Kapitel 13 - Gnadenlose Rache
Darla schlief bis weit in den Mittag hinein, ohne auch nur mitzubekommen, dass Flann leise aufgestanden war.
Mit einem Lächeln auf den Lippen öffnete sie die Augen, betrachtete für einen Moment den Ozean, ehe sie sich suchend umsah.
Schnell schlüpfte sie in einen Jogginganzug, anschließend ging sie in die Küche, wo sie eine Nachricht ihres Tigers fand.
„Guten Morgen, mein Mädchen, ich bin schon zum Training gefahren. Wenn du aufwachst, ruf mich bitte an, dann hole ich dich ab. Ich liebe dich, Flann.“
Sie überlegte, wo sie ihre Handtasche mit dem Handy hatte, als sie die Haustür hörte.
Schnell lief sie ins Wohnzimmer und wurde im nächsten Moment in eine feste Umarmung gezogen.
„Du solltest anrufen“, tadelte ihr Tiger leise.
Lachend schüttelte sie den Kopf.
„Das hatte ich auch vor. Ich bin gerade erst aufgewacht. Ich fühle mich in diesem Haus so unendlich sicher, dass ich extrem tief geschlafen habe.“
Flann küsste sie noch einmal. Er hatte sie selbst für die paar Stunden vermisst. Ein Gefühl, das er so nicht wirklich kannte.
„Ich hab etwas zum Essen mitgebracht. Lass uns frühstücken.“
Gemeinsam gingen sie zum Auto, um eine Dose Baked Beans, kleine Würstchen, Blut- und Leberwurst, Bacon, Eier sowie Toastbrot auszupacken.
„Wow, kommt deine Crew aus dem Studio zu Besuch?“
Darla deutete lachend auf die ganzen Lebensmittel, die sich auf dem Küchentisch türmten.
Fragend sah Flann sie an, dabei musste er sich ein Schmunzeln verkneifen.
„Nein, das ist alles für mich. Ich dachte, eine Scheibe trockenes Brot reicht für dich.“
Jetzt stieß Darla ihren Ellenbogen in seine Seite.
„Du sollst mich nicht auf den Arm nehmen, nachher hebst du dir noch einen Bruch.“
Schnell presste er sie an sich, ehe sie ihm erneut eine verpassen konnte.
„Das sind die Zutaten für ein irisches Frühstück. Obwohl die Grapefruit und die Marmelade fehlen.“
Mit großen Augen sah sie ihn an.
„Du nimmst mich auf den Arm, oder?“
Ernst schüttelte er den Kopf.
„Nein, allerdings ist das auch eher ein Sonntagsfrühstück, bei dem man sich wirklich Zeit lässt.“
Gemeinsam machten sie sich daran, die Würstchen, den Speck, Blut- und Leberwurst sowie die Eier zu braten, während die gebackenen Bohnen in Tomatensoße langsam im Topf erhitzt wurden.
Flann steckte einige Scheiben Brot in den Toaster, gleichzeitig deckte Darla den Tisch.
„Schade, dass wir nicht draußen essen können. Das Wetter ist herrlich“, bemerkte sie, als sie sich gesetzt hatten.
„Wir werden einfach Gartenmöbel anschaffen. Außerdem sollten wir eine Terrasse bauen. Das dürfte kein Problem sein.“
Nachdenklich sah er durch das Fenster, als er über die Umsetzung der Idee nachdachte.
„Das wäre der absolute Hammer.“
Darla schob sich ein kleines Würstchen in den Mund.
„Ich könnte das auf keinen Fall jeden Tag essen. Es ist lecker, keine Frage, aber es macht auch extrem satt“, bemerkte sie, nachdem sie das Besteck zur Seite gelegt hatte.
Ihr Tiger lächelte, anschließend vernichtete er die Reste, die eine beachtliche Menge darstellten.
„Du meine Güte, wieso kannst du so viel in dich hineinstopfen und eine so verdammt knackige Figur haben?“
Ein wenig Neid klang aus ihrer Stimme mit.
„Ich besitze Tigergene, außerdem brauche ich in meiner Tiergestalt wesentlich mehr Nahrung. Dann bin ich allerdings auch 300 Kilo schwer“, antwortete er mit einem Schulterzucken.
Da leuchtete es ein, dass er die Nahrungsmittel so gut verwertete, deshalb wünschte Darla sich, dass sie die gleichen Gene hätte.
„Theresa und Dean lassen dich grüßen, sie freuen sich, dich im Team zu haben.“
Flann lächelte, als er ihr erstauntes Gesicht sah.
„Dein Stellvertreter kennt mich doch gar nicht.“
Fragend runzelte sie die Stirn. Wie konnte er darüber froh sein, dass sie im Studio arbeitete, wenn er gerade mal zwei Sätze mit ihr gesprochen hatte?
„Es ist ein echtes Problem, die Besetzung der Theke zu regeln. Aber Dean besitzt auch ein gutes Gespür für Menschen.“
In dem Moment fiel Darla ein, was sie Theresa erzählt hatte.
„Ach, ehe ich es vergesse, ich musste mir eine Story ausdenken, wie wir uns kennengelernt haben. Ich habe gesagt, dass ich dich traf, als du joggen warst. Ich wollte mich nach dem Weg zum Castle in Terryglass erkundigen und da hat es gefunkt.“
Ein wenig unsicher sah sie ihn an. Sie hätte es ihm gestern schon sagen müssen. Hoffentlich hatte er sich keine gegenteilige Geschichte ausgedacht.
„Das ist gut! Ich bin jeder Frage in der Richtung aus dem Weg gegangen. Wir werden bei deiner Version bleiben.“
Jetzt atmete Darla auf. Nicht auszudenken, wenn sie aufflogen, weil Flann den Leuten eine völlig andere Story auftischte.
„Wir sollten langsam zurück, richtig? Oder bleibt noch Zeit für einen Spaziergang?“
Bittend sah sie ihn an. Ihr graute es, in die verfallene Anlage zurückzukehren, besonders da ihr dann wieder bewusst wurde, dass ihr Liebster in zwei Tagen in den Käfig musste.
„Wir packen unsere Klamotten, anschließend können wir gerne ein Stück gehen. Die Fahrt dauert ungefähr zweieinhalb Stunden, da müssen wir auf jeden Fall rechtzeitig losfahren. Ich habe keine Lust auf Stress mit Demmer.“
Dem stimmte sie von Herzen zu, zumal es bereits Mittag war. Jetzt ärgerte sie sich, dass sie so lange geschlafen hatte.
Schnell packten sie ihre Sachen zusammen, holten die verderblichen Lebensmittel und räumten alles in den Pick-up. Zum Schluss lud Flann seine Hanteln ein, damit er morgen noch einmal trainieren konnte.
„Komm.“
Er streckte ihr seine Hand hin, als sie das Auto fertig beladen hatten.
Sofort ließ sie sich an ihn ziehen, schmiegte sich einen Moment an ihn, ehe sie eng umschlungen an der Klippe entlangliefen.
Darla genoss den Wind, der ihr die Haare ins Gesicht wehte, denn auch jetzt fehlte ihr ein Haargummi. Sie atmete tief ein, betrachtete fasziniert das tiefblaue Wasser, auf dem sich die Sonne spiegelte.
Es stimmte sie traurig, dass sie gleich fahren mussten. Zu gerne würde sie das Kapitel Demmer hinter sich lassen.
Alles, was sie sich erträumt hatte, fand sie hier in Reaniesglen bei ihrem Tiger.
Leise seufzend ging sie neben Flann her.
„Was ist los, mein Mädchen?“
Natürlich reagierte er sofort auf sie.
Vorsichtig zuckte sie mit den Schultern.
„Ich musste daran denken, wie gerne ich vergessen würde, dass es meinen Onkel gibt. Schade, dass wir nicht einfach zur Polizei gehen können.“
Dem stimmte er zu, dabei überkam ihn das schlechte Gewissen, weil er Darla in seine Probleme hineinzog.
Mit einem anderen Mann an ihrer Seite hätte sie unter Umständen die Chance, ein normales Leben zu führen. Allerdings war er zu egoistisch, um sich von ihr zu trennen.
„Wir finden einen Weg, meine Kleine. Außerdem lebt ein Matthias Demmer auch nicht ewig.“
Die Aussage stimmte sie kaum fröhlicher.
„Nein, nur altere ich genauso wie er. Du wirst mich eines Tages begraben müssen.“
Seufzend nickte er.
„Wahrscheinlich hast du recht, aber ich verbringe lieber ein Menschenleben mit dir, als komplett auf dich zu verzichten.“
Liebevoll küsste er sie. Natürlich wusste er, dass es ihm das Herz brach, wenn sie starb, doch diese Vorstellung schob er weit von sich.
„Lass uns jetzt die schöne Aussicht genießen. Es gibt für alles eine Lösung.“
Dankbar lächelte sie ihm zu, trotzdem warf der Gedanke, zusammen mit der Tatsache, dass er in zwei Tagen kämpfen musste, dunkle Schatten auf ihre Zukunft.
Nach einer halben Stunde drehten sie um und fuhren zurück nach Terryglass.
„Möchtest du noch etwas ansehen? Vielleicht die Kirche in Thurles?“, wollte Flann wissen, als sie gerade Cork passiert hatten.
Einen Augenblick überlegte Darla, ehe sie den Kopf schüttelte.
„Tut mir leid, aber mir ist nicht nach Sightseeing. Lass uns zuerst meinen Onkel loswerden.“
Unsicher sah sie ihn an, doch er nickte zustimmend. Auch ihm stand der Sinn kaum danach, den Touristen zu spielen.
„Mach dir keine Sorgen, mein Mädchen. Wir finden einen Weg.“
Flann spürte deutlich, dass sie Angst hatte, ihn zu verlieren.
„Ich hoffe es so sehr. Das, was ich gerade erlebe, ist genau das Leben, das ich mir gewünscht habe. Ein kleines Häuschen am Meer, Platz für eigene Gemüsepflanzen, einen Mann, der mich respektiert und liebt. Ich fürchte, dass es ein Traum ist, aus dem ich bald aufwachen werde.“
Das verstand der Tiger ziemlich gut, da es ihm ganz ähnlich erging. Kurz drückte er ihre Hand, ehe er sich wieder auf den Verkehr konzentrierte.
„Genauso fühle ich mich auch. Aber ich verspreche dir, ich tue alles, damit wir sorgenfrei leben können. Vielleicht dauert es noch etwas, weil ich erst Demmer loswerden muss, allerdings suche ich mit Hochdruck nach einer Lösung.“
Bei den Worten legte Darla ihre Finger auf seinen Arm.
„Ich weiß.“
Die restliche Fahrt schwiegen sie, jeder in seinen eigenen Gedanken versunken.
Als sie auf dem Schotterparkplatz der Ferienanlage parkten, kam Demmer auch schon aus dem Haus.
„Konnte er uns nicht wenigstens heute mit seiner Anwesenheit verschonen?“, murmelte Darla.
Flann lächelte sie an, aber er hätte genauso gerne auf eine Begegnung mit dem Kerl verzichtet.
Sie stiegen aus und liefen auf den Mann zu, der mit verschränkten Armen auf sie wartete.
„Flann, ich erwarte dich in fünf Minuten in meinem Büro. Alleine. Wir müssen etwas wegen des Kampfes besprechen.“
Ehe jemand antworten konnte, drehte Demmer sich um und ging auf das Rezeptionsgebäude zu.
Knurrend sah der Tiger ihm hinterher, dann half er, die Sachen ins Ferienhaus zu tragen.
„Was glaubst du, was er will?“
Angstvoll sah Darla ihn an, als sie die Lebensmittel verstaut hatten.
Unwillig zuckte Flann mit den Schultern.
„Ich schätze, ich werde es gleich erfahren. Mach dir keine Sorgen, mein Mädchen. Er kann mich niemals dazu bringen, dich nicht mehr zu lieben.“
Sanft küsste er sie, bevor er sich auf den Weg zu Demmers Büro machte.
Darla sah ihm hinterher, dabei beschlich sie ein ungutes Gefühl. Irgendetwas führte ihr Onkel im Schilde.
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Flann hielt sich nicht damit auf, anzuklopfen, sondern stürmte direkt in den Raum.
„Was gibt es so Wichtiges?“
Mit verschränkten Armen blieb er vor Demmers Schreibtisch stehen.
„Setz dich! Ich werde deine kostbare Zeit etwas länger in Anspruch nehmen.“
Matthias deutete auf einen Stuhl, gleichzeitig musterte er den Tiger kalt.
„Ihr scheint der Meinung zu sein, dass meine nichtsnutzige Nichte einfach so kündigen kann. Da kläre ich dich mal lieber auf. Mein Unternehmen verlässt man nicht lebend, verstanden?“
Flann zog die Augen zu Schlitzen zusammen.
„Was willst du damit sagen? Soll sie weiterhin für dich Programme erstellen?“
Demmer wiegte den Kopf von einer Seite zur anderen, wobei er bösartig grinste.
„Wie kann ich es dir am besten erklären? Sie wird mit mir nach Frankfurt kommen und auch dort bleiben. Sie weiß einfach zu viel.“
Jetzt lachte der Tiger höhnisch auf.
„Und wie willst du mich davon abhalten, sie bei mir zu behalten? Du bist kaum in der Lage, sie mit Gewalt in ein Flugzeug zu zwingen. Die Flughafenpolizei würde sich sicherlich freuen.“
Angespannt starrte er den Mann an, der sich gerade zwischen ihn und seine Liebste drängte.
„Sie wird freiwillig mitkommen. Du wirst sie dazu bringen. Mir ist es egal, was du ihr sagst. Von mir aus trenn dich von ihr oder denk dir etwas aus. Solltest du mir den Gefallen verweigern, werde ich nicht nur deiner Mutter einen Besuch abstatten, sondern auch die fette Darla erschießen lassen.“
Wut übermannte Flann, sodass er sich an die Tischplatte klammern musste, damit er dem widerlichen Kerl nicht den Hals umdrehte.
„Du drohst, deine einzige Verwandte zu töten? Was bist du nur für ein Mensch?“
Verachtung klang aus seiner Stimme.
Matthias zuckte nur leicht mit den Schultern.
„Ein erfolgreicher, würde ich sagen. Und was deine Frage angeht: Warum sollte ich da Skrupel haben? Ich ließ meinen eigenen Bruder umbringen, weil ich nicht länger teilen wollte. Was könnte mich also davon abhalten, auch dessen Brut zu beseitigen?“
Fassungslos schüttelte Flann den Kopf.
„Ich verlasse Darla auf keinen Fall. Du musst erst einmal an sie herankommen.“
Ihm war klar, dass der Einwand keinen Erfolg brachte. Demmer würde einen seiner Leute auf seine Kleine ansetzen. Selbst Flann war kaum in der Lage, sie ständig zu beschützen, besonders dann nicht, wenn niemand wusste, wann der Killer zuschlug.
„Sollte sie am Sonntag darauf verzichten, mit mir zurückzufliegen, wirst du ihre Leiche innerhalb des nächsten Monats begraben können. Ich habe ein paar fähige Männer, die du noch nie gesehen hast. Wie willst du sie schützen? Es könnte passieren, sobald sie das Haus verlässt oder vom Einkaufen wiederkommt. Vielleicht wird sie auch vergiftet. Wer weiß das schon? Bist du sicher, dass du das Risiko eingehen möchtest?“
Demmer lehnte sich mit einem süffisanten Grinsen zurück, während Flanns Gedanken rotierten.
„Was bringt es dir, wenn wir uns trennen? Du kannst mich doch besser unter Kontrolle halten, solange wir zusammen sind.“
Er brauchte mehr Informationen, um eine Lösung zu finden.
„Ich will gar nicht, dass ihr euch trennt. Ihr könnt gerne zusammenbleiben. Du darfst sie nach Absprache mit mir auch besuchen. Sie soll nur mit nach Frankfurt kommen. Sie gehört mir. Ihre Schuld bei mir ist noch lange nicht abgetragen, aber das ist eine Sache, die ich mit ihr kläre, sobald wir in Deutschland sind.“
Flann fauchte leise.
„Sie fliegt morgen, ich bezahle den Flug. Außerdem gibst du mir dein Wort, dass du sie anständig behandelst. Tu ihr weh und du verlierst deinen Arm, glaub mir, dann ist mir sogar meine Situation egal.“
Einen Augenblick überlegte Demmer. Er wusste, dass er den Tiger keineswegs zu weit treiben durfte. Sollte Flann ihn jetzt erledigen, würde ihn niemand aufhalten können.
„Sie wird allein unter der Trennung von dir leiden. Da brauche ich gar nichts zu tun. Es wird mir eine Freude sein, zuzusehen, wie sie langsam vor die Hunde geht, weil sie dich nur sporadisch treffen darf.“
Hass sprühte aus seinem Blick.
„Wieso tust du ihr das an? Was hat sie dir getan?“
Es musste doch irgendeinen Hintergrund geben, warum Demmer seiner Nichte kein bisschen Glück gönnte.
„Marla, ihre Mutter, sollte meine Frau werden. Aber als sie meinen Bruder traf, hatte sie nur Augen für ihn. Kurz, nachdem sie geheiratet hatten, kam das Balg auf die Welt. Beide haben das verdammte Gör dermaßen vergöttert. Es war ekelhaft.“
Jetzt wurde Flann einiges klar. Verletzte Eitelkeit und Eifersucht trieben ihn dazu, seiner Kleinen das Leben zur Hölle zu machen.
„Sonst noch etwas? Ich möchte meinem Mädchen gerne schonend beibringen, dass sie erst einmal zurück muss.“
Demmer dachte einen Moment nach.
„Sei dir nicht zu sicher, dass du den Kampf am Wochenende überlebst.“
Mit den Worten deutete er auf die Tür. Flann war entlassen.
Zornig lief er über den Flur, dabei überlegte er, wie er Darla dazu bringen konnte, nach Frankfurt zu fliegen.
Sie durfte keinesfalls in der Nähe sein, wenn er kämpfte. Er brauchte seine Konzentration für seinen Gegner. Außerdem wollte er ihr ersparen zuzusehen, falls er wirklich starb.
„Na, Tigermann, hat der Chef dir gesagt, dass es dein letzter Kampf werden wird?“
Thorstens Stimme stoppte ihn.
Langsam drehte Flann sich um, packte den Mistkerl blitzschnell an der Kehle und verwandelte den Nagel seines Zeigefingers in eine Kralle.
Drohend kratzte er über den Adamsapfel des Speichelleckers.
„Was weißt du? Sag mir die Wahrheit.“
Leichenblass hing der kleine Mann in seinem Griff und starrte ihn panisch an.
„Lüg mich bloß nicht an. Ich rieche es!“, warnte Flann.
Endlich räusperte sich der Kerl.
„Dein Gegner wird einen Säbel haben“, flüsterte er.
Der Tiger ließ ihn achtlos fallen, denn mit einer ähnlichen Antwort hatte er bereits gerechnet. Allerdings war es ein Vorteil zu wissen, was auf ihn zukam.
Es war eine extreme Herausforderung, aber es gab immer noch eine Chance zu überleben.
Ohne auf den Idioten zu achten, setzte Flann seinen Weg zu Darla fort. Er musste dringend mit ihr reden, dabei hätte er lieber seinen rechten Arm verloren, als ihr von der bevorstehenden Trennung zu erzählen.
Bis er die Lösung für ihr Problem fand, würden sie beide fürchterlich leiden, zumal er kaum glaubte, dass Demmer ihn wirklich in sein Haus ließ.
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Darla beschlich ein verdammt ungutes Gefühl, als Flann gegangen war. Bestimmt betraf es in irgendeiner Weise auch sie.
Ein entsetzlicher Gedanke formte sich in ihrem Kopf. Was, wenn ihr Liebster die nächste Runde nicht überlebte? Schnell schob sie die Vorstellung von sich.
In dem Fall hätte Matthias sie auch in sein Büro bestellt, alleine um ihr entsetztes Gesicht zu sehen.
Aber was, um alles in der Welt, konnte er geplant haben? Waren sie zu weit gegangen, indem sie nach Cork fuhren?
Unruhig lief sie in dem Haus auf und ab, dabei hoffte sie, dass vielleicht James auftauchte, den sie bitten wollte, für sie zu spionieren. Doch von dem sonst so aufdringlichen Geist gab es keine Spur.
Endlich hörte sie die Haustür und rannte sofort in den kleinen Flur.
„Was ist los?“
Angstvoll sah sie auf ihren Tiger, nur konnte sie in dessen Miene absolut keinen Hinweis ablesen.
Er legte ihr stumm eine Hand in den Rücken und brachte sie ins Wohnzimmer.
„Setz dich, wir müssen reden.“
Entsetzt schüttelte sie den Kopf. Fingen so die Unterhaltungen an, bei denen sich das Paar am Ende trennte?
„Du darfst mich nicht verlassen“, stieß sie gequält hervor.
Sofort zog Flann sie an sich, hielt sie einen Moment fest, während sie ihr Gesicht an seiner Brust vergrub.
„Das werde ich auch nicht. Allerdings musst du morgen nach Frankfurt zurückfliegen.“
Irritiert hob sie den Kopf, um ihm in die Augen zu sehen.
Er atmete tief ein.
„Demmer hat gedroht, dich zu töten, solltest du dich weigern, mit ihm zurückzufliegen.“
Sofort setzte sie eine kämpferische Miene auf, doch Flann hob die Hand, um sie zu stoppen.
„Gib mir ein bisschen Zeit, mein Mädchen. Ich erzähle dir alles.“
Stumm nickte sie, während sie abwartete, bis er sich ein wenig gesammelt hatte.
Flann überlegte verzweifelt, was er ihr mitteilen konnte und was er besser für sich behielt.
„Demmer wird dich umbringen lassen, solltest du wirklich darauf bestehen, hier in Irland zu bleiben. Außerdem hat er gedroht, dass er mich auffliegen lässt.“
Mit Tränen in den Augen sah sie ihn an.
„Wir trennen uns? Genau das hat er gefordert, oder?“
Augenblicklich schüttelte Flann den Kopf.
„Nein, mein Mädchen, davon kann keine Rede sein. Ich gebe dich niemals auf. Wir können uns nur eine Weile nicht sehen. Ich werde Demmer um Erlaubnis fragen müssen, wenn ich zu dir kommen will.“
Ein bitterer Geschmack machte sich in ihrem Mund breit, als sie darüber nachdachte, was ihr Onkel ihr damit antat.
„Gibt es keinen anderen Weg? Der Killer muss mich doch erst mal erwischen.“
Seufzend drückte der Tiger sie an sich.
„Das Risiko ist einfach zu hoch. Ich bin kein Bodyguard und mein Cottage ist kaum gesichert. Du könntest nicht mal den Garten anlegen, auf den du dich so freust, geschweige denn im Studio arbeiten.“
Darla zuckte mit den Schultern.
„Dann ist das so, aber wir wären zumindest zusammen.“
Trotzig verzog sie den Mund.
„Erstens hältst du es keine Woche aus, ständig eingesperrt zu sein. Zweitens hat Demmer ziemlich deutlich gemacht, dass er mich als Druckmittel benutzen wird. Bitte, mach es uns nicht noch schwerer. Ich fahre dich morgen zum Flughafen nach Dublin.“
Tränen ließen ihre Sicht verschwimmen. Sollte ihr Glück wirklich nur so kurz andauern? Ihr war klar, dass Matthias Flann kaum erlauben würde, sie regelmäßig zu sehen, ganz zu schweigen davon, dass sie nach Irland flog.
„Warum tut er mir das an? Er ist mit mir blutsverwandt.“
Ein ersticktes Schluchzen mischte sich in die Frage.
Darla verstand es einfach nicht. Sie hatte niemandem etwas getan, im Gegenteil. Ständig ordnete sie sich Demmer unter, gab nach und tat am Ende, was er wollte. Wieso war er nicht froh, dass sie endlich weg war? Er betonte doch immer, was für ein fürchterlicher Anblick sie für ihn darstellte.
„Deine Mutter war wohl mit ihm zusammen, als sie deinen Vater traf und sich in ihn verliebte“, erklärte Flann leise.
Die Information machte es ihr unter Umständen leichter, den Hass ihres Onkels zu akzeptieren.
Sanft strich er ihr über den Rücken, denn jetzt drückte sie ihr Gesicht fest an seine Brust, während ihr ganzer Leib vor unterdrücktem Weinen bebte.
„Wir werden uns wiedersehen, das verspreche ich dir, mein Mädchen. Oder glaubst du, dass ich dich einfach so vergessen kann?“
Flann verstand sie sehr gut. Von einer Minute zur anderen hatte Matthias ihre gesamten Zukunftspläne vernichtet.
„Er wird uns nie in Ruhe lassen. Was willst du schon gegen ihn unternehmen? Sobald du ihm unbequem wirst, wird dein Geheimnis an die Öffentlichkeit gezerrt. Dann sehen wir uns nie wieder.“
Darla fiel das Sprechen schwer, weil sie kaum in der Lage war, die Schluchzer zu unterdrücken.
Für sie stand fest, dass sie sich über kurz oder lang trennen mussten. Ihr Onkel zerstörte systematisch ihr Glück.
Allein das Wissen, dass sie Flann schon morgen verlassen würde, zerfetzte ihr Herz. Sie konnte sich nicht vorstellen, wie es war, in Frankfurt zu leben, während er hier auf der Insel blieb.
„Demmer wird sterben“, murmelte der Tiger, gleichzeitig presste er Darla an sich.
Auch er kämpfte gegen den unbändigen Schmerz an, der in ihm tobte, nur hielt er sich eisern unter Kontrolle. Er musste für sie beide stark sein.
„Du kannst ... ihn nicht umbringen. Er besitzt ... Aufzeichnungen von ... deiner Verwandlung“, erinnerte sie ihn stockend.
Das war ja das Problem, außerdem besaß der Drecksack genug Kontakte, um dafür zu sorgen, dass Flann sofort in einem Labor endete.
„Das habe ich keineswegs vor. Allerdings ist er ein Mensch, dessen Uhr langsam abläuft. Sobald er eines natürlichen Todes stirbt, gibt es die Anweisung, die Dateien zu vernichten.“
Mit tränenumflorten Augen und nassen Wangen blickte Darla ihn an. Hoffnungslosigkeit stand ihrem Gesicht.
„Und das glaubst du wirklich? Ich denke, es ist ihm egal, was nach seinem Ableben mit dir passiert. Wahrscheinlich lässt er die Unterlagen an den Höchstbietenden versteigern, denn das entspricht seiner bösartigen Art.“
Sie beruhigte sich ein wenig, obwohl die Aussicht auf eine baldige Trennung ihr tief ins Herz schnitt.
„Ich weiß noch nicht wie, aber wir werden wieder zusammen sein. Ich tue alles, was in meiner Macht steht“, versprach Flann nachdrücklich.
Erneut schmiegte Darla sich fest an ihn, während sie die Tränen mit aller Gewalt zurückdrängte.
Sie konnten sich für unbestimmte Zeit nicht sehen, das war schlimm, trotzdem würde sie es überleben, solange sie die Hoffnung hatte, dass sie einen Weg fanden.
„Ich werde genauso nach einer Möglichkeit suchen, wie wir den Dreckskerl loswerden.“
Flann wollte ihr widersprechen, doch sie legte einen Finger auf seine Lippen.
„Du wirst mich davon nicht abhalten können. Ich will, dass er für seine Taten blutet!“
Immer noch zittrig atmete sie tief durch, anschließend sah sie ihren Liebsten bittend an.
„Lass mich bis Sonntag hierbleiben. Ich kann mit Demmer zurückfliegen. Er besteht darauf, dass ich nach Frankfurt komme, also soll er auch den Flug bezahlen.“
Eisige Kälte klang in ihrer Stimme mit.
Jetzt rutschte Flann unruhig auf der Couch herum. Auf der einen Seite wollte er ihr nichts über den bevorstehenden Kampf erzählen, andererseits durfte sie auf keinen Fall dabei sein.
Er würde sich kaum konzentrieren können, solange sie zusah, wie jemand versuchte, ihn zu töten.
So wie es aussah, konnte er sie nur überzeugen, morgen schon zu fliegen, indem er ihr die Wahrheit sagte.
„Flann? Was ist? Du verheimlichst mir etwas, oder?“
Alarmiert sah sie ihn an und ihr Herz machte einen Aussetzer, als er leicht nickte.
„Ja, es wird anders werden. Ich muss mich konzentrieren können, daher darf ich mir keine Gedanken um dich machen, sonst kann es böse für mich ausgehen.“
Ihre Augen weiteten sich vor Entsetzen, als ihr bewusst wurde, dass er den Kampf eventuell nicht überlebte.
„Was verlangt er von dir?“
Jetzt schüttelte Flann langsam den Kopf.
„Bitte, mein Mädchen, ich will dir die Details ersparen. Tu mir einen Gefallen: Flieg morgen nach Frankfurt. Ich rufe dich an, sobald ich aus dem Käfig bin.“
Der Gedanke, dass er dieses Versprechen unter Umständen brechen würde, schlich sich bei ihm ein, doch er schob ihn sofort zur Seite.
„Schick mich nicht weg! Ich bleibe hier im Cottage, das schwöre ich. Aber ich sterbe, wenn ich in meinem Zimmer sitze, während du um dein Leben kämpfst.“
Flehend sah sie ihn an. Allein die Vorstellung, dass sie auf seinen Anruf warten musste, ehe sie wusste, ob er überlebt hatte, ließ sie zittern.
Schnell hob Flann sie hoch, setzte sie auf seinen Schoß und hielt sie fest im Arm.
„Glaub mir, ich würde dich gerne einen Tag länger hierbehalten, nur lenkt es mich zu stark ab. Außerdem will ich verhindern, dass du mit dem Drecksack zurückfliegst. Ich habe ihm auch gesagt, dass er sich in Acht nehmen soll, wie er mit dir umgeht. Falls er dir wehtut, möchte ich es sofort wissen.“
Flanns ruhiger Tonfall beruhigte sie ein wenig. Hätte sie allerdings gewusst, was in seinem Kopf vorging, wäre sie noch ängstlicher geworden.
Ihr Liebster wollte ihr den Anblick ersparen, sollte er bei dem Kampf sterben. Demmer würde sie bestimmt holen, damit sie sich von seinem Tod überzeugen konnte.
Dieser Hundesohn ergötzte sich am Leid anderer Leute, besonders liebte er es, wenn Darla litt.
„Tust du mir den Gefallen?“
Eindringlich sah er sie an, bis sie leicht nickte.
„Ich will keinesfalls schuld sein, dass du stirbst“, gab sie kleinlaut nach.
Vorsichtig atmete Flann auf, der Punkt wäre schon mal geklärt. Jetzt musste er nur noch überleben, um anschließend einen Weg zu finden, den Drecksack zu stoppen.
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Sie saßen eine ganze Weile aneinandergeschmiegt, als ob sie die Nähe des anderen speichern wollten.
Jetzt fand Flann keine tröstenden Worte mehr, denn auch ihm fiel es extrem schwer, sie zurückzuschicken, besonders, da er fürchtete, dass Demmer ihr das Leben zur Hölle machen würde.
Außerdem belastete ihn der Gedanke, dass er den anstehenden Kampf unter Umständen verlieren könnte.
Was sollte dann aus seinem Mädchen werden? In dem Fall hatte Matthias freie Bahn, um sie weiter zu quälen.
Endlich schob Flann sie seufzend von seinem Schoß, nahm sein Handy, um nachzuschauen, welche Airline morgen nach Frankfurt flog.
Bei Airlingus hatte er Glück, sodass er sofort einen Flug buchte.
„Gibst du mir bitte deinen Personalausweis? Damit ich das Ticket verifizieren kann?“
Darla nickte unglücklich, stand auf und holte ihr Portemonnaie, wo sie auch ihre Papiere aufbewahrte.
Mit einem zärtlichen Lächeln nahm er ihr den Ausweis aus der Hand, um die Buchung abzuschließen.
Anschließend schrieb er eine Telefonnummer auf einen Zettel.
„Sollte mir etwas passieren, dann ruf bitte David an. Er wird dir helfen. Wir waren mal enge Freunde.“
Mit den Worten gab er ihr das Papierstück.
Fragend sah sie ihn an.
„Wer ist das? Wieso kann er erst aktiv werden, wenn du tot bist?“
Allein der Gedanke erschreckte sie so sehr, dass sie erneut gegen die Tränen ankämpfen musste.
„Er gehört zu den Wächtern von Ballygannon. Allerdings können die Jungs leider auch nicht zaubern. Die Leute dort sind so etwas wie die Polizei der magischen Welt. Sobald einer unserer Art über die Stränge schlägt, rücken sie aus. Sie haben die Banshee befreit, von der ich dir erzählte.“
Bei der Antwort rutschte Darla unruhig auf dem Platz neben ihm hin und her, bis sie die Striemen vom Vortag daran erinnerten, dass sie besser still sitzen blieb.
„Aber wieso kann er denn nicht jetzt schon helfen? Ich könnte zu ihnen fahren und um Hilfe bitten.“
Aufgeregt legte Darla eine Hand auf seinen Arm.
„Wenn sie dich beschützen, wird niemand an dich herankommen. Vielleicht können sie auch Matthias in Schach halten.“
Hoffnung keimte in ihr auf, die Flann sofort wieder zerstörte.
„Tut mir leid, mein Mädchen, doch David und seine Jungs sind dummerweise kaum in der Lage, deinen Onkel zu stoppen. Er hat sich zu gut abgesichert.“
Flann seufzte leise. Natürlich hatte er so oft an die Wächter von Ballygannon gedacht, nur zweifelte er daran, dass sie ihm wirklich helfen konnten. Außerdem war ihm das Risiko zu groß, zumal es keineswegs nur um ihn ging.
Darla sah ihn verletzt an.
„Ich bekomme das Gefühl, dass du gar nicht aus der Situation herauskommen willst“, warf sie ihm vor, doch als sein Gesicht getroffen zuckte, legte sie sofort bittend eine Hand auf seinen Arm.
„Es tut mir leid, aber ich weiß nicht, wie ich mit dem Gedanken umgehen soll, dass du übermorgen vielleicht umgebracht wirst.“
Tränen schimmerten erneut in ihren Augen.
Zärtlich zog Flann sie an sich.
„Ich werde alles tun, um zu überleben, glaub mir. Darüber hinaus gab es bereits einige Kämpfe, die ziemlich gefährlich wurden. Mach dir keine Sorgen, ich habe dir etwas versprochen und ich pflege, meine Versprechen zu halten. Die Nummer von David ist nur zur Sicherheit.“
Stumm nickte sie, es brachte nichts, wenn sie weiterdiskutierten, außerdem wollte sie die letzten paar Stunden keinesfalls mit Streitereien beenden.
„Bist du hungrig?“, erkundigte Flann sich, als er bemerkte, dass es schon nach acht am Abend war.
Langsam schüttelte sie den Kopf.
„Nein, ich bringe jetzt keinen Bissen herunter. Es tut mir leid, aber ich koche dir gerne etwas.“
Seufzend atmete er aus.
„Mir geht es genauso wie dir, mein Mädchen. Ich würde dich am liebsten weit wegbringen, doch der verfluchte Chip in meinem Nacken verhindert es.“
Wieder kuschelte sie sich an ihn, schloss die Lider und hoffte, dass sie sich nur in einem Albtraum befand. Leider war ihr zu bewusst, dass es sich um die bittere Wahrheit handelte.
Nach Mitternacht trug Flann sie ins Bett, wo sie in einen unruhigen Schlaf fiel.
Er selbst machte kein Auge zu. Die ganze Nacht betrachtete er seine Kleine, um sich jedes Detail einzuprägen, denn wenn er ehrlich war, glaubte er kaum daran, dass sie sich wiedersahen.
Natürlich würde er Himmel und Hölle in Bewegung setzen, nur hatte er keine Ahnung, wie man Demmer Einhalt gebieten konnte. Außerdem wusste er, dass seine Überlebenschance ziemlich sank, falls er wirklich gezwungen war, gegen jemanden mit einem Säbel zu kämpfen.
Traurig dachte er darüber nach, dass es nur seine Schuld war. Hätte er besser aufgepasst, gäbe es diesen Mistkerl mit seinen dreckigen Geschäften nicht in seinem Leben.
Ungeduldig schob er die Gedanken zur Seite. Es brachte ihn kaum weiter, sich mit Selbstvorwürfen zu zerfleischen. Zuerst würde er zusehen, dass er lebend aus dem Käfig kam, anschließend wollte er alles daran setzen, um endlich wieder frei zu sein.
Als es dämmerte, küsste er Darla auf die Stirn, erhob sich und ging joggen. Er musste sich in Form halten, außerdem half es ihm, das Chaos in seinem Kopf zu klären.
Locker lief er über den Schotter des Parkplatzes, ehe er in die Allee einbog, die nach Terryglass führte.
Seine Gedanken kreisten um David, dabei überlegte er mittlerweile ernsthaft, den alten Freund um Hilfe zu bitten. Sie hatten zwar seit gut hundert Jahren keinen wirklichen Kontakt mehr, wenn man von ein paar Telefonaten absah, trotzdem wusste er genau, dass er sich auf ihn verlassen konnte.
Schnell schüttelte er die Hoffnung von sich. Demmer ließ die Informationen, wo er die Aufzeichnung über Flanns Verwandlung aufbewahrte, kaum offen herumliegen. Genauso wenig hatte er solche brisanten Dinge auf einem Computer gespeichert, der mit dem Internet verbunden war. So dumm war der Scheißkerl auf keinen Fall.
Außerdem hatte Matthias bereits von den Wächtern in Ballygannon gehört. Gerüchte gab es ja genug.
Einen Fehler durften sie sich leider nicht leisten, denn das bedeutete, Darlas oder sein eigenes Leben aufs Spiel zu setzen.
Noch mal dachte er daran, dass er keine großen Probleme hätte, wenn es nur um ihn ginge.
Im Bogen lief er am Castle vorbei zur Anlage, gleichzeitig überlegte er, wie er Theresa und seinen Leuten erklären konnte, warum Darla nach Frankfurt geflogen war. Wahrscheinlich musste er so tun, als ob sie sich getrennt hätten. Das behagte ihm so gar nicht, außerdem wurde es höchste Zeit, eine weitere Bedienung einzustellen. Doch dabei handelte es sich um das kleinste Problem.
Zurück im Cottage setzte er sich ins Wohnzimmer, um sich seinen Hanteln zu widmen, aber zuerst sah er nach seiner Liebsten.
Darla schlief tief und fest, was ihn kaum wunderte, da es erst sechs Uhr in der Früh war.
Seine Runde hatte er an diesem Morgen auf eine gute Stunde ausgedehnt, sodass er sich das Aufwärmen sparen konnte.
Leise lief er ins Nachbarzimmer, um zu trainieren. Später, wenn er Darla zum Flughafen gebracht hatte, würde er noch etwas für seine Beweglichkeit tun, deshalb hatte er ein Springseil mitgebracht.
Obwohl seine Tigergene ihn bei dem Kampf unterstützten, wollte er alles tun, um in Form zu sein.
Um sechzehn Uhr fünfundfünfzig ging ihr Flug, bis Dublin brauchten sie ungefähr zwei Stunden, außerdem sollte sie mindestens anderthalb Stunden früher vor Ort sein, also mussten sie spätestens um dreizehn Uhr losfahren.
Flann seufzte. Wie gerne würde er sie hierbehalten, aber das war einfach keine Lösung.
Gerade als er seine Gewichte weglegte, kam auch Darla ins Wohnzimmer.
„Guten Morgen, Liebster“, nuschelte sie, gleichzeitig fuhr sie mit der Hand durch ihre verstrubbelte Mähne.
Sofort stand er auf, um sie zärtlich an sich zu ziehen.
„Ich hoffe, du hast trotz allem gut geschlafen.“
Schnell nickte sie.
„Ich war vollkommen fertig, deshalb habe ich überhaupt nichts mehr mitbekommen. Und du?“
Besorgt strich sie mit den Fingerspitzen über eine tiefe Falte auf seiner Stirn.
„Du siehst aus, als ob du die gesamte Nacht wach gelegen hättest.“
Er stimmte ihr leise zu.
„Wir magischen Wesen brauchen weniger Schlaf. Keine Sorge.“
Mit einem liebevollen Kuss stoppte er ihre Erwiderung, anschließend ging er unter die Dusche, während sie Kaffee aufsetzte.
Als sie sich beide für den Tag fertiggemacht hatten, deckten sie den Tisch, um zu frühstücken.
Darla bemühte sich, zuversichtlich zu erscheinen, aber man merkte ihr deutlich an, dass sie ihre gute Laune nur vorspielte, um ihren Tiger nicht noch mehr zu belasten.
„Du darfst ruhig zeigen, dass du traurig bist, mein Mädchen. Ich bin es auch.“
Flann sah sie eindringlich an, doch sie schüttelte nur den Kopf.
Stumm widmete sie sich ihrem Toast, der an dem Morgen wie Pappe schmeckte, allerdings war es ihr egal.
Die gesamte Welt bekam einen Grauschleier, den sie einfach nicht abstreifen konnte.
„Ich packe schon mal meine Klamotten“, murmelte sie, als sie die Küche wieder in Ordnung gebracht hatten.
Bedrückt sah Flann ihr hinterher. Zu gerne würde er sie aufmuntern, nur schaffte er das nicht, ohne sie anzulügen. Keiner wusste, was am nächsten Tag passierte.
Zum ersten Mal in seinem Leben war er richtig verunsichert, denn er hatte keine Ahnung, ob er jetzt zu ihr gehen sollte, oder ob sie ihre Ruhe brauchte.
Unschlüssig stand er im Flur, bis er sie leise weinen hörte.
Sofort ging er zu ihr, nahm sie zärtlich in die Arme und strich ihr tröstend über den Rücken.
„Ich habe fürchterliche Angst, dass ich dich nie wiedersehe“, flüsterte sie erstickt.
Das Gefühl teilte er, nur würde er es im Moment auf keinen Fall zugeben. Er wollte sie nicht tiefer in dieses Loch hineinziehen.
„Egal, was passiert, ich werde dich immer lieben“, raunte er ihr zu.
„Ich dich auch.“
Darla schlang ihre Arme um seinen Hals, klammerte sich an ihn und küsste ihn mit der gesamten Liebe, die in ihr war, gleichzeitig liefen ihr die Tränen über die Wangen.
Die gemeinsame Zeit verging viel zu schnell, zumal sie noch einmal runter zum Hafen gingen.
Darla wollte einen letzten Blick auf den Lough Dergh werfen, während sie sich an ihren Tiger kuschelte.
Auch die Fahrt zum Flughafen verlief weitestgehend schweigend. Es gab nichts mehr zu sagen und keiner konnte den anderen in irgendeiner Weise trösten, deshalb hielten sie lieber den Mund.
Als sie das Flughafengebäude betraten, lief Flann zielstrebig auf einen Geldautomaten zu.
Er hob 1000,- Euro ab und drückte ihr das Geld in die Hand.
Sofort wollte Darla protestieren, doch er legte ihr sanft einen Finger auf die Lippen.
„Ich will dich nicht kaufen, aber ich möchte, dass du im Notfall eine Reserve hast. Solltest du mehr brauchen, werde ich dir etwas überweisen. Das hier ist nur für außergewöhnliche Situationen.“
Fast schon bittend sah er sie an, bis sie zaghaft nickte, ehe sie die Scheine schnell einsteckte.
„Danke für alles“, flüsterte sie, anschließend stellte sie sich auf die Zehenspitzen, um ihn zu küssen.
Beide verzichteten darauf, sich gegenseitig zu versichern, dass sie sich wiedersahen, denn ob das stimmte, stand in den Sternen.
Gemeinsam suchten sie den Schalter von Airlingus, wo Darla ihren Trolley abgeben konnte. Das kleine Ding platzte fast aus allen Nähten, aber eine Alternative hatten sie auf die Schnelle nicht gefunden.
Ein paar Kleider nahm Flann mit nach Reaniesglen, weil sie nicht mehr in den Rollkoffer passten.
Nachdem die Formalität erledigt war, gingen sie Hand in Hand zur Lounge, wo sie auf den Abflug warteten.
Dieser Abschied war das Schlimmste, was Darla bisher erlebt hatte, abgesehen vom Tod ihrer Eltern. Sie riss sich extrem zusammen, um weder in Tränen auszubrechen, noch ihren Tiger anzuflehen, sie bei sich zu behalten.
„Es wird Zeit, du musst einchecken.“
Flann zog sie hoch, legte einen Arm um ihre Schultern und brachte sie zum Check-in. Hier zog er sie eng an sich, sah sie an, als ob er sich ihr Gesicht für immer einprägen wollte, ehe er sie liebevoll küsste.
Ein letztes Mal berauschte er sich an ihrem Geschmack, zeigte ihr seine Liebe auf diese Weise, weil Worte kaum genügten.
Jetzt schimmerten auch in seinen Augen Tränen, die er einfach nicht mehr zurückhalten konnte.
„Geh“, befahl er rau, als er sich von ihr gelöst hatte.
Es hatte keinen Zweck, den Abschied länger hinauszuzögern.
Darla nickte kurz, drehte sich um und ging zu der wartenden Frau, die ihr Ticket checkte.
Auf keinen Fall wollte sie sich noch einmal umdrehen, denn dann würde sie ihn anflehen, bei ihm bleiben zu dürfen.
Selbst einen Abschiedsgruß verkniff sie sich, weil sie wusste, dass sie ihre Stimme keineswegs unter Kontrolle hatte. Ihr Herz schrie gequält auf, während sie einfach nur einen Fuß vor den anderen setzte.
Die ganze Prozedur, bis sie im Flugzeug saß, registrierte sie nur am Rande. Sie antwortete, wenn sie etwas gefragt wurde, lächelte mechanisch und fuhr komplett auf Autopilot.
Der Grauschleier um sie herum verdichtete sich, sodass sie das Gefühl bekam, dass die gesamte Welt in diesem tristen Grau versank.
Nur eins nahm sie sich fest vor: Falls Flann den Kampf nicht überlebte, würde sie sofort zur Polizei gehen.
Sollte Demmer sie ruhig töten, aber vorher brachte sie ihn hinter Gitter!