Kapitel 6 - Erste Schritte
Sie fuhren das kurze Stück nach Portumna, um im Supermarkt für die kommenden Tage einzukaufen.
„Sollen wir auch etwas zum Frühstücken besorgen? Oder möchtest du lieber mit den anderen essen?“
Flann würde ihr in diesem Fall keine Vorschriften machen. Vielleicht war es sogar ganz gut, wenn sie zumindest einmal täglich mit ihrem Onkel zusammentrafen.
„Meinst du, Matthias lässt zu, dass ich mich so sehr abschotte? Ich rechne damit, dass er heute Abend rüberkommt, um mich zu holen. Er erträgt es nicht, dass er keinerlei Kontrolle ausüben kann.“
Sie wollte bereits mit dem Einkaufswagen zur Kasse gehen, als Flann sie zurückhielt.
„Mir ist völlig egal, was Demmer will. Es geht nur um deine Meinung. Sehe ich es richtig, dass du auf die Gesellschaft deines Onkels verzichten möchtest?“
Zaghaft nickte Darla. Am liebsten wäre sie mit ihrem Tiger ans andere Ende der Welt geflohen, aber das nutzte ja nichts. Sie wusste, dass er einen Minisender in seiner Nackenmuskulatur hatte.
Matthias würde sie überall finden, solange sie mit Flann zusammen war.
„Gut, dann lass uns etwas zum Frühstücken einpacken.“
Mit den Worten riss er sie aus ihren Gedanken.
„Meinst du, dass das eine clevere Entscheidung ist? Ich möchte verhindern, jeden Morgen mit meinem Onkel zu streiten. Vielleicht ist es besser, ein wenig einzulenken?“
Unsicher wartete sie auf seine Antwort.
„Ich sehe nicht ein, warum es nach Demmers Willen gehen sollte. Glaub mir, ich habe zwar keine Macht über ihn, trotzdem kann ich mich in gewissen Grenzen wehren.“
Lächelnd legte er eine Packung Toastbrot, Butter, Marmelade und Käse zu den anderen Lebensmitteln. Anschließend gingen sie zur Kasse.
„Ich zahle, keine Widerrede.“
Es fiel Darla schwer, ihn bezahlen zu lassen, aber sie gab seufzend nach, besonders weil sie vor der Kassiererin keine Szene machen wollte.
Schnell packten sie ihre Sachen ins Auto, bevor sie sich auf den Rückweg machten.
Auch dieses Mal stand Demmer auf dem Schotterplatz, um sie zu begrüßen. Durch den Peilsender, den Flann trug, wusste er natürlich, wann der Tiger sich wo aufhielt.
„Wie ich sehe, hast du deine Vorräte schon mal aufgestockt, um der Gefräßigkeit meiner Nichte gerecht zu werden.“
Matthias deutete auf die Einkaufstüten, die sie gerade aus dem Kofferraum hoben.
„Was willst du? Oder ist dir einfach nur langweilig?“
Flann drehte sich so, dass er mit seinem Körper Darla verdeckte. Eventuell richtete sich Demmers Bösartigkeit so auf ihn.
„Ich wollte nur mal sehen, wo ihr euch rumgetrieben habt. Aber ich hätte es mir ja denken können. Außerdem soll Darla später etwas in Paddys Bar and Restaurant
bestellen. Doch vielleicht möchte sie lieber für uns alle kochen? Eingekauft habt ihr ja genug.“
Matthias versuchte, den Tiger offensichtlich zu provozieren, doch der sah ihn nur abschätzig an.
„Sie wird weder das eine noch das andere tun. Irgendeiner deiner Speichellecker kann das bestimmt übernehmen. Oder fehlt ihnen auch dazu der Grips? Du hast zugestimmt, dass sie diese Woche freihat. Muss ich annehmen, dass dein Wort nichts wert ist?“
Mit dem letzten Satz spielte Flann einen Trumpf aus, mit dem er nur gewinnen konnte.
Fluchend wandte Demmer sich um und ging zurück in das zerfallende Rezeptionsgebäude.
Aufatmend drehte der Tiger sich zu seinem Mädchen um, die erst jetzt erleichtert den Atem ausstieß.
„Geht doch“, murmelte er, anschließend brachten sie die Lebensmittel ins Haus.
„Worauf hast du denn Lust?“, wollte Flann wissen, als alles verstaut war.
Darla lächelte ihn gewinnend an.
„Lass uns etwas Zeit sparen und wir gehen schnell meine Tabuliste durch“, schlug sie vor, dabei sah sie aus, als ob sie kein Wässerchen trüben könnte.
Als der Tiger sie mit einem hintergründigen Lächeln betrachtete, zweifelte sie allerdings, dass ihr Vorschlag so gut gewesen war.
„Wenn du das wirklich möchtest, gerne. Ich bin gespannt, was du als No-Go definiert hast.“
Er setzte sich auf einen Küchenstuhl, anschließend wartete er, bis Darla sich einen Stift und ihren Schreibblock geholt hatte. Dummerweise gab es nur den Drucker, den Matthias für die Wettscheine brauchte, nur würde sie den ganz bestimmt nicht für ihre privaten Dinge benutzen.
Mit einem tiefen Atemzug fing sie an, ihre Tabus aufzuschreiben, dabei dachte sie gründlich nach, weil sie auf keinen Fall eine unangebrachte Praktik übersehen wollte.
Nach einer Viertelstunde schob sie ihm den Block hin.
„Ich hoffe, ich habe alles“, bemerkte sie nervös.
Der Tiger strich ihr leicht über die Wange.
„Du darfst die Liste jederzeit ändern. Es wäre dumm, etwas so Wichtiges einmalig festlegen zu wollen. Solltest du also merken, dass du einen Punkt vergessen hast oder in einer Session feststellen, dass es dir zu viel abverlangt, fügst du es der Tabuliste einfach zu. Genauso kann es passieren, dass du was ausprobieren möchtest, das für dich jetzt noch nicht infrage kommt.“
Bei den Worten atmete sie erleichtert auf, gleichzeitig lächelte sie ihren Liebsten dankbar an.
„Bleibende Schäden, da stimme ich dir absolut zu. Die stehen auch auf meiner Liste“, bemerkte Flann zu ihrem ersten No-Go.
„Analfisting, Cutting, Branding, alles, was ins Klo gehört, Vorführung, Weitergabe jeder Art“, las er leise vor, wobei er ihren Tabus insgeheim zustimmte.
Er war weit davon entfernt, seine Kleine anderen zu überlassen oder sie vorzuführen, genauso wenig mochte er Spiele mit Urin oder Ähnlichem.
Beim letzten Punkt stutzte er.
„Tiersex?“
Offen sah er sie an, gleichzeitig schmunzelte er leicht.
„Heißt das, dass du keinen Sex mit mir haben willst? Immerhin bin ich gewissermaßen ein Tier.“
Sofort schüttelte Darla heftig den Kopf, dabei lief sie rot an.
„Natürlich meine ich echte Tiere. Hunde, Katzen, Pferde zum Beispiel. Ich habe Verschiedenes in dem Bereich gelesen und finde es inakzeptabel.“
Flann liebte es, dass er sie mit einer gezielten Frage dermaßen in Verlegenheit bringen konnte.
„Keine Sorge, ich lehne es genauso ab. Darüber hinaus verspreche ich dir, dass ich in meiner menschlichen Gestalt bleibe, sobald wir uns auf diese Weise miteinander beschäftigen.“
Wütend starrte Darla ihn jetzt an.
„Du hast mich auf den Arm genommen“, warf sie ihm vor, doch er zuckte nur leicht mit den Schultern.
„Die Steilvorlage konnte ich mir keineswegs entgehen lassen. Außerdem liebe ich es, wenn deine Wangen sich so herrlich rot färben.“
„Mistkerl“, fauchte sie.
Flann war sofort bei ihr, packte ihr fest in die Haare und zog ihren Kopf nach hinten, sodass sie ihn von unten herauf ansehen musste.
„Ich denke, ich habe mich verhört, oder? Hast du mich gerade beschimpft?“
Sein Blick war steinhart, was Darla schlucken ließ. Natürlich dachte sie in dem Augenblick besonders daran, dass sie sich bereits eine Bestrafung eingebrockt hatte, trotzdem wich sie keinen Millimeter zurück. Sie konnte Ungerechtigkeit absolut nicht ertragen.
„Doch, weil du es völlig verdient hast. Du hast mich komplett vor die Wand laufen lassen.“
Trügerisch sanft schüttelte er den Kopf.
„Nein, das würde ich nie tun. Ich fange dich kurz vorher ab, ehe du dir wirklich wehtust. Allerdings scheinst du deine Strafe erhöhen zu wollen. Oder wie soll ich dein Verhalten jetzt deuten?“
Darla fühlte deutlich, dass es in ihrem Unterleib verlangend zog, was besonders an seinem Griff lag, der fest genug war, um sie in Position zu halten, ihr aber nicht wehtat.
„Du kannst mich auch einfach bitten, dir zu zeigen, wie es sich anfühlt, wenn man seinen Platz gezeigt bekommt“, schlug er süffisant vor.
Sofort kniff sie die Lippen aufeinander, damit ihr bloß keine Antwort entschlüpfte, die er als solche Bitte auffassen konnte.
„Nein? Gut, dann war es wohl wirklich eine Entgleisung von dir. Du wirst die Konsequenzen morgen Abend spüren.“
Liebevoll lächelte er sie an, wobei es in seinen Augen aufblitzte. Seine Kleine würde lernen, sich zu zügeln, aber auch, dass sie sich vollkommen auf ihn verlassen durfte. Selbst bei einer Strafe achtete er darauf, ihr niemals zu schaden.
An Darlas Mimik konnte er problemlos ablesen, dass sie vor Wut kochte.
„Möchtest du etwas sagen, mein Mädchen?“
Sofort nickte sie. Nicht mal ihrem Onkel gegenüber schaffte sie es, den Mund zu halten und diesem eingebildeten Tiger wollte sie ordentlich den Marsch blasen.
Sie holte bereits tief Luft, als Flann ihr einen Finger auf die Lippen legte.
„Denk daran, dass du für dein Verhalten auf jeden Fall geradestehst. Wir sind quasi in der Vorbereitung für die erste Session. Ich hoffe, dass dir das klar ist.“
Wenn Blicke töten könnten, würde er jetzt augenblicklich umfallen.
„Ich dachte, ich sollte mich nicht verbiegen“, brachte sie spöttisch hervor.
Der Schachzug gefiel dem Tiger, denn sein Lächeln wurde noch etwas breiter.
„Stimmt, aber ich will, dass du dich benimmst und überlegst, was du sagen möchtest. War es wirklich so schlimm? Habe ich dich beleidigt, dich verletzt oder dich angelogen?“
Einen Augenblick überlegte sie, ehe sie zerknirscht verneinte.
„Nein, du hast dir lediglich einen Scherz erlaubt.“
Bei der Antwort löste Flann seinen Griff, stattdessen hielt er ihr eine Hand hin, die sie seufzend nahm.
Darla ließ sich von ihm hochziehen, anschließend gingen sie ins Wohnzimmer, wo er sich setzte, ehe er sie auf seinen Schoß zog.
„Ich werde dich noch sehr oft necken oder dich auf diese Weise ärgern, weil ich es wirklich genieße, wenn du rot wirst“, teilte er ihr offen mit.
Einen Augenblick kuschelte sie sich an ihn, ehe sie ihn verunsichert ansah.
„Woher weiß ich, ob wir in einer Spielsituation sind? Mir fällt es enorm schwer, einzuschätzen, ob ich besser den Mund halte oder ob ich sagen darf, was ich will.“
Jetzt lachte der Tiger leise.
„Du schaffst es nicht mal, deinem Onkel gegenüber dich zurückzuhalten. Nein, das bedrückt dich keineswegs! Es ist vielmehr, weil du keine Ahnung hast, was auf dich zukommt.“
Langsam nickte sie.
„Ja, allerdings möchte ich auch einfach mal sagen dürfen, was ich denke.“
Sanft streichelte er ihr über den Rücken, was sie entspannte. Die Wut fiel von ihr ab, genau wie die Unsicherheit.
„Ich passe immer auf dich auf, also steigere dich nicht in eine unnötige Angst hinein. Lass es auf dich zukommen und vertrau mir.“
Er hatte leicht reden! In ihrem Kopf tobten so viele Szenarien, vor denen sie sich fürchtete, aber am meisten ängstigte sie sich davor, ihn zu enttäuschen. Was, wenn sie seinen Ansprüchen nur unzureichend gerecht wurde? Darla befürchtete, dass er sich von ihr trennte, weil sie zu wenig aushielt.
Flann beobachtete sie genau, während sie überlegte, dabei erkannte er, dass sie ein Problem plagte. Darüber hinaus bestätigten seine Tigersinne ihm ihre Furcht.
„Rede mit mir, falls du unsicher wirst“, verlangte er ruhig.
Sie holte tief Luft, denn jetzt betrat sie fremdes Terrain, außerdem hatte sie Angst, dass sie sich blamierte.
„Trau dich“, flüsterte er ihr ins Ohr.
Sie nickte vorsichtig, ehe sie ins kalte Wasser sprang. Schnell platzte sie mit ihrer Antwort heraus, bevor sie es sich anders überlegte.
„Was, wenn ich die Strafe nicht aushalte oder dich enttäusche? Bitte, ich möchte dich keinesfalls verlieren.“
Ängstlich knetete sie ihre Finger, dabei musterte sie angestrengt ihre Hosenbeine. Würde er sich jetzt lustig über sie machen?
Zärtlich hob er ihr Kinn an, sah ihr tief in die Augen, ehe er ganz leicht den Kopf schüttelte.
„Niemals, mein Mädchen, hörst du? Ich lasse dich nie fallen. Du kannst mich gar nicht enttäuschen, es sei denn, du betrügst mich.“
Darla wollte protestieren, doch er stoppte sie mit einem Blick.
„Es geht darum, dass wir unsere Neigung ausleben, obwohl ich dich bestrafe. Sollte es dir zu weit gehen, benutzt du dein Stoppwort. Das verlange ich von dir. Anschließend unterhalten wir uns darüber, was schief gelaufen ist. Ich will deine Tränen. Sie sind das Kostbarste, das du mir schenken kannst. Das heißt aber keinesfalls, dass du alles ertragen musst oder über deine Grenzen geprügelt wirst. Ganz im Gegenteil. Tränen, die einer Misshandlung geschuldet sind, schmecken bitter, daran bin ich keineswegs interessiert. Deine werden süß sein, weil sie dich dazu bringen, die Kontrolle abzugeben.“
Einen Moment dachte sie über seine Worte nach. Es hörte sich zu gut an, um wahr zu sein. Seit ihre Eltern tot waren, gab es keine Sekunde, in der sie sich hatte fallen lassen dürfen.
„Aber, was passiert, wenn meine Schmerzgrenze zu niedrig ist? Du bist Sadist, wie du selbst sagst.“
Bei der Frage lachte Flann leise auf.
„Noch mal, mein kleiner Sturkopf, es geht nie darum, möglichst viel auszuhalten. Es macht mich stolz, dass du überhaupt bereit bist, für mich diesen Schritt zu wagen. Ja, ich werde dir wehtun, allerdings wirst du es aushalten und sogar genießen können. Wir beide ziehen unseren Genuss aus deinem Schmerz, dabei muss es kaum besonders hart zur Sache gehen.“
Ein wenig beruhigt atmete Darla auf. Der Tag hatte es wirklich in sich, vielleicht fühlte sie sich auch deshalb so unsicher.
„Woher weiß ich nun, ob ich ich sein darf oder mich besser zurückhalte?“
Liebevoll strich der Tiger ihr eine Strähne aus dem Gesicht.
„Du sollst immer du selbst sein. Sobald du morgen Abend in meinen Armen eingeschlafen bist, wirst du wissen, was ich meine. So lange möchte ich, dass du dich nicht verstellst. Wenn wir uns über BDSM unterhalten, Grenzen abstecken oder in eine Session gehen, bist du mein Eigentum. In der Situation erwarte ich Gehorsam.“
Darla hätte sich am liebsten in den Hintern getreten, weil sie auf die Antwort nicht gekommen war. Natürlich sollte sie bei einem Gespräch über SM gut überlegen, was sie sagte.
„Mach dir keine Sorgen, wir finden einen Weg. Außerdem müssen wir uns erst einmal richtig kennenlernen. Du wirst bald wissen, ob du mir die Meinung sagen kannst oder besser deine Klappe hältst.“
Das hoffte sie auch, zumal sie die Angst, dass sie unzureichend für ihn war, nur zum Teil abgelegt hatte. Sie war blutige Anfängerin und wusste nicht mal, wo ihre Grenzen lagen.
„Ich bin komplett unerfahren. Bisher habe ich mich lediglich über das Thema unterhalten. Selbst den Spielchen über Chat bin ich aus dem Weg gegangen“, gab sie leise zu.
Flann drückte sie sanft an sich.
„Umso besser, dann muss ich keine Fehler ausbügeln, die jemand anderes gemacht hat. Ich mag es, wenn du keine Ahnung hast, was auf dich zukommt.“
Zärtlich küsste er sie auf den Scheitel.
„Außerdem ist das eine perfekte Lektion in puncto Vertrauen.“
Jetzt seufzte sie leise, hielt aber den Mund. Für heute hatte sie genug Seelenstriptease hinter sich. Flann wusste, dass sie misstrauisch war.
„Was möchtest du in Irland denn gerne ansehen? Gibt es einen Ort, der dich besonders interessiert?“
Der plötzliche Themenwechsel irritierte Darla, daher musste sie erst einmal überlegen.
„Ich kenne mich zu wenig aus, um etwas Bestimmtes sehen zu wollen. Außerdem sind es zu viele Sehenswürdigkeiten, um sich für eine zu entscheiden.“
In der Tat wäre sie am liebsten quer durch das gesamte Land gereist, um Flanns Heimat kennenzulernen.
„Irland ist faszinierend. Es fühlt sich an, als ob ich hier freier atmen könnte. Irgendwas Magisches liegt in der Luft.“
Verlegen lächelnd suchte sie seinen Blick, ob er sie verstand oder sie für völlig verrückt hielt.
„Ich weiß, was du sagen willst und es erstaunt mich nicht, dass du die Magie des Landes spürst. Du warst in der Lage, James zu sehen, was nur wirklich wenige Menschen können. Hast du dich mal mit dem Übersinnlichen beschäftigt?“
Interessiert musterte er sie, erntete allerdings nur ein schnelles Kopfschütteln.
„Nein, ich habe einmal meinem Onkel gesagt, dass ich vom Tod meiner Eltern geträumt habe, bevor sie erschossen wurden. Er hat mich so ausgelacht und eine Närrin genannt, dass ich das Thema sofort fallen ließ. Aber ich träume öfter Dinge, die kurz darauf geschehen. Außerdem spüre ich, ob ein Haus oder ein Gelände belastet ist.“
Einen Augenblick überlegte sie, wie sie ihre besondere Gabe verständlicher beschreiben konnte.
„Wenn ich vor einem Gebäude stehe, in dem jemand umgekommen ist, sträuben sich mir die Haare, ich bekomme eine Gänsehaut und schaffe es nur mit großer Willensanstrengung hineinzugehen. Keine Ahnung, ob du mich verstehst, aber besser kann ich es nicht erklären.“
Hoffnungsvoll sah sie den Tiger an, der zustimmend nickte.
„Ja, ich weiß genau, wovon du sprichst. Wahrscheinlich hast du irgendwann beschlossen, keine Gespenster sehen zu wollen. Denn die spürst du in den Gebäuden. Meistens sind es die Opfer, die sich nicht von dieser Welt trennen können. Umso erstaunlicher, dass du James gesehen hast.“
Darla zuckte leicht mit den Schultern.
„Hier in Irland ist vieles so anders. Ich fühle mich lebendiger, aber auch sensibler.“
Sie konnte es nur unzureichend erklären. Außerdem müsste sie sich schämen, weil sie zu den Leuten gehörte, die dafür sorgten, dass Menschen umgebracht wurden. Das lag ihr extrem auf der Seele.
„Was hast du, mein Mädchen? Irgendetwas bedrückt dich.“
Flann sah sie liebevoll an.
„Ja, ich knabbere daran, dass ich mitverantwortlich bin, dass hier immer wieder Lebewesen sterben müssen. Ich war es, die die gesamten Programme erstellt hat, die notwendig sind“, gab sie leise zu.
Gequält sah sie ihn an.
„Ohne meine Hilfe hätte mein Onkel die Shows, wie er sie nennt, niemals auf die Beine stellen können. Aber ich habe mich nie getraut, mich zu weigern.“
Sanft drückte der Tiger sie an sich.
„Du hast nie wirklich eine Wahl gehabt. Außerdem gibt es genug Programmierer, die für ihn arbeiten würden, vorausgesetzt der Preis stimmt. Es gab für dich keine Möglichkeit, die Kämpfe zu unterbinden. Er veranstaltet sie ja nicht erst, seit du deinen Job ausübst. Früher gab es keine Übertragungen, da sahen die Leute direkt zu.“
Seufzend nickte Darla, zumal sie das mittlerweile auch wusste, trotzdem fühlte sie sich schuldig.
„Ich müsste ihn anzeigen, allein um dich zu schützen.“
Jetzt spannte Flann sich an, denn diese Idee war äußerst gefährlich.
„Darla, das wirst du auf keinen Fall, hörst du? Du hast selbst gesagt, dass du keine Chance hast, Demmer zu entkommen. Was glaubst du, was er tut, wenn du ihm die Polizei auf den Hals hetzt? Denkst du wirklich, dass du unversehrt aus der Sache herauskommst?“
Hilflos schüttelte sie den Kopf.
„Nein, wahrscheinlich nicht, aber dann wäre ich endlich frei. Außerdem würde ich das Richtige tun, anstatt mich vor meiner Verantwortung zu drücken.“
Eindringlich musterte der Tiger sie. Er musste ihr irgendwie klarmachen, dass sie keine Schuld an der Situation hatte.
„Bitte, Kleines, denk daran, dass Demmer dich gezwungen hat, diese Programme zu erstellen. Was solltest du denn tun? Deine Zukunft wegwerfen? Das hätte auch niemandem geholfen.“
Vorsichtig zuckte sie mit den Schultern.
„Eventuell doch. Aber ich bin zu feige, außerdem hänge ich an meinem Leben“, gab sie leise zu, was ihn aufatmen ließ.
Sie lehnte sich an ihn, suchte seine Nähe, die er ihr gerne gab.
Mit beiden Armen hielt er sie fest umschlungen, sodass sie sich geborgen fühlte. Das Gefühl linderte ihr schlechtes Gewissen seltsamerweise etwas. Vielleicht, weil sie zum ersten Mal seit Langem jemanden hatte, der ihr zeigte, dass sie liebenswert war.
„Ich versuche seit fast sieben Jahren, aus diesem trostlosen Dasein zu entkommen. Immer wieder habe ich darüber nachgedacht, was ich tun könnte, um meinen Onkel zu Fall zu bringen, nur gab es keinen Ausweg. Jedenfalls habe ich keinen Weg gefunden, ohne mir selbst zu schaden“, gab sie leise zu.
Liebevoll streichelte Flann über ihre Oberarme, hörte einfach nur zu, während sie sich ihre Sorgen von der Seele redete.
„Als ich dich vor drei Monaten traf, hatte ich das Gefühl, mir dreht jemand die Luft ab. Schmetterlinge im Bauch beschreibt es nicht mal annähernd, aber ein besseres Bild fällt mir nicht ein. In dem Moment bin ich aufgewacht, weil dein Blick mir Hoffnung gemacht hat. Du hast mich so sehnsuchtsvoll angesehen, dass ich glaubte, du würdest dich ebenso fühlen wie ich.“
Als Flann an ihre erste Begegnung dachte, schmunzelte er, denn in der Tat war er genauso überrascht gewesen wie sein kleiner Sturkopf. Nur mit dem Unterschied, dass er sie augenblicklich als seine Gefährtin erkannte.
„Du hast dich nicht getäuscht, mein Mädchen. Ein Vorteil der Gestaltwandler ist, dass wir unsere Seelengefährten sofort erkennen, wenn sie vor uns stehen. Nur brauchte ich Zeit, um zu verstehen, dass du anders bist als dein Onkel.“
Darla hob den Kopf, um ihm in die Augen zu sehen. Für einen Moment versank sie in den Tiefen seiner bernsteinfarbenen Iriden. Ihre Sorgen rückten in weite Ferne, die Umwelt verblasste, während sie ihn ansah. In seinem Blick lag so viel Liebe, dass ihre Seele aufblühte.
Wie sehr hatte sie es vermisst, jemanden in ihrer Nähe zu haben, der sie wertschätzte.
„Weißt du, unser erstes Treffen hat mir Hoffnung gegeben, obwohl wir nicht mal einen Satz miteinander gewechselt hatten. Zu dem Zeitpunkt versuchte ich, mich mit meinem Schicksal abzufinden. Ich redete mir ein, es zu verdienen, dass Matthias mich so mies behandelte. Es wäre meine Strafe, dafür, dass ich half, Menschen zu töten.“
Erneut sah sie ihn an, weil sein Blick ihr Kraft gab und sie wieder auf eine bessere Zukunft hoffen konnte.
„Ich bin niemand, der seinem Leben selbst ein Ende setzt, auch zu dem Schritt bin ich zu feige. Aber ich habe den Kopf in den Sand gesteckt, versucht keine Gefühle mehr an mich heranzulassen. Das Treffen mit dir hat in mir etwas geweckt, deshalb wollte ich unbedingt mit hierherkommen.“
Unsicher, ob sie jetzt vielleicht zu viel gesagt hatte, stoppte sie, doch Flann streichelte weiter über ihre Arme.
„Du hast genau das Richtige getan, indem du deiner Sehnsucht gefolgt bist. Keine Sorge, du hast dich nicht getäuscht. Ich fühle das Gleiche, wie du.“
Darla seufzte erleichtert auf, gleichzeitig kuschelte sie sich dichter an ihn. Das Geständnis fiel ihr enorm schwer, aber irgendwie drängten die Worte aus ihr heraus, zumal Flann ihr ja eine Regel gegeben hatte.
„Es tut mir leid, dass ich dir die Laune mit meinem Gejammer verderbe“, murmelte sie.
Sofort packte er ihr Kinn, zwang sie ihn anzusehen.
„Wie kommst du nur auf solche Ideen? Es berührt mich, dass du mir jetzt schon so sehr vertraust, um mir deine Sorgen mitzuteilen. Das ist kein Jammern.“
Liebevoll küsste er sie.
„Du kannst mir nur schwer die Laune verderben, mein Mädchen. Dazu bin ich viel zu glücklich, dich in meiner Nähe zu haben. Glaub mir, ich war in den letzten Wochen ziemlich unausstehlich. Zu wissen, dass du meine Gefährtin bist und gleichzeitig ständig mit der Befürchtung zu kämpfen, dass Demmer dich auf mich ansetzt, war die Hölle für mich. Als du dann am Sonntag aufgetaucht bist, mit dem Verbandskasten im Arm, war ich schlichtweg überfordert“, gab er leise zu.
Sie hatte ihm einen Einblick in ihre innersten Gedanken gewährt, da war es nur fair, wenn er gleichzog.
„Wir sind schon ein Paar. Beide misstrauisch, weil mein Onkel da ganze Arbeit geleistet hat. Aber bitte glaub mir, ich wollte ihn stoppen, seit ich hinter die Fassade schauen konnte. Ich habe mir immer ein normales Leben gewünscht, mit einem Partner, dem ich vertrauen darf. Jemand, der mich so nimmt, wie ich bin, ohne ständig an mir herumzumäkeln. Einen Mann, der mir das Gefühl gibt, wertvoll zu sein.“
Zart strich Flann ihr über die Wange.
„Ich hoffe, dass ich dir mit der Zeit zeigen kann, wie wundervoll du bist. Außerdem wirst du dich in jeder Situation auf mich verlassen können. Ich bin für dich da“, versprach er ihr liebevoll.
Dankbar lächelte sie ihn an.
„Das weiß ich jetzt. Immerhin hast du mich nicht nur vor Thorsten gerettet, sondern auch vor meinem Onkel.“
Bei der Antwort unterdrückte sie den Gedanken, dass das dicke Ende eventuell noch auf sie wartete.
Darla nahm sich vor, so viel mitzunehmen, wie es ging. Sollte es wirklich so kommen, dass Matthias sie zwang zurückzufliegen, wollte sie wenigstens einige schöne Erinnerungen haben.
Eine ganze Weile saßen sie eng aneinander gekuschelt auf dem Sofa. Sie genossen die Zweisamkeit, wobei sie keine Worte brauchten, das Wichtigste war gesagt.
„Was hältst du davon, wenn wir was kochen? Du bist bestimmt hungrig“, schlug Flann vor, als es bereits auf den Abend zuging.
Nach dem Tag wollte er, dass Darla sich einfach nur wohlfühlte. Das war auch ein weiterer Grund, warum er die Session auf den nächsten Tag verschoben hatte. Sein Mädchen musste einiges verarbeiten, was keinesfalls alltäglich war.
Natürlich genoss er es, dass sie unsicher oder erregt war, doch im Moment sollte sie erst einmal ein wenig zur Ruhe kommen.
„Das ist eine gute Idee“, stimmte sie zu, rutschte von seinem Schoß und machte sich auf den Weg in die Küche.
Flann folgte ihr schmunzelnd, anscheinend glaubte sie, dass sie die Arbeit alleine erledigen musste.
„Ich helfe dir“, bemerkte er auf ihren irritierten Blick hin, als er kurz nach ihr den Raum betrat.
Jetzt lächelte sie erfreut, denn damit hatte sie in der Tat nicht gerechnet.
Gemeinsam putzten sie das Gemüse, bereiteten das Fleisch vor und eine gute Viertelstunde darauf köchelte ein ansehnliches Curry auf dem Herd.
Flann deckte den Tisch, während Darla nach dem Reis sah.
Die ganze Zeit summte sie glücklich vor sich hin, weil er ihr deutlich zeigte, dass sie gleichwertig war.
„Möchtest du später deine erste Session erleben?“, wollte Flann wissen, als sie das Geschirr abgeräumt hatten.
Einen Augenblick überlegte sie, ehe sie langsam den Kopf schüttelte.
„Nein, wenn es dir nichts ausmacht, würde ich jetzt doch lieber bis morgen warten. Es ist so viel passiert, dass ich das Gefühl habe, in meinem Gehirn dreht sich ein Karussell.“
Genau das hatte er sich gedacht. Außerdem war Vorfreude ja bekanntlich die schönste Freude.
„Das ist kein Problem, zumal ich das bereits vermutet habe. Es ging mir nicht nur darum, es zu genießen, dich ängstlich und erregt zu sehen. In erster Linie wollte ich dir Zeit geben, um ein wenig herunterzukommen“, erklärte er ihr liebevoll.
Dankbar nickte Darla.
„Als du mir gesagt hast, dass du mich bestrafen willst, hätte ich es am liebsten direkt hinter mich gebracht. In dem Augenblick habe ich alles andere verdrängt. Ich war verärgert, dass du mich so hinhältst. Unsicher und heiß, eine ganz üble Kombination“, gab sie leise zu.
„Aber jetzt bin ich froh, dass ich den Abend einfach nur mit dir zusammen verbringen darf.“
Verständnisvoll stimmte er ihr zu.
„Du hast ja auch einiges erlebt. Möchtest du über das, was Thorsten versucht hat, reden?“
Spöttisch lachte sie auf, gleichzeitig schüttelte sie den Kopf.
„Nein, das ist unnötig. Es war ja nicht das erste Mal, außerdem ist er nicht sehr weit gekommen. Danke, dass du mich gerettet hast.“
Der Tiger winkte ab, für ihn war es eine Selbstverständlichkeit gewesen. Nur die Vorstellung, dass dieser Mistkerl seine Kleine bereits früher bedrängt hatte, rumorte in ihm. Irgendwann würde er sich ihn kaufen, dann war Zahltag!
„Was hältst du davon, wenn wir runter zum Hafen gehen? Ich mag den Lough Dergh“, schlug Darla vor, dabei sah sie ihn bittend an.
Sofort stimmte Flann zu, allein, weil er sie glücklich machen wollte. Allerdings fand er den Gedanken, sich zu bewegen, auch äußerst reizvoll.
„Alles, was du willst, mein Liebling.“
Mit den Worten stand er auf, zog sie von ihrem Stuhl hoch und kurz darauf schlenderten sie die Allee entlang.
Im gemütlichen Tempo liefen sie durch den Ort.
„Kennst du die Heilbrunnen schon?“, erkundigte er sich plötzlich.
Darla schüttelte den Kopf.
„Nein, heute Morgen hab ich zwar ein Hinweisschild gesehen, aber die Gasse sah alles andere als einladend aus.“
Flann deutete auf das Schild, das sie bereits entdeckt hatte.
„Wenn du möchtest, gehen wir hin. Es ist gleich da vorne.“
In seiner Begleitung sah sie sich die Sehenswürdigkeit gerne an, besonders, weil die Straße jetzt nur noch halb so dunkel aussah.
Sie bogen ab, um kurz darauf vor einem Brunnen zu stehen, der eher ein Loch im Boden war. Neben dem Headache Well
wuchs ein kleiner Baum, an den die Gläubigen Heiligenbilder und Blumen als Opfergaben gehangen hatten.
„Laut dem Heiligen Columba, einer der zwölf irischen Apostel, heilt das Wasser Kopfschmerzen und Migräne. Das Dorf Terryglass entstand übrigens aus dem Kloster, das er hier gegründet hat“, erklärte Flann ihr.
„Das Zeug soll man wirklich trinken? Es sieht nicht so besonders sauber aus.“
Darla runzelte die Stirn, als sie in den dunklen Brunnen sah.
Leise lachend zog Flann sie an sich.
„Nein, man betet um Heilung, anschließend wäscht man sich das Gesicht oder den gesamten Kopf mit dem Wasser.“
Noch einmal schüttelte sich Darla.
„Ich nehme lieber eine Tablette, sollte ich Kopfschmerzen haben.“
Hinter ihr an einer Wand hing eine Informationstafel, die allerdings nur das enthielt, was ihr Tiger ihr bereits erzählt hatte.
„Lass uns weitergehen.“
Flann legte erneut einen Arm um ihre Schultern, so schlenderten sie bis zum Hafen, der an diesem Tag fast voll belegt war.
Auf einigen Booten feierten die Leute ausgelassen, andere waren offensichtlich im Dorf unterwegs.
Zuerst sahen sie sich die Jachten an, die sanft an ihren Anlegeplätzen schaukelten, ehe sie sich auf einen freien Platz an einem Anleger setzten.
„Ich würde gerne mit einem Hausboot über den Shannon fahren. Es hat so einen Hauch von Abenteuer“, bemerkte Darla sehnsüchtig, als sie auf den See hinaussah.
Das Wasser leuchtete in einem tiefen Blau, während der Wind für heftige Wellen sorgte.
„Das ist kein Problem. Wir können uns ein Boot mieten, sobald Demmer abgefahren ist.“
Begeistert sah sie ihren Liebsten an.
„Ist das dein Ernst? Das ist doch bestimmt richtig teuer.“
Lachend schüttelte er den Kopf.
„Du vergisst, dass ich seit 500 Jahren auf der Welt bin. Glaubst du wirklich, dass ich arm bin? Dann müsste ich ziemlich dumm sein, oder? Ich hatte so viel Zeit, um reich zu werden. Nein, mach dir um Geld bitte keine Gedanken, davon besitze ich mehr als genug.“
Vorsichtig lehnte sie sich an ihn.
„Ich möchte aber nicht, dass du denkst, ich nehme dich aus“, bemerkte sie leise.
Erneut lachte der Tiger.
„Das liegt doch ganz bei mir. Wenn ich etwas nicht bezahlen will, habe ich keine Bedenken, deine Bitte abzulehnen. Darauf kannst du dich verlassen.“
Damit war das Thema für ihn beendet.
Gemeinsam genossen sie die Brise, die ihnen die Haare ins Gesicht wehte, dabei beobachteten sie die Boote, die jetzt noch den kleinen Hafen ansteuerten.
„Morgen fahren wir rüber nach Portumna und sehen uns das Schloss an, wenn du magst“, schlug Flann plötzlich vor.
Begeistert stimmte Darla zu. Sie würde am liebsten sofort zu einer Tour über die gesamte Insel aufbrechen, aber das sollten sie verschieben, bis Matthias weg war.
Ganz kurz verdunkelte sich ihr Gesicht, als sie daran dachte, dass Flann am Samstag erneut in den Käfig steigen musste, doch den Gedanken verdrängte sie gekonnt.
„Ich freue mich darauf. Weißt du, Irland war schon immer das Land, das ich zu gerne erkundet hätte. Leider mochten meine Eltern keine Abenteuerurlaube, wie sie es nannten. Wir verbrachten unsere Ferien meistens in feinen Klubanlagen im Süden.“
Versonnen sah sie auf den See hinaus, während sie sich zum ersten Mal seit Langem wirklich geborgen fühlte.
„Unsere Insel hat eine Menge zu bieten. Allerdings fürchte ich, dass ich in der kommenden Woche zuerst nach meinem Fitnessstudio sehen muss, ehe ich mich richtig um dich kümmern kann.“
Interessiert blickte Darla ihn an.
„Du besitzt eine Muckibude? Wow, dann habe ich jetzt einen eigenen Trainer.“
Flann drückte sie leicht an sich.
„Sicher erstelle ich dir einen Trainingsplan, aber bitte, tu das nicht für mich. Ich mag dich genauso, wie du bist.“
Dankbar sah Darla ihn an.
„Versprochen, allerdings bewege ich mich wirklich gerne. Wobei es natürlich ein paar Sportarten gibt, die ich echt hasse. Joggen ist eine davon. Total blöd durch die Gegend rennen und ständig außer Atem zu sein, geht für mich gar nicht.“
Als ihr Tiger jetzt leise lachte, spürte sie die leichte Vibration seines Brustkorbs.
„Das liegt daran, dass dir nie jemand beigebracht hat, richtig zu laufen. Die meisten Leute machen den Fehler, dass sie viel zu schnell anfangen und nach weniger als einer Minute aus der Puste sind. Es gibt eine Technik, damit man länger durchhält. Natürlich ist es Trainingssache.“
Ablehnend schüttelte Darla den Kopf. Sie lehnte es ab, durch die Gegend zu rennen, egal, ob es Übungssache war oder nicht.
„Dann stemme ich lieber Gewichte, obwohl ich mir das auch anstrengend vorstelle.“
Schmunzelnd drückte Flann sie an sich. Seine Kleine hatte wirklich lustige Ansichten über die verschiedenen Sportarten.
„An die Hantelbanken lasse ich dich am Anfang auf keinen Fall. Außerdem will ich vermeiden, dass du aussiehst wie Arnold Schwarzenegger, nur in weiblich.“
Jetzt lachte Darla mit ihm, da ihr diese Idee auch kaum gefiel.
„Keine Sorge, ich möchte einfach nur besser in Form kommen.“
Eine Weile saßen sie schweigend da, während Flann sie im Arm hielt.
„Wir sollten zurückgehen, es wird langsam kühl und du hast keine Jacke dabei“, bestimmte der Tiger, als er die Gänsehaut auf ihren Unterarmen bemerkte.
„Du hast genauso wenig etwas zum Überziehen mitgenommen, außerdem ist es gar nicht so kalt“, protestierte Darla, die diese Auszeit am See extrem genoss.
Unnachgiebig zog Flann sie hoch, nachdem er aufgestanden war.
„Meine Körpertemperatur ist wesentlich höher, darüber hinaus kann ich keine Erkältung bekommen. Meine Selbstheilungskräfte verhindern das. Bei dir ist das etwas anderes, kleiner Sturkopf. Also los jetzt.“
Fast mit Gewalt schob er sie über den Steg in Richtung Dorf.
Erst in dem Moment spürte sie, wie kühl es schon war.
Frierend rieb sie sich über die Oberarme, was nur bedingt was brachte. Doch als der Tiger sie erneut eng an sich zog, wurde ihr etwas wärmer.
An dem Tor, das den Weg zur alten Burg absperrte, blieb Flann stehen. Er sah sich schnell um, anschließend hob er sie auf seine Arme, um mit ihr über das hüfthohe Hindernis zu springen.
„Der Weg ist kürzer“, erklärte er ihr, als sie wieder auf ihren eigenen Füßen stand.
Trotzdem weigerte sie sich, weiterzugehen.
„Wir haben James versprochen, ihn nicht mehr zu belästigen. Schon vergessen?“
Aufmüpfig sah sie ihn an, gleichzeitig trat sie einen Schritt zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
Auf gar keinen Fall würde sie das Gespenst verärgern. Sie hatte viel zu viel Angst, dass er sich fürchterlich rächen könnte.
„Weißt du, wie sehr er mir in den letzten zwei Tagen auf die Nerven gegangen ist? Ständig tauchte er in meinem Cottage auf, um mir die Ohren vollzujammern.“
Irritiert sah Darla ihren Freund an.
„Ich dachte, er spukt nur in der Burg herum?“
Bedauernd schüttelte Flann den Kopf.
„Nein, leider ist er in der Lage, die Umgebung zu erkunden. Er fühlt sich in der gesamten Ferienanlage wohl. Deshalb hattest du auch dieses beklemmende Gefühl, wenn du das ehemalige Rezeptionsgebäude betreten hast.“
Er nahm ihre Hand und zog sie mit sich, da er auf keinen Fall mit ihr diskutieren wollte, während sie fror.
„Glaub mir, er wird sich kaum beschweren. Wir besuchen die Burg ja nicht, sondern gehen nur daran vorbei.“
Seufzend gab sie nach, kuschelte sich wieder dicht an den Tiger, dabei fühlte sie sich insgeheim erleichtert, dass sie den Weg abkürzen konnten.
„Ist er wirklich so unausstehlich, wie er sich gegeben hat?“
Irgendwie interessierte sie das Gespenst, zumal sie es fürchterlich fand, dass er so ganz alleine in dieser meist verlassenen Gegend herumspukte.
„Ich würde jetzt gerne sagen, dass er ein netter Typ ist, aber das wäre gelogen. James hat sich schon zu Lebzeiten wie ein Ekelpaket aufgeführt.“
Natürlich ertönte genau in dem Augenblick die Stimme des Geistes.
„Du bist undankbar, Flann. Wer hat dir denn von den Würgemalen berichtet? Und nicht zu vergessen, dass die Kleine ihrem Onkel gedroht hat?“
Erstaunt sah Darla von dem Schemen, der vor ihnen aufgetaucht war, zu ihrem Liebsten, der nur genervt die Augen verdrehte.
„Du hast mir davon erzählt, damit ich dich nicht rauswerfe. Du weißt selbst, dass du die meiste Zeit extrem unausstehlich bist. Das war zu deinen Lebzeiten kaum anders, nur damals hast du auch noch deine Macht missbraucht.“
Hart sah der Gestaltwandler den Geist an. Mitleid war hier völlig fehl am Platz, da James sich niemals ein Fehlverhalten eingestand.
„Moment mal, er hat dir gesagt, dass ich Würgemale am Hals habe?“
Augenblicklich richtete sich die Aufmerksamkeit des Gespenstes auf sie, während er eifrig nickte.
„Ja, und dass du deinem Onkel mit der Polizei gedroht hast. Das war sehr ungehörig, immerhin ist er dein Verwandter“, tadelte er sie.
Ein leises Fauchen ließ ihn allerdings sofort verstummen, zumal Flanns Blick deutlich sagte, dass er sich besser zurückzog.
„Verschwinde, James, ich möchte mit meiner Kleinen schnellstmöglich zu dem Cottage, ehe sie noch mehr friert. Außerdem sehe ich keine Veranlassung, mit dir zu reden.“
Jetzt legte Darla ihre Hand auf seinen Arm.
„Warte mal, bitte. Ich würde schon gerne erfahren, wieso ein Gespenst mich ausspioniert.“
Sie hatte wirklich keine Ahnung, was sie davon halten sollte.
„Ich spioniere nicht. Ihr seid in mein Haus eingedrungen, habt einen Haufen Lebende hineingeschleppt und ich wollte nur mal nach dem Rechten sehen. Dabei konnte ich einen Teil deines Gesprächs aufschnappen.“
Misstrauisch musterte sie den Geist.
„Das soll ich dir abnehmen?“
James nickte empört.
„Natürlich, wieso sonst sollte ich euch gehört haben? Bist du wirklich so einfältig, dass du denkst, ich würde mich für euch Menschen interessieren?“
Verschnupft rümpfte er die Nase, was zeigte, wie überheblich er war.
„Lass uns endlich gehen, Darla. Du kannst ihm glauben, wenn er lügt, verhaspelt er sich immer.“
Flann zog sie mit sanfter Gewalt weiter, zumal er sah, dass sie jetzt wieder leicht zitterte.
Auf direktem Weg brachte er sie zu seinem Cottage, wo er ihr zuerst einen Tee kochte.
Zärtlich strich er ihr über den nackten Arm, wobei er ernst den Kopf schüttelte.
„Du bist völlig durchgefroren“, bemerkte er.
Unwillig stieß Darla die Luft aus.
„Ich werde nicht daran sterben, dass ich das Wetter unterschätzt habe. Aber ich bin irritiert, weil James uns offensichtlich belauscht hat, um es dir brühwarm zu erzählen.“
Nachdenklich musterte sie den Tiger.
„Kannst du ihn irgendwie beeinflussen oder lenken? Oder ist er am Ende dein Geschöpf? Hast du ihn beschworen?“
Flann lachte auf, als er ihre Vermutungen hörte.
„Nein, ich wünschte, ich könnte ihn dazu bewegen, auf mich zu hören. Er gehört zu der alten Burg, daher bildet er sich ein, auch hier in der Anlage das Sagen zu haben.“
Auffordernd sah er sie an, bis sie einen kleinen Schluck trank, anschließend stand er auf, ging ins Schlafzimmer und kam mit einem Pullover zurück.
„Bitte, Flann, ich kann schnell rüberlaufen, um mir etwas überzuziehen“, begehrte sie auf, als er ihr das Kleidungsstück hinhielt.
Stirnrunzelnd schüttelte er den Kopf.
„Auf keinen Fall gehst du jetzt alleine in dein Cottage. Hast du mal überlegt, dass Thorsten dich sehen könnte? Wenn du willst, gehen wir gemeinsam rüber, um deine Sachen zu holen.“
Verlegen schluckte Darla, daran hatte sie in der Tat nicht gedacht und auf eine weitere Begegnung mit dem unterbelichteten Lakaien verzichtete sie gerne.
„Ich habe total vergessen, dass er sich auch noch hier herumtreibt. Tut mir leid.“
Sie trank einen Schluck, weil der Tee sie herrlich aufwärmte, außerdem vermied sie es auf diese Weise, Flann ins Gesicht zu sehen.
„Es ist kein Problem, gleich rüberzugehen. Wir hatten wirklich Wichtigeres zu erledigen. Du brauchst dich deshalb nicht zu entschuldigen.“
Darla lächelte ihn erleichtert an, anschließend stellte sie die Tasse auf den Tisch, stand auf und drehte sich zur Tür.
Sofort war er an ihrer Seite.
„Zieh den Pulli über, wie du gemerkt hast, ist es draußen mittlerweile ziemlich kühl geworden. Wir haben hier keine tropischen Temperaturen, außerdem ist es erst Anfang Juni“, tadelte er sie leise.
Zu gerne hätte sie ihm widersprochen, doch sie musste ihm recht geben. Schnell zog sie den zu großen Pullover über, der sie in seinen Geruch einhüllte.
Gemeinsam gingen sie zu ihrem Cottage, wo sie ihre Sachen zusammenpackte.
„Du hast nicht gerade viel eingepackt“, bemerkte der Tiger, als sie fertig war.
„Nein, Matthias wollte keine weiteren Kosten, also musste ich mich auf das Handgepäck beschränken. Außerdem dachte ich ja, dass wir nach drei Tagen zurückfliegen würden.“
Sorglos zuckte sie mit den Schultern. Für sie war es kein Beinbruch, dass sie nur das Nötigste dabei hatte.
„Dann sollten wir morgen nach dem Besuch des Schlosses einkaufen.“
Das lehnte sie energisch ab.
„Auf gar keinen Fall! Flann, ich habe genug Kleider. Sie sind nur noch in Deutschland, aber es wird bestimmt einen Weg geben, sie abzuholen. In deiner Begleitung traut Matthias sich kaum, gegen mich zu gehen. Ich werde mich keinesfalls von dir einkleiden lassen. Ich bin nicht käuflich!“
Bösartig sah sie ihn an.
Es war etwas anderes, wenn er ein paar Lebensmittel bezahlte oder sie eben neu einkleidete.
„Du glaubst, dass wir in Demmers Haus schlendern, deine Sachen holen und es wieder unbehelligt verlassen können? Nein, das ist ein Wunschtraum. Er wird uns festhalten oder uns seine Gorillas auf den Hals hetzen. Außerdem habe ich dir bereits erklärt, dass Geld in meinem Leben keine Rolle spielt. Ich besitze ein Fitnessstudio, weil es mir Spaß macht, Menschen zu trainieren.“
Sein Blick war unnachgiebig, was ihr sagte, dass sie eine Diskussion nur verlieren konnte.
„Aber ich komme mir so schäbig vor. Wie die arme, kleine Verwandte, die nichts hat. Dabei arbeite ich schon, seit ich mit dem Studium angefangen habe. Würde Matthias mich so bezahlen, wie eine normale Firma ihre Angestellten, hätte ich ein Problem weniger.“
Traurig sah sie ihn an. Sie wollte ihrem Freund auf keinen Fall auf der Tasche liegen.
„Ich habe immer davon geträumt, unabhängig zu sein. Ein Häuschen im Grünen, einen Job, mit dem ich genug Geld verdiene, um gut über die Runden zu kommen“, gab sie leise zu.
Flann nahm ihre Hand, strich leicht mit dem Daumen über ihren Handrücken, ehe er einen sanften Kuss darauf drückte.
„Ich verstehe dich, aber was nicht ist, kann ja noch werden. Ein Cottage besitze ich bereits und einen Job finden wir für dich.“
Schnell packte er ihren Trolley, legte einen Arm um ihre Schultern, um mit ihr zurück in seine Unterkunft zu gehen.
Hier räumte sie ihre Sachen in den Kleiderschrank, brachte die Dinge ins Bad, die sie dort brauchte, anschließend zog sie eine Jogginghose sowie dicke Socken an. Flanns Pullover behielt sie an, weil er so herrlich nach ihrem Tiger roch. Sie liebte seinen Geruch nach Sandelholz und Meer.
Flann wartete im Wohnzimmer auf sie, wo er eine kleine Aktivbox aufgestellt hatte, sodass jetzt leise Musik erklang. Außerdem brannte im offenen Kamin ein Feuer und es standen zwei Gläser zusammen mit einer Flasche Wein auf dem Tisch.
Darla erkannte die Gruppe Faun
, die sie sehr mochte. Glücklich kuschelte sie sich an ihren Liebsten, schloss die Augen, um für einen Moment den entspannenden Klängen zu lauschen.