Kapitel 14 - Kampf auf Leben und Tod
Während Darla im Flugzeug saß, fuhr Flann zurück, um die restliche Zeit zu nutzen. Er wollte sich möglichst gut vorbereiten.
Natürlich wäre es besser, wenn er jemanden hätte, mit dem er Ausweichtaktiken ausprobieren könnte, nur musste es jetzt auch ohne gehen.
In dem Moment, als er die Möbel im Wohnzimmer zur Seite schob, um Platz zum Seilspringen zu haben, erschien James.
„Was willst du?“
Flann knurrte leise. Der aufdringliche Geist hatte ihm gerade noch gefehlt.
„Wo ist die junge Frau? Hast du schon genug von ihr?“
Suchend sah er sich um.
Über das Thema wollte der Tiger sich so überhaupt nicht unterhalten, deshalb sah er die Gestalt nur fragend an.
„Ich habe gehört, dass du gegen einen Mann mit Säbel antreten sollst. Vielleicht kann ich helfen?“
Erstaunt über die Geste, musterte Flann ihn.
„Und wie willst du das machen?“
Unschlüssig zuckte James mit den Schultern.
„Keine Ahnung, eventuell hilft es, wenn ich einfach im Käfig erscheine. Ich bin ja schon tot, daher stellt es für mich keine Gefahr dar.“
Einen Augenblick dachte Flann nach. Es könnte ihm sogar wirklich einen Vorteil bringen, den Gegner auf diese Weise zu irritieren. Natürlich würden auch die Kunden am Bildschirm den Geist sehen, nur interessierte ihn das kaum.
Vielleicht hielten sie das Gespenst für ein gebeamtes Bild.
„Was willst du dafür haben?“
Misstrauisch sah der Tiger ihn an.
„Weißt du, ich musste über deine Worte letztens nachdenken. Du hattest recht. Ich war abscheulich und sollte ich diese Welt jemals verlassen wollen, muss ich mich wohl ein wenig anstrengen. Du warst fair zu mir, hast mich nicht übersehen, da ist es doch ein guter Anfang, dir zu helfen.“
Erneut zuckte das Gespenst mit den Schultern.
„Du bist immer noch hier, weil du deine Schandtaten nie bereut hast?“
Jetzt wurde Flanns Blick neugierig.
Langsam nickte James.
„Ja, ich habe geglaubt, im Recht zu sein. Außerdem ist mir fürchterlich langweilig und diesen Kerl da drüben mag ich nicht.“
Bei der Aussage musste der Tiger lachen. Das sah dem Geist mal wieder ähnlich, statt seine Taten ehrlich zu bereuen, suchte er nur eine Beschäftigung.
„Mir kommt dein Angebot gelegen, denn ich kann jede Hilfe brauchen. Danke schön.“
Irritiert musterte James seinen Gesprächspartner.
„Wieso bedankst du dich? Ich habe doch noch gar nichts getan.“
Flann lächelte leicht.
„Allein, dass du diesen Vorschlag machst, zeigt mir, dass jemand da ist, der auf meiner Seite steht. Dafür danke ich dir. Aber jetzt muss ich trainieren, sonst wird das morgen ein kurzer Kampf.“
Nachdenklich stimmte das Gespenst zu.
„Sag mal, kannst du die Übertragung stören? Ich möchte verhindern, dass Darla mitbekommt, sollte ich sterben“, erkundigte Flann sich plötzlich.
Er wusste, dass sie auch von Deutschland auf die Kameras zugreifen konnte.
„Ich denke schon. Immerhin bin ich reine Energie. Wir können es ja mal ausprobieren. Sie testen ja vorher alles Mögliche.“
Jetzt sah der Geist aus, als ob er sich auf ein großes Abenteuer einlassen würde. Aufgeregt lief er in dem Zimmer herum, während er ein paar Ideen vor sich hinmurmelte.
„Lass uns später rübergehen, dann sehen wir ja, was geht und was nicht. Aber ich muss mich langsam vorbereiten.“
Obwohl er kaum damit gerechnet hatte, verschwand James, sodass er sich seinem Training widmen konnte.
Natürlich schweiften seine Gedanken ständig zu seiner Kleinen, sie fehlte ihm jetzt schon!
Immer wieder sah er vor seinem inneren Auge, wie sehr sie sich über Kleinigkeiten gefreut hatte. Deutlich erinnerte er sich an ihr Lachen, als sie sich mit Theresa angefreundet hatte oder das Strahlen, das in ihrem Gesicht erschien, als sie den verwilderten Garten hinter seinem Cottage entdeckte.
Während er seilsprang, rief er sich die kostbaren Momente mit Darla ins Gedächtnis. In der nächsten Zeit würde das alles sein, was ihm blieb, davon war er überzeugt.
Siedend heiß fiel ihm ein, dass er nach dem Kampf mit einem anderen Mädchen ins Bett steigen musste. Wahrscheinlich zeigte Demmer ihr das Video, um sie zu quälen.
So ein Mist! Darüber hatten sie gar nicht gesprochen. Ein Blick auf die Uhr sagte ihm, dass sie vielleicht schon angekommen war.
Schnell warf er das Seil auf die Couch, holte sich sein Handy und rief ihre Nummer auf.
Ungeduldig wartete er darauf, dass sie sich meldete, doch es ging nur der Anrufbeantworter dran.
„Ruf mich bitte an, mein Mädchen. Ich habe etwas Wichtiges vergessen. Ich liebe dich.“
Mit einem Fluch auf den Lippen legte er auf. Sie zu betrügen, war mit das Schlimmste, was er tun musste. Darüber hinaus hatte er so gar keine Lust, mit einer anderen ins Bett zu steigen.
Müde ließ er sich auf die Couch fallen. Aber auch jetzt drehten sich seine Gedanken nur um Darla.
Als es immer später wurde, suchte er in seinem Smartphone nach den Nachrichten. Kalte Angst griff nach ihm, weil sie sich nicht meldete. War etwas passiert? Oder hatte Demmer jemanden beauftragt, ihr das Telefon wegzunehmen?
Nervös blätterte er durch die Seiten, doch er fand keinen Bericht über einen Flugzeugabsturz.
Noch einmal wählte er ihre Nummer.
„Darla, bitte, ruf mich an!“
Vielleicht war seine erste Nachricht ja irgendwie nicht angekommen.
~~°~~
Als das Flugzeug landete, wäre Darla am liebsten sitzen geblieben, nur wusste sie genau, dass man sie zur Not mit Gewalt hinausbringen würde.
Seufzend ging sie die Gangway hinunter, suchte sich den Weg zur Gepäckausgabe und wartete auf ihren Rollkoffer.
In ihr fühlte es sich an, als ob man ihr das Herz herausriss. Nichts erschien ihr wichtig, sodass sie vergaß, ihr Handy einzuschalten.
Mit dem Bus fuhr sie zum Haus ihres Onkels, wo die Haushälterin ihr aufmachte, nachdem sie geklingelt hatte.
„Sie sind schon zurück? Ich dachte, Sie würden bis Sonntag bleiben?“
Darla runzelte die Stirn. Sie hätte sich eine etwas nettere Begrüßung gewünscht.
„Ich hoffe, Sie hatten auch einen angenehmen Tag, Frau Herzmann. Dürfte ich reinkommen? Ich bin nämlich ziemlich müde.“
Sofort trat die Hausdame einen Schritt in die Wohnung, gleichzeitig sah sie sich nach ihrem Arbeitgeber um.
„Ist Herr Demmer noch beim Auto?“
Langsam schüttelte Darla den Kopf.
„Nein, er ist in Irland geblieben und kommt erst am Montag.“
Mit der Information ließ sie die Frau stehen, um in ihr Zimmer zu gehen, wo sie ihre Sachen auspackte.
Bei jedem Kleidungsstück musste sie erneut die Tränen unterdrücken, denn fast alles, was in ihrem Koffer war, hatte Flann ihr gekauft.
Sorgfältig räumte sie die Kleider weg oder stopfte sie in den Wäschekorb, anschließend setzte sie sich auf ihr Bett.
Sie fühlte sich einsamer als je zuvor, zumal sie fest damit rechnete, ihren Tiger nie wiederzusehen. Matthias würde es kaum zulassen, dass sie sich mit ihm traf.
Ihr fiel ein, dass ihre Mutter wohl mal mit dem Mistkerl liiert war. Das erklärte natürlich einiges, nur konnte man sie doch nicht für das, was ihre Mama getan hatte, verantwortlich machen.
Außerdem schaffte niemand es, seine Gefühle einfach abzustellen. Es passierte bestimmt jedem Menschen, dass ein anderer ihn auf diese Weise verletzte.
Bei dem Gedanken musste sie wieder an Flann denken. Sie vermisste ihn so sehr, dass sie jetzt wenigstens seine Stimme hören wollte.
Unsicher sah sie auf die Uhr, die schon halb zehn am Abend anzeigte, trotzdem holte sie ihr Smartphone aus der Handtasche und schaltete es ein.
Mit schlechtem Gewissen sah sie, dass ihr Tiger sie bereits vier Mal angerufen hatte.
Schnell rief sie die Nachrichten ab, dabei machte sich Nervosität in ihr breit. Flann hörte sich so besorgt an, es musste etwas geschehen sein.
Eilig tippte sie auf das Bedienfeld, wählte seine Nummer und wartete darauf, dass er sich meldete.
„Gott sei Dank, Darla. Ich dachte schon, dass dir was passiert ist.“
Seine Stimme klang dermaßen erleichtert, dass ihr schlechtes Gewissen noch weiter anstieg.
„Ich habe vergessen, das Handy wieder einzuschalten, als ich aus dem Flugzeug gestiegen bin. Es tut mir leid, Flann, aber ich bin so durcheinander. Ich glaube nicht, dass ich diese Situation lange durchstehe.“
Sie unterdrückte ein Schluchzen, was ihr alles andere als leicht fiel.
„Halt es durch, mein Mädchen. Für uns.“
Flanns Stimme klang jetzt so sanft, dass sie doch anfing zu weinen.
„Ich habe solche Angst um dich. Wenn dir etwas passiert, weiß ich nicht, wie ich das jemals verkraften soll.“
Allein der Gedanke, dass sie ihn nie wiedersehen konnte, schnürte ihr die Kehle zu.
„James hat mir Unterstützung angeboten. Aber wir müssen noch über die Show danach reden.“
Es fiel ihm schwer, dieses Thema anzusprechen, das hörte sie deutlich.
Flann räusperte sich mehrfach, um weitersprechen zu können.
„Bitte, Schatz, ich weiß, dass Matthias dich zwingt. Außerdem wird er mir wahrscheinlich die Aufnahmen zeigen.“
Darla nahm ihm die Sorgen ab, bevor er überhaupt etwas dazu sagen konnte.
Erleichtert atmete er auf.
„Ich liebe nur dich, daran musst du immer denken. Egal, was du eventuell später siehst, es ist nur gespielt.“
Traurig lächelte sie. Das wusste sie doch, zumal sie bereits einmal zugesehen hatte.
„Ich weiß. Mach dir darum keine Gedanken, konzentrier dich besser darauf, am Leben zu bleiben.“
Darla riss sich eisern zusammen, um ihm klar und deutlich zu antworten. Keinesfalls sollte er ständig im Kopf haben, wie schlecht es ihr ging.
Zu gerne hätte sie mehr darüber erfahren, auf welche Weise der Geist ihrem Freund helfen wollte, aber die Frage verkniff sie sich lieber. Solange diese dämliche App auf ihrem Smartphone war, würde sie nichts in der Richtung erwähnen. Es war schon gefährlich genug, dass Flann das Gespenst genannt hatte.
„Ich vermisse dich, meine Kleine.“
Auch ihrem Tiger hörte man an, dass er an der Trennung schwer knabberte.
Das Telefonat machte es im Moment kaum besser, deshalb beschloss er, es zu beenden.
„Ich rufe dich morgen früh noch mal an und direkt nach dem Kampf.“
Im Stillen fügte er hinzu, dass er das nur tun könnte, wenn er dazu in der Lage war.
„Ich warte auf deinen Anruf. Ich liebe dich.“
Fast meinte sie, sein Lächeln hören zu können.
„Ich dich auch, meine Kleine. Ich dich auch. Bis morgen.“
Darla verabschiedete sich und legte auf. Ihr Herz war schwer, weil sie nach wie vor glaubte, dass es eine Trennung auf Raten war.
Traurig ging sie ins Bad, um sich für die Nacht fertigzumachen. Allerdings war sie hellwach, als sie im Bett lag.
Sie rief sich jedes Detail ihres Tigers in Erinnerung. Auf keinen Fall wollte sie irgendetwas vergessen, was ihn betraf.
Erst als die Sonne die ersten Strahlen über den Horizont schickte, schlief sie ein.
Aber auch jetzt träumte sie von einer glücklichen Zukunft mit Flann.
~~°~~
Am nächsten Tag riss sie das Klingeln ihres Smartphones aus dem Schlaf.
„Ja, bitte?“
Beim Klang von Flanns Stimme war sie sofort hellwach.
„Guten Morgen, mein Mädchen. Du hörst dich an, als ob du kaum geschlafen hättest.“
Einen Augenblick überlegte sie, ob sie ihn anlügen sollte, doch dann entschied sie sich dagegen.
„Schön, dich zu hören, Liebster. Ja, ich habe bis vor zwei Stunden wach gelegen“, gab sie verlegen zu.
Sie hörte Flann seufzen.
„Es hilft niemandem, wenn du krank wirst, Kleines. Bitte, versuch, die Hoffnung nicht zu verlieren.“
Wie sollte sie an eine glückliche Zukunft glauben, solange es ihren Onkel gab? Trotzdem stimmte sie ihm leise zu.
„Du hast recht. Es war nur so ungewohnt, alleine einzuschlafen. Ich habe mich wahnsinnig schnell daran gewöhnt, mich an dich zu kuscheln. Du gibst mir so viel Sicherheit.“
Einen Moment herrschte Stille zwischen ihnen, denn auch Flann hatte sich die halbe Nacht von einer Seite zur anderen gewälzt.
„Mir geht es ganz ähnlich. Es fehlt mir genauso, dass du in meiner Nähe bist. Außerdem ist das Bett zu groß.“
Darla musste gähnen, was ihr Tiger natürlich hörte.
„Es ist ziemlich früh. Wie wäre es, wenn du dich noch etwas ausruhst? Sobald du ausgeschlafen bist, meldest du dich wieder.“
Lieber hätte sie ihm weiterhin zugehört, allerdings wollte sie nicht, dass er sich Sorgen machte.
„Der Vorschlag klingt verdammt gut. Bis später, Liebster.“
Jetzt gelang es ihr, die Traurigkeit aus ihrer Stimme herauszuhalten.
„Schlaf gut, mein Kleines.“
Nachdem Flann das Gespräch beendet hatte, legte sie ihr Smartphone auf ihren Nachttisch.
Sie überlegte, sich ein neues Handy zu kaufen und gleich auch einen passenden Vertrag abzuschließen, doch da ihr Onkel eine Kontovollmacht hatte, würde er es sofort auf ihren Kontoauszügen sehen. Außerdem machte es keinen Sinn, ihr sauer verdientes Geld für ein zweites Gerät auszugeben.
Natürlich könnte sie die Vollmacht widerrufen, nur war in dem Fall Stress vorprogrammiert. Aktuell war sie dem Mistkerl ausgeliefert.
Seufzend drehte sie sich um, nur an Schlaf war kaum noch zu denken.
Für einen Moment fühlte sie sich versucht, einfach die Decke über den Kopf zu ziehen und die Realität auszublenden, doch dann nahm sie sich zusammen. Das Leben ging weiter, außerdem wollte sie alles tun, um einen Weg zurück zu Flann zu finden.
Eilig duschte sie sich, dabei überlegte sie, ob sie versuchen sollte, in die Büroräume ihres Onkels zu kommen. Den Gedanken verwarf sie schnell wieder, denn das war nicht nur ein gefährliches, sondern auch ein sinnloses Unterfangen. Die Alarmanlage stoppte sie.
Mürrisch lief sie in die Küche, machte sich ein Brot zurecht, gleichzeitig vermied sie jede Erinnerung an ihren Tiger.
Anschließend ging sie ins erste Stockwerk, wo die Softwarefirma untergebracht war.
Sie fuhr ihren Computer hoch, doch dann stutzte sie. Irgendetwas war ungewöhnlich. Schnell rief sie den Task Manager auf.
Dieses Arschloch hatte tatsächlich einen Mitarbeiter beauftragt, ein Programm zu installieren, das aufzeichnete, welche Seiten sie mit dem PC aufrief und diese Liste an ihn zu schicken!
Wütend starrte Darla einen Augenblick auf den Monitor. Aber was hatte sie denn erwartet? Dass er ihr Handy überwachte, ihren PC dagegen vergaß?
Gott sei Dank bekam er nie Zugriff auf ihren Laptop, den sie noch von ihren Eltern geschenkt bekommen hatte.
Das Passwort kannte er nicht, außerdem nahm sie das Gerät überall mit hin.
Natürlich könnte er sie zwingen, ihm die Zugriffsrechte einzuräumen, doch in dem Fall verriet er sich. Bisher vermied er, dass sie von seinen Spionagetätigkeiten ihr gegenüber wusste.
Einen Augenblick dachte sie nach. Sie wollte die Zeit nutzen, solange Matthias in Irland war. Darüber hinaus würde sie wahnsinnig werden, sollte sie sich nicht ablenken können.
Schnell lief sie in ihr Zimmer, um ihren Laptop zu holen. Dann musste sie eben über Umwege gehen und sich über ihr Gerät in das System hacken.
In dem Fall wünschte sie sich, mehr kriminelle Energie zu haben. Sie schaffte es zwar, eine einfache Firewall auszutricksen, aber eine echte Hackerin war sie bei Weitem nicht.
Während der Laptop startete, surfte sie mit dem PC im Internet, sah sich Seiten an, die Sehenswürdigkeiten in Irland beschrieben, oder suchte Kochrezepte.
Sie musste verhindern, dass Matthias misstrauisch wurde.
Zum Schluss rief sie YouTube auf und ließ eine Playlist laufen.
Jetzt wandte sie sich ihrem Gerät zu und machte sich auf die Suche nach irgendetwas, das ihr helfen konnte.
Vielleicht fand sie ja heraus, wo der Dreckskerl die Aufzeichnungen von Flanns Verwandlung hatte.
Darla vergaß völlig die Zeit, sodass sie erschrocken zusammenzuckte, als ihr Smartphone klingelte.
Auf dem Display sah sie, dass es ihr Onkel war. Kurz überlegte sie, ob sie ihn einfach wegdrücken sollte, doch dafür würde er sich rächen, also nahm sie das Gespräch an.
„Was willst du?“
Ohne eine Begrüßung fuhr sie ihn an. Sie wollte, dass er sie in Ruhe ließ, denn sie konnte ihm niemals verzeihen, dass er ihr Leben zerstört hatte.
„Du checkst sofort die Leitungen. Irgendwas blockiert hier. Es ist, als ob wir einen Störsender hätten“, blaffte Matthias sie an.
Einen Augenblick herrschte Stille.
„Du hast Peter bei dir. Früher brauchtest du mich für solche Sachen auch nicht.“
Sie würde einen Scheiß tun! Vielleicht mussten sie auf den Kampf verzichten, weil die Übertragung streikte.
Bei dem Gedanken grinste sie breit, doch schnell schüttelte sie den Kopf, es gab ja immer noch die Zuschauer, die sich vor Ort aufhielten.
„Pass auf deinen Ton auf! Tu, was ich dir sage, sonst sorge ich dafür, dass dein Liebhaber den Tag nicht überlebt.“
Ehe sie in der Lage war, zu antworten, hatte er schon aufgelegt.
Seufzend stoppte sie die Playlist und startete die Programme, die ihr ermöglichten, die Verbindungen in Terryglass zu untersuchen.
Das Internet dort schien stabil zu sein, soweit sie es feststellen konnte, allerdings blieben die Bildschirme dunkel.
Das war so noch nie vorgekommen.
Schnell schnappte sie sich ihr Smartphone, um Flann anzurufen, legte es aber sofort wieder weg. Mit seiner Antwort begab er sich unter Umständen in Gefahr, denn Demmer hörte ihr Handy ja ab.
Darla fluchte leise, als plötzlich die Kameras ansprangen. Mit gerunzelter Stirn überprüfte sie alles erneut, nur hatte sich nichts geändert.
„Dann ist dieser Geist wohl doch zu etwas gut“, dachte sie, bis ihr einfiel, dass ihr Onkel Flann erschießen ließ, sollte er zu viel Geld verlieren.
Nur war das ihrem Liebsten bewusster als ihr.
Seufzend lehnte sie sich zurück und schloss kurz die Augen, um die Angst in den Griff zu bekommen, die sie erfasst hatte, als sie sich an den bevorstehenden Kampf erinnerte.
Während ihrer Suche nach den Aufzeichnungen oder einem Hinweis, wo die verdammten Dateien sein könnten, war sie abgelenkt, nur jetzt brach alles wieder über sie herein.
Ihr Blick glitt zur Uhr, noch gut vier Stunden, dann wusste sie, ob Flann überlebt hatte. Sein Auftritt war für achtzehn Uhr angesetzt.
Seufzend stand sie auf, um sich eine Flasche Wasser zu holen, ehe sie weitermachte.
Ihr Handy ließ sie hochschrecken. Ihr Display zeigte an, dass ihr Liebster anrief.
„Schön, dich zu hören“, begrüßte sie ihn gespielt fröhlich.
Er schnalzte missbilligend mit der Zunge.
„Ja, das finde ich auch, trotzdem brauchst du dich gerade bei mir nicht zu verstellen. Ich weiß, dass es dir alles andere als gut geht.“
Schnell biss er sich auf die Lippe. Anstatt sie zu tadeln, sollte er ihr besser sagen, wie sehr er sie liebte. Vielleicht war das seine letzte Möglichkeit.
„Ich liebe dich, mein Mädchen, vergiss das nie!“
Erneut stoppte er, weil es sich wie ein verdammter Abschied anhörte.
Darla hielt den Atem an, zumal sie keine Einzelheiten wusste.
„Sag mir ehrlich, hast du eine Chance, den Kampf zu gewinnen?“
Sie musste es einfach wissen, sonst würde sie hier durchdrehen.
„Ja, aber es wird knapp werden.“
Der Ernst in seiner Stimme sagte ihr, dass er weder etwas beschönigte noch übertrieb.
Einen Augenblick überlegte sie, vielleicht sollte sie die Polizei rufen? Die Behörden konnten Flann doch nicht so ohne Weiteres einsperren, nur weil er anders war, oder?
„Kann ich irgendetwas tun? Soll ich jemanden für dich anrufen?“
Sie hoffte, dass er den versteckten Hinweis erkannte.
„Das kannst du, versuch, dir keine Sorgen zu machen. Falls ich sterbe, ist es meine eigene Schuld. Aber du musst mir versprechen, dass du dir einen Partner suchst, der dich glücklich macht.“
Tränen traten ihr in die Augen, allein bei dem Gedanken, dass sie ihren Tiger unter Umständen nie wiedersah.
„Wie soll ich jemals mit einem anderen Mann zusammen sein, wenn du meine wahre Liebe bist? Ich würde ihn immer mit dir vergleichen.“
Ihr Schlucken war deutlich zu hören, trotzdem hielt Flann das Thema für zu wichtig. Auf keinen Fall wollte er, dass sie bis zu ihrem Lebensende um ihn trauerte.
„Du bist eine starke Persönlichkeit, sonst hätte Demmer dich längst auf seine Seite gezogen. Also wirst du einen Weg finden und dein Glück machen. Versprich mir nur, dass du dich darum bemühst.“
Erst in dem Augenblick wurde ihr bewusst, dass er diese Sicherheit brauchte, um sich vollkommen auf den Kampf konzentrieren zu können.
„Das verspreche ich dir“, stieß sie unglücklich hervor.
Das Schweigen in der Leitung wurde bedrückend, aber keiner wusste, wie er dem anderen beistehen konnte.
„Ich melde mich, nachdem ich aus dem Käfig raus bin.“
Jetzt klang seine Stimme kalt, daran erkannte sie, dass er sich mental abschottete. Er musste töten oder wurde getötet, da hatten Gefühle keinen Platz.
„Ich liebe dich.“
Darla flüsterte, weil ein dicker Kloß ihr den Hals zuschnürte. Sie hielt das Gerät noch an ihr Ohr, als er bereits aufgelegt hatte, so als ob sie ihn auf diese Weise bei sich behalten könnte.
Tränen liefen ihr über die Wangen, die sie nicht mal spürte.
Angst, Verzweiflung und die tiefe Sehnsucht nach ihrem Tiger mischten sich zu einem verdammten schwarzen Loch, wogegen sie ankämpfen musste.
So gut sie es schaffte, drängte sie die Emotionen zur Seite, um sich wieder an ihre Suche zu machen. Irgendwo hier war ein Hinweis, der sie weiterbrachte!
Darla durchkämmte akribisch alle Verzeichnisse, in die sie sich reinhacken konnte, dabei vergaß sie die Zeit.
Als ob sie jemand darauf aufmerksam gemacht hätte, sah sie genau in dem Moment auf die Uhr, als Flanns Kampf begann.
Zitternd und mit Tränen in den Augen fing sie an zu beten, dass er überlebte.
~~°~~
Flann sah aus dem Fenster des Cottages, während er auf den Beginn seines Auftritts wartete. Bei dem Wort Show schmeckte er bittere Galle.
Was für Menschen amüsierten sich darüber, dass zwei Wesen aufeinander losgingen?
Es klopfte und wie erwartet stand Thorsten vor der Tür, doch dieses Mal versuchte er erst gar nicht, den Tiger zu provozieren.
Im Gegenteil, er hielt gehörigen Abstand. So wie es aussah, hatte wenigstens er seine Lektion gelernt.
Er begleitete ihn zu dem kleinen Abstellraum, wo er ihn in Ruhe ließ, bis der Kampf anfing.
Flann atmete gezielt, schaltete alle Gedanken aus, die nichts mit dem Fight zu tun hatten, gleichzeitig verbannte er seine Gefühle. Nur auf diese Weise sah er eine Chance, zu überleben.
Wie immer streifte er seine Sachen ab, bis er nur noch eine Jogginghose trug, anschließend konzentrierte er sich auf seine Atmung, bis Thorsten ihn holen kam.
Schweigend gingen sie den Gang entlang, den jemand offensichtlich gefegt hatte. Ein sinnloses Unterfangen, denn in den nächsten drei bis vier Monaten würden sich hier wieder Staub und Dreck ansammeln.
Die Anlage nutzte ja niemand.
Das Tappen seiner bloßen Füße war deutlich zu hören, wohingegen sich sein Begleiter so verhielt, als ob er fürchtete, entdeckt zu werden.
Sie betraten die ehemalige Diskothek und die Leute johlten auf, um ihren Champion zu begrüßen.
Am liebsten hätte er ihnen ins Gesicht gespuckt, doch er behielt seinen eiskalten Blick bei, mit dem er jeden Einzelnen zum Schweigen brachte.
Er kletterte in den Käfig, woraufhin die Tür hinter ihm zufiel.
Erst jetzt spürte er, dass Thorsten aufatmete.
„Ich hoffe, du verreckst elendig. Aber mach dir keine Sorgen, ich werde mich in dem Fall um Darla kümmern.“
Natürlich stand die Made so weit entfernt, dass er ihn keinesfalls zu packen bekam. Manche Fehler wiederholte er leider nicht.
Flann drehte sich blitzschnell zu ihm um, sodass er noch einen Schritt zurückwich.
„Du spuckst verdammt große Töne. Wieso hast du mir das nicht vorhin ins Gesicht gesagt? Fehlt dir der Mut?“
Höhnisch lachte Flann auf, ehe er zur Käfigmitte ging.
„Begrüßt unseren Tiger. Ungeschlagen seit fünfzehn Jahren, aber wer weiß, ob ihm dieses Kunststück auch heute gelingen wird. Wie versprochen, haben wir etwas ganz Außergewöhnliches für euch, als Entschädigung dafür, dass die letzte Show ein wenig zu kurz war“, ertönte in dem Augenblick Demmers verhasste Stimme.
Die Leute klatschten wie befohlen, trotzdem spürte man die bedrückende Stimmung, besonders weil Flanns Blick immer noch eisige Pfeile in die Menge schoss.
„Verwandle dich!“, kam sofort die nächste Order, da Matthias erkannte, wie unbehaglich sich die Zuschauer fühlten.
Mit einem Fauchen kam Flann dem Befehl nach, entledigte sich seiner Jogginghose, ging auf die Knie und leitete die Verwandlung ein.
Wie schon in der Woche davor flimmerte es, ehe der gesamte Saal in blaues Licht getaucht wurde.
Flanns Gliedmaßen verformten sich mit einem furchterregenden Geräusch, seine Haut platzte auf, sein Kiefer zog sich in die Länge, gleichzeitig formten seine Finger sich zu tödlichen Krallen.
Es dauerte nur gute zehn Minuten, bis ein stattlicher bengalischer Tiger im Käfig stand.
Die Leute klatschten begeistert, als ob er ein Kunststück gezeigt hätte, doch er sah jeden Einzelnen mit seinen bernsteinfarbenen Tigeraugen an, sodass sie schnell wieder still waren.
Die Tür auf der anderen Seite des Saals ging auf und ein kleiner, drahtiger Kerl in der traditionellen Tracht der Ninjas erschien.
Sofort ertönte Demmers Stimme.
„Begrüßen Sie mit mir den heutigen Herausforderer, Black Shadow, ein geschätztes Mitglied der Yakuza.“
Am liebsten hätte Flann bei der Neuigkeit verzweifelt die Augen geschlossen, denn jetzt wurde die Situation richtig gefährlich.
Applaus brandete auf, sodass der Kämpfer kurz stehen blieb, um sein Katana, ein Langschwert, aus der Scheide zu ziehen.
So viel zu Thorstens Worten. Aber wie sollte der Idiot auch ein japanisches Schwert von einem Säbel unterscheiden?
Auf der anderen Seite ging die Käfigtür auf, damit der Mann eintreten konnte.
Hochmütig musterte er den Tiger, bevor er spöttisch auflachte, anschließend begann der Tanz.
Konzentriert umkreisten die Kämpfer sich, loteten die jeweiligen Schwächen und Stärken aus, bis der Ninja plötzlich auf Flann zusprang.
Geschmeidig wich er aus, allerdings war ihm klar, dass das nur das Anfangsgeplänkel war.
Er ging jetzt seinerseits auf den Gegner los, dessen Gesicht verhüllt war, doch der riss sofort seine Waffe hoch, gleichzeitig lachte er erneut.
Flann erkannte, dass es nur einen einzigen Vorteil gab: Durch das Katana war der Kerl unbeweglicher.
Einen Moment überlegte er, warum sein Herausforderer das traditionelle Schwert der Samurai gewählt hatte, das passte so gar nicht zu den Ninjas.
Als ob der Mann seine gedankliche Abwesenheit gespürt hätte, griff er an und versetzte ihm einen Hieb mit seiner Klinge, dem er gerade so ausweichen konnte.
Jetzt hoffte Flann nur, dass er keine Wurfsterne in seiner Kleidung versteckt bei sich trug.
Mit einem Knurren ging er auf seinen Gegner los, versuchte seine Abwehr zu durchbrechen, musste aber schnell einsehen, dass er kaum eine Chance besaß, ohne selbst verletzt zu werden.
Das Katana hatte eine messerscharfe Schneide mit gut 70cm Länge, sodass der Ninja ihn damit auf Abstand halten konnte.
In dem Raum herrschte absolute Stille, als sie sich erneut umkreisten.
Wieder griff der Herausforderer als Erster an und dieses Mal fügte er Flann einen Schnitt am rechten Hinterbein zu.
Blut lief ihm über das gestreifte Fell, allerdings spürte er den Schmerz kaum.
Der Mann starrte triumphierend in die Menge, was Flann für seinen Gegenangriff nutzte, doch ehe er seinen Gegner erreicht hatte, drehte der sich herum.
Erneut musste der Tiger einen Treffer wegstecken, sodass er jetzt auch aus einer Wunde an der Brust blutete.
Das hier entwickelte sich zu einem verdammten Schlachtfest, aber noch gab er nicht auf. Der Gedanke an sein Mädchen verlieh ihm Kraft. Bei seinem nächsten Angriff fügte er seinem Widersacher einen breiten Kratzer am rechten Arm zu. Der Ninja ließ das Katana fallen, was Flann mit einem Fauchen beantwortete.
Jetzt hatte er eine echte Chance, doch bevor er erneut angreifen konnte, hob der Mann die Waffe mit der linken Hand auf.
Herausfordernd sah er ihn an und man merkte deutlich, dass er darin geschult war, mit beiden Händen ein Schwert zu führen.
Ein weiterer Hieb traf Flann am Rücken, sodass er gequält aufbrüllte. Sofort setzte der Gegner nach, wobei es dem Tiger schwerfiel, auszuweichen.
Schwer atmend beobachtete er den angeblich japanischen Kämpfer, der ihn nur höhnisch auslachte.
Erneut begann der Tanz, nur dass dieses Mal der Tod auf den Gestaltwandler wartete, wenn nicht ein Wunder passierte.
Sie umkreisten sich, allerdings sah man dem Tiger an, dass er geschwächt war. Immer wieder knickte er mit dem Hinterlauf ein, außerdem verlor er verdammt viel Blut.
Die Menge feuerte ihren jeweiligen Favoriten an, die Luft war erfüllt von den Rufen der Leute, die die Wetten verkauften und man konnte die Gewalt fast riechen.
Flann setzte erneut zu einem Sprung an, erwischte den Ninja am Bein, fing sich aber gleichzeitig eine weitere Schnittwunde an der Schulter ein.
Entsetzt bemerkte er, dass er schwächer wurde. Seine Selbstheilungskräfte schafften es nicht, die Verletzungen schnell genug zu schließen, deshalb verlor er zu viel Blut.
Ihm wurde bewusst, dass das sein letzter Kampf war, sollte kein Wunder passieren. Selbst die Ablenkung durch James brachte ihm vermutlich kaum einen Vorteil, allerdings schien er sein Versprechen auch nicht zu halten.
Wieder und wieder musste Flann dem Schwert ausweichen. Mittlerweile blutete er aus zahlreichen Schnitten, während er sich nur mit Willenskraft auf den Pfoten hielt.
Der Ninja hieb ihm den Knauf des Katana gegen den Kopf, was ihn zu Boden schickte.
Mit geschlossenen Augen und nach Luft schnappend lag er im Ring. Sein letzter Gedanke galt Darla, die fürchterlich leiden würde.
Er spürte, dass sein Gegner vor ihm stand, trotzdem öffnete er die Lider nicht.
„So wie es aussieht, ist unser Tiger besiegt. Schade, wir werden ihn alle vermissen“, tönte es aus dem Lautsprecher.
Das war sein Todesurteil!
Flann machte keine Anstalten, sich irgendwie zu wehren. Er wusste, dass es vorbei war.
Genau in dem Moment, als der Mann sein Schwert hob, ertönte zorniges Gemurmel. Beschwerden wurden laut, sodass er mühsam die Augen öffnete.
Die großen Bildschirme, die die Show in Detailaufnahme zeigen sollten, flimmerten nur noch, was ihm sagte, dass wohl die Übertragung ausgefallen war.
Zufrieden schloss er erneut die Lider. Wenigstens konnte Demmer sein Mädchen nicht mit den Bildern seines Todes quälen.
„Einen Moment mal. Das nennt man heute einen fairen Kampf?“
James Stimme klang deutlich durch den Raum, und als Flann wieder hinsah, erkannte er den Geist, der auf der Treppe zum Käfig stand.
Irritiert blickten die Zuschauer auf die Erscheinung, genau wie der Ninja, der seinen Augen nicht zu trauen schien.
Der ehemalige Verwalter nickte leutselig in die Runde, bevor er durch die Stäbe in die Mitte des Käfigs lief.
„Ein Mann mit einem Schwert gegen einen Tiger? Ich dachte, hier gäbe es Ehrenmänner. Da habe ich mich wohl getäuscht.“
Aus den Augenwinkeln sah Flann, dass Demmers Leute hektisch herumliefen, anscheinend glaubten sie an eine Projektion oder Ähnliches.
„Was soll das? Von einem Kampf mit einem Gespenst hat niemand geredet“, rief der Ninja erbost, als ihm bewusst wurde, dass James wirklich ein Geist war.
Um seiner Empörung Nachdruck zu verleihen, drehte er sich zu dem Raum, in dem er den Veranstalter vermutete.
Das war Flanns Chance. Mit reiner Willenskraft stand er auf, um in der nächsten Sekunde seinen Gegner anzuspringen. Ohne zu überlegen, biss er ihm in den Nacken, sodass das Genick mit einem ekelerregenden Geräusch brach.
James nickte ihm erfreut zu, das war das Einzige, was er sah, bevor er zusammenbrach.
Das Toben der kleinen Zuschauermenge, die erstaunten Rufe der Mitarbeiter und das Öffnen der Käfigtür bekam er nicht mehr mit.
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Während Flann um sein Leben kämpfte, rannte Darla in ihrem Zimmer auf und ab. Sie hatte die Recherche für den Tag beendet, zumal jeder Hinweis ins Leere lief.
Die Angst um ihren Liebsten sorgte dafür, dass sie sich kaum noch konzentrieren konnte, sodass sie es vorgezogen hatte, das Büro zu verlassen.
Ständig sah sie auf die Uhr, doch die Minuten zogen sich wie Stunden.
Der Gedanke, dass sie nie wieder Flanns Stimme hören würde, nahm ihr die Luft zum Atmen. Tränen schwammen in ihren Augen, die sie krampfhaft zurückdrängte.
Noch wollte sie die Hoffnung nicht aufgeben!
Gleichzeitig schwor sie sich wieder, dass ihr Onkel bezahlen würde, sollte ihrem Tiger wirklich etwas Ernsthaftes passieren.
Ständig lief sie zur Tür, weil die Versuchung, sich vom Büro aus in die Übertragung zu hacken, extrem groß war. Doch sie hielt sich an ihr Versprechen, zumal ihr irgendetwas sagte, dass ihr Liebster einen Grund gehabt hatte, sie nicht zusehen zu lassen.
Darla weigerte sich, dem Gedanken weiteren Raum zu geben, da ihr bereits klar war, dass es darum ging, ihr die Bilder seines Todes zu ersparen.
Als eine Stunde um war, nahm sie ihr Handy in die Hand. Vielleicht hatte sie das Klingeln überhört?
Das war ein dünner Strohhalm, an den sie sich klammerte. Falls das Smartphone irgendein Geräusch von sich gab, würde sie es hören, denn ansonsten war es in ihrem Zimmer totenstill.
Fahrig legte sie es zurück auf den Tisch, ehe sie ihre Wanderung wieder aufnahm.
Hatte Flann vielleicht vergessen, dass er anrufen wollte? Auch den Gedanken strich sie sofort aus ihrem Gehirn.
Am Ende ihrer Nerven schnappte sie sich das Handy, rief seine Nummer auf und wartete ungeduldig darauf, dass er sich meldete.
Zu ihrem Leidwesen hörte sie nur seine Stimme auf dem Anrufbeantworter.
Jetzt liefen ihr die Tränen über die Wangen. Es musste etwas Schreckliches passiert sein!
Die Kämpfe dauerten nie länger als eine Stunde.
Schnell bat sie ihn, sie anzurufen, sobald er ihre Nachricht bekam, dann legte sie das Gerät wieder aus der Hand.
Erneut wanderte sie ruhelos im Zimmer herum, versuchte die Hoffnung aufrecht zu halten, nur zeichnete es sich immer deutlicher ab, dass Flann kaum in der Lage war, sich zu melden. Doch noch wollte sie nicht an die schlimmste Option glauben.
Im Viertelstundentakt sprach sie ihm auf die Mailbox, aber es folgte kein Rückruf.
Verzweifelt warf Darla sich auf ihr Bett, vergrub ihr Gesicht im Kissen und ließ ihrer Trauer freien Lauf.
Für sie stand fest, dass Flann den Kampf verloren hatte.
Mittlerweile waren mehr als drei Stunden vergangen und er hatte auf keine Nachricht reagiert.
Ihr Versprechen fiel ihr ein: Sollte ihr Tiger tot sein, würde sie ihren Onkel ans Messer liefern. In dem Fall war es ihr egal, was dann mit ihr passierte.
Aber zuerst musste sie Gewissheit haben.
Zittrig wischte sie sich die Tränen ab, nahm ihr Handy und wählte die Nummer von Matthias.
„Was willst du? Die Übertragung wurde erneut gestört, außerdem ist hier eine Projektion aufgetaucht. Wie kann das sein?“, blaffte Demmer sie sofort an.
Einen Moment holte sie tief Luft, hörte auf das leise Stimmengewirr im Hintergrund, ehe sie ihm antwortete.
„Das war kein Bild, aber du glaubst mir ja eh nicht. Was ist mit Flann?“
Sie hielt ihre Stimme eisern unter Kontrolle, während sie auf eine Auskunft wartete.
„Was sollte das denn gewesen sein? Kommst du mir jetzt mit deinem esoterischen Kram? Pass nur auf, ich bin morgen zurück.“
Darla verlor die Nerven.
„Du verdammter Hurensohn, sag mir sofort, was mit Flann ist, sonst sabotiere ich die Übertragungen von hier aus, dann sehen deine feinen Kunden überhaupt nichts mehr auf ihren Monitoren.“
Ihre Stimme überschlug sich, als sie ihm die Beleidigung entgegenschrie.
Mit vielem hatte sie gerechnet, aber bestimmt nicht damit, dass ihr Onkel schallend lachte.
„Hast du endlich begriffen, wie weit man mit Erpressung kommt? Er hat gewonnen, nur ob er die Nacht überlebt, kann niemand sagen und jetzt lass mich in Ruhe arbeiten.“
Vor Erleichterung sank Darla zu Boden. Er lebte!