Kapitel 16 - Gefährliches Unterfangen
Auf der gesamten Fahrt zum Flughafen überlegten sie, wie sie Demmer los werden konnten, aber jeder Plan wies erhebliche Risiken oder Fehler auf.
„Irgendwo muss es doch eine Lösung geben“, rief Darla verzweifelt, als sie erneut ein undurchführbares Vorgehen verwarfen.
„Bleib ruhig, mein Mädchen. Wir finden einen Weg, ganz bestimmt!“
Flann legte ihr sanft eine Hand auf den Oberschenkel.
„Ja, wahrscheinlich, wenn ich zu alt bin, um noch Spaß am Leben zu haben.“
Mürrisch verschränkte sie die Arme vor der Brust. Sie hasste es, ihren Liebsten schon wieder zu verlassen.
„Es sind erst knappe drei Wochen, seit wir uns überhaupt kennengelernt haben“, erinnerte ihr Tiger sie, doch sie schnaubte nur.
Im Moment waren ihr diese Tatsachen völlig egal, sie wollte ihr Gück mit Flann in Irland genießen, sofort.
Sie parkten in einem Parkhaus des Flugplatzes, anschließend begleitete er sie ins Gebäude.
„Ich vermisse dich jetzt schon“, flüsterte sie, als sie ihn zum Abschied fest an sich drückte.
Dem konnte er nur zustimmen, zumal er es genauso hasste, sie wieder zurückzuschicken.
Leidenschaftlich küsste er sie, dann wurde es Zeit, einzuchecken.
Darla winkte ihm traurig zu, ehe sie ihren Personalausweis aus ihrer Handtasche kramte. Sie hatte ihn am Vorabend nur frustriert in die Tasche fallen lassen.
Als sie ihn endlich fand, fiel ihr ein Stück Papier in die Hand. Die Telefonnummer von David.
Nachdenklich ging sie durch den Check-in, ließ die Kontrollen über sich ergehen, blieb allerdings vor einem Geschäft mit irischem Whiskey stehen.
In ihrem Kopf formte sich ein Plan, der zwar risikoreich war, aber vielleicht auch funktionierte.
Ihr Flug wurde aufgerufen und sie lief schnell zum richtigen Gate, passierte den Zoll, ehe sie in einen Warteraum kam. Von hier aus würden sie direkt zum Flugzeug gehen.
In einem Impuls ging sie zu einem Mitarbeiter des Flughafens, der die Fluggäste gerade zur Maschine schickte.
„Entschuldigen Sie bitte, aber ich kann nicht fliegen. Ich habe etwas Wichtiges vergessen. Können Sie mich bitte von der Passagierliste streichen?“
Auf jeden Fall musste sie verhindern, dass man sie am Ende noch ausrief, weil sie jetzt ganz bestimmt in Irland blieb.
Erstaunt sah der Mann sie an, ehe er leicht nickte.
„Sie müssen warten, bis die anderen Passagiere weg sind, dann bringe ich Sie zurück.“
Dankbar lächelte sie ihn an.
Teil eins ihres Plans klappte schon mal ohne Probleme.
Sie setzte sich wieder, während die restlichen Leute zum Flugzeug gebracht wurden.
„Bitte, kommen Sie mit mir.“
Der Angestellte vom Flughafen brachte sie sicher in den Bereich, der öffentlich zugänglich war.
„Brauchen Sie Hilfe?“
Offensichtlich war es ihm unerklärlich, wieso Darla im letzten Moment entschied, auf den Flug zu verzichten.
Energisch schüttelte sie den Kopf und schenkte dem Mann ein strahlendes Lächeln.
„Nein, es war nur eine falsche Entscheidung, Irland verlassen zu wollen.“
Höflich bedankte sie sich, anschließend ging sie zu einem Informationsschalter. Für ihre weitere Reise durfte sie ihr Handy nicht benutzen, denn so leicht würde sie es Demmer nicht machen.
In einem freundlichen Ton erkundigte sie sich, wie sie am schnellsten nach Ballygannon kam.
Die Frau hinter dem Tresen lächelte ihr zu.
„Besitzen Sie einen Führerschein? Dann ist es am einfachsten, ein Auto zu mieten.“
Darla lehnte diese Möglichkeit ab. Sie wollte ihre Daten nirgendwo hinterlegen. Auf keinen Fall sollte Demmer zu früh herausbekommen, was sie vorhatte.
Verstehend nickte die Dame und reichte ihr den Busfahrplan, bevor sie ihr erklärte, wo sie die Busse fand.
„Entschuldigen Sie, haben Sie auch eine Karte von Irland?“
Sofort händigte die freundliche Angestellte ihr das Gewünschte aus.
Darla bedankte sich herzlich, anschließend ging sie zurück zu der Lounge, wo sie schon einmal mit Flann gesessen hatte.
Jetzt kam der kniffelige Teil ihres Plans, von dem einiges abhing.
Mit einem tiefen Atemzug nahm sie ihr Handy und rief ihren Onkel an.
„Ach sieh mal einer an, Madame geruht, sich zu melden. Was glaubst du eigentlich, wer du bist?“
Mit der Begrüßung hatte sie durchaus gerechnet.
„Es tut mir leid, Matthias. Ich habe Flann so vermisst, kannst du das nicht verstehen? Hast du nie geliebt?“
Sie gab ihrer Stimme extra einen weinerlichen Klang.
Ein spöttisches Auflachen war die Antwort.
„Mach, dass du nach Hause kommst. Wieso darfst du telefonieren? Laut den Daten, die dein Liebhaber geschickt hat, müsstet ihr gerade erst gestartet sein.“
Jetzt schluckte sie so, dass er sie hören konnte.
„Ich habe den Flieger verpasst, aber ich nehme direkt den nächsten, dann bin ich gegen Mitternacht in Frankfurt. Bitte, ich wollte dir einen Whiskey mitbringen, dabei ist mir entgangen, dass es schon so spät ist. Der Flughafen hier ist riesig, sodass ich es nicht mehr geschafft habe, ehe das Gate geschlossen war.“
Darla hielt die Luft an, wenn er ihr diese Lüge nicht glaubte, wäre ihr gesamter Plan in Gefahr oder noch schlimmer, Demmer könnte sich an Flann schadlos halten.
„Der verdammte Tiger sollte dich doch rechtzeitig hinbringen. Wahrscheinlich lügst du und ihr liegt faul im Bett. Der wird sein blaues Wunder erleben.“
Matthias wetterte wie erwartet gleich los.
„Flann hat mich pünktlich hier abgegeben. Er ist schon auf dem Rückweg. Du kannst ihn auf deiner Karte sehen. Und ich sitze in der Flughafenlounge, wo ich auch bleibe, bis mein Flug geht. Lass mein Handy orten, wenn du mir nicht glaubst.“
Sie hörte, wie ihr Onkel etwas auf der Tastatur eingab.
„Du bist heute Nacht in Frankfurt, sonst ergeht es deinem Tiger schlecht, verstanden? Außerdem richtest du dich besser darauf ein, dass du in den nächsten zwei Monaten niemanden außer mir siehst.“
Damit legte Demmer auf.
Darla holte tief Luft, ihr zitterten jetzt schon die Hände.
Sorgsam entfernte sie die SIM-Karte aus ihrem Handy, die sie in eine Ritze des Polsters, auf dem sie saß steckte, anschließend wickelte sie das Smartphone in mehrere Servietten. Langsam ging sie zur Toilette, wo sie das Gerät in einem Klopapierhalter versteckte. Mit etwas Glück fiel es hier niemandem auf.
Sollte ihr Onkel doch misstrauisch werden und nicht nur ihre SIM-Karte orten, sondern auch das Handy selbst, würde er aufgrund der winzigen Ungenauigkeit eher keinen Verdacht schöpfen.
Jetzt musste sie schnell sein, denn ab Mitternacht war Matthias gewarnt.
Eilig drängte sie sich durch die Reisenden, um noch rechtzeitig zum Busbahnhof zu kommen. Ihr Bus fuhr in genau zehn Minuten.
Völlig außer Atem kam sie an, kaufte eine Fahrkarte beim Busfahrer, ehe sie sich setzte. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals und das nicht nur, weil sie gerade so gerannt war.
Ihr war alles andere als wohl bei ihrem Plan, besonders, da das Leben ihres Liebsten auf dem Spiel stand, nur wollte sie auf keinen Fall länger Demmers Spielball sein.
Der Bus hielt nach dreizehn Minuten und sie musste umsteigen. Schnell hatte sie ihre Linie gefunden, doch nun sah sie sich suchend um, denn es schien, als ob kein Sitzplatz übrig war.
Eine ältere Dame winkte ihr vorsichtig zu.
„Hier bei mir ist Platz.“
Dankbar setzte Darla sich neben sie, weil ihr die Knie immer noch zitterten. Jetzt, wo sie nicht mehr zurückkonnte, war sie sich unsicher, ob ihr Plan wirklich so gut war.
„Wo willst du denn hin, Kindchen?“
Die Frau neben ihr hatte enorme Ähnlichkeit mit einem Leprechaun, einem irischen Kobold, zumindest, wenn man nach den Abbildungen ging. Den unhöflichen Gedanken strich Darla sofort wieder aus ihrem Kopf.
„Ich muss zu Freunden nach Ballygannon.“
Sie schenkte ihrer Sitznachbarin ein freundliches Lächeln, das diese erwiderte.
„Ah, ja, es ranken sich viele Gerüchte um den Ort. Hast du schon von den Söldnern gehört, die dort ihr Quartier haben?“
Neugierig blickte die Dame sie an.
Darla verschluckte sich fast. Wieso kam sie ausgerechnet auf die Wächter zu sprechen?
„Ja, habe ich. Wissen Sie mehr darüber?“
Vielleicht erhielt sie weitere Informationen. Es war unwahrscheinlich, dass ihr Onkel ihr jetzt schon auf die Schliche gekommen war, aber nicht unmöglich.
„Ich hörte Gerüchte, viel Tratsch und einmal konnte ich ein paar der Jungs sehen. Ansehnliche Kerle, muss ich wirklich sagen.“
Ihre Augen blitzten schelmisch auf, sodass Darla lachen musste.
„Ich bin mit meinem Freund ziemlich zufrieden. Wahrscheinlich würden Sie ihn auch als stattlich bezeichnen.“
Die alte Dame nickte wissend, doch das tat Darla nur als Höflichkeit ab.
„Du stammst nicht hier aus Irland, oder?“
Ehrlich gab Darla es zu, konnte sich ein Seufzen allerdings nicht verkneifen.
„Das hört man wohl sofort, oder?“
Lächelnd schüttelte ihre Gesprächspartnerin den Kopf.
„Nein, nur bin ich so vielen Menschen begegnet, dass ich sie schnell einschätzen kann. Es muss schwierig sein, eine Fernbeziehung aufrechtzuerhalten, auf diese Distanz.“
Irritiert musterte Darla sie. Woher konnte sie wissen, wie weit Flann und sie auseinander wohnten?
„Ich weiß einiges, mein Kind, aber ich meine es gut mit dir. Sei einer alten Frau nicht böse, wenn sie Unsinn vor sich hinplappert.“
Sie lachte leise, doch Darla sah sie misstrauisch an. Irgendetwas wusste sie, das war sonnenklar.
Gerade als sie nachfragen wollte, zeigte die Dame aus dem Busfenster.
„Siehst du den Stacheldrahtzaun dort hinten? Fast am Meer?“
Verwirrt schüttelte sie den Kopf. Sie sah weder einen Zaun noch ein Gebäude, nur eine grüne Fläche.
„Du musst genau hinsehen“, flüsterte ihre Sitznachbarin und plötzlich sah sie den Zaun.
„Da ist das Lager der Söldner. Interessant, oder?“
Die Sicht verschwamm und es kam ihr vor, als ob sie aus einem Traum aufwachte.
Die seltsame Dame wurde ihr langsam unheimlich.
„Was sind Sie?“
Auch Darla flüsterte jetzt nur noch.
„Eine senile alte Frau, die oft genug nicht ernst genommen wird.“
Sie lachte, als ob sie einen Witz gemacht hätte und ehe Darla ihr widersprechen konnte, hielt der Bus erneut.
„Du musst hier aussteigen, mein Kind. Verlier nie die Hoffnung, du bist auf dem richtigen Weg.“
Völlig verwirrt über diese Worte stieg Darla aus, ohne etwas zu erwidern, doch als sie sich umsah, war die Dame verschwunden.
Ob sie wirklich eine der irischen Elfen gewesen war?
Energisch schob sie die Überlegungen von sich, es war egal, ob sie zu der magischen Welt gehörte oder nicht, sie hatte ihr jedenfalls den Weg gezeigt. Das Quartier der Wächter war natürlich nicht in der Karte eingezeichnet, sodass sie sich jetzt hätte durchfragen müssen.
Noch einmal atmete sie tief ein, rückte ihren Rucksack zurecht und machte sich auf den Weg.
Ziemlich schnell kam sie an dem Zaun an, an dem sie vorbeilief, bis sie ein großes Tor fand.
Hier gab es eine Überwachungskamera sowie eine Gegensprechanlage.
Beherzt drückte sie auf den Klingelknopf, anschließend wartete sie mit klopfendem Herzen.
Es war jetzt zwanzig nach zwei am Nachmittag. Sie musste sich verdammt beeilen.
„Ja, bitte? Was wollen Sie?“, erklang eine Stimme, die sie zusammenzucken ließ.
„Ich möchte mit David reden. Er ist ein Freund von Flann O´Rory, dem Tiger.“
Sie hoffte, dass sie den Mann hier auch antraf, sonst war alles umsonst.
„Wer sind Sie?“
Entschlossen sah sie direkt in die Kamera.
„Ich bin die Gefährtin von Flann, Darla Demmer. Bitte, ich brauche dringend Ihre Hilfe. Ich bin ein Mensch und weiß von der magischen Welt.“
Sie wusste, dass sie sich mit der Aussage auf dünnes Eis begab.
„Sie sind so etwas wie die Polizei. Flann hat es mir erzählt. Er ist in Gefahr.“
Verzweiflung klang in ihrer Stimme, als sich so gar nichts hinter dem Zaun regte.
Sie wollte schon zurück zur Bushaltestelle laufen, als sich das Tor öffnete und ein attraktiver, blonder Mann erschien, der sie ernst ansah.
„Ich bin David McDorrell“, stellte er sich vor.
Dankbar nickte sie ihm zu, während sie mit den Tränen kämpfte.
„Bitte, ich brauche Ihre Hilfe. Wenn Sie uns nicht helfen können, weiß ich keinen Rat.“
Der Wächter machte eine einladende Handbewegung.
„Kommen Sie erst einmal rein, Darla.“
Gemeinsam gingen sie an einem Parkplatz vorbei, auf dem wunderschöne Autos und schnelle Motorräder standen, nur hatte sie keinen Blick für die Schönheiten.
Erst als sie im Büro des Mannes saß, atmete sie ein wenig auf.
„So und jetzt erzählen Sie bitte. Was ist mit Flann?“
David sah sie halb neugierig, halb ernst an.
„Er ist in illegale Käfigkämpfe verwickelt, die mein Onkel in Terryglass abhält“, stieß sie hervor.
Langsam nickte er, als ob er davon bereits gehört hätte.
„Wir wissen, dass die alte Ferienanlage ungefähr alle drei Monate für solche Zwecke genutzt wird. Nur ist das nicht unser Problem. Wir mischen uns niemals in die Sachen der Normalen ein.“
Er sagte es in einem völlig neutralen Ton, sodass Darla fassungslos den Kopf schüttelte.
„Aber Flann ist ein Gestaltwandler. Bitte, David, er meinte, dass Sie mal gute Freunde waren. Er ist in Gefahr.“
Nachdenklich sah der Wächter die Frau vor ihm an. Ihre Verzweiflung war echt, nur glaubte er nicht, dass ausgerechnet ein O´Rory gegen die Geheimhaltung verstieß. Außerdem besaß dieser seine Telefonnummer. Er könnte ihn also auch selbst anrufen.
„Was ist mit ihm? Erzählen Sie mir bitte die ganze Geschichte, doch vorher möchte ich meinen Vorgesetzten herholen.“
Stumm nickte Darla. Ihre Hoffnung, dass man ihr hier helfen würde, sank rapide.
David rief jemanden an und kurz darauf erschien ein großer, blonder Mann, mit stahlblauen Augen, der ihr höflich die Hand reichte.
„Steward McFlann, ich habe gehört, dass Sie Hilfe wegen eines Gestaltwandlers brauchen?“
Traurig schüttelte sie den Kopf.
„Nein, der Tiger braucht Ihre Unterstützung, sonst wird er vor die Hunde gehen.“
Offen sah sie ihn an.
„Genau wie ich“, fügte sie leise hinzu.
„Erzählen Sie uns die ganze Geschichte, damit wir entscheiden können, was zu tun ist.“
Aufmunternd lächelte David sie an. Sollte es sich wirklich um den Flann handeln, den er kannte, würde er keine Sekunde zögern.
Darla holte tief Luft, dann berichtete sie, wie sie auf den Tiger aufmerksam geworden war, mit nach Irland kam und seine Gefährtin wurde.
Tränen traten ihr in die Augen, als sie erzählte, dass ihr Onkel ihren Liebsten gegen einen bewaffneten Ninja antreten ließ.
„Ich weiß nicht mehr weiter. Mit jedem Kampf wird die Gefahr größer, dass Flann stirbt.“
Mit tränenüberströmten Wangen sah sie die beiden Männer an.
David kam zu ihr, legte ihr eine Hand auf die Schulter.
„Sie haben genau richtig gehandelt. Wir werden ihn da rausholen.“
Dankbar sah sie ihn an, gleichzeitig atmete sie auf. Endlich bekam sie Hilfe, obwohl sie keine Ahnung hatte, wie diese Leute vorgehen würden.
Steward öffnete die Tür, anschließend rief er leise nach der ersten Einheit, wer immer das auch war, während der andere Wächter per Telefon ein Flugzeug anforderte.
Innerhalb von Sekunden kamen fünf Männer und zwei Frauen ins Büro, die Darla neugierig ansahen.
„Das sind meine Jungs. Wir werden Ihren Gefährten raushauen.“
David zeigte stolz auf die Leute in dem Raum.
„Brian wird zusammen mit Gerry und seiner Gefährtin Caitlin nach Frankfurt fliegen. Ihr bringt mir diesen Demmer. Niemand darf etwas erfahren. Die Maschine steht in einer Stunde zur Verfügung.“
Die Angesprochenen nickten leicht, anschließend machten sie sich auf den Weg.
„Entschuldigung, aber wenn die Männer meines Onkels mitbekommen, dass er entführt wurde, werden die Aufzeichnungen von Flann direkt an die zuständige Behörde weitergeleitet. Außerdem wird man seine Mutter und seine Schwester töten.“
Angstvoll sah Darla auf den Wächter, der jetzt wieder hinter seinem Schreibtisch saß.
Logan, ein durchtrainierter Kerl mit gestreiften Haaren, legte ihr sanft eine Hand auf den Arm.
„Machen Sie sich keine Gedanken. Wir wissen, was wir tun. Niemand wird mitbekommen, dass Ihr Onkel entführt wird.“
„Patrick und Victoria, ihr fahrt auf dem schnellsten Weg nach Dingle. Ihr bringt mir Fenja O´Rory her.“
David ließ sich nicht beirren, er sah die beiden eindringlich an.
„Wir gehen dann mal die Adresse heraussuchen.“
Mit einem Nicken waren die zwei verschwunden.
Wieder schluckte Darla angstvoll.
„Keine Sorge, Patrick ist unser Mann für alles rund um den Computer. Seine Gefährtin Victoria ist ein Luftgeist, eine Sylphe. Sie werden Fenja auf jeden Fall finden.“
Steward lächelte ihr zu, trotzdem fühlte sie sich verdammt mulmig.
„Logan, kannst du Flann zu uns bringen? Du hast das schnellste Auto.“
David schmunzelte leicht, als er den begeisterten Blick seines Freundes sah. Logan liebte es, alle Geschwindigkeitsbegrenzungen zu übertreten.
„Muss ich mir die Adresse heraussuchen oder hat die jemand?“, fragend sah er auf Darla.
„Ja, klar, er wohnt in Reaniesglen, in der Nähe von Cork. Wenn Sie zum Nohoval Cove fahren, sehen Sie ...“
David hob eine Hand, um sie zu stoppen.
„Im Ernst, er lebt wieder in dem alten Cottage? Ich weiß, wo das ist.“
Er tippte auf seinem Handy herum und kurz darauf war auch Logan auf dem Weg, um den Auftrag auszuführen.
„Jorgan? Hol dir bitte bei Joleen die Adresse von Mary O´Rory. Bring sie her. Ich muss nicht betonen, dass du besser nicht fliegst, oder?“
Der Mann mit den schwarzen Haaren und der dunklen Aura nickte nur stumm, dann verließ er den Raum.
Erschöpft saß Darla in ihrem Stuhl. Sie plagte die Ungewissheit, ob sie richtig gehandelt hatte, doch David lächelte sie freundlich an.
„Vielleicht können wir zum Du wechseln? Ich kenne Flann wirklich schon lange. Wir haben vor vielen Jahren unseren heutigen Obersten Richter aus dem Killkenny Castle befreit, dabei hat er uns den Rücken freigehalten. Damals war er, glaube ich, Chronist.“
Daran, dass er dort gearbeitet hatte, erinnerte sie sich sofort.
„Gerne, nur wie soll das denn alles funktionieren? Mein Onkel wird den Befehl geben, Flanns Familie zu töten, sobald er mit seinem Rechtsanwalt spricht. Sollten seine Handlanger vorher irgendetwas mitbekommen, geht eine Nachricht an den, der die Aufzeichnungen von Flanns Verwandlung hat.“
David nickte leicht.
„Das habe ich durchaus verstanden, aber dein Onkel wird mit niemandem, außer meinen Leuten sprechen.“
Irritiert sah sie ihn an.
„Ich verstehe das nicht, darüber hinaus fürchte ich, einen Fehler gemacht zu haben.“
Geschmeidig stand der Wächter auf.
„Lass uns ins Wohnzimmer gehen, dort ist es bequemer.“
Gemeinsam gingen sie in einen Raum, der eine atemberaubende Aussicht auf das Meer bot. Außerdem war er gemütlich eingerichtet mit genug Platz für die vielen Menschen, die sich in dem Gebäude aufhielten.
Höflich bot David ihr an, sich zu setzen.
„Leg deine Sachen ruhig ab, hier stiehlt niemand.“
Erst jetzt bemerkte Darla, dass sie sich an den Rucksack klammerte. Schnell stellte sie ihn neben die Couch, ehe sie sich setzte.
„In den hundert Jahren, seit ich Flann das letzte Mal gesehen habe, ist eine ganze Menge passiert. Unsere Ärzte haben eine Methode entwickelt, mit der sie Gedanken entfernen. Manchmal geht das schief, dann bleiben Zombies übrig, die sich nicht mehr selbst versorgen können. Dafür gibt es unser Pflegeheim.“
Erstaunt musterte Darla ihn. Wollte er sie auf den Arm nehmen? Oder war die Lösung wirklich so einfach?
„Du kannst mir vertrauen. Ich habe keinen Grund zu lügen.“
David deutete auf die Bar.
„Darf ich dir etwas zu trinken anbieten?“
Schüchtern nickte sie.
„Ein Glas Wasser wäre toll.“
Die ganze Situation überforderte sie, trotzdem bekam sie langsam das Gefühl, dass sie genau den richtigen Schritt unternommen hatte.
Ihr Gastgeber öffnete die Tür und fragte höflich nach dem Getränk für Darla.
„Glaubst du wirklich, dass dich jemand gehört hat?“
Er hatte normal gesprochen und bei der Größe des Hauses müsste die Person direkt im Gang gewesen sein.
Ehe er antworten konnte, brachte ein junger Mann ihr das Gewünschte.
„Danke, Lorenz“, rief David ihm nach, als dieser bereits aus dem Raum war.
Darla nahm einen Schluck, sie war völlig verwirrt.
„Ich sehe schon, Flann war ziemlich oberflächlich, was uns angeht, oder?“
Stumm nickte sie.
„Die männlichen Wächter sind alle Gestaltwandler. Wir haben hier eine bunte Mischung von einem Luchs bis hin zu einem Drachen.“
Erneut musterte sie den Mann skeptisch.
„Sind die nicht ausgestorben?“
Ihre Stimme klang ein wenig spöttisch, doch David nahm es ihr nicht übel.
„Das dachten wir auch, bis wir Jorgan fanden, der verletzt in unserem Wald lag.“
Jetzt sah sie ihn entschuldigend an.
„Es tut mir leid, aber ich bewege mich erst seit Kurzem in eurer Welt.“
Lachend winkte David ab.
„Das sind Interna, die kaum jemand außerhalb dieser Mauern erfährt. Genau wie die Information, dass wir Gedanken löschen können. Das muss unbedingt unter uns bleiben. Du kannst dir sicherlich vorstellen, was unseren Ärzten blüht, wenn sich das herumspricht.“
Schnell nickte sie.
„Weißt du, ab und zu werden Menschen in unsere Angelegenheiten verwickelt. Wir bringen sie ins Krankenhaus, wo das Wissen über die magische Welt vernichtet wird. Stattdessen erzählen wir ihnen meistens, dass sie einen schweren Unfall hatten. Wir müssen uns schützen, denn keiner hat das Bedürfnis, in einem Labor als Testobjekt zu landen.“
Das verstand Darla sehr gut. Trotzdem hatte sie Angst, dass etwas schiefging.
„Aber ihr könnt doch nicht alle Kunden meines Onkels operieren. Oder geht das so schnell?“
David schüttelte den Kopf.
„Du hast recht, dazu sind wir kaum in der Lage. Wir werden zuerst herausfinden, wo die Aufzeichnungen von Flann sind und natürlich, ob es noch weitere belastende Unterlagen gibt, die die magische Welt verraten. Anschließend zerstören wir das Gehirn deines Onkels, sodass er nur die grundlegenden Kenntnisse behält. Er wird sich bewegen, essen und sprechen können, aber nicht viel mehr. Ihm ist also ein Platz in unserem Pflegeheim sicher.“
David trank einen Schluck Orangensaft, den er sich eingeschenkt hatte, während Darla an ihrem Wasser nippte.
„Was ist mit seinen Leuten? Sie haben unter Umständen den Befehl, alles auffliegen zu lassen oder Flanns Familie zu töten.“
Beruhigend lächelte David ihr zu.
„Sobald dein Onkel unter dem Messer liegt, hat Gerry, unser Arzt kompletten Zugriff auf seine Gedanken. Nach der Operation wissen wir genau, welche Order wie ausgeführt werden soll. Zuerst geben wir die Nachricht heraus, dass er einen schweren Autounfall hatte und noch nicht ansprechbar ist. Das verschafft uns Zeit. Wir holen uns die Leute, die für uns gefährlich sind, dann erst streuen wir die Information, dass Demmers Gehirn leider unwiderruflich geschädigt ist.“
Das könnte sogar klappen.
„Und was ist mit den Zuschauern? Sie fragen doch bestimmt nach neuen Kämpfen, oder?“
Erneut lächelte David.
„Wen sollen sie denn ansprechen, wenn dein Onkel ein Zombie ist? Sie werden wohl kaum zur Polizei laufen. So wie du erzählt hast, gibt es eine Verschwiegenheitsklausel, außerdem will erfahrungsgemäß keiner dieser Gangster auffallen.“
Erst jetzt atmete sie ein wenig auf, bis ihr ein anderer Gedanke kam.
„Aber ihr werdet Flann einsperren. Immerhin hat er gegen euer Gesetz verstoßen.“
Bei der Vermutung lachte David laut auf.
„Du hast komische Ideen, Darla. Niemand wird bestraft, weil er gezwungen wurde. Ihm ist ein Fehler unterlaufen, mehr nicht.“
Genau in dem Augenblick flog die Tür auf und im nächsten Moment drückte Flann sie an sich.
„Du bist gefahren wie der Henker, stimmts?“, wollte David von Logan wissen, aber das bekam Darla nur am Rande mit.
„Gott sei Dank, es geht dir gut. Demmer hat mich angerufen. Als ich dich danach nicht auf deinem Handy erreichen konnte, dachte ich mir schon, dass du eine Dummheit machst.“
Ernst sah er sie an.
„Was hast du dir nur dabei gedacht? Die Jungs hier sind kaum in der Lage zu zaubern.“
Jetzt räusperte David sich.
„Doch, sind wir und du wüsstest es, wenn du mir wenigstens etwas vertraut hättest.“
Irritiert sah Flann sich um, ehe er seinen Freund umarmte.
„Es tut gut, dich zu sehen, aber es bedeutet für mich auch die Katastrophe schlechthin. Ich muss sofort meine Mutter und meine Schwester warnen.“
David drückte ihn auf den Platz neben seiner Liebsten, gleichzeitig schüttelte er leicht den Kopf.
„Meine Leute sind schon unterwegs.“
Jetzt atmete Flann sichtbar auf, während er dankbar ein Glas Whiskey von seinem Kumpel entgegennahm.
„Du kannst deiner bezaubernden Gefährtin danken, dass sie dich aus dem Schlamassel herausgeholt hat. Sie hatte nämlich so viel Grips, um uns einzuweihen.“
Der Wächter setzte sich in den Sessel, der gegenüber dem Sofa stand.
Darla, der sich der Kopf vor lauter Neuigkeiten drehte, kuschelte sich dicht an ihren Tiger, dabei überließ sie es David, ihren Gefährten aufzuklären.
„Was sollen wir tun, um Mary, Fenja und mein Mädchen vor Demmer zu schützen? Wir können sie kaum für den Rest ihres Lebens hier einsperren.“
Fragend sah Flann auf seinen Kumpel.
„Ein paar meiner Leute sind auf dem Weg nach Frankfurt, um den netten Herrn herzubitten. Wir bilden einen Stuhlkreis, anschließend ist alles wieder gut.“
Verwirrt sah Darla den Mann an. Hatte er zu viel getrunken? Oder nahm er ihren Tiger einfach nur auf den Arm? Auch der runzelte die Stirn.
„Mir ist gerade nicht nach Scherzen zumute. Du bist doch im Bilde. Was glaubst du, was der Kerl tun wird? Däumchen drehen?“
Jetzt lachte David laut auf.
„Unsere Mediziner haben sich genauso weiterentwickelt wie unsere Techniker. Du hast eine ganze Menge verpasst in all den Jahren, mein Freund. Wir sind in der Lage, Gedanken zu entfernen und natürlich die Informationen, die wir brauchen, aus einem Gehirn herauszulesen.“
Während ihr Liebster aufgeklärt wurde, schloss Darla die Augen.
Der Tag war nervenaufreibend gewesen, außerdem kannte sie die Hintergründe ja bereits.
„Jetzt sag du mir, warum hast du mich nie um Hilfe gebeten?“, erkundigte der Wächter sich, als er mit seinem Bericht fertig war.
Verlegen zuckte Flann mit den Schultern.
„Erstens hatte ich mich damit abgefunden, dass Demmer über mich verfügt. Solange ich tat, was er wollte, war meine Familie in Sicherheit. Als ich meine Kleine kennenlernte, hat sich die Situation geändert. Nur wusste ich nicht, ob der Mistkerl nach dem letzten Kampf eine Abhör-App auf meinem Handy installiert hat. Er hat übrigens Gerüchte über euch gehört, sodass er mir verboten hat herzukommen. Zweitens hatte ich keine Ahnung, dass ihr schon so weit seid.“
Er holte tief Luft.
„Und drittens hatte ich eine Scheißangst, dass durch meine Schuld jemand stirbt, den ich liebe. Gott sei Dank habe ich eine Gefährtin, die zwar ein ziemlicher Sturkopf ist, aber beherzt solche Dinge regelt.“
Sein Arm lag fest um Darlas Schultern, die ihn jetzt glücklich anlächelte.
„Ich wollte einfach bei dir sein, doch dazu musste mein Onkel weg.“
Ihr Gespräch wurde unterbrochen, weil jetzt Jorgan mit Mary zurückkam.
Die schwarzhaarige Frau umarmte zuerst ihren Sohn, anschließend zog sie auch Darla an sich.
„Ich freue mich, dass wir uns endlich kennenlernen. Allerdings hätte ich mir andere Umstände gewünscht. Was ist eigentlich hier los?“
Fragend sah sie in die Runde, woraufhin Flann ihr eine kurze Zusammenfassung lieferte.
Für einen Moment schloss sie die Augen, dann blickte sie Darla dankbar an.
„Ich muss zugeben, dass ich nicht begeistert war, als mein Sohn mir erzählte, dass ausgerechnet Demmers Verwandte seine Seelengefährtin ist. Nur jetzt verdanken wir dir einfach alles.“
Sie setzte sich neben ihre zukünftige Schwiegertochter und drückte sie fest an sich.
„Meinst du, euer Arzt schafft es, den Chip in Flanns Nacken zu entfernen? Ich bin zwar in der Lage, ihn zu deaktivieren, bin aber unsicher, ob er trotzdem noch geortet werden kann.“
Darla sah David an, doch Logan kam ihm zuvor.
„Das ist kein Problem für Gerry. Der Mann ist fähig, Gedanken herauszuoperieren. Mach dir keine Sorgen, Kleine, mein Bruder befreit deinen Gefährten von dem Teil.“
David sah auf sein Smartphone und schmunzelte.
„Wo wir gerade beim Thema sind. Wenn du willst, schalte das Ding ruhig aus. Unsere Jungs befinden sich schon auf dem Rückweg, allerdings sind ihnen insgesamt fünf Leute ins Netz gegangen. Demmer war wohl in einer Besprechung, in der es um den nächsten Kampf ging. Einer hat sich vor Angst gleich in die Hose gepinkelt.“
Bei der Aussage lachten Flann und Darla befreit auf.
„Das muss Thorsten sein. Er ist ein riesiger Feigling, außerdem hat er ein Auge auf mein Mädchen geworfen. Er gehört zu den Koordinatoren der Show.“
Steward setze sich zu ihnen, dabei bekam er Flanns letzten Satz mit.
„Dann sollte er seine Erinnerung an diese Sache besser schnell verlieren, oder?“
Flann stimmte von Herzen zu.
„Und bitte entfernt die Gedanken, die mit meiner Gefährtin zu tun haben. Seine Anbaggerversuche sind einfach nur lästig. Darüber hinaus hat er versucht, sie zu vergewaltigen.“
Alle wandten sich jetzt Darla zu, die verlegen abwinkte.
„Flann war früh genug da. Es ist nichts passiert, aber er hat recht, es wäre schön, wenn der Idiot mich endlich vergisst.“
Die Wächter versicherten, dass sie ihnen auch in der Sache halfen, ehe die Haushälterin Ellie zum Abendessen rief.
Natürlich hatte Steward ihr bereits mitgeteilt, dass es ein paar Gäste geben würde.
Pünktlich, als das Essen auf dem Tisch stand, kamen Fenja, Patrick und Victoria zurück.
Fenja baute sich vor ihrem Bruder auf, um ihm zornig ins Gesicht zu sehen.
„Kannst du mir mal sagen, was das hier soll? Du bist in Gefahr, deshalb muss ich mein Leben aufgeben?“
Flann lachte leise, genauso war seine Schwester, sie bekam immer nur die Hälfte mit.
„Ich freue mich, dich wiederzusehen.“
Er überwand ihre Gegenwehr mit Leichtigkeit und zog sie in eine feste Umarmung.
„Es geht nicht darum, dich auf Dauer festzuhalten. Aber wir sollten erst essen“, mischte sich jetzt Patrick ein.
Höflich deutete er auf einen Platz am Tisch, ehe er sich zu seiner Gefährtin setzte.
Während sich alle über die neuesten Ereignisse unterhielten, bekam Fenja von ihrem Bruder ein kurzes Update.
„Dann ist der Spuk endlich vorbei? Ehrlich?“
Ein glückliches Lächeln machte sich auf ihrem Gesicht breit.
„Noch nicht ganz. Unsere Leute sind mit Demmer und einigen seiner Handlanger auf dem Weg hierher. Sobald sie hier eintreffen, werden wir die Informationen holen, die nötig sind, um die Beweise zu vernichten. Erst danach seid ihr endgültig frei. Weil wir aber nicht wussten, ob es Komplikationen gibt, haben wir euch hergeholt“, erklärte David freundlich.
Fenja nickte leicht.
„Wir möchten, dass ihr unsere Gastfreundschaft in Anspruch nehmt, bis wir die Operationen durchgeführt haben. Ist das in Ordnung?“
Stew sah sie abwartend an.
„Natürlich, sollte doch noch etwas schiefgehen, können wir einen neuen Plan machen.“
Flann sprach aus, was alle dachten, sodass sich das Gespräch schnell erfreulicheren Themen zuwandte.
Scherzworte flogen durch den Raum, dabei war die gesamte Stimmung so gelöst, dass auch Darla sich langsam entspannte.
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„Sag mal, Flann, wir kennen uns doch, oder? Irgendwie kommst du mir bekannt vor.“
Steward betrachtete den Tiger nachdenklich.
„Ja, er war es, der das Feuer gelegt hat, als wir Ronwe befreit haben. Der alte Zausel hatte sich mit dem Kleriker in Kilkenny Castle angelegt“, mischte David sich ein.
Die Frau neben Stew stieß warnend die Luft aus, woraufhin David abwehrend die Hände hob.
„Du weißt, dass ich deinen Großvater mag, aber damals war er wirklich extrem zerstreut, sonst hätten sie ihn niemals einsperren können.“
Sofort lachte sie mit ihm.
„Ja, das gebe ich zu.“
Jetzt drehte sie sich zu Darla.
„Ich bin übrigens Patricia, die Gefährtin von Steward und Enkelin unseres obersten Richters.“
Sie lächelte der anderen Frau freundlich zu.
„Ich freue mich, dich kennenzulernen. Es muss aufregend sein, wenn man so viel erlebt, wie ihr. Dagegen ist mein Leben fast langweilig.“
Sofort lachten die drei Gefährtinnen auf, die ebenfalls im Wohnzimmer saßen.
„Auf einige Erfahrungen hätte ich besser verzichtet. Ich bin Emily, die Gefährtin von David. Falls ihr möchtet, dann verbringt doch mal ein Wochenende mit uns. Wir besitzen ein hübsches Cottage ein paar Kilometer von Ballygannon entfernt.“
Erfreut nickte Darla, während auch Flann zustimmte.
„Darauf kommen wir gerne zurück, aber sobald die Sache ausgestanden ist, will ich zuerst mein Mädchen nach Hause bringen.“
Das verstanden natürlich alle.
„Wohnt ihr nicht hier? Das Gebäude ist so riesig, da ist bestimmt Platz genug“, wollte Darla jetzt neugierig wissen.
„Wir haben im Hauptquartier gewohnt, als wir noch Junggesellen waren. Nur mit Familie möchte man doch etwas mehr Privatsphäre. Die Welpen, also unsere jüngsten Mitglieder, besitzen keine eigenen Häuser, wir älteren schon. Allerdings ziehen wir es vor, zusammenzubleiben, so stehen unsere Cottages alle in einer kleinen Siedlung“, erklärte David lächelnd, während er Emily an sich zog.
„Ich bin übrigens Joleen. Normalerweise verkrieche ich mich im Computerraum, so wie Nerds das halt tun, wenn ich mich nicht um unsere Zwillinge kümmere“, stellte sich jetzt die dritte Frau vor.
Logan zog sie fest an sich, wobei man deutlich sah, wie sehr er sie liebte.
„Wir waren so dumm. Hätten wir uns bloß früher an euch gewendet“, murmelte Fenja, der langsam bewusst wurde, dass der Albtraum vorbei war.
„Niemand weiß, dass wir in der Lage sind, Gedanken zu entfernen. Das muss auch so bleiben. So gesehen gab es keine Hoffnung, selbst wenn ihr uns kontaktiert hättet.“
Steward sah sie eindringlich an.
„Wir werden bestimmt kein Wort darüber verlieren und da spreche ich für meine gesamte Familie“, versprach Flann, woraufhin Stew zufrieden nickte.
Der Abend tat Darla genauso gut, wie das gemeinsame Abendessen. Sie hörte gespannt zu, sobald die Gestaltwandler über ihre Abenteuer berichteten, lachte mit den Frauen, die diese Heldengeschichten zurechtrückten, und unterhielt sich abwechselnd mit Mary oder Fenja.
„Wir würden uns jetzt gerne zurückziehen. Der Tag war verdammt lang und noch aufregender.“
Flann sah David an, nachdem Darla bereits zum wiederholten Male gegähnt hatte.
„Die Idee ist gut. Fenja und ich können uns ein Bett teilen“, stimmte Mary zu, die auch gegen die Müdigkeit ankämpfte.
„Kommt, ich zeige euch die Zimmer.“
Der Wächter stand auf, küsste seine Frau, anschließend brachte er die Gäste in den Flur.
Gerade als sie die Treppe erreichten, flog die Tür auf. Brian, Gerry und Caitlin trieben Demmer zusammen mit seinen Leuten rein.
Darla sah auf ihren Onkel, der sich wild wehrte, während der Rest jetzt auch aus dem Wohnzimmer kam.
„Alles in Ordnung?“, erkundigte Steward sich, woraufhin Caitlin grinsend nickte.
„Natürlich, niemand hat uns bemerkt, denn Brian ist der Beste, wenn es darum geht, Schlösser zu knacken oder Alarmanlagen auszuschalten. Wir sind Profis, Onkelchen. Nur mein Wortschatz, was deutsche Schimpfwörter angeht, ist beachtlich gewachsen.“
„Nimm deine dreckigen Finger von mir, du Wichser. Ihr seid so was von geliefert, ihr Arschkrampen. Ich bin ein deutscher Bürger! Ich habe Rechte!“, schrie der Verbrecher in dem Augenblick los.
„Siehst du, das meine ich. Der flucht schon die ganze Zeit so. Zuerst hat er versucht zu handeln, als das nicht klappte, hat er gedroht. Jetzt beschimpft er uns.“
Als Demmers Blick auf seine Nichte fiel, verstummte er sofort, doch in seinen Augen flammte ein Hass auf, der seinesgleichen suchte.
„Du bist genauso eine verräterische Hure wie deine Mutter. Nur sie habe ich beseitigen lassen, was ich bei dir versäumt habe.“
Bei den Worten drängte sie sich an den anderen vorbei, um vor ihm stehen zu bleiben.
Einen Moment sah sie ihn direkt an, dann atmete sie tief durch.
„Ich würde dich ja hassen, aber selbst das Gefühl ist in deinem Fall Verschwendung, Onkel. Nein, ich bemitleide dich, weil du niemals erfahren wirst, was Liebe ist. Du warst immer zu selbstsüchtig, um wirkliche Gefühle zu empfinden. Tja, jetzt ist es zu spät.“
Mit den Worten drehte sie sich um und folgte David, der bereits auf der Treppe stand.
„Der dort braucht frische Hosen und eine Dusche“, bemerkte Brian, was Darla am Rande mitbekam.
Als sie sich umdrehte, deutete er gerade auf Thorsten, woraufhin sie sich ein spöttisches Auflachen verkneifen musste.
„Was habt ihr mit uns vor?“
Demmers keifende Stimme übertönte alles andere.
„Wieso hast du sie eigentlich nicht wieder betäubt, als wir im Van saßen?“, erkundigte sich Caitlin, dabei wandte sie sich an einen ruhigen, schwarzhaarigen Mann.
„Wahrscheinlich, weil Gerry so verhindert hat, dass ihr den Abschaum tragen müsst“, vermutete Logan.
Darla wollte jetzt endgültig ins Bett, zumal ihr die Gegenwart ihres Onkels zuwider war.
„Bleib stehen, du hinterlistige Schlampe, und erklär mir, was hier gespielt wird. Oder glaubst du, dass das keine Konsequenzen für dich hat?“
Einen Moment überlegte sie, dann stellte sie sich erneut vor ihn.
„Oh doch, es wird Konsequenzen haben. Wir werden endlich frei sein. Aber du ... lass es mich so sagen, du kennst den Film Einer flog über das Kuckucksnest , oder?“
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, ging sie mit David, Fenja, Mary und Flann die Treppe hoch, während die restlichen Wächter Demmer zusammen mit seinen Leuten in eine Gefängniszelle am anderen Ende des Ganges sperrten.
„Du hast dich absolut richtig verhalten. Vergifte nicht dein Herz durch Hass.“
Mary sah Darla liebevoll an, ehe sie ihre zukünftige Schwiegertochter in die Arme schloss.
„Außerdem war das Gesicht dieses Idioten Gold wert“, fügte Fenja hinzu.
Sie wünschten sich eine gute Nacht, ehe sie in ihren Zimmern verschwanden.
„Ich bin so stolz auf dich, mein Mädchen. Du hast uns alle gerettet“, bemerkte Flann, als sie endlich neben ihm im Bett lag.
„Du glaubst nicht, wie viele Bedenken ich hatte. Ich zittere immer noch vor Angst, wenn ich daran denke, dass es hätte schiefgehen können.“
Zärtlich zog der Tiger sie in seine Arme.
„Du bist das Beste, was mir passieren konnte. Ich liebe dich.“
Mit einem Lächeln auf den Lippen schlief sie ein.
~~°~~
Es war bereits Mittag, als Flann sich zusammen mit Darla zu Fenja, Mary, David und Emily ins Esszimmer setzte.
„Ich hoffe, ihr habt gut geschlafen?“, erkundigte David sich höflich.
Darla nickte.
„Ja, so gut wie schon lange nicht mehr.“
Sie wollten gerade mit einem verspäteten Frühstück anfangen, als auch Gerry mit einer Frau hereinkam, die sofort für eine warme, hoffnungsvolle Stimmung sorgte.
Es schien, als ob die Farben heller wurden, gleichzeitig bekam der gesamte Raum einen goldenen Schimmer.
„Hey, alle zusammen. Ich bin Lea, die Partnerin von Gerry.“
Sie reichte den Besuchern die Hand, ehe sie sich auf den Schoß ihres Liebsten setzte, der sich müde auf einen Stuhl fallen gelassen hatte.
„Wir sind fertig. Demmer kann sich ohne Hilfe nicht mal mehr anziehen. Was für ein Mistkerl! Wusstet ihr, dass er seinen Bruder und dessen Ehefrau hat umbringen lassen, weil er die Firma für sich haben wollte?“, bemerkte Gerry.
Als sein Blick auf Darlas entsetztes Gesicht fiel, stoppte er verlegen.
„Es tut mir leid, ich hätte vorsichtiger sein müssen.“
Sofort winkte sie ab.
„Nein, es wird Zeit, dass ich die Wahrheit erfahre. Nur was soll das bedeuten, dass er sein Geschäft nicht für sich hat? Mein Vater war doch nur ein Angestellter.“
Eine Ahnung beschlich sie, bei der sie die Hände zu Fäusten ballte.
„Was die illegalen Teile anging, stimmt das wohl, aber die Softwarefirma gehörte zur Hälfte seinem Bruder. Jetzt bist du stolze Besitzerin der Firma und einer großen Anzahl verbrecherischer Unternehmen. Demmer hatte seine Finger fast überall drin.“
Entsetzt schüttelte Darla den Kopf.
„Auf keinen Fall mache ich da mit. Ich lasse mich nicht in die Machenschaften dieses Mörders reinziehen.“
Verstehend nickte Gerry, genauso würde er auch handeln.
„Wir werden die Firmen für dich auflösen, wenn du willst. Allerdings solltest du dich daran gewöhnen, dass du mindestens so reich bist wie dein Gefährte“, bot David jetzt grinsend an.
„Das ... muss ... ein Traum ... sein“, stammelte sie, doch dann wandte sie sich wieder dem Arzt zu.
„Ist es wirklich vorbei?“
Bei der Frage betrat Steward den Raum.
„Ja, ist es. Ihr seid frei und könnt tun, was immer ihr wollt. Demmers Leute erinnern sich an gar nichts mehr, selbst dich haben sie vergessen. Wir mussten sie eben vom tragischen Unfall ihres Arbeitgebers in Kenntnis setzen, in den sie auch verwickelt waren. Um den Rest kümmern wir uns. Wir werden die entsprechenden Unterlagen vernichten und in zwei bis drei Wochen bekannt geben, dass der Unternehmer Matthias Demmer leider so schwere Kopfverletzungen davongetragen hat, dass er ein Pflegefall ist, ohne Aussicht auf Heilung.“
Emily klatschte begeistert in die Hände. Sie liebte es, wenn am Ende alles gut ausging.
„Dann könnt ihr ja ein paar Tage bei uns bleiben. Ich würde die Freunde meines Mannes gerne kennenlernen.“
Auffordernd sah sie in die Runde, doch Flann schüttelte leicht den Kopf.
„Sei mir nicht böse, wir kommen ein anderes Mal, aber jetzt möchte ich mein Mädchen endlich nach Hause bringen.“
Da war es wieder, dieses zauberhafte Wort, das alle Sehnsüchte in Darla weckte: zu Hause!
David stimmte ihnen zu, ihm würde es genauso gehen, wohingegen Fenja und Mary das freundliche Angebot annahmen.
„Vielen, vielen Dank für alles. Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder. Sollte ich bei irgendetwas helfen können, weißt du ja, wo du mich findest.“
Darla strahlte David an, der sie freundschaftlich an sich drückte.
„Ihr seid bei uns immer willkommen. Passt auf euch auf.“
David drehte sich zu Flann um, den er ebenfalls umarmte.
„Wenn du dieses Goldstück jemals verlässt, dann bekommst du meine Peitsche zu spüren.“
Der Wächter flüsterte nur, allerdings sorgte er dafür, dass auch Darla ihn hörte.
„Keine Sorge, jetzt lasse ich mein Mädchen nie wieder gehen.“
Glücklich winkten sie den Leuten zu, während sie mit dem Van, der allen der Truppe zur Verfügung stand, vom Parkplatz fuhren.
In ein paar Tagen, wenn David Fenja und Mary nach Hause brachte, würde er Lorenz bei ihnen absetzen, damit er das Fahrzeug zurückholen konnte.
Auf der Rückfahrt ließen sie noch einmal die Ereignisse Revue passieren. Darla erzählte, wie sie die SIM-Karte zusammen mit ihrem Smartphone losgeworden war und ihren Plan umgesetzt hatte.
Sie beschrieb ihm auch ihre Busfahrt mit der seltsamen alten Dame.
„Glaubst du, dass das ein Leprechaun war?“
Lächelnd zuckte Flann mit den Schultern.
„Wer weiß das schon, aber eins ist sicher, es war eine mitfühlende Seele.“
Jetzt berichtete der Tiger, dass Demmer ihm die Hölle heißgemacht hatte, bis dieser bemerkte, dass Darla tatsächlich nicht in Reaniesglen war.
Die Fahrt verging und endlich standen sie vor dem gemütlichen, kleinen Cottage.
Sie stiegen schweigend aus, gingen ein paar Schritte auf die Klippen zu, wo Flann sein Mädchen mit dem Rücken an seine Brust zog. Beschützend schlang er die Arme um sie, während sie hinaus aufs Meer blickten, wo die Sonne Diamanten auf der Wasseroberfläche erscheinen ließ.
„Jetzt lass ich dich nie wieder gehen“, flüsterte er.
Glücklich schmiegte Darla sich an ihren Tiger. In dem Augenblick wurde ihr bewusst, dass sie zu Hause angekommen war.