Kapitel 9 - Gefährliche Aktion
Irritiert sah er sie an.
„Demmer hat dir eine freie Woche zugestanden. Wieso willst du arbeiten?“
Stumm deutete Darla auf ihre Handtasche, in der ihr Handy lag.
Flann verstand, dass sie jetzt ein wenig Theater spielte, um ihren Onkel in Sicherheit zu wiegen.
„Da ich ja hier in Irland bleibe, möchte ich das Katalogisierungsprogramm vorher fertig bekommen. Matthias soll nicht behaupten, dass ich ihn mit irgendetwas im Stich gelassen habe.“
Das war genau Darlas Art. Sie übernahm immer zu viel Verantwortung.
„Aber es ist kaum dein Problem, was mit Demmer ist. Er kann jemand anderen einstellen, der das Programm fertigstellt.“
Unwillig schnaubte Flann.
„Es reicht, wenn er mich unter Druck setzt. Dich wird er gefälligst in Ruhe lassen.“
Dem stimmte Darla stumm zu, allerdings ging es hier um mehr.
„Nach der Woche wird er mich nie wiedersehen. Es sei denn, du willst, dass ich dich zu den Kämpfen begleite.“
Wie erwartet widersprach der Tiger.
„Auf gar keinen Fall! Ich werde nie wieder dulden, dass du dich in der Nähe des Drecksacks aufhältst. Nur verstehe ich nicht, wieso du überhaupt über dieses Programm nachdenkst.“
Darla lächelte ihn an, gleichzeitig legte sie eine Hand auf seinen Arm.
„Es ist gegen meine Art, eine Arbeit einfach so hinzuschmeißen. Nicht mal für jemanden wie meinen Onkel. Bitte, es ist doch nur ein Tag. Wir haben den Rest unseres Lebens vor uns.“
Sie sah ihn eindringlich an, um ihm zu signalisieren, dass er gefälligst mitspielen sollte.
„Gut, aber nur morgen. Und ich werde bei dir sein.“
Zustimmend nickte sie, anschließend nahm sie die Handtasche, zog den Reißverschluss zu und brachte sie ins Badezimmer, wo sie sie unter einem Stapel Handtücher versteckte.
So abgepolstert würde ihr Onkel nichts aufnehmen können.
Lächelnd sah sie den Tiger an, als sie in die Küche zurückkam.
„Du willst es also wirklich durchziehen? Es ist enorm gefährlich und aktuell wird es uns nicht viel helfen. Ich kann kaum zur Polizei gehen, ohne unser Leben zu gefährden.“
Flann sah sie eindringlich an.
Natürlich war es gut, wenn sie etwas in der Hand hatten, nur musste dann auch sichergestellt sein, dass Demmer sofort festgenommen wurde und auf keinen Fall auf Kaution herauskam.
„Ja, ich will es. Es ist mir klar, dass wir noch warten müssen, ehe wir ihn wirklich ans Messer liefern können. Zuerst sollte der Chip in deinem Nacken verschwinden. Aber Samstag ist die letzte Möglichkeit, einen Kampf live aufzunehmen. Die restlichen Daten, an die ich herankomme, ziehe ich auf einen USB-Stick.“
Ihr war alles andere als wohl bei der Vorstellung, was schiefgehen konnte, allerdings wurde es höchste Zeit, dass sie sich endlich wehrte.
„Gut, dann verbringen wir morgen den Tag mehr oder weniger drüben im Rezeptionsgebäude“, stimmte Flann mürrisch zu.
„Ich werde dort sein, aber du kannst dich ruhig anderweitig beschäftigen. Thorsten hat seine Lektion hoffentlich gelernt.“
Darla war der Gedanke, dass der Tiger ihretwegen seine Freizeit in dem runtergekommenen Abstellraum verbrachte unangenehm.
„Ich sehe dir gerne beim Arbeiten zu. Außerdem gehe ich kein Risiko ein. Ich bleibe bei dir.“
Seine Stimme duldete keinen Widerspruch, sodass sie erst gar nicht versuchte, ihn umzustimmen.
Sie unterbrachen das Gespräch, weil das Essen heiß war, darüber hinaus hatten beide ziemlichen Hunger.
~~°~~
„Ich würde übermorgen gerne nach Hause fahren, um ein paar Dinge zu holen. Magst du mitkommen?“
Flann saß, nachdem sie die Küche wieder in Ordnung gebracht hatten, auf der Couch im Wohnzimmer und sah seine Kleine fragend an.
Strahlend nickte sie.
„Nichts könnte mich zurückhalten. Ich bin wahnsinnig gespannt auf dein Cottage.“
Zufrieden zog er sie an sich, dabei glitt ein diabolisches Schmunzeln über sein Gesicht.
„Dann sollten wir mein spezielles Zimmer ausprobieren. Dort habe ich viel mehr Möglichkeiten, dich in den siebten Himmel zu katapultieren. Obwohl es mit dem Gürtel ja auch gut funktioniert hat.“
Leise lachend schob er seine Hand in ihre Jogginghose, um nach den Striemen zu tasten.
„Ich glaube kaum, dass Matthias uns fahren lässt. Er hat Angst, dass er die Kontrolle verliert. Sonst hätte er dich ja direkt nach Hause schicken können“, bemerkte Darla, gleichzeitig sog sie hart die Luft ein.
Es tat weh, wenn er über die frischen Spuren fuhr, allerdings machte es sie auch an.
Flann überlegte einen Moment. Er hatte überhaupt nicht darüber nachgedacht, warum Demmer ihn in der Anlage behalten wollte.
„Ich sage ihm einfach, dass ich meine Hanteln holen muss. Er will ja, dass ich in Form bin.“
Auf diese achtlos dahin gesagten Worte verzog Darla das Gesicht. Sie hatte völlig ausgeblendet, dass ihr Liebster in wenigen Tagen erneut in den Ring steigen würde.
„Ich hasse die Vorstellung, dass du kämpfen musst“, flüsterte sie, dabei unterdrückte sie die Tränen.
Im Moment lagen Himmel und Hölle so verdammt dicht nebeneinander.
Flann zog sie fest an sich, streichelte sie, gleichzeitig drückte er ihr einen Kuss auf den Scheitel.
„Ich werde gewinnen. Mach dir keine Gedanken.“
Er hatte gut reden! Natürlich machte sie sich fürchterliche Sorgen, zumal sie wusste, wozu ihr Onkel fähig war.
„Ich spreche morgen mit Demmer, dann sehen wir ja, was er dazu sagt, wenn wir uns für eine Nacht verabschieden.“
Damit hakte der Tiger das Thema vorerst ab. Es brachte nichts, darüber zu diskutieren, was dieser Drecksack sagen würde.
Zustimmend nickte Darla, die auch lieber an etwas anderes dachte, als an ihren verbrecherischen Verwandten.
„Gibt es eigentlich noch mehr mystische Wesen? Ich meine, neben Geistern und Gestaltwandlern?“, wollte sie plötzlich wissen.
Flann lachte leise auf.
„Oh ja, so ziemlich alles, was du dir vorstellen kannst. Die magische Welt ist sehr vielfältig.“
Mit großen Augen sah sie ihn an.
„Du nimmst mich jetzt nicht auf den Arm, oder?“
Schnell schüttelte er den Kopf.
„Nein, allerdings gibt es bei uns auch Gesetze und gegen eins verstoße ich gerade. Die Geheimhaltung steht an erster Stelle.“
Er seufzte leicht, als er darüber nachdachte, dass er schon lange gegen die Gemeinschaft der magischen Wesen handelte.
„Dann ist es verboten, dass wir zusammen sind?“
Besorgt musterte sie ihn.
Sofort strich er ihr zart über die Wange.
„Das ist kein Problem. Als meine Gefährtin kannst du einen Eid schwören, unsere Geheimnisse zu bewahren, danach steht einem gemeinsamen Leben nichts im Weg.“
Flann spürte deutlich, dass sie aufatmete, und musste lächeln.
Überall witterte seine Kleine Probleme, die sie trennen würden, obwohl nur ihr Onkel wirklich zu einem Hindernis werden könnte.
„Ist es dir erlaubt, mir ein wenig mehr zu erzählen?“
Es fiel ihr schwer, die Neugier zu bezähmen, das sah er ihr an der Nasenspitze an.
Lächelnd strich er ihr eine Strähne hinters Ohr, küsste sie leicht auf die Lippen, bevor er die Schultern zuckte.
„Was willst du denn wissen? Ich denke, ich darf dir die Wahrheit sagen. Zumal du ja sowieso schon Etliches mitbekommen hast.“
Jetzt musste Darla erst einmal überlegen. Es gab so viele Dinge, über die sie gerne etwas erfahren würde.
„Weißt du auch irgendetwas über Wiedergeburt? Oder über die Anderwelt?“
Sie hielt die Luft an, da sie die Frage aus einem ganz bestimmten Grund gestellt hatte.
„Ja, wir alle glauben an eine Form der Reinkarnation. Allerdings gibt es da keine Beweise. Anderwelt, das bedeutet Himmel oder Hölle, je nachdem, in welchen Teil du kommst. Eine Verbindung herzustellen ist fast unmöglich, jedenfalls zu den guten Menschen. Den Wiedergängern möchtest du nicht begegnen, das kann ich dir versichern.“
Seufzend zeichnete sie mit dem Zeigefinger kleine Kreise auf seine Brust.
„Ich würde so gerne noch einmal mit meinen Eltern sprechen. Denkst du, eine Banshee ...“
Sofort schüttelte Flann den Kopf. Es tat ihm in der Seele weh, dass er ihr diese Hoffnung nehmen musste, aber auch die magischen Wesen konnten keine Verbindung zu den Toten herstellen.
„Nein, die Todesfee kündigt den Tod nur an, mehr nicht. Sie wird keine Botschaften überbringen können.“
Mit weit aufgerissenen Augen starrte Darla ihren Tiger an.
„Es gibt sie also wirklich?“
Mit einem Schmunzeln nickte er.
„Ja, es existieren sogar einige davon. Sie leben allerdings nur hier in Irland. Es machte mal eine Geschichte die Runde, dass jemand es geschafft hat, eine Banshee einzufangen und nach Spanien zu bringen. Sie wäre beinahe gestorben.“
Darlas Augen glänzten vor Aufregung, als sie ihn auffordernd ansah.
„Erzähl bitte weiter. Was ist passiert?“
Einen Moment musste Flann überlegen. Es war schon eine Weile her, seit er diesen Bericht gehört hatte.
„Ein durchgeknallter Vampir wollte Macht über den Tod. Deshalb hat er eine Banshee gekidnappt. Keine Ahnung, wie er das gemacht hat. Normalerweise fängt man sich einen üblen Fluch ein, wenn man sie berührt. Er hielt sie in Spanien gefangen, wo sie von Tag zu Tag durchsichtiger und schwächer wurde.“
Erneut überlegte er, was damals passiert war.
„Gott sei Dank wurde sie befreit. Man brachte sie zurück, doch erst auf irischem Boden konnte sie sich erholen.“
Nachdenklich blickte Darla aus dem Fenster.
„Ich hätte nie gedacht, dass die Mythen wahr sind“, murmelte sie.
Jetzt lachte Flann leise auf.
„Nicht alle, mein Mädchen. Zombies sind eine reine Erfindung der Menschen.“
Das beruhigte sie.
„Und was ist mit Nessie? Gibt es das Ungeheuer von Loch Ness wirklich?“
Darla war sich selbst unsicher, was sie glauben sollte. Aber die Vorstellung, dass eine Art Drachen in dem Gewässer hauste, gefiel ihr irgendwie.
„Ja, sie lebt in dem berühmten See. Allerdings ist sie ein Leviathan.“
Ungläubig schüttelte seine Kleine den Kopf.
„Jetzt nimmst du mich auf den Arm. Ein solches Monster existiert bestimmt nicht in Schottland. In Zusammenhang mit Nessie ist bisher nie davon geredet worden, dass sie Menschen frisst.“
Flann nickte leicht.
„Stimmt, weil sie das auch selten tut. Sie ist völlig verspielt. Die menschliche Mythologie tut ihr unrecht, wenn sie als bedrohliches Wesen dargestellt wird. Allerdings gibt es mehrere ihrer Art und mit den anderen möchtest du eher nicht zusammentreffen.“
An der Aussage knabberte Darla wirklich. Ein Seeungeheuer im Loch Ness!
„Was ist mit Irland? Was lauert da in den Gewässern?“
Ihre Stimme klang neckend, trotzdem hörte der Tiger den angespannten Unterton.
„Alles Mögliche, aber hauptsächlich Fische.“
Lachend schlug sie ihm auf den Arm.
„Das meine ich nicht, das weißt du genau.“
Schnell drückte er sie an sich.
„Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung. Es machen immer mal Gerüchte die Runde, dass im Lough Dergh und im Lough Ree ein Ungeheuer sein Unwesen treibt. Ich konnte bisher nichts dergleichen entdecken, trotzdem ist an den alten Geschichten meistens etwas dran. Was ich dir bestätigen kann, ist, dass es die irischen Elfen wirklich gibt. Der größere Teil ist keineswegs freundlich.“
Auch davon hatte Darla gelesen.
„Du willst mir damit sagen, dass du bereits einen Dullahan gesehen hast? Einen kopflosen Reiter?“
Für sie war diese Welt aufregend und am liebsten wäre sie losgelaufen, um selbst Kontakt zu den magischen Wesen aufzunehmen.
„Ja, ich musste ihn in seine Schranken weisen. Wir haben uns geprügelt, bis er sich verdrückt hat. Der Mistkerl wollte die Schwester meiner Frau holen. Das ist jetzt knappe zweihundert Jahre her. Seitdem habe ich zumindest vor den irischen Elfen meine Ruhe.“
Fast schon ehrfurchtsvoll sah seine Freundin ihn an.
„Man kann ihn anfassen?“
Laut lachend schüttelte Flann den Kopf.
„Ja, das ist durchaus möglich, aber man muss verdammt vorsichtig sein. Alle magischen Geschöpfe besitzen übernatürliche Fähigkeiten. Leider sind sie den Menschen eher feindselig gegenüber, wenn man vom Grogoch absieht.“
Darla überlegte, was sie als Nächstes ansprechen sollte. So viele Fragen tobten durch ihr Gehirn.
„Ich dachte immer, dass das meiste nur Geschichten sind, um sich zu amüsieren oder zu gruseln.“
Sie kuschelte sich an ihn, denn der Gedanke, dass dort draußen irgendwo ein Vampir lauerte, ängstigte sie schon ein bisschen. Andererseits wusste sie, dass sie hier in Flanns Armen absolut sicher war.
„Wieso haben die Menschen keine Ahnung von der magischen Welt?“
Einen Augenblick überlegte der Tiger.
„Weil die meisten deiner Spezies ziemlich arrogant sind. Sie denken, dass sie alles kontrollieren können. Allerdings wurde von unserer Seite auch dafür gesorgt, dass das alte Wissen untergeht. Natürlich gibt es immer noch Normale, die in der Lage sind, uns zu sehen oder an uns zu glauben.“
Darüber dachte Darla eine Zeit lang nach, wobei ihr die Augen zufielen.
Mit einem liebevollen Lächeln betrachtete Flann sie, dabei wurde ihm erneut bewusst, was für eine wundervolle Gefährtin er bekommen hatte.
~~°~~
Am nächsten Tag weckte sie der Regen, der gegen die Fensterscheiben prasselte.
Verwundert sah Darla sich um, denn sie konnte sich überhaupt nicht daran erinnern, ins Bett gegangen zu sein. Außerdem bemerkte sie, dass sie völlig nackt war.
„Hast du mich hergebracht?“
Ein wenig verunsichert sah sie ihren Tiger an, der neben ihr lag und sie betrachtete.
Ein leichtes Nicken gab ihr die Antwort.
„Könntest du mich vielleicht das nächste Mal einfach wecken? Ich bevorzuge es, einen Schlafanzug anzuziehen.“
Verschnupft zog sie die Decker höher, als sie erkannte, dass er fasziniert den Ansatz ihrer Brüste beobachtete.
„Das habe ich, mein Mädchen. Aber du hast nur selig gelächelt, um gleich darauf wieder einzuschlafen. Der Tag war aufregend und so habe ich beschlossen, dass ich dich schlafen lasse. Außerdem mag ich es, dich ohne irgendwelche Stofffetzen spüren zu können.“
Mit einer ähnlichen Antwort hatte sie durchaus gerechnet, trotzdem sah sie ihn immer noch missmutig an.
„Ist das jetzt eine neue Regel? Ich muss nackt neben dir liegen?“
Sofort zog Flann eine Augenbraue hoch, dabei sah er sie warnend an.
„Pass auf deinen Ton auf, Darla. Ich bin höflich, daher erwarte ich es auch von dir. In dem Fall benötige ich keine besondere Situation, um dich zu strafen.“
Bei den Worten zog es in ihrem Unterleib, sodass sie für einen Augenblick in Versuchung kam, ihn weiter zu provozieren. Doch als sie sich umdrehte und mit dem Po über das Laken streifte, spürte sie die Striemen mehr als deutlich.
„Lass es besser. Eine Bestrafung kann sehr unangenehm werden. Oder hast du schon mal das Vergnügen gehabt, nur mit einem Mantel und Schuhen bekleidet einkaufen zu gehen? Abgesehen von einer Woche Keuschhaltung. Vielleicht kommt auch eine Überreizung deiner Klitoris infrage.“
Sofort klappte sie den Mund fest zu, da ihr diese Aussichten ein wenig zu weit gingen. Obwohl ihr dummes Kopfkino natürlich daraufhin ansprang.
„Um auf deine Frage zurückzukommen, nein, ich erwarte nicht, dass du unbekleidet schläfst. Es ist deine Entscheidung, es sei denn, ich sage dir etwas anderes. Gestern hatte ich das Bedürfnis, dich ohne störenden Stoff in meinen Armen zu halten.“
Jetzt senkte sie betroffen den Kopf. Wie konnte sie gegen seine Wünsche wettern, wenn es ihn glücklich machte, sie einfach nur zu spüren? Bisher hatte er verdammt wenig für sich verlangt.
Ständig stand sie an erster Stelle.
„Es tut mir leid. Ich fühle mich nur nicht wirklich wohl, sobald ich nackt bin.“
Das war ihm bewusst, aber gerade deshalb würde er sie immer wieder ihrer Kleider berauben. Sie musste dringend lernen, dass sie für ihn perfekt war.
„Lass uns aufstehen. Ich werde mich gleich mit meinem Onkel befassen.“
Sie war angespannt, außerdem hatte sie Angst vor der Begegnung, was er sofort roch.
„Niemand zwingt dich, das zu tun. Wir finden einen anderen Weg, mein Mädchen.“
Flann sah sie ernst an. Ihr Vorhaben war verdammt gefährlich und er wollte sich auf keinen Fall ausmalen, was passierte, sollte Demmer herausfinden, dass sie die Daten kopiert hatte.
„Doch, Flann, ich muss es tun, um wieder in den Spiegel sehen zu können. Ich will das schlechte Gewissen, dass ich nicht mal versucht habe, diesen Mörder zu stoppen, endlich loswerden.“
Das verstand er zu gut, sodass er jetzt nicht weiter in sie drang.
Sie frühstückten gemeinsam, nachdem sie sich für den Tag zurechtgemacht hatten.
Darla trug ein entzückendes Kleid mit angeschnittenen Ärmeln, das ihr bis zum Knie reichte und Blumen auf dunkelblauem Grund zeigte. Es kaschierte ihre Problemzonen, was ihr gerade heute extrem wichtig war.
Auf Make-up verzichtete sie völlig, zumal sie kein Interesse auf sich ziehen wollte.
Flann entschied sich für ein schwarzes, eng anliegendes Shirt mit langen Armen, dunkle Jeans und Westernstiefel.
„Was für ein Klischee“, murmelte Darla, als sie die Stiefel betrachtete.
Schmunzelnd stimmte er ihr zu.
„Du hast recht, allerdings passt es nicht wirklich zu einem Bodybuilder, oder?“
Sie lachte mit ihm, anschließend machten sie sich auf den Weg zu ihrem Onkel.
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Unwillig forderte Demmer sie auf, einzutreten, als der Tiger hart an die Tür des Büros klopfte.
Erstaunen zeichnete sich auf seinem Gesicht ab, als das Paar eintrat, allerdings grinste er sie gleich darauf höhnisch an.
„Sieh mal einer an. Da ist ja unser Liebespaar oder hast du die Nase bereits voll von ihr? Ihre Figur ist ja ziemlich zum Abgewöhnen.“
Getroffen zuckte Darla zusammen, doch sofort strich Flann ihr leicht über den Rücken, zumal er einen Arm um ihre Taille gelegt hatte.
Zu gerne würde er dem Mistkerl so richtig die Fresse polieren, nur heute verzichtete er besser auf diese Genugtuung.
„Du bist ein Idiot, Demmer. Aber wir haben etwas mit dir zu besprechen.“
Flann sah ihn warnend an, woraufhin er auf die zwei Stühle vor seinem Schreibtisch deutete.
„Na, da bin ich ja mal gespannt. Auf keinen Fall bekommst du eine finanzielle Unterstützung, weil meine gefräßige Nichte dir jedes Haar vom Kopf frisst.“
Er lachte über seine Bemerkung, doch verstummte, als der Tiger leise fauchte.
„Ich werde das Programm heute fertigstellen. Da ich bei Flann bleibe, möchte ich verhindern, dass du rumerzählst, ich sei unzuverlässig. Allerdings erwarte ich dafür, dass du mir mein volles Gehalt für den Monat überweist. Außerdem ziehe ich die Kontovollmacht zurück.“
Darla knetete ihre Finger, während sie ihre Forderungen hervorstieß, trotzdem wich sie dem Blick ihres Onkels nicht aus.
„So, du glaubst, dass du machen kannst, was du willst? Was ist mit den ganzen Jahren, in denen ich dich durchgefüttert habe? Denkst du, dass ich das nur aus Nächstenliebe tat?“
Bösartig musterte er sie, dabei kroch Flann der Geruch von Hass in die Nase.
„Spinnst du? Ich wurde von Anfang an gezwungen, mitzuarbeiten. Sobald ich zu Hause war, hast du mich mit Aufgaben überschüttet. Genau genommen müsstest du mir etliche Stunden noch bezahlen.“
Ihre Stimme war lauter geworden, während sie sich jetzt an die Armlehnen ihres Stuhls klammerte, um sich selbst davon abzuhalten, Matthias ins Gesicht zu springen. Das Maß war einfach voll!
„Wenn es dir nur um Kohle geht, dann nenn deinen Preis.“
Flann zog die Aufmerksamkeit des Mannes auf sich, gleichzeitig legte er eine Hand auf Darlas Arm, um sie zur Zurückhaltung zu mahnen.
„Pah, so reich bist du nicht. Außerdem ist es kaum deine Angelegenheit. Ist das alles?“
Demmer sah bereits auffordernd zur Tür.
„Nein, ich werde morgen mit Darla nach Reanisglen fahren. Ich benötige meine Hanteln, damit ich am Samstag fit bin. Wir kommen irgendwann Donnerstag wieder.“
Flann hielt seinem Blick stand, gleichzeitig zeigte seine gesamte Haltung, dass er von dem Plan keinen Schritt abweichen würde.
„Das ist gut, dann brauche ich mir ihren Anblick nicht mehr anzutun. Aber du weißt ja, solltet ihr zwei vorziehen, zu verschwinden ...“
Sofort hob der Tiger abwehrend seine Hände. Demmer brauchte seine Drohung keinesfalls komplett auszusprechen.
„Komm, mein Mädchen, wir haben gesagt, was zu sagen war.“
Er stand auf, reichte seiner Freundin eine Hand und schob sie aus dem Büro.
Matthias sah den beiden mit einem hasserfüllten Blick nach. Zu gerne hätte er sie jetzt schon getrennt, allerdings schmeckte Rache kalt genossen noch besser.
„Das ging leichter, als ich dachte. Nur seine Aussage, dass ich ihm etwas schulde, gefällt mir nicht.“
Darla saß vor ihrem Computer, während Flann neben ihr am Tisch lehnte.
„Er wird versuchen, uns zu schaden, damit rechne ich fest. Aber wir finden einen Weg.“
Schnell beugte er sich zu ihr rüber, um ihr einen sanften Kuss zu geben, anschließend setzte er sich auf einen Stuhl, sodass sie mit ihrer Arbeit anfangen konnte.
„Ich muss nur noch meinen Laptop holen. Soll ich dir etwas mitbringen?“
Mit einem Seufzer stand sie auf, doch ihr Tiger stoppte sie.
„Lass mich gehen. So kann ich mir auch gleich ein Buch aussuchen.“
Dankbar sah sie ihn an, denn so hatte sie Zeit, um schon mal die Daten zu suchen, die sie kopieren wollte.
Seit ihr der Gedanke gekommen war, dass sie ihrem Onkel auf diese Weise das Handwerk legen könnte, hatte sie immer einen USB-Stick in ihrer Laptop-Tasche.
Nervös klickte sie sich durch ein Verzeichnis, als hinter ihr die Tür aufging. Sofort wechselte sie zum Desktop und drehte sich um. Ihr war klar, dass es sich kaum um Flann handelte. So schnell war der Tiger auch wieder nicht.
„Schön, dass ich dich endlich mal alleine zu fassen bekomme.“
Thorsten kam in den Raum, schloss die Zimmertür und lehnte sich dagegen.
„Flann ist gleich zurück. Du solltest dir also gut überlegen, was du tust, wenn du an deinem Leben hängst.“
Darla sah ihn gleichgültig an. Vor ihm hatte sie seit einiger Zeit keine Angst mehr, er war ihr einfach nur lästig.
„Willst du wirklich mit diesem Tier zusammen sein?“
Genervt verdrehte sie die Augen. Die Diskussion würde sie auf keinen Fall mit ihm führen.
„Komm schon, Darla, gib mir eine Chance. Ja, unsere Beziehung hat einen schlechten Start gehabt, aber du weißt, dass da was zwischen uns ist.“
Was laberte der Idiot denn da? Sie verband nicht mal eine lockere Freundschaft!
Unwillig stieß sie die Luft aus, dabei sah sie ihn ärgerlich an.
„Lass mich bitte in Ruhe arbeiten! Ich möchte das Programm fertigstellen, ehe ich kündige.“
Niemand musste wissen, dass sie weder ein Arbeitsvertrag noch eine mündliche Vereinbarung an den Job band.
„Du willst Demmer verlassen? Das kannst du nicht. Der bringt dich um.“
Thorsten sah sie an, wie eine Kuh, die anfängt zu steppen.
„Was geht es dich an? Kümmere dich um die Nutten oder geh auf der Autobahn spielen.“
Energisch drehte sie sich endgültig zu ihrem Bildschirm um, mit der Aktion wollte sie ihm signalisieren, dass das Gespräch zu Ende war.
Nur leider verstand Thorsten keine vorsichtigen Hinweise.
Zu allem Überfluss stellte er sich jetzt auch noch hinter sie, legte seine Hände auf ihre Schultern und beugte sich zu ihrem Ohr.
„Du brauchst keineswegs eifersüchtig werden. Ich baue dort nur meinen Druck ab. Außerdem weiß ich, dass du den Tiger umgarnst, weil dein Onkel das will. Ich spreche mit ihm, damit du die demütigende Aufgabe nicht länger übernehmen musst. Es ist unnötig, mir vorzuspielen, dass du das Tier magst.“
Bei so viel Dummheit verschlug es Darla die Sprache, doch ehe sie etwas sagen konnte, ertönte die Stimme ihres Liebsten.
„Würdest du bitte so freundlich sein und deine dreckigen Griffel von meiner Freundin nehmen?“
Thorsten zuckte zusammen, was sie deutlich spürte, allerdings ließ er sie keineswegs los, sondern nahm ihre Hand, nachdem er sich umgedreht hatte.
„Sie findet es aber völlig in Ordnung. Vielleicht sollte ich dir etwas über die Hintergründe erzählen? Demmer hat sie auf dich angesetzt, weil er dich so besser unter Kontrolle halten kann. Oder dachtest du, dass sie wirklich Gefühle für dich hat?“
Zornig sprang Darla auf, löste ihre Finger aus seiner Umklammerung, ehe sie ihm mit aller Kraft ins Gesicht schlug.
„Was denkst du Vollidiot eigentlich, wer du bist? Hast du Lack gesoffen, du hirnamputierte Amöbe? Oder bist du von Natur aus so dämlich? Merkst du dich noch, du Arschkrampe?“
Sie schrie ihm die Beleidigungen entgegen, nicht länger in der Lage, sich unter Kontrolle zu halten.
Außerdem befürchtete sie, dass ihr Freund ihm glaubte.
In Thorstens Augen blitzte Empörung auf, aber ehe er sich auch nur rühren konnte, wurde Darla bereits hinter den breiten Rücken des Tigers gezogen.
„Hast du etwas dazu zu sagen? Oder möchtest du lieber gehen?“
Freundlich deutete Flann auf die Tür, die noch offenstand.
Ohne eine Antwort zu geben, drückte der Lakai sich an ihm vorbei, doch gerade, als er sich in Sicherheit wähnte, stoppte der Gestaltwandler ihn.
„Ach, Thorsten?“
Der Speichellecker von Demmer blieb wie erstarrt stehen und starrte ihn an.
„Sehe ich noch einmal, dass du meine Gefährtin anpackst, endest du als Fischfutter, verstanden?“
Ängstlich nickte der Kerl, ehe er Fersengeld gab.
Lachend drehte Flann sich zu seiner Kleinen um, die ihn allerdings furchtsam ansah.
„Was ist? Hat er dir wehgetan?“
Mit einem besorgten Blick musterte er seine Freundin, die leicht den Kopf schüttelte.
„Nein, aber ich habe Angst, dass du ihm glaubst. Es wäre ein kluger Schachzug von meinem Onkel, mich in der Weise einzuspannen.“
Darla sah zu ihm auf, dabei hielt sie den Atem an, während sie jeden Muskel anspannte. Hoffentlich hatte Thorsten kein Misstrauen gesät.
Kopfschüttelnd zog Flann sie von ihrem Stuhl hoch, legte beide Arme um sie und drückte sie fest an sich.
„Was denkst du nur von mir? Diesem Arsch traue ich nur so weit, wie ich ihn werfen kann. Außerdem bin ich in der Lage zu riechen, wenn jemand lügt. Schon vergessen?“
Aufatmend ließ sie sich an ihn sinken, gleichzeitig genoss sie die Geborgenheit, die sie in dem Moment fühlte.
Seufzend löste sie sich wieder von ihm, nahm den Laptop und den USB-Stick aus der Tasche, die er neben ihren Schreibtisch gestellt hatte, anschließend nickte sie ihm zu.
Flann schloss die Tür, lehnte sich mit dem Rücken dagegen, denn das war das Einzige, was er tun konnte, um seinem Mädchen Schützenhilfe zu geben. Solange er dort stand, betrat niemand den Raum, jedenfalls nicht, ohne sie zu warnen.
Darla verband den Minispeicher mit dem Computer, bevor sie die Dateien kopierte, die ihr irgendwie hilfreich erschienen. Natürlich kam sie nicht an alles heran, aber das, was sie sicherte, würde Demmer todsicher in den Knast bringen.
Es dauerte eine ganze Weile, ehe sie das Speichermedium abmeldete und Flann reichte.
„Da ich ja hierbleibe, kann ich dir den Stick gleich geben“, flüsterte sie.
Zustimmend nickte der Tiger, während er das kleine Teil in seiner Hosentasche verschwinden ließ.
„Sag mal, solltest du dich nicht irgendwie auf den Kampf am Wochenende vorbereiten? Wahrscheinlich wird Matthias dir einen Gegner suchen, der ziemlich gefährlich ist.“
Besorgt musterte sie ihren Liebsten, der bereits den Kopf schüttelte.
„Nein, mach dir keine Sorgen. Ich bin in Topform. Ein paar Tage Auszeit schaden da nicht wirklich. Allerdings werde ich morgen eine Trainingseinheit einlegen, außerdem nehme ich die Hanteln mit.“
Damit setzte er sich auf den freien Stuhl, wo er sich in sein Buch vertiefte.
Auch Darla machte sich erneut an ihre Arbeit, obwohl sie sich zwingen musste, sich auf das Programm zu konzentrieren.
Eine ganze Zeit lang herrschte Stille in dem winzigen Raum, nur das Klappern der Tastatur verriet, dass sich überhaupt jemand hier aufhielt.
Gegen Mittag stand Flann auf, legte den Roman zur Seite, ehe er sich hinter seine Kleine stellte. Sanft massierte er ihre verspannten Schultern, was sie leise aufseufzen ließ.
„Das tut gut“, murmelte sie.
Gekonnt lockerte der Tiger ihre Muskeln, bevor er sie von ihrem Stuhl zog.
„Eine Pause steht dir zu, also lass uns eine Kleinigkeit essen. Anschließend können wir ein Stück laufen.“
Der Vorschlag kam gerade recht. Darla fühlte sich wie eingesperrt, außerdem war die Vorstellung, frische Luft zu schnappen, sehr verführerisch.
Schnell liefen sie zu dem kleinen Cottage, wo sie sich für Obst und belegte Brote entschieden.
Kurz darauf schlenderten sie Hand in Hand an dem alten Rezeptionsgebäude entlang.
„James wird es ärgern, wenn wir ihn schon wieder stören“, wandte Darla zögernd ein, doch ihr Tiger zog sie einfach weiter.
„Der nörgelnde Geist interessiert mich gerade überhaupt nicht. Ich möchte mit dir zum Hafen.“
Die Sonne schien von einem klaren, blauen Himmel, selbst die Temperatur passte sich dem perfekten Sommertag an. Das Wetter war sommerlich, aber keineswegs zu heiß.
Dieses Mal ließ sich das Gespenst von Terryglass Castle nicht sehen, sodass Darla aufatmete. Sie fühlte sich in seiner Nähe ziemlich unwohl.
Am Ende des Wegs kletterten sie über das kleine Tor, wobei sie natürlich darauf achteten, dass niemand zusah.
An dem Tag ankerten weniger Schiffe in dem Hafen, was wohl daran lag, dass viele bei dem traumhaften Wetter auf den See rausgefahren waren.
Nachdenklich sah sie auf das Wasser hinaus, als sie an einem der Anleger stehen blieben.
„Vielleicht ist das Wesen im Lough Dergh das gleiche wie im Lough Ree? Immerhin sind die beiden Seen durch den Shannon verbunden.“
Flann legte einen Arm um ihre Schultern, ehe er über ihre Äußerung nachdachte.
„Ich bin mir da unsicher. Es gibt einige Schleusen, die es überwinden müsste. Ein Leviathan überlebt es nicht an Land, außerdem würde man ihn auf jeden Fall sehen. Die sind nämlich extrem groß.“
Natürlich konnte das Wesen die Umwege über die zahlreichen Seitenarme gemacht haben, trotzdem war es ziemlich unwahrscheinlich, dass es unerkannt die gesamte Strecke geschwommen war.
„Vielleicht ist es auch längst ins Meer geflohen. Die letzte Sichtung ist schon fast vierzig Jahre her.“
Sie schlenderten weiter, sahen sich die Schiffe an und genossen es einfach, zusammen zu sein.
Viel zu schnell wurde es Zeit, um zurückzukehren, was Darla ins Gedächtnis rief, dass Flann bald wieder einen dieser mörderischen Kämpfe überstehen musste.
„Vielleicht ist es besser, wenn ich mit ihm zurückfliege, um herauszufinden, wo die Unterlagen sind, die dich belasten. Ich könnte sehen, wer von seinen Vertrauten beauftragt ist, die Sachen weiterzuleiten.“
Augenblicklich schüttelte der Tiger den Kopf.
„Und dann? Was sollte das bringen? Sobald wir Demmer anzeigen, lösen wir eine riesige Kettenreaktion aus. Solange wir die nicht stoppen können, müssen wir mit den Umständen leben.“
Darla war klar, dass ihr Onkel sofort dafür sorgen würde, dass alles, was er über den Gestaltwandler wusste, an die Öffentlichkeit kam. Außerdem hetzte er seine Killer auf sie.
Sie hatten nur eine Chance, wenn sie ihn vorher mundtot machten. Er durfte keine Möglichkeit bekommen, mit einem seiner Untergebenen zu sprechen. Allerdings würde er auch in Untersuchungshaft Kontakt zu seinem Anwalt haben dürfen. Da lag der Hase im Pfeffer.
Mittlerweile waren sie am Rezeptionsgebäude angekommen und hier sollten sie das Thema auf jeden Fall vermeiden.
Flann griff gerade nach der Türklinke, als Gina auf sie zukam.
Mit einem verführerischen Lächeln ging sie direkt zu dem Tiger, strich leicht über seinen Arm, bevor sie ihm zuzwinkerte.
„Wie wäre es mit etwas Entspannung? Ich stehe dir gerne zur Verfügung, allerdings nicht nur, weil Demmer es befiehlt.“
Darla übersah sie komplett, was diese mit den Zähnen knirschen ließ.
„Entschuldige, aber siehst du vielleicht, dass Flann im Moment mit mir unterwegs ist?“
Wütend starrte die andere Frau sie an, doch dann zuckte sie nur mit den Schultern.
„Er lässt sich im Leben nicht mit der Verwandten des Bosses ein. Dafür hat Demmer uns allen zu viel angetan.“
Mit den Worten drehte sie sich wieder zu dem Tiger, der die Arme ablehnend vor der Brust verschränkt hielt.
„Ich habe keine Ahnung, wie du auf das schmale Brett kommst, dass ich ausgerechnet bei dir mein Vergnügen suche. Vielleicht war ich letztens zu undeutlich. Ich musste die Show mit dir abziehen, weil ich genau wie du unter Druck gesetzt werde. Außerdem bitte ich dich, meine Freundin mit Respekt zu behandeln, sonst sehe ich mich gezwungen, dir Manieren beizubringen. Glaub mir, das wird dir auf gar keinen Fall gefallen.“
Einen Augenblick überlegte er, warum Gina überhaupt noch in Terryglass war. Matthias hatte davon geredet, dass er auf die Nutten verzichten könnte, wenn Darla sich um ihn kümmern würde.
„Wieso bist du hier? Ich dachte, ihr wärt mittlerweile woanders im Einsatz?“
Misstrauisch musterte er die Frau, die ihn mit großen Augen anstarrte.
„Nein, wie kommst du darauf? Demmers Männer sind doch auch geblieben.“
Sie ließ den Satz so stehen, denn jeder wusste, was sie damit sagen wollte.
„Du entschuldigst uns? Ich habe jedenfalls keine Zeit, den restlichen Tag hier herumzustehen.“
Darla drückte jetzt die Eingangstür auf und verschwand im Inneren. Auf gar keinen Fall würde sie weiterhin die Verachtung dieser Frau ertragen. Sie hatte noch keine drei Schritte gemacht, als Flann auch schon neben ihr war.
„Ich will nichts von ihr“, bemerkte er.
Sofort stimmte sie ihm zu.
„Ja, das weiß ich. Trotzdem möchte ich verhindern, mich mit ihr vor der Tür zu streiten. Sie ist vernarrt in dich und kann nicht verstehen, warum du auf ihr Angebot verzichtest. Ganz einfach.“
Sie schenkte ihm ein liebevolles Lächeln. Eifersucht war an dieser Stelle völlig unangebracht. Aber eine Frage formte sich in ihr.
„Wieso hast du gedacht, dass Matthias die Frauen wegschickt?“, wollte sie wissen, als sie in ihrem provisorischen Büro ankamen.
Verlegen zuckte Flann mit den Schultern. Er erinnerte sich genau an die Aussage von Demmer.
„Dein Onkel hat es mir gesagt.“
Langsam schüttelte Darla den Kopf.
„Vertrauen ist keine Einbahnstraße, mein Lieber. Normalerweise interessiert es dich doch gar nicht, wo diese Frauen sind, oder? Warum hast du dich mit Matthias darüber unterhalten?“
Flann zog sie fest in seine Arme, gleichzeitig seufzte er leise.
„Ich gebe dir recht, allerdings würde ich dir die Antwort gerne schuldig bleiben. Die Hintergründe sind sehr unschön.“
Ganz kurz überlegte sie, aber alles war besser, als das, was ihr im Kopf herumschwirrte.
„Sag es mir, sonst rede ich mir nur ein, dass du ein Auge auf sie geworfen hast.“
In den meisten Fällen war die Fantasie schlimmer als die Wahrheit, das war auch Flann klar, zumal er oft genug mit dem Kopfkino seiner Subs gespielt hatte.
„Demmer meinte, er könne die Nutten wegschicken, nachdem ich ihm mitgeteilt habe, dass du bei mir bleibst. Er würde auf diese Weise Geld sparen, deshalb hat er dir freigegeben.“
Deutlich sah er, wie die Wut in seiner Kleinen anstieg. Ihre Augen schossen Blitze, gleichzeitig schnappte sie empört nach Luft.
„Er stellt mich auf die gleiche Stufe wie seine Bordsteinschwalben? Im Prinzip bin ich jetzt die Bezahlung für deine Leistungen?“
Sie wollte sich von ihm befreien, aber er dachte gar nicht daran, sie loszulassen.
„Du weißt, dass das Unfug ist. Ich bekomme Geld von ihm für jeden Kampf. Ich liebe dich. Du bist meine Gefährtin. Was Demmer sagt oder meint, ist völlig unerheblich.“
Der Versuch, sie mit den Worten zu besänftigen, ging absolut nach hinten los.
„Ich bin also eine nette Zugabe? Was bildet dieser Scheißkerl sich eigentlich ein? Es ist egal, dass sein Plan nicht aufgegangen ist. Er tut so, als ob ich sein Eigentum wäre, das er mal eben jemandem überlassen kann, dem er einen Gefallen schuldet.“
Sie schrie es fast.
Flann verstand ihren Ärger sehr gut, nur gab es keinen Weg, Demmers Worte zu ändern.
„Du hast jedes Recht böse zu sein, nur bringt es uns keinen Schritt weiter. Wir sind zusammen und nur das zählt.“
Seine ruhige Art sorgte dafür, dass sie langsam wieder klar denken konnte. Im ersten Moment hatte sie nur rotgesehen. Ihr eigener Onkel sah in ihr nicht mehr, als eine Belohnung. Wie gut, dass er sie nie an einen seiner Männer verschachert hatte.
„Setz dich an deine Arbeit und versuch, die Worte des Mistkerls zu vergessen. Am Ende wird er verlieren, so oder so.“
Flann ließ sie los, drückte sie auf ihren Stuhl, anschließend drehte er sie so, dass sie auf ihren Monitor sehen konnte.
Einen Augenblick schloss sie die Augen, um sich zu sammeln, dann widmete sie sich der Programmierung.