Beleidigung ins Gesicht kreischte, aber sie hatte immer noch die Hoffnung, dass wenigstens Flann sie hörte.
Er würde ihr helfen, ganz bestimmt. Oder hatte er ihr etwas vorgespielt? Verzweifelt huschte ihr Blick zur Tür, doch niemand stürmte in den Raum.
„Hoffst du, dass der Tigermann dich vor mir beschützt? Darauf kannst du lange warten. Der hat viel bessere Frauen zur Verfügung. Die Nutten deines Onkels sind ausgezeichnet, schlank, hübsch und ausdauernd.“
Spöttisch lehnte er sich gegen die Tür, sodass ihr kein Ausweg mehr blieb.
„Was weißt du schon? Pack mich an und du wirst herausfinden, was Flann mit dir macht. Oder glaubst du wirklich, dass es eine leere Versprechung war, als er dir empfohlen hat, mich in Ruhe zu lassen?“
Sie musste dieses Schauspiel jetzt aufrechterhalten, um ihn irgendwie einzuschüchtern. Die Alternative, dass er sie in sein Bett zwang, wollte sie sich nicht mal vorstellen.
„Er ist aber nicht hier. Wusstest du, dass er ein so ausgezeichnetes Gehör hat, dass er dich hört, sobald du schreist? Sogar, wenn er in seinem Ferienhaus sitzt, ist das für ihn kein Problem. Wieso bleibt er also in dem schäbigen kleinen Häuschen, anstatt dich zu retten?“
Thorsten ließ die gehässigen Worte so im Raum stehen, damit Darla sich selbst die Antwort gab.
So wie es aussah, war es dem Tiger wirklich egal, dass dieses Ekelpaket sich ihr aufdrängte.
Fast schon panisch überlegte sie, was sie tun konnte, um sich in Sicherheit zu bringen, als es an der Tür klopfte.
„Darla, alles in Ordnung?“
Die geliebte Stimme ließ sie aufatmen, aber Thorsten grinste weiterhin, als er ihr den Schlüssel zeigte, den er in der Hand hielt.
„Du bist hier unerwünscht, Tigermann. Wir vergnügen uns nur ein bisschen“, antwortete der Mistkerl mit einem hämischen Lachen.
„Darla? Sag mir, dass ich gehen soll, sonst komme ich rein.“
Während der Lakai ihres Onkels leise knurrte, atmete sie auf.
„Hilf mir, Flann, bitte“, schrie sie, ehe ihr Widersacher ahnte, was sie plante.
„Weg von der Tür“, ertönte der Befehl des Tigers, kurz darauf wurde Thorsten in den Raum katapultiert, als Flann die Tür kurzerhand auftrat.
Ehe der Mann gegen die PCs fiel, riss ihn eine Hand herum und packte seine Kehle.
Der Gestaltwandler hob ihn leicht an, drehte sich mit ihm, sodass er ihn an die Wand drücken konnte.
„Ich erinnere mich, dass ich dir eine Empfehlung gab, was Darla angeht. Schade, dass du ein so kurzes Gedächtnis hast.“
Thorsten klammerte sich mit beiden Händen an den Unterarm seines Gegners, während er verzweifelt um seine Freiheit kämpfte.
„Ich dachte, du seist joggen“, brachte die kleine Ratte hervor.
Grimmig nickte Flann.
„Ja, das hatte ich in der Tat vor, aber ich habe mein Handy vergessen und ich laufe nie ohne, für den Fall, dass ich Hilfe brauche. Auch ich kann umknicken oder mich überschätzen. Deshalb bin ich zurückgekommen, dein Pech, dass ich Darlas Schreie gehört habe.“
Bei den Worten atmete die junge Frau auf, die mittlerweile auf einen Stuhl am anderen Ende des Zimmers gesunken war.
„Vielleicht sollte ich dich einfach im Lough Dergh ertränken, dann wäre die Welt ein besserer Ort“, überlegte Flann laut.
Thorstens Augen weiteten sich, gleichzeitig schüttelte er panisch den Kopf.
„Das darfst du nicht! Matthias wird dich zur Rechenschaft ziehen“, brachte er heraus, doch man sah deutlich die Panik in seinem Blick.
„Ich darf so vieles nicht, du Ratte. Aber ich werde dich am Leben lassen. Scher dich hier raus, ehe du wieder die Kontrolle über deine Blase verlierst.“
Angewidert ließ Flann ihn los, sodass er hektisch nach Luft schnappte und direkt einen Schritt auf Darla zu machte.
„Hau ab oder soll ich dir Beine machen?“
Drohend ging der Tiger auf ihn zu, was den Idioten dazu brachte, den Raum schnellstens zu verlassen.
„Gott sei Dank hat er sich nicht wieder eingepinkelt“, bemerkte der Flann leise, als er langsam auf Darla zuging.
„Hat er dir etwas getan, mein Mädchen?“
Besorgt musterte er sie, konnte aber, außer der geröteten Wange, keine Verletzung feststellen, was ihn ein bisschen beruhigte.
„Nein, du bist gerade rechtzeitig gekommen“, flüsterte sie, anschließend schluckte sie schwer.
Flann streckte ihr seine Hand entgegen.
„Komm zu mir, kleiner Sturkopf“, murmelte er liebevoll.
Er wollte sie keinesfalls noch mehr erschrecken, deshalb ließ er ihr die Wahl, ob sie zu ihm kam oder lieber auf Abstand blieb. Auf diese Weise verhinderte er auch, dass sie in Panik verfiel.
Darla überlegte nicht lange, sondern sprang auf, um seine Hand zu umklammern.
Aufatmend zog er sie an sich, legte beschützend beide Arme um sie, während sie ihr Gesicht an seiner breiten Brust vergrub.
Sanft strich er ihr über den Rücken, gleichzeitig spürte er, dass ihr Körper vor unterdrücktem Weinen bebte.
„Ich lasse dich nicht im Stich, meine Kleine“, flüsterte er ihr zu, was dazu führte, dass sie sich enger an ihn presste.
Einen Moment gab er ihr, ehe er sie auf seine Arme hob, um sie in sein Ferienhaus zu tragen. Auf gar keinen Fall ließ er zu, dass so eine Ratte wie Thorsten sich ihr noch einmal auf diese Weise näherte.
Als sie den Schotterplatz vor dem Rezeptionsgebäude betraten, hob sie den Kopf.
„Bitte, ich muss zurück. Mein Onkel bringt mich um, wenn er den Eindruck hat, dass ich meine Pflichten vernachlässige“, flüsterte sie.
Flann blieb kurz stehen, sah ihr in die Augen, die ihn anflehten, sie nicht alleine zu lassen.
„Wird er nicht, denn du arbeitest bei mir. Ich bringe dich in das Ferienhaus, anschließend hole ich deinen Laptop und was du sonst so brauchst. Ich sage Matthias auch gerne Bescheid, dass du bei mir bist.“
Ohne ihre Antwort abzuwarten, lief er weiter, stoppte erst, als er sie auf der Couch in dem Häuschen abgesetzt hatte, das ihm zur Verfügung stand.
Dankbar lächelte Darla ihm zu, bevor sie verlegen mit der Hand über ihr Gesicht wischte.
Flann ging aus dem Zimmer, kam aber kurz darauf mit einem Päckchen Taschentücher wieder.
„Was brauchst du von drüben?“, wollte er sanft wissen.
Sie putzte sich die Nase, ehe sie ihm antwortete. Einen Augenblick überlegte sie, ob sie auf das Angebot wirklich eingehen sollte. Wobei es sich ja nicht mal um einen Vorschlag handelte. Flann hatte sie einfach so in Sicherheit gebracht.
Aber war das nicht genau das, was sie sich immer gewünscht hatte? Jemand, der sie beschützte, ohne groß zu fragen?
„Mir reichen der Laptop mit dem Ladekabel, ein Block und ein Stift. Danke.“
Mit einem Lächeln, das ihm direkt ins Herz fuhr, sah sie ihn an.
Flann küsste sie liebevoll auf die Stirn, ehe er sie eindringlich ansah.
„Du bleibst bei mir, das ist keinesfalls verhandelbar, klar? Ich rede mit deinem Onkel, anschließend hole ich, was du brauchst. Sollte Thorsten hier erscheinen, ruf nach mir. Ich höre dich auf jeden Fall.“
Ohne auf ihre Antwort zu warten, drehte er sich um und verließ das Wohnzimmer, um sich auf die Suche nach Demmer zu machen.
Er bezweifelte, dass eine weitere Drohung Wirkung zeigte, aber der Mistkerl hatte ihm ja freigestellt, etwas mit seiner Nichte anzufangen, zumindest klang es so.
Schnell lief Flann zu Matthias Büro, wo er bereits die Stimme von Thorsten hörte, die sich weinerlich beschwerte, dass er ihn angegriffen hatte.